Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 V 297



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Urteilskopf

139 V 297

38. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. W. gegen
Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_62/2013 vom 27. Mai 2013

Regeste

Art. 13 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern (gültig gewesen bis 31. März 2012); gemeinschaftsrechtliche
Kollisionsregeln.
Ob eine Person arbeitnehmend oder selbstständigerwerbend im Sinne von Art. 13
ff. der Verordnung Nr. 1408/71 ist, wird aufgrund des nationalen Rechts
desjenigen Staates bestimmt, in welchem die jeweilige Tätigkeit ausgeübt wird.
Erst dadurch lässt sich die zutreffende Kollisionsnorm und folglich das
anwendbare Recht ermitteln (Bestätigung der Rechtsprechung von BGE 138 V 533;
E. 2).

Regeste

Art. 42 Abs. 2 AHVV; Verzugszins auf nachgeforderten Beiträgen.
Art. 42 Abs. 2 AHVV beruht auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage und der
darin festgelegte Zinssatz von 5 % pro Jahr ist nicht gesetzeswidrig oder gar
willkürlich (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 298

BGE 139 V 297 S. 298

A. W., wohnhaft in der Schweiz, ist Kommanditist der X. GmbH & Co. KG,
Deutschland, und zugleich angestellter Geschäftsführer sowohl der
Tochtergesellschaft Y. GmbH, Deutschland, als auch von deren Zweigniederlassung
Z. in der Schweiz. Das kantonale Steueramt machte der Ausgleichskasse am 7.
Dezember 2010 und am 28. März 2011 für die Jahre 2004 bis 2008 Meldung über im
Ausland erzieltes Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Mit Verfügungen vom
4. Oktober 2011 setzte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen die Beiträge
des W. für das Jahr 2006 auf Fr. 179'205.60, für das Jahr 2007 auf Fr.
208'113.60 und für das Jahr 2008 auf Fr. 207'574.20 fest, was sie mit
Einspracheentscheid vom 6. März 2012 bestätigte. Am 6. Oktober 2011 verfügte
sie des Weitern Verzugszinsen in der Gesamthöhe von Fr. 110'619.85 (Fr.
42'710.65 für Beiträge 2006; Fr. 39'194.75 für Beiträge 2007 und Fr. 28'714.45
für Beiträge 2008). Diesbezüglich stellte W.
BGE 139 V 297 S. 299
lediglich ein Erlassgesuch, worüber die Ausgleichskasse erst nach
rechtskräftigem Entscheid über die Beitragspflicht zu entscheiden gedachte.

B. Die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 6. März 2012 wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 14. November 2012
ab mit der Begründung, die dem Beschwerdeführer aus der X. GmbH & Co. KG
zufliessenden Beteiligungserträge stellten Einkünfte aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit dar.

C. W. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem
Antrag, der Entscheid vom 14. November 2012 sowie die Beitrags- und
Verzugszinsverfügungen vom 4. und 6. Oktober 2011 seien aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Nicht umstritten ist der schweizerische Wohnsitz des Beschwerdeführers und
dessen unselbstständige Erwerbstätigkeit als Geschäftsführer in der Schweiz.
Streitig ist, ob seine Einkünfte, die er in den Jahren 2006 bis und mit 2008
als Gesellschafter (d.h. Kommanditist) der X. GmbH und Co. KG erhalten hat und
die betragsmässig nicht angefochten werden, als Einkommen aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 20 Abs. 3 AHVV (SR
831.101) einer Beitragspflicht unterliegen. Sodann bestreitet der
Beschwerdeführer die Verzugszinsforderungen.

1.2 Das kantonale Gericht erwog, für die hier umstrittenen Beitragsjahre 2006
bis 2008 seien Art. 14c Bst. a und Art. 14d Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr.
1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige,
die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121; nachfolgend:
Verordnung 1408/71), massgeblich. Daher unterliege der Beschwerdeführer, der
als Geschäftsführer der Zweigniederlassung Z. in der Schweiz eine
unselbstständige Tätigkeit ausübe, dem schweizerischen Recht, womit auch Art.
20 Abs. 3 AHVV anwendbar sei. Danach sei der Tatbestand einer
beitragspflichtigen selbstständigen Erwerbstätigkeit erfüllt, weil es sich bei
der deutschen GmbH & Co.
BGE 139 V 297 S. 300
KG um eine auf einen Erwerbszweck gerichtete Personengesamtheit ohne
juristische Persönlichkeit handle. In Bezug auf die Verzugszinsen hat das
kantonale Gericht festgehalten, diese seien "in masslicher Hinsicht" nicht
angefochten.

