Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 I 145



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Urteilskopf

139 I 145

13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Migrationsamt und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_240/2012 vom 15. März 2013

Regeste

Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b und Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG; Art.
96 Abs. 1 AuG; Art. 8 Ziff. 1 und 2 EMRK; Aufenthalts- und
Niederlassungsbewilligung; Verhältnismässigkeitsprüfung beim Vorliegen von
Widerrufsgründen.
Wiederholung der massgeblichen Kriterien für die Abwägung zwischen den
öffentlichen Fernhalteinteressen und den privaten Interessen des Ausländers am
Verbleib in der Schweiz (E. 2.4 und 2.5).
Grundsätzliches Festhalten an der sog. "Reneja"-Praxis, wonach einem Ausländer
nach bloss kurzer Aufenthaltsdauer und bei einer Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr in der Regel selbst dann kein
Aufenthaltstitel mehr zu erteilen ist, wenn der schweizerischen Ehepartnerin
die Ausreise nicht oder nur schwer zuzumuten ist. Wie bisher stellt diese sog.
"Zweijahresregel" aber - ungeachtet der Art der Delinquenz - keine feste Grenze
dar. Entscheidend ist stets das Gesamtbild eines jeden Einzelfalles, welches
anhand von sämtlichen massgeblichen Kriterien zu bewerten ist. Trotz der
Verurteilung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe erweist sich die
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung im vorliegenden Fall, namentlich
aufgrund der familiären Situation des Betroffenen, als unverhältnismässig
(Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4-3.9).

Sachverhalt ab Seite 146

BGE 139 I 145 S. 146

A. Der 1986 geborene afghanische Staatsangehörige X. reiste im Jahr 2001 in die
Schweiz ein und ersuchte hier ohne Erfolg um Asyl. Noch während des
Rechtsmittelverfahrens vor der damaligen Asylrekurskommission heiratete X. am
6. September 2005 eine 1976 geborene Schweizerin, worauf ihm eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt und letztmals bis zum 5. September 2010
verlängert wurde. Aus der Ehe ging am 21. September 2007 ein Sohn hervor.
BGE 139 I 145 S. 147
Mit Urteil vom 28. April 2010 verurteilte ihn das Kreisgericht Toggenburg
namentlich wegen verschiedenen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.
zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Dem Urteil lag insbesondere
zugrunde, dass X. in der Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 total
60 Gramm Kokaingemisch und 125 Gramm Heroingemisch (entsprechend 17,75 Gramm
reinem Heroin) verkauft hatte. Zudem hatte X. am 2. April 2008 in Winterthur an
einem Treffen teilgenommen, bei welchem es um die Beschaffung von einem
Kilogramm Heroin gegangen war. Im Zusammenhang mit den obengenannten Taten
befand sich X. während 127 Tagen in Untersuchungshaft.
Mit Verfügung vom 24. November 2010 verweigerte das Migrationsamt des Kantons
Zürich die weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X. unter Hinweis
auf dessen Delinquenz.

B. Gegen die Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung rekurrierte X.
ohne Erfolg bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich: Diese wies den
Rekurs mit Entscheid vom 2. November 2011 ab. Hiergegen führte X. Beschwerde
beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches das Rechtsmittel mit Urteil
vom 8. Februar 2012 abwies.

C. Mit Eingabe vom 14. März 2012 führt X. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er stellt im Wesentlichen den Antrag, es
sei das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihm die
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG (SR 142.20) erlöschen die Ansprüche nach
Art. 42 AuG u.a., wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen. Einen
derartigen Widerrufsgrund setzt ein Ausländer insbesondere dann, wenn er "zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde" (Art. 63 Abs. 1 lit. a
in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG). Als längerfristig im Sinne von Art. 62
lit. b AuG gilt eine Freiheitsstrafe, wenn ihre Dauer ein Jahr überschreitet (
BGE 135 II 377 E. 4.2 und 4.5 S. 379 ff.).

