Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 I 121



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Urteilskopf

139 I 121

10. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. R. gegen
Basler Versicherung AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_602/2012 vom 12. April 2013

Regeste

Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Ausstandsbegehren gegen sämtliche
Mitglieder eines Gerichts.
Der Umstand, dass ein Parteivertreter in Drittverfahren am Gericht ein
Ersatzrichteramt bekleidet, stellt die Unbefangenheit der Gerichtsmitglieder
nicht generell in Frage. Fehlt ein Verbot für das Auftreten von Ersatzrichtern
als Parteivertreter, müssen über die äusseren Gegebenheiten funktioneller und
organisatorischer Natur hinaus Umstände vorliegen, die den Anschein der
Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit der einzelnen
Gerichtsmitglieder zu begründen vermögen (E. 5.2-5.4).
Bestätigung der Rechtsprechung in BGE 133 I 1, gemäss welcher die blosse
Kollegialität unter Gerichtsmitgliedern keine Ausstandspflicht gebietet.

Sachverhalt ab Seite 122

BGE 139 I 121 S. 122

A.

A.a Die Basler Versicherungen AG (nachfolgend: Basler) erbrachte dem 1949
geborenen R. nach einem Zeckenbiss Versicherungsleistungen. Mit Verfügung vom
11. Juni 2010 stellte sie die Heilkosten- und Taggeldleistungen mit sofortiger
Wirkung ein und verneinte einen Anspruch auf weitere Leistungen gemäss UVG, da
die noch geklagten Beschwerden nicht überwiegend wahrscheinlich kausal zum
Zeckenbiss seien. An ihrem Standpunkt hielt sie mit Einspracheentscheid vom 11.
Januar 2011 fest. Dagegen liess R. beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
Beschwerde erheben und die Ausrichtung der gesetzlichen Leistungen der
obligatorischen Unfallversicherung beantragen.

A.b Mit Eingabe vom 4. April 2011 wies der Rechtsvertreter von R. darauf hin,
dass der Rechtsvertreter der Basler, Rechtsanwalt Simon Krauter, als
nebenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau tätig sei, und
verlangte die Überweisung der Sache an das Versicherungsgericht eines andern
Kantons. Nach Durchführung einer Plenarsitzung wies das Verwaltungsgericht das
Ausstandsbegehren mit Entscheid vom 1. Juni 2011 ab.
(...)

A.d Mit Urteil vom 1. Februar 2012 hiess das Bundesgericht die dagegen erhobene
Beschwerde in dem Sinne gut, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 1. Juni 2011 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz
zurückgewiesen wurde, damit ein nach dem Recht des Kantons Thurgau zuständiger
Spruchkörper über das Ausstandsbegehren entscheide.
BGE 139 I 121 S. 123

B. Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 15.
Februar 2012 beschlossen hatte, dass das Verwaltungsgericht zur Prüfung der
Frage der Befangenheit mit den Präsidenten der Rekurskommissionen besetzt werde
und gegen die vorgeschlagene Besetzung keine Einwände erhoben worden waren,
wies das Verwaltungsgericht in ausserordentlicher Besetzung das
Ausstandsbegehren mit Entscheid vom 13. Juni 2012 ab.

C. Mit Verfassungsbeschwerde lässt R. beantragen, der Entscheid des ersatzweise
besetzten Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 13. Juni 2012 sei
aufzuheben, alle haupt- oder nebenamtlichen Richter des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau seien zu verpflichten, bei der Behandlung dieser Sache den
Ausstand zu beachten und es sei an ihrer Stelle das ersatzweise besetzte
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, eventualiter das Versicherungsgericht
eines andern Kantons, zu verpflichten, die Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid der Basler vom 11. Januar 2011 verfahrensleitend zu
behandeln und darüber zu entscheiden.
Die Basler schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Zur Begründung des Ausstandsbegehrens macht der Beschwerdeführer im
Wesentlichen geltend, durch den Anwaltsauftritt eines nebenamtlichen Richters
vor dem eigenen Gericht werde der Anschein der Unbefangenheit der andern
Richterkollegen getrübt, was den Anspruch auf ein unvoreingenommenes und
unabhängiges Gericht nach Art. 30 Abs. 1 BV verletze. Nebstdem führe der
Auftritt des Anwalts der Beschwerdegegnerin vor seinen
Versicherungsrichterkollegen zu einer fehlenden Waffengleichheit und damit zu
einer Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren nach Art. 29 BV und auf
Rechtsgleichheit nach Art. 8 Abs. 1 BV.