2.

2.1 Es liegt ein länderübergreifender Sachverhalt vor, der auf der Grundlage
von Art. 8 und 15 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedern andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) in
Verbindung mit Art. 3 Abschnitt A Ziff. 3 und 4 Anhang II FZA grundsätzlich
nach den Bestimmungen der Verordnung 1408/71 sowie der Verordnung (EWG) Nr. 574
/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr.
1408/71 (AS 2005 3909; nachfolgend: Verordnung 574/72) zu beurteilen ist.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die für die Schweiz erst ab
1. April 2012 geltende Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; vgl. Art. 3 Abschnitt A Ziff. 1 Anhang II FZA)
unter intertemporalrechtlichem Aspekt nicht anwendbar (vgl. BGE 130 V 445 E.
1.2.1 S. 447), geht es doch in concreto um Beiträge für die Jahre 2006 bis
2008.
Die Art. 13 bis 17a der Verordnung 1408/71 entscheiden als Kollisionsnormen
über die anzuwendenden Rechtsvorschriften, während die Art. 10b bis 14 der
Verordnung 574/72 lediglich Vorschriften zur Durchführung der Kollisionsnormen
enthalten. Als Grundregel bestimmt Art. 13 Ziff. 1 Verordnung 1408/71, dass
Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines
Mitgliedstaates unterliegen.

2.2 Eine Person, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine
abhängige Beschäftigung und eine selbstständige Tätigkeit ausübt, unterliegt -
abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen - den Rechtsvorschriften
des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie eine abhängige Beschäftigung ausübt,
oder, falls sie eine solche Beschäftigung im Gebiet von zwei oder mehr
Mitgliedstaaten ausübt, den nach Artikel 14 Nummer 2 oder Nummer 3 bestimmten
Rechtsvorschriften (Art. 14c lit. a Verordnung 1408/71).
Eine Person, die gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten
abhängig beschäftigt - und wie hier nicht Mitglied des
BGE 139 V 297 S. 301
fahrenden oder fliegenden Personals eines Unternehmens - ist, unterliegt den
Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie
ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Staates ausübt oder wenn sie für
mehrere Unternehmen oder mehrere Arbeitgeber tätig ist, die ihren Sitz oder
Wohnsitz im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten haben (Art. 14 Abs. 2 Bst. b
Ziff. i Verordnung 1408/71).
Eine Person, für die namentlich Artikel 14 Absätze 2 und 3 oder Artikel 14c
Buchstabe a) gilt, wird für die Anwendung der nach diesen Bestimmungen
bestimmten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte
Erwerbstätigkeit oder ihre gesamten Erwerbstätigkeiten im Gebiet des
betreffenden Mitgliedstaats ausübte (Art. 14d Abs. 1 Verordnung 1408/71).

2.3

2.3.1 Für die Anwendung der Art. 14a ("Sonderregelung für andere Personen als
Seeleute, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben") und 14c (" Sonderregelung
für Personen, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine
abhängige Beschäftigung und eine selbstständige Tätigkeit ausüben") der
Verordnung 1408/71 sind unter "Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis" bzw.
"selbstständiger Tätigkeit" diejenigen Tätigkeiten zu verstehen, die im Rahmen
der Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit des Mitgliedstaates, in
dessen Gebiet die Tätigkeit ausgeübt wird, als solche angesehen werden. Es
bestehen mithin keine vertragsautonomen Definitionen im Sinne einer
eigenständigen gemeinschaftsrechtlichen Bedeutung, sondern es sind die
Begriffsbestimmungen im jeweiligen Landesrecht massgeblich (BGE 138 V 533 E.
5.2 S. 541 f. mit Hinweisen auf Urteile des EuGH und Literatur).
Etwas anderes sieht auch die Wegleitung des Bundesamtes für
Sozialversicherungen über die Versicherungspflicht in der AHV/IV (WVP) nicht
vor. Nach Rz. 2013 und 2014 WVP (in den seit 1. Januar 2010 geltenden Fassungen
www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/1635) hängt die
Versicherungsunterstellung von Personen, die in mehreren Staaten arbeiten,
davon ab, ob sie unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig sind. Das
Beitragsstatut (Arbeitnehmende oder Selbstständigerwerbende) wird aufgrund des
nationalen Rechts desjenigen Staates bestimmt, in welchem die jeweilige
Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Bei einer in Frankreich und in der Schweiz
erwerbstätigen Person beispielsweise ist für die
BGE 139 V 297 S. 302
in Frankreich ausgeübte Tätigkeit gemäss dem französischen Recht und für die in
der Schweiz ausgeübte Tätigkeit nach dem AHVG zu bestimmen, ob es sich um eine
selbstständige oder eine unselbstständige Erwerbstätigkeit handelt. Diese
Regeln beziehen sich indessen lediglich auf die Frage nach dem anwendbaren
Recht; sie besagen noch nichts über die konkrete beitragsrechtliche
Qualifikation eines bestimmten Einkommensteils, wenn die Unterstellung unter
die schweizerischen Rechtsvorschriften feststeht (vgl. Rz. 2013 WVP).