2.2 Liegt ein Widerrufsgrund vor, so ist zu prüfen, ob diese Massnahme bzw. die
Nichtverlängerung der Bewilligung auch als verhältnismässig erscheint (vgl.
Art. 96 AuG; BGE 135 II 377 E. 4.3
BGE 139 I 145 S. 148
S. 381 mit Hinweisen). Die Notwendigkeit einer Verhältnismässigkeitsprüfung
ergibt sich insbesondere auch aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK: Danach ist ein Eingriff
in das von Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Familienleben dann statthaft, wenn er
gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer
demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche
Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder
zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und Moral
sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig erscheint. Die Konvention
verlangt insofern eine Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten Interessen
an der Bewilligungserteilung und den öffentlichen Interessen an deren
Verweigerung, wobei Letztere in dem Sinne überwiegen müssen, dass sich der
Eingriff als notwendig erweist (BGE 135 I 153 E. 2.2.1 S. 156, BGE 135 I 143 E.
2.1 S. 147; BGE 122 II 1 E. 2 S. 6 mit Hinweisen).

2.3 Im Zusammenhang mit der aufgezeigten Verhältnismässigkeitsprüfung
entwickelte das Bundesgericht die sogenannte "Reneja-Praxis". Diese beruht
ursprünglich auf BGE 110 Ib 201, wo der Anwesenheitsanspruch eines
marokkanischen Staatsangehörigen zu beurteilen war, welcher eine Schweizerin
geheiratet und sich erst wenige Jahre in der Schweiz aufgehalten hatte, bevor
er wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Zuchthausstrafe von 24 Monaten
verurteilt worden ist. Das Bundesgericht bejahte in jenem Fall einen
grundsätzlichen Anspruch auf Anwesenheit, zumal der schweizerischen Ehefrau die
Ausreise nach Marokko nicht zugemutet werden könne und die privaten Interessen
an einer (weiteren) Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im konkreten Fall
gewichtiger seien als das öffentliche Interesse an einer Wegweisung. Das
Gericht betonte indes, dass jener Fall verglichen mit zahlreichen anderen
Fällen aussergewöhnlich sei. In der Folge entwickelte die Rechtsprechung aus
diesen Erwägungen den Grundsatz, dass einem Ausländer, welcher mit einer
Schweizer Bürgerin verheiratet ist und erstmals oder nach bloss kurzer
Aufenthaltsdauer um die Erneuerung seiner Bewilligung ersucht, im Falle einer
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren in der Regel selbst dann
kein Aufenthaltstitel mehr zu erteilen ist, wenn der schweizerischen
Ehepartnerin die Ausreise nicht oder nur schwer zuzumuten ist. In BGE 135 II
377 E. 4.4 S. 382 f. hat das Bundesgericht diesen Grundsatz bestätigt.
Gleichzeitig rief es aber in Erinnerung, dass es sich bei dieser sog.
"Zweijahresregel" keinesfalls um eine feste Grenze handle, die nicht über- oder
unterschritten werden dürfe; entscheidend sei weiterhin die Abwägung
BGE 139 I 145 S. 149
der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen im Einzelfall.