4. Streitig ist, ob der Umstand, dass der gegnerische Anwalt Ersatzrichter -
entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht nebenamtlicher Richter -
am Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau ist, einen Ausstandsgrund für die
Richter dieses Gerichts darstellt.

4.1 Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, die in dieser Hinsicht
dieselbe Tragweite besitzen, hat der Einzelne Anspruch
BGE 139 I 121 S. 124
darauf, dass seine Sache von einem durch Gesetz geschaffenen, zuständigen,
unabhängigen und unparteiischen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände
entschieden wird. Ob diese Garantie verletzt ist, prüft das Bundesgericht frei
(BGE 137 I 227 E. 2.1 S. 229 mit Hinweisen).
Unter dem Gesichtswinkel von Art. 30 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK wird
meist die Frage aufgeworfen, ob besondere Umstände betreffend das Verhältnis
zwischen einem Richter und einer Partei bei objektiver Betrachtung geeignet
seien, den Anschein der Befangenheit des Richters zu erwecken. Indessen ist es
denkbar und von der Rechtsprechung ebenso anerkannt, dass - wie hier -
besondere Gegebenheiten hinsichtlich des Verhältnisses zwischen einem Richter
und einem Parteivertreter die Voreingenommenheit des Ersteren begründen können
(BGE 133 I 1 E. 5.2 S. 3 mit Hinweisen).

4.2 Vorliegend steht die Konstellation zur Diskussion, dass ein Parteivertreter
gleichzeitig - in Drittverfahren - ein Ersatzrichteramt bekleidet. Es stellt
sich die Frage, ob in einem solchen Fall darüber hinaus - wie der
Beschwerdeführer geltend macht - der Anspruch auf Waffengleichheit tangiert
wird.

4.2.1 Die Rechtsprechung leitet aus Art. 29 Abs. 1 BV und aus Art. 6 Ziff. 1
EMRK das Gebot eines fairen Verfahrens ab (BGE 133 I 1 E. 5.3.1 S. 4 mit
Hinweisen). Das Gebot der Waffengleichheit bildet daraus einen Teilgehalt. Er
betrifft den Anspruch der versicherten Person, nicht in eine prozessuale Lage
versetzt zu werden, aus der sie keine vernünftige Chance hat, ihre Sache dem
Gericht zu unterbreiten, ohne gegenüber der anderen Partei klar benachteiligt
zu sein (BGE 137 V 210 E. 2.1.2.1 S. 229; BGE 135 V 465 E. 4.3.1 S. 469; je mit
Hinweis auf die Urteile des EGMR Steel und Morris gegen Vereinigtes Königreich
vom 15. Mai 2005, Recueil CourEDH 2005-II S. 45 § 62 und Yvon gegen Frankreich
vom 24. April 2003, Recueil CourEDH 2003-V S. 29 § 31; RENÉ WIEDERKEHR,
Fairness als Verfassungsgrundsatz, 2006, S. 25 ff.). Dieses formale Prinzip ist
schon dann verletzt, wenn eine Partei bevorteilt wird; nicht notwendig ist,
dass die Gegenpartei dadurch tatsächlich einen Nachteil erleidet (BGE 137 V 210
E. 2.1.2.1 S. 229 mit Hinweisen).

4.2.2 Das Bundesgericht hat in BGE 133 I 1 bei der Frage der Unbefangenheit
eines Richters in einem Prozess, in dem das Mitglied einer Rechtsmittelinstanz
als Parteivertreter auftritt, die Problematik des allfälligen Übergewichts
einer Partei wegen der besondern Stellung ihres Rechtsvertreters unter dem
Aspekt der Waffengleichheit
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geprüft. Es hat darauf hingewiesen, dass es jeder Partei freisteht, unter den
zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten diejenigen zu mandatieren,
die ihnen am besten geeignet erscheinen, ihre Interessen wirksam zu verfolgen,
und ist zum Schluss gekommen, dass infolge Fehlens von Anhaltspunkten für die
Gefahr einer Einschüchterung bzw. in Anbetracht des selbstbewussten Vortragens
des Ausstandsbegehrens kein Anlass bestehe, die Ausstandsfrage
verfassungsrechtlich zusätzlich unter dem Gesichtswinkel der Waffengleichheit
zu überprüfen (BGE 133 I 1 E. 5.3 S. 4). Dasselbe hat mangels konkreter
Anhaltspunkte für ein Übergewicht einer Partei für die vorliegende
Konstellation zu gelten.