2.3.2 Demzufolge ist dem Beschwerdeführer insoweit beizupflichten, als im
konkreten Fall grundsätzlich zunächst nach deutschem Recht zu entscheiden ist,
ob die Stellung als Kommanditist bei einer deutschen GmbH und Co. KG als
(selbst- oder unselbstständige) Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist. Erst
dadurch lässt sich die zutreffende Kollisionsnorm und folglich das anwendbare
Recht ermitteln.

2.4

2.4.1 Ist nach deutschem Recht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als
Kommanditist bei einer deutschen GmbH und Co. KG einer selbstständigen
Erwerbstätigkeit nachgeht, ist er aufgrund der Bestimmungen von Art. 14c Bst. a
Verordnung 1408/71 der schweizerischen Rechtsordnung unterstellt. Das gilt auch
unter Berücksichtigung der Tätigkeit als Geschäftsführer der Y. GmbH in
Deutschland, und zwar unbesehen, ob es sich dabei - ebenfalls nach deutschem
Recht - um eine selbstständige oder abhängige Beschäftigung handelt.

2.4.2 Ist hingegen nach deutschem Recht in der Stellung als Kommanditist eine
unselbstständige Erwerbstätigkeit zu erblicken, beruht die Unterstellung unter
schweizerisches Recht auf Art. 14 Abs. 2 Bst. b Ziff. i Verordnung 1408/71.
Wird in dieser Konstellation die Tätigkeit als Geschäftsführer der Y. GmbH in
Deutschland als selbstständig qualifiziert, kommt weiterhin Art. 14c Bst. a
Verordnung 1408/71 zur Anwendung, was am Ergebnis der Unterstellung nichts
ändert.

2.4.3 Liegt indessen, wie der Beschwerdeführer geltend macht, nach deutschem
Recht als Kommanditist überhaupt keine Erwerbstätigkeit vor, so ist dieser
Umstand kollisionsrechtlich von vornherein nicht von Belang: Die
"Nicht-Erwerbstätigkeit" ist kein Tatbestandselement der Art. 13 bis 17a
Verordnung 1408/71. In dieser Situation ist Art. 14 Abs. 2 Bst. b Ziff. i resp.
Art. 14c Bst. a Verordnung 1408/71
BGE 139 V 297 S. 303
ausschliesslich mit Blick auf die Tätigkeit als Geschäftsführer der Y. GmbH in
Deutschland anwendbar (vgl. E. 2.4.2). Sieht man von dieser Betätigung ab,
verbleibt eine Erwerbstätigkeit in nur einem Staat, mithin in der Schweiz.
Damit sind die Kollisionsnormen der Verordnung 1408/71 nicht einschlägig, und
der Beschwerdeführer untersteht auch in diesem Fall der schweizerischen
Rechtsordnung.

2.4.4 Nach dem Gesagten steht fest, dass die sozialversicherungsrechtliche
Unterstellung und folglich auch die Beitragspflicht ausschliesslich nach
schweizerischem Recht zu beurteilen ist. Das Gemeinschaftsrecht ersetzt oder
modifiziert nicht das materielle einzelstaatliche Recht; es verweist lediglich
auf die Rechtsordnung, der eine Person unterworfen ist, und sagt namentlich
nichts aus über die Beitragspflicht, die sich erst aus der anwendbaren
Rechtsordnung ergibt (MAXIMILIAN FUCHS, Europäisches Sozialrecht - eine
Einführung, in: Europäisches Sozialrecht, Fuchs [Hrsg.], 4. Aufl. 2005, S. 12;
CADOTSCH/CARDINAUX, Les effets de l'accord sur l'assujettissement et
l'obligation de cotiser à l'AVS, in: Das Personenver kehrsabkommen mit der EU
und seine Auswirkungen auf die soziale Sicherheit der Schweiz, 2001, S. 133;
vgl. auch Art. 14d Abs. 1 Verordnung 1408/71 und Rz. 2013 WVP).