2.4 Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind namentlich die Schwere des
Verschuldens, der Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen
Anwesenheit in der Schweiz sowie die dem Betroffenen und seiner Familie
drohenden Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Art. 96 Abs. 1 AuG sowie die bis
31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Art. 11 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 26.
März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG;BS 1 121] und
Art. 16 Abs. 3 derVollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV; AS 1949 228]). Ähnliche
Vorgaben ergeben sich auchaus der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR): Demgemäss sind die Natur und die Schwere der begangenen
Delikte sowie die seit der Tatbegehung verstrichene Zeit und das seitherige
Verhalten der betreffenden Person zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind auch
die Dauer des Aufenthaltes der ausländischen Person im Gastgeberstaat und die
Intensität ihrer sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl im
Gastgeberstaat als auch im Heimatland. Ebenso ist die familiäre Situation des
Betroffenen zu beachten, namentlich die Dauer seiner Ehe, die
Staatsangehörigkeit sämtlicher beteiligter Personen sowie übrige Umstände,
welche Rückschlüsse auf die effektive Natur der Paarbeziehung erlauben.
Massgebend ist weiter, ob die Ehegattin bzw. der Ehegatte der betreffenden
ausländischen Person bei Aufnahme der familiären Beziehung von deren
deliktischen Handlungen gewusst hatte. Ferner spielt auch eine Rolle, welche
Probleme die Ehegattin bzw. der Ehegatte bei einer gemeinsamen Ausreise ins
Heimatland des Partners zu gegenwärtigen hätte. Zu prüfen ist sodann, ob aus
der Beziehung Kinder hervorgegangen sind und in welchem Alter sich diese
gegebenenfalls befinden. Insbesondere sind auch die Interessen und das Wohl der
Kinder des Betroffenen von Bedeutung, wobei namentlich deren mutmasslichen
Schwierigkeiten bei der Rückkehr in ihr Heimatland Rechnung zu tragen ist
(Urteile des EGMR Kissiwa Koffi gegen Schweiz vom 15. November 2012 § 63;
Boultif gegen Schweiz vom 2. August 2001 § 48; vgl. auch die Urteile des EGMR
Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006 § 57 sowie Maslov gegen Österreich
vom 23. Juni 2008 § 57 f.).

2.5 Was das Fernhalteinteresse anbetrifft, so muss gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei schweren Straftaten - wozu grundsätzlich
auch Drogendelikte aus rein finanziellen Motiven
BGE 139 I 145 S. 150
gehören - selbst ein geringes Restrisiko weiterer Delinquenz nicht in Kauf
genommen werden (BGE 130 II 176 E. 4.2-4.4 S. 185 ff. mit Hinweisen). Auch der
EGMR akzeptiert ausdrücklich, dass bei Betäubungsmitteldelinquenz von einer
gewissen Schwere ein strenger Massstab angelegt wird; gemäss seiner Praxis
überwiegt bei Betäubungsmitteldelikten regelmässig das öffentliche Interesse an
der Beendigung des Aufenthalts (Urteile des EGMR Kissiwa Koffi gegen Schweiz
vom 15. November 2012 § 65 ff., 71; Balogun gegen Vereinigtes Königreich vom
10. April 2012 § 49 ff., 53; Baghli gegen Frankreich vom 30. November 1999 § 48
f.; Dalia gegen Frankreich vom 19. Februar 1998 § 54 f.).
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmungen von Art. 121 Abs. 3-6 BV
hinzuweisen, welche mit Volksabstimmung vom 28. November 2010 in die Verfassung
aufgenommen wurden und seither in Kraft stehen (AS 2011 1199). Gemäss diesen
Bestimmungen verlieren Ausländerinnen und Ausländer unabhängig von ihrem
ausländerrechtlichen Status ihr Aufenthaltsrecht sowie alle Rechtsansprüche auf
Aufenthalt in der Schweiz, wenn sie unter anderem wegen "Drogenhandels"
rechtskräftig verurteilt worden sind (Art. 121 Abs. 3 lit. a BV). In BGE 139 I
16 und 31 hat das Bundesgericht entschieden, dass die Bestimmungen in Art. 121
Abs. 3-6 BV nicht hinreichend klar formuliert sind, um eine direkte
Anwendbarkeit begründen zu können. Eine unmittelbare Anwendung stünde auch im
Widerspruch zu anderen für die Schweiz verbindlichen verfassungs- und
völkerrechtlichen Vorgaben, namentlich zu den die schweizerische
Verfassungsordnung prägenden Grundsätzen rechtsstaatlichen Handelns (Art. 5 BV:
Bindung an das Recht, Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben, Beachtung des
Völkerrechts) und zum Respekt der verfassungsmässigen Rechte (BGE 139 I 16 E.
4.3.2 ff.). Ein Spannungsverhältnis besteht insbesondere auch zwischen Art. 121
Abs. 3-6 BV und Art. 8 Ziff. 2 EMRK, zumal die zur letzteren Bestimmung
ergangene Rechtsprechung des EGMR - wie bereits aufgezeigt - eine
Interessenabwägung im Einzelfall verlangt (vgl. E. 2.2 hiervor). Indessen hat
der EGMR wiederholt erklärt, dass den Behörden eines jeden Konventionsstaates
ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Umsetzung ihrer Migrations- und
Ausländerpolitik und damit auch bei der Interessenabwägung von Art. 8 Ziff. 2
EMRK verbleibt (Urteile des EGMR Kissiwa Koffi gegen Schweiz vom 15. November
2012 § 64; Slivenko gegen Lettland vom 9. Oktober 2003 § 113). In den genannten
BGE 139 I 16 E. 5.3 und BGE 139 I 31 E. 2.3.2 hat das Bundesgericht deshalb
festgehalten, es könne
BGE 139 I 145 S. 151
der vom Verfassungsgeber zum Ausdruck gebrachten Wertung insoweit Rechnung
tragen, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht bzw. zu keinen
Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führe, den der EGMR den einzelnen
Konventionsstaaten bei der Umsetzung ihrer Migrations- und Ausländerpolitik
zugestehe.