4.3 Zusammenfassend ist somit das Ausstandsbegehren lediglich im Licht von Art.
30 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu beurteilen. Festzuhalten ist
diesbezüglich vorab, dass sich Ausstandsbegehren rechtsprechungsgemäss nur
gegen (sämtliche) Mitglieder einer Behörde, nicht aber gegen eine Behörde als
solche richten können (Urteil 8C_712/2011 vom 18. Oktober 2011 E. 3.3 mit
Hinweis). Es ist daher zu prüfen, ob konkrete Befangenheitsgründe gegen
einzelne Mitglieder geltend gemacht wurden, welche über eine pauschale
Ablehnung hinausgehen.

5.

5.1 Die Verfahrensgarantie gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
wird verletzt, soweit bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die
den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit des
Gerichtsmitglieds begründen. Solche Umstände können in einem bestimmten
Verhalten des betreffenden Gerichtsmitglieds oder gewissen äusseren
Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Nicht
entscheidend ist das subjektive Empfinden einer Partei; ihr Misstrauen in die
Unvoreingenommenheit muss in objektiver Weise begründet sein. Dabei reicht es
praxisgemäss aus, dass Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den
blossen Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Nicht
verlangt wird, dass das Gerichtsmitglied tatsächlich befangen ist (BGE 138 I 1
E. 2.2 S. 3 f.; BGE 137 I 227 E. 2.1 S. 229; je mit Hinweisen). Mit andern
Worten muss gewährleistet sein, dass der Prozess aus Sicht aller Betroffenen
als offen erscheint. Besondere Gegebenheiten namentlich hinsichtlich des
Verhältnisses zwischen einem Richter und einem Parteivertreter, welche den
objektiven Anschein der Befangenheit des Ersteren zu begründen und daher dessen
Ausstand zu gebieten vermöchten, können
BGE 139 I 121 S. 126
sich gleichermassen auf ein besonders freundschaftliches als auch auf ein
besonders feindschaftliches Verhältnis zwischen Richter und Rechtsvertreter
beziehen. In solchen Situationen kann Voreingenommenheit des Richters indessen
nur bei Vorliegen spezieller Umstände und mit Zurückhaltung angenommen werden.
Erforderlich wäre, dass die Intensität und Qualität der beanstandeten Beziehung
vom Mass des sozial Üblichen abweicht und bei objektiver Betrachtung geeignet
ist, sich auf die Partei selbst und deren Prozess auszuwirken, und derart den
Anschein der Befangenheit hervorzurufen vermag (vgl. Urteil 5A_253/2010 vom 10.
Mai 2010 E.2.2 mit Hinweis auf REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit,
2001, S. 133 und Urteile 1B_303/2008 vom 25. März 2009 E. 2.2 sowie 1P.180/2004
vom 7. Mai 2004 E. 2.5). So hat das Bundesgericht im kürzlich ergangenen BGE
138 I 406 die in BGE 135 I 14 begründete Rechtsprechung bestätigt, wonach ein
als Richter amtierender Anwalt nicht nur dann als befangen erscheint, wenn er
in einem anderen Verfahren eine der Prozessparteien vertritt oder kurz vorher
vertreten hat, sondern auch dann, wenn im anderen Verfahren ein solches
Vertretungsverhältnis zur Gegenpartei einer der Prozessparteien besteht bzw.
bestand, dies jedoch ohne die Doppelfunktion Anwalt/nebenamtlicher Richter
grundsätzlich in Frage zu stellen.

