Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 IV 121



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Urteilskopf

139 IV 121

17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und
Mitb. gegen E. und Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland (Beschwerde in
Strafsachen)
1B_7/2013 vom 14. März 2013

Regeste

Legitimation der Privatklägerschaft zur Anfechtung eines
Haftentlassungsentscheids (Art. 382 Abs. 1 StPO, Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG);
Orientierung der Angehörigen des Opfers über die Haftentlassung (Art. 117 Abs.
3 i.V.m. Art. 214 Abs. 4 StPO).
Die Privatklägerschaft ist nicht berechtigt, einen Entscheid über die
Entlassung aus der Untersuchungshaft anzufechten. Dies gilt auch dann, wenn vom
Inhaftierten eine Gefahr für das Leben anderer Personen ausgeht (E. 4).
Angehörige des Opfers, die im Strafverfahren Zivilansprüche geltend gemacht
haben, sind von einer erfolgten Aufhebung der Untersuchungshaft zu informieren
(E. 5).

Sachverhalt ab Seite 122

BGE 139 IV 121 S. 122

A. Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland beschuldigt E., am 26. Dezember 2011
vorsätzlich G. getötet zu haben. E. wurde in Untersuchungshaft versetzt, jedoch
mit Entscheid vom 13. November 2012 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons
Bern unter Anordnung von Ersatzmassnahmen wieder in Freiheit entlassen. Der
Entscheid wurde zunächst nur dem Beschuldigten, dessen Verteidiger und der
Staatsanwaltschaft zugestellt, nicht aber A., B., C. und D., die im
Strafverfahren als Straf- und Zivilkläger auftreten. Bei A. handelt es sich um
den Bruder des Getöteten, bei B., C. und D. um die Kinder. Nachdem die vier auf
Nachfrage hin doch noch von der Haftentlassung erfahren hatten, reichten sie am
30. November 2012 bei der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des
Kantons Bern Beschwerde ein. Sie beantragten in erster Linie, der Entscheid des
Zwangsmassnahmengerichts sei aufzuheben und E. sei wieder in Untersuchungshaft
zu setzen. Zudem verlangten sie, es sei festzustellen, dass ihnen das
Haftentlassungsgesuch und der Haftentlassungsentscheid zu Unrecht nicht
mitgeteilt wurden.
Das Obergericht des Kantons Bern trat mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 auf
die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte es aus, nur die verhaftete
Person sowie die Staatsanwaltschaft seien zur Beschwerde gegen Entscheide über
die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung der Untersuchungshaft legitimiert.
Hinsichtlich der beantragten Feststellung fehle es an einem aktuellen
Rechtsschutzinteresse. Zudem stehe das Orientierungsrecht gemäss Art. 214 Abs.
4 StPO Angehörigen von Opfern ohnehin nicht zu, denn dieses diene nicht der
Durchsetzung der Zivilansprüche, wie von Art. 117 Abs. 3 StPO vorausgesetzt.

B. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 7. Januar 2013 beantragen A., B., C. und
D., es sei festzustellen, dass ihnen das Haftentlassungsgesuch und der
Haftentlassungsentscheid des
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Zwangsmassnahmengerichts zu Unrecht nicht mitgeteilt worden sind. Der
Beschuldigte sei zudem umgehend wieder in Untersuchungshaft zu versetzen.
Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese auf
die Beschwerde vom 30. November 2012 eintrete und darüber materiell entscheide.
(...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4.

4.1 Weiter ist zu prüfen, ob Art. 382 StPO sowie Art. 81 i.V.m. Art. 111 BGG
geboten hätten, dass das Obergericht auf die Beschwerde eintritt.
Vorauszuschicken ist, dass es sich sowohl bei der Schweizerischen
Strafprozessordnung wie auch beim Bundesgerichtsgesetz um Bundesgesetze
handelt. Im Gegensatz zur Situation vor Inkrafttreten der Schweizerischen
Strafprozessordnung, als Art. 111 Abs. 1 BGG entgegenstehende Bestimmungen
kantonaler Strafprozessordnungen ohne Weiteres hinter jene des
Bundesgerichtsgesetzes zurückzutreten hatten (Art. 49 Abs. 1 BV), bestehen
somit seither zwei einander gleichgeordnete Erlasse. Nach wie vor bezweckt
indessen Art. 111 Abs. 1 BGG, Kohärenz im Instanzenzug herzustellen.

4.2 Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG bedarf die Legitimation zur Beschwerde in
Strafsachen eines rechtlich geschützten Interesses an der Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Entscheids. In einer nicht abschliessenden
Aufzählung ("insbesondere") sind unter anderem die beschuldigte Person (Ziff.
1), die Staatsanwaltschaft (Ziff. 3) und die Privatklägerschaft (Ziff. 5)
genannt, wobei für Letztere zusätzlich vorausgesetzt ist, dass sich der
angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der Zivilansprüche auswirken kann.
In der Literatur wurde Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG als "Generalklausel mit
Regelbeispielen" bezeichnet (NIKLAUS SCHMID, Die Strafrechtsbeschwerde nach dem
Bundesgesetz über das Bundesgericht - eine erste Auslegeordnung, ZStR 124/2006
S. 179). Dies bedeutet zum einen, dass die Aufzählung, wie bereits erwähnt,
nicht abschliessend ist. Zum andern hat aber auch nicht in jedem Fall ein
rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids
in einer Strafsache, wer in der Aufzählung ausdrücklich genannt ist. Mit
anderen Worten verleiht die Bestimmung von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG nicht
selbst das rechtlich geschützte Interesse, welches sie voraussetzt. Das
Bundesgericht legte beispielsweise dar, dass die
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beschuldigte Person über kein rechtlich geschütztes Interesse verfügt, wenn
eine Verurteilung infolge Verjährung nicht mehr möglich ist (Urteil 6B_301/2009
vom 17. Juli 2009 E. 1.4 mit Hinweis; vgl. auch BGE 131 IV 191 E. 1.2 S. 193 f.
mit Hinweisen). Umgekehrt bejahte es gestützt auf Art. 3 EMRK die Legitimation
eines Beschwerdeführers, obwohl dieser gegen die von ihm angezeigten
Polizeibeamten keine Zivilansprüche gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG
geltend machen konnte (Urteil 1B_355/2012 vom 12. Oktober 2012 E. 1.2 mit
Hinweisen).