3. Die Anwendung dieser allgemeinen Überlegungen auf den hier zu beurteilenden
Fall ergibt Folgendes:

3.1 Aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer "längerfristigen"
Freiheitsstrafe von zwei Jahren ist vorliegend ein Widerrufsgrund nach Art. 62
lit. b AuG i.V.m Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG gegeben, was der Beschwerdeführer zu
Recht nicht bestreitet. Umstritten und somit im Nachfolgenden zu prüfen ist
dagegen die Verhältnismässigkeit der angeordneten Massnahme.

3.2 Das Verwaltungsgericht hält diesbezüglich im angefochtenen Entscheid fest,
der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten zumindest eventualvorsätzlich in
Kauf genommen, die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr zu bringen. Er habe
auch nicht deswegen mit Drogen gehandelt, um beispielsweise seine eigene Sucht
zu finanzieren, sondern einzig mit dem Zweck der persönlichen Bereicherung. Im
Zeitpunkt der Tat sei er gut zweieinhalb Jahre verheiratet gewesen und habe
einen knapp einjährigen Sohn gehabt. Trotz dieser familiären Bindungen und der
damit einhergehenden Verpflichtung habe er sich bewusst für das Verbrechen
entschieden und so fehlendes Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Dem
Beschwerdeführer fehle es zudem an aufrichtiger Reue und Einsicht: Nachdem er
anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht Toggenburg schlussendlich
geständig gewesen sei, habe er ein halbes Jahr später gegenüber der
Kantonspolizei Zürich wiederum erklärt, er halte sich nach wie vor für
unschuldig. Aufgrund der genannten Umstände erscheine ein Rückfall als
wahrscheinlich, was gerade bei Drogendelikten nicht hinnehmbar sei. Obwohl der
Beschwerdeführer seit nunmehr elf Jahren in der Schweiz lebe, habe er kaum
Beziehungen zu Schweizer Staatsangehörigen aufgebaut; als Freunde bzw. Bekannte
bezeichne er ausschliesslich Personen aus seinem Kulturkreis, namentlich zwei
Iraner und einen Afghanen. Weiter hielt das Verwaltungsgericht fest, es sei
zwar fraglich, aber doch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die schweizerische
Gattin dem Beschwerdeführer ins Ausland nachfolgen könnte. Gleiches gelte für
den Sohn, welcher sich noch in einem anpassungsfähigen Alter
BGE 139 I 145 S. 152
befinde. Letztlich könne die Frage nach der Zumutbarkeit eines Nachzugs ins
Ausland aufgrund der Schwere der vom Beschwerdeführer verübten Delikte aber
offenbleiben.