2.5

2.5.1 Unter dem Titel "Beiträge vom Einkommen aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit" bestimmt Art. 20 Abs. 3 AHVV, dass die Teilhaber von
Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie von anderen auf einen Erwerbszweck
gerichteten Personengesamtheiten ohne juristische Persönlichkeit die Beiträge
von ihrem Anteil am Einkommen der Personengesamtheit zu entrichten haben.

2.5.2 Das Bundesgericht hat sich in BGE 136 V 258 einlässlich mit der Frage
nach der Gesetzmässigkeit von Art. 20 Abs. 3 AHVV auseinandergesetzt und sie
erneut bejaht. Entscheidend für die Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 3 AHVV ist
damit einzig, ob es sich um eine auf einen Erwerbszweck gerichtete
Personengesamtheit ohne juristische Persönlichkeit handelt. Dies trifft auf die
deutsche GmbH und Co. KG zu. Es kommt daher nicht darauf an, wie im Einzelfall
die Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft sind, und ob die Beteiligung nach
deutschem Recht als (selbst- resp. unselbstständige) Erwerbstätigkeit oder als
blosse (private) Vermögensverwaltung qualifiziert wird (BGE 136 V 258 E. 4.8
und 5 S. 267).
BGE 139 V 297 S. 304

2.6 Demnach unterliegen die Einkünfte des Beschwerdeführers als Kommanditist
der X. GmbH und Co. KG in - hier angezeigter (E. 2.4.4) - Anwendung von Art. 9
Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 AHVV als Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit der Beitragspflicht.

3.

3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet erstmals im letztinstanzlichen Verfahren
die Verzugszinspflicht, und zwar auch für den Fall, dass die
Beitragsforderungen bestätigt werden. Er macht im Wesentlichen eine fehlende
Gesetzmässigkeit, insbesondere des Zinssatzes, geltend, was als rechtliche
Argumentation nicht von vornherein unzulässig ist (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).

3.2 Zunächst ist indessen fraglich, ob die Vorinstanz, auch wenn sie die
Verzugszinsverfügungen in ihre Erwägungen einbezogen hat, dispositivmässig
überhaupt über die entsprechenden Forderungen entschieden hat und diesbezüglich
für das bundesgerichtliche Verfahren ein Anfechtungsobjekt vorliegt (Art. 86
Abs. 1 lit. d BGG; vgl. BGE 125 V 413 E. 1 S. 414 f.). Gegenstand des
vorinstanzlichen Verfahrens bildete der Einspracheentscheid vom 6. März 2012.
Dass gegen die Verzugszinsverfügungen Einsprache erhoben wurde, ist nicht
ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht; damit unterlagen sie
grundsätzlich auch nicht der Beschwerde an das kantonale Gericht (vgl. Art. 56
Abs. 1 ATSG [SR 830.1]). Die Frage kann letztlich offengelassen werden: Auch
wenn von einer (impliziten) Ausweitung des Anfechtungsgegenstandes durch die
Vorinstanz (BGE 130 V 501 E. 1.2 S. 503; BGE 122 V 34 E. 2a S. 36 mit
Hinweisen; Urteil 9C_488/2012 vom 25. Januar 2013 E. 3.1) auszugehen ist,
ergibt sich nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers (E. 3.3).

3.3

3.3.1 Für fällige Beitragsforderungen und Beitragsrückerstattungsansprüche sind
Verzugs- und Vergütungszinsen zu leisten (Art. 26 Abs. 1 ATSG). Gemäss Art. 41^
bis Abs. 1 lit. b AHVV haben Beitragspflichtige auf für vergangene
Kalenderjahre nachgeforderten Beiträgen ab dem 1. Januar nach Ablauf des
Kalenderjahres, für welches die Beiträge geschuldet sind, Verzugszinsen zu
entrichten. Der Satz für die Verzugs- und der Vergütungszinsen beträgt 5
Prozent im Jahr (Art. 42 Abs. 2 AHVV).