4.3 Hinsichtlich der Staatsanwaltschaft urteilte das Bundesgericht in BGE 137
IV 22, diese könne einen Haftentlassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts
bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Zur Begründung führte es aus, nach Art. 81
Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 3 BGG sei die Staatsanwaltschaft grundsätzlich
zur Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht legitimiert. Der Grundsatz der
Einheit des Verfahrens verlange deshalb, dass ihr auch auf kantonaler Ebene die
Legitimation zur Beschwerde gegen Haftentscheide zuerkannt werde. Zudem
verlange das öffentliche Interesse an einer funktionierenden Strafjustiz, dass
die Staatsanwaltschaft ein Beschwerderecht gegen einen die Haft aufhebenden
Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts besitze. Das Bundesgericht wies weiter
darauf hin, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 222 StPO gehe nicht hervor,
dass es die Absicht des Gesetzgebers war, die Staatsanwaltschaft vom
Beschwerderecht auszuschliessen (zum Ganzen: a.a.O., E. 1 S. 23 ff. mit
Hinweisen). Diese Rechtsprechung wurde seither mehrfach bestätigt (BGE 137 IV
87 E. 3 S. 89 ff., BGE 137 IV 230 E. 1 S. 232, 237 E. 1.2 S. 240; BGE 138 IV
148 E. 3.1 S. 150; je mit Hinweisen). In BGE 137 IV 230 wird weiter ausgeführt,
dass es die Fortführung des Strafverfahrens erschweren oder gar vereiteln kann,
wenn ein Untersuchungsgefangener aus der Haft entlassen wird, obwohl ein
Haftgrund besteht. Die Staatsanwaltschaft ist indessen verpflichtet, ein
Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihr Straftaten oder auf
Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden (Art. 7 Abs. 1 i.V.m.
Art. 300 und 308 ff. StPO). Zudem obliegt ihr im Grundsatz die
Verfahrensleitung bis zur Einstellung oder Anklageerhebung (Art. 61 lit. a StPO
). Sie hat somit grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse, sich gegen die aus
ihrer Sicht ungerechtfertigte Entlassung eines Angeschuldigten aus der
Untersuchungshaft zur Wehr zu setzen (a.a.O., E. 1 S. 232 mit Hinweis).
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4.4 Art. 222 StPO ist somit bezüglich des Beschwerderechts nicht im Sinne eines
qualifizierten Schweigens zu verstehen. Das muss allgemein gelten, neben der
Staatsanwaltschaft also auch für die Privatklägerschaft. Insofern trifft das
Argument der Beschwerdeführer, Art. 222 StPO betreffe nicht das
Beschwerderecht, zu. Die Bestimmung regelt aber immerhin insoweit das
Beschwerderecht, als sie dieses für die verhaftete Person nun positiv und in
allgemeiner Weise vorsieht, nachdem es in der ursprünglichen Fassung noch
beschränkt war (vgl. dazu im Einzelnen BGE 137 IV 22 E. 1.3 S. 24 mit
Hinweisen).

4.5 Das rechtlich geschützte Interesse, wie es Art. 382 Abs. 1 StPO für die in
der StPO vorgesehenen Rechtsmittel und Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG für die
Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht voraussetzt, kann sich entweder aus
dem kantonalen oder eidgenössischen Gesetzesrecht oder aber unmittelbar aus
einem angerufenen speziellen Grundrecht ergeben (BGE 136 I 229 E. 3.2 S. 235
mit Hinweis).
Die Beschwerdeführer machen zum einen geltend, dass bei Flucht oder Kollusion
ihre Zivilansprüche vereitelt werden könnten. Damit berufen sie sich indessen
lediglich auf das Erhältlichmachen der von ihnen geltend gemachten Forderungen,
denn auf deren Beurteilung hat der Haftentlassungsentscheid keine direkte
Auswirkung. Ein rechtlich geschütztes Interesse besteht in dieser Hinsicht
nicht (Urteil 1B_681/2011 vom 8. März 2012 E. 2.3.3).
Zum anderen wird in der Beschwerdeschrift indessen auch vorgebracht, dass der
Beschuldigte den Beschwerdeführer 1 mit dem Tod bedroht habe. Wie es sich in
dieser Hinsicht mit dem rechtlich geschützten Interesse verhält, ist genauer zu
untersuchen.

4.6 Das Recht auf Leben findet verfassungs- und völkerrechtlich in Art. 10 Abs.
1 BV, Art. 2 EMRK und Art. 6 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) seine Verankerung. Es
schützt das Individuum vor Eingriffen des Staats, enthält jedoch darüber hinaus
auch positive