3.3 Der Beschwerdeführer führt demgegenüber ins Feld, die vom Kreisgericht
Toggenburg beurteilten Delikte gingen auf das Jahr 2008 zurück und er habe sich
seither wohlverhalten. Er komme seinen Verpflichtungen als Ehemann und als
Vater nach und betreue gemeinsam mit seiner Ehefrau auch ein Pflegekind der
Gemeinde. Er gehe einer geregelten Erwerbstätigkeit nach, wofür er auch lange
Arbeitswege in Kauf nehme. Bezüglich seiner Drogenverkäufe und seines Konsums
habe er vor dem Kreisgericht Toggenburg ein detailliertes Geständnis abgelegt;
der Vorwurf, er habe den Erwerb eines Kilogramms Heroin beabsichtigt, beruhe
dagegen einzig auf den fragwürdigen Aussagen eines Mitbeschuldigten. Aufgrund
dieser Umstände könne von fehlender Einsicht und von einer hohen Rückfallgefahr
keine Rede sein. Ebenso könne auch nicht einzig deswegen auf eine mangelnde
gesellschaftliche Integration geschlossen werden, weil er auf die Frage nach
seinem Freundes- und Bekanntenkreis bloss drei aus seinem Kulturkreis stammende
Personen angegeben habe. Weiter müsse nicht mit einer künftigen
Sozialhilfeabhängigkeit gerechnet werden, da er lediglich im Juni und Juli 2009
vom Sozialamt unterstützt worden sei und er diese Leistungen in der
Zwischenzeit zurückbezahlt habe. Schliesslich dürften die Vorinstanzen nicht
davon ausgehen, dass seiner schweizerischen Ehefrau und seinem Sohn eine
Ausreise nach Afghanistan zuzumuten sei: Auch wenn seine Gattin persische
Gruss- und Dankesformeln kenne, so bedeute dies nicht, dass sie die Sprache gut
verstehe. Im Zusammenhang mit diesen Vorbringen rügt der Beschwerdeführer eine
Verletzung von Art. 42 Abs. 1 und Art. 62 lit. b AuG, Art. 8 EMRK sowie von
Art. 9 BV.

3.4 Die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten, insbesondere der wiederholte
Verkauf von harten Drogen, wiegen schwer. Mit Recht erachtet es das
Verwaltungsgericht zudem als bedenklich, dass der Beschwerdeführer ohne Not und
trotz seiner familiären Verankerung in die Delinquenz abrutschte. Ebenso kann
das Ausmass seiner Reue angesichts des erst an der Hauptverhandlung abgelegten
Geständnisses und dem erneuten Bestreiten anlässlich einer späteren Einvernahme
in Frage gestellt werden. Sodann spricht auch das Strafmass von zwei Jahren für
ein gravierendes Verschulden des Beschwerdeführers und für eine erhebliche
Geringschätzung der schweizerischen Rechtsordnung. Wie bereits ausgeführt (vgl.
E. 2.3
BGE 139 I 145 S. 153
hiervor), stellt die sog. "Zweijahresregel" aber - ungeachtet der Art der
Delinquenz - keine feste Grenze dar, die nicht über- oder unterschritten werden
dürfte. Entscheidend ist stets das Gesamtbild eines jeden Einzelfalles, welches
anhand von sämtlichen der massgeblichen Kriterien (vgl. E. 2.4 hiervor) zu
beurteilen ist.

3.5 Im Zusammenhang mit den genannten Kriterien ist festzuhalten, dass der
Beschwerdeführer nunmehr bereits seit zwölf Jahren in der Schweiz lebt, erst
als Asylbewerber und seit 2005 mit einer regulären Aufenthaltsbewilligung. Die
Delikte, welche Anlass zur Nichtverlängerung der Bewilligung gaben, fanden im
Jahr 2008 statt und liegen somit inzwischen über vier Jahre zurück. Seither hat
sich der Beschwerdeführer - soweit ersichtlich - keine Verfehlungen mehr zu
Schulden kommen lassen. Bezüglich seiner gesellschaftlichen Integration ist zu
bemerken, dass der Beschwerdeführer - abgesehen von kurzen Unterbrüchen - stets
gearbeitet hat und jedenfalls so gut Deutsch spricht, dass die polizeiliche
Befragung zu den im Raum stehenden Massnahmen ohne Dolmetscher durchgeführt
werden konnte.