5.2 Vorliegend steht primär zur Diskussion, ob die abgelehnten Richterinnen und
Richter wegen äusserer Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur
den Anschein der Parteilichkeit erwecken. Es geht um die Befürchtung, die
Mitglieder des Gerichts seien nicht mehr unparteiisch und unabhängig, weil der
Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin infolge seiner Ersatzrichtertätigkeit an
diesem Gericht über ein Beziehungsnetz, ein Solidaritätsnetz und ein
Insiderwissen verfüge.

5.3 Im bereits erwähnten BGE 133 I 1 hat das Bundesgericht unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte sowie der Literatur zur Frage der Unparteilichkeit von
Gerichtsmitgliedern an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten, gemäss
welcher die blosse Kollegialität unter Gerichtsmitgliedern keine
Ausstandspflicht gebiete. Es hat der Kritik verschiedener Autoren, wonach die
berufliche Beziehung zwischen dem als Anwalt auftretenden Richter und seinen
mit der Sache befassten Richterkollegen über die üblichen sozialen Bindungen
hinausgehe, zwar nicht jede Berechtigung abgesprochen. Indessen hat es
dargelegt, die bisherige, eine Ausstandspflicht in derartigen
BGE 139 I 121 S. 127
Fällen verneinende Rechtsprechung gründe auf der Überlegung, dass die
Mitglieder eines Kollegialgerichts in ihrer Stellung voneinander unabhängig
seien, und vermöge durch den pauschalen Vorwurf, ein als Anwalt auftretendes
Gerichtsmitglied besitze bei seinen Kollegen regelmässig erhöhte Autorität bzw.
einen Insidervorteil nicht umgestossen zu werden. Es wies darauf hin, die
Gerichtsmitglieder seien persönlich - und nicht etwa als Team - dem Recht
verpflichtet, wobei die öffentliche Urteilsberatung und eine grosszügige
Veröffentlichung der Rechtsprechungsgrundsätze Transparenz gewährten. Das
Bundesgericht bezog sich in BGE 133 I 1 E. 6.4.4 schliesslich auf das Urteil
1P.76/1998 vom 17. März 1998 E. 2, in: ZBl 100/1999 S. 136, in welchem es die
Rüge der Voreingenommenheit eines Verwaltungsrichters zu beurteilen hatte, weil
die Rechtsvertreterin der einen Partei teilamtliche Verwaltungsrichterin sei
und in dieser Funktion mit dem betreffenden Verwaltungsrichter zusammenarbeite.
In dieser - mit der vorliegenden vergleichbaren - Konstellation ist das
Bundesgericht damals zum Schluss gekommen, die allgemeine und vom konkreten
Fall losgelöste Zusammenarbeit zwischen vollamtlichen Richtern einerseits und
teil- oder nebenamtlichen Richtern andererseits sei nicht geeignet, die
Unbefangenheit der Richter generell in Frage zu stellen, wenn in einem
konkreten Fall ein teil- oder nebenamtlicher Richter in seiner privaten
Tätigkeit eine Partei vertritt. Es habe es daher zugelassen, dass Ersatzrichter
eines Gerichts in ihrer anwaltlichen Tätigkeit ihre Parteien vor diesem Gericht
vertreten würden. Mangels Nennung oder Ersichtlichkeit konkreter Umstände,
welche den Verwaltungsrichter als befangen erscheinen liessen, hielt es die
Rüge für unbegründet.

5.4 Von dieser Rechtsprechung abzuweichen besteht vorliegend kein Anlass.

5.4.1 Wohl trifft es zu, dass bei einer Konstellation, in welcher ein
Parteivertreter vor dem Gericht auftritt, an dem er auch als nebenamtlicher
Richter oder Ersatzrichter tätig ist, für Aussenstehende nicht ersichtlich ist,
in welchem Verhältnis der Anwalt zu seinen zeitweiligen Richterkollegen steht
(vgl. KIENER/MEDICI, Anwälte und andere Richter - Zur Befangenheit von Richtern
aufgrund anderer Erwerbstätigkeiten, SJZ 107/2011 S. 381). Solche
Konstellationen sind indessen in der Schweiz relativ häufig. Gerade auch im
Urteil 2P.301/2005 vom 23. Juni 2006, auf welches sich der Beschwerdeführer
beruft, wird darauf hingewiesen, dass das aargauische Recht zwar nicht die
gleichzeitige Tätigkeit voll- und nebenamtlicher Richter als Anwalt, aber eine
solche Tätigkeit doch bei Ersatzrichtern zulasse. Auch
BGE 139 I 121 S. 128
wenn die Ersatzrichter - so das Bundesgericht - nur wenige Fälle pro Jahr
referieren dürften, sei damit ein latentes Risiko von Interessenkollision
verbunden, zumal es ihnen nicht untersagt sei, vor dem gleichen Gericht auch
als Anwalt aufzutreten. Es wies dann jedoch darauf hin, dass bei Ersatzrichtern
erwünscht sei, dass sie Erfahrung aus der Praxis mitbringen, was insbesondere
bei Anwälten der Fall sei (Urteil 2P.301/2005 vom 23. Juni 2006 E. 5.3).