3.3.2

3.3.2.1 Art. 41^bis Abs. 1 AHVV ist gesetzeskonform und die Verzugszinspflicht
findet in Art. 26 Abs. 1 ATSG (in Verbindung mit
BGE 139 V 297 S. 305
Art. 1 Abs. 1 AHVG) eine genügende gesetzliche Grundlage, auch wenn in dessen
deutscher und französischer Version von "fälligen" Beitragsforderungen
gesprochen wird. Die Auslegung dieser Bestimmung ergibt keine Anhaltspunkte,
die gegen die weitere Anwendbarkeit der Verzugszinsordnung des Art. 41^bis AHVV
und des damit im Zusammenhang stehenden Art. 42 Abs. 2 und 3 AHVV sprechen (BGE
134 V 202 E. 3.2 S. 205).

3.3.2.2 Dem Verzugszins kommt die Funktion eines Vorteilsausgleichs wegen
verspäteter Zahlung der Hauptschuld zu. Die Verzugszinsen bezwecken,
unbekümmert um den tatsächlichen Nutzen und Schaden, den Zinsverlust des
Gläubigers und den Zinsgewinn des Schuldners in pauschalierter Form
auszugleichen. Hingegen weist der Verzugszins nicht pönalen Charakter auf und
ist unabhängig von einem Verschulden am Verzug geschuldet. Für die
Verzugszinspflicht im Beitragsbereich ist daher nicht massgebend, ob den
Beitragspflichtigen, die Ausgleichskasse oder eine andere Amtsstelle ein
Verschulden an der Verzögerung der Beitragsfestsetzung oder -zahlung trifft (
BGE 134 V 202 E. 3.3.1, 3.3.2 und 3.5 S. 206 f.).
Nebst dem pauschalen Ausgleich von Zinsgewinn und -verlust - der überdies für
Verzugs- und Vergütungszinsen gleich hoch ausfällt - bezweckt der Verzugszins
zusätzlich eine Abgeltung des administrativen Aufwands für die verspätete resp.
nachträgliche Beitragserhebung und für die Erhebung des Verzugszinses selbst.
Auch wenn sich gewisse Abweichungen zu den jeweils geltenden Zinssätzen auf dem
Geld- und Kapitalmarkt ergeben, sind diese systemimmanent und bedürfen nur dann
einer Korrektur, wenn Abweichungen über längere Zeit hinweg und in
beträchtlichem Ausmass bestehen. Der AHV-rechtliche Verzugszins ist ferner
nicht mit einem Marktzins zu vergleichen. Vielmehr handelt es sich um einen
"technischen" Zinssatz. Er wurde vom Bundesrat im Rahmen der gesetzlich an ihn
delegierten Kompetenz in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen AHV-Kommission
(vgl. Art. 73 AHVG) und den Fachkommissionen so festgesetzt, dass er in dem für
die Sozialversicherung eigenen Inkasso- und Bezugsverfahren von den mit der
Durchführung der AHV beauftragten Ausgleichskassen ohne allzu grossen
administrativen Aufwand effizient angewendet werden kann (ZAK 1990 284, H 170/
89 E. 4b/ee und 4b/ff).

3.3.3 Ein Grund, von der in E. 3.3.2 dargelegten Rechtsprechung grundsätzlich
abzuweichen (vgl. BGE 136 III 6 E. 3 S. 8; BGE 135 I 79 E. 3 S. 82;
BGE 139 V 297 S. 306
BGE 134 V 72 E. 3.3 S. 76), ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend
gemacht. Daher lässt sich aus einem "seit Jahren herrschenden Zinsniveau von
1-2 %" allein noch nicht auf fehlende Gesetzmässigkeit schliessen. Dagegen
spricht auch der Umstand, dass mit Art. 104 Abs. 1 OR formellgesetzlich ein
Verzugszinssatz von 5 % festgelegt ist, welche Bestimmung im Verwaltungsrecht
bei fehlender Anordnung als allgemeiner Rechtsgrundsatz analog Anwendung findet
(HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, S. 41 Rz.
191 und S. 175 Rz. 756 ff.; vgl. auch SVR 2001 BVG Nr. 16 S. 63, B 43/98 E. 4b;
UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 38 zu Art. 26 ATSG mit
Hinweisen).

3.3.4 Nach dem Gesagten beruht Art. 42 Abs. 2 AHVV auf einer genügenden
gesetzlichen Grundlage und ist auch der darin festgelegte Zinssatz nicht
gesetzeswidrig oder gar willkürlich (vgl. BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133; BGE 133
I 149 E. 3.1 S. 153 mit Hinweisen). Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt
unbegründet.