3.6 Ebenso gilt es zu beachten, dass wohl die vom Beschwerdeführer bezeichneten
Freunde aus dem persischen Kulturkreis kommen mögen, nicht jedoch seine
schweizerische Ehefrau, mit welcher er seit nunmehr über sieben Jahren
verheiratet ist. Dieser ist eine Ausreise nach Afghanistan angesichts der
desolaten humanitären Situation und der selbst für afghanische Staatsangehörige
existenzbedrohenden Sicherheitslage (dazu BVGE 2011/7 sowie 2011/38 und 2011/
49) offensichtlich nicht zuzumuten, selbst wenn sie über rudimentäre Kenntnisse
der persischen Sprache und der lokalen Kultur im Herkunftsland ihres Gatten
verfügen sollte. Da die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten erst rund
drei Jahre nach der Eheschliessung und rund ein Jahr nach Geburt des
gemeinsamen Kindes erfolgten, konnte die schweizerische Gattin bei Gründung der
familiären Gemeinschaft noch keine Kenntnis hiervon haben, weswegen sie zu
jenem Zeitpunkt auch nicht mit der Anordnung von fremdenpolizeilichen
Massnahmen gegenüber ihrem Ehemann rechnen musste.

3.7 Von ausschlaggebender Bedeutung ist im vorliegenden Fall namentlich auch
die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem inzwischen fünfjährigen Sohn:
Gemäss den übereinstimmenden Angaben der Ehegatten hat sich das Familienleben
insbesondere seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der
Untersuchungshaft
BGE 139 I 145 S. 154
intensiviert. Das Vater-Sohn-Verhältnis ist intakt und nach den
vorinstanzlichen Feststellungen unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Sohn
jeweils am Dienstagnachmittag oder am Donnerstagmorgen Ausflüge (See, Fussball,
Einkaufszentrum etc.); das Familienleben wird als harmonisch beschrieben.
Demgegenüber müsste die Ehefrau des Beschwerdeführers im Falle von dessen
Ausreise das gemeinsame Kind alleine betreuen und grossziehen, was eine
erhebliche Erschwernis darstellen würde und der Entwicklung des Kindes
jedenfalls nicht zuträglich wäre.

3.8 Als weiteres Kriterium bei der Interessenabwägung erachtet es das
Bundesgericht als massgeblich, ob es sich beim fehlbaren Ausländer um einen
Rückfalltäter handelt, oder ob die Anlass zu fremdenpolizeilichen Massnahmen
gebende Verurteilung das erste gegen ihn ergangene Straferkenntnis darstellt.
Dies erscheint deswegen als bedeutsam, weil ein Rückfalltäter - anders als ein
erstmals verurteilter Delinquent - durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht
hat, dass er sich sogar durch die gegen ihn ausgesprochene Strafe nicht von
weiteren kriminellen Handlungen abhalten lässt. Im vorliegenden Fall stellt das
Urteil des Kreisgerichts Toggenburg vom 28. April 2010 die erste
strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers dar. Da er sich - wie
bereits erwähnt - seither wohlverhalten hat, darf zu seinen Gunsten davon
ausgegangen werden, die dort ausgesprochene Sanktion sei geeignet gewesen, eine
nachhaltige Besserung herbeizuführen.

3.9 Die obenstehenden Erwägungen führen zum Schluss, dass die gegen den
Beschwerdeführer ausgesprochene Massnahme nicht als verhältnismässig bezeichnet
werden kann. Die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers ist daher zu
verlängern. Der Beschwerdeführer ist aber mit Nachdruck darauf hinzuweisen,
dass eine weitere Bewilligungsverlängerung nicht mehr in Frage kommt, sollte er
erneut delinquieren oder durch sein Verhalten einen anderen Widerrufsgrund
setzen. Der Beschwerdeführer wird in diesem Sinne ausdrücklich verwarnt (Art.
96 Abs. 2 AuG).