5.4.2 Es wäre zwar grundsätzlich zu begrüssen, wenn ein Richter vor dem
Gericht, dem er ersatzweise angehört, nicht als Parteivertreter auftritt. Weder
aus Art. 30 Abs. 1 BV noch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK kann indessen ein
entsprechendes generelles Verbot abgeleitet werden. Es ist dem zuständigen
Gesetzgeber anheimgestellt, ob er über die verfassungs- und
konventionsrechtlichen Erfordernisse hinausgehen und einem Ersatzrichter das
(berufsmässige) Vertreten Dritter vor dem Gericht, dem er angehört, untersagen
will. Entsprechende Regelungen finden sich in verschiedenen Kantonen wie auch
auf Bundesebene (vgl. Art. 6 Abs. 2 BGG betreffend die nebenamtlichen
Bundesrichterinnen und Bundesrichter; Art. 44 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 19.
März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes
[Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71] für die nebenamtlichen
Richterinnen und Richter des Bundesstrafgerichts; den nebenamtlichen
Richterinnen und Richtern des Bundespatentgerichts ist die Vertretung Dritter
vor dem Gericht gestattet, vgl. Art. 10 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 20. März
2009 über das Bundespatentgericht [Patentgerichtsgesetz, PatGG; SR 173.41] e
contrario). Fehlt - wie vorliegend im Kanton Thurgau - eine solche Bestimmung,
ist es Sache des Gerichts, darüber zu entscheiden, ob im konkreten Fall über
die äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur hinaus
Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der
Voreingenommenheit der einzelnen Gerichtsmitglieder zu begründen vermögen.
Ausser dem pauschalen Vorwurf der fehlenden Unparteilichkeit und Unabhängigkeit
der Richterinnen und Richter zufolge Kollegialität und Insiderwissen bringt der
Beschwerdeführer jedoch nichts vor, was auf Befangenheit der einzelnen
Mitglieder des Gerichts schliessen liesse. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass
die Stellung der Ersatzrichter im Kanton Thurgau sowohl in quantitativer
Hinsicht bei der Fallzuteilung wie auch in qualitativer Hinsicht von derjenigen
der nebenamtlichen Richter abweicht. So hatten die Ersatzrichter bis Ende 2012
an den Plenarsitzungen, sofern sie überhaupt anwesend waren, lediglich
BGE 139 I 121 S. 129
beratende Stimme, seit 1. Januar 2013 auch das nicht mehr (§ 1 Abs. 3 der
thurgauischen Verordnung des Verwaltungsgerichtes vom 8. August 1984 über die
Organisation und den Geschäftsgang in der bis 31. Dezember 2012 geltenden
Fassung [RB 173.21]; § 1 der thurgauischen Verordnung des Verwaltungsgerichts
vom 14. November 2012 über die Organisation und den Geschäftsgang [RB 173.21]
in der ab 1. Januar 2013 in Kraft stehenden Fassung in Verbindung mit § 31 Abs.
1 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 23. Februar 1981 über die
Verwaltungsrechtspflege [RB 170.1]) und verfügen sie über keine Infrastruktur
am Gericht. In keiner Weise macht der Beschwerdeführer sodann geltend, das
bisherige Verhalten der Richterinnen oder Richter lasse an ihrer Neutralität
zweifeln. Es fehlen denn auch entsprechende Anhaltspunkte.

5.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz mit der Abweisung des
Ausstandsbegehrens gegen die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau kein Bundesrecht verletzt hat, weshalb die Beschwerde
abzuweisen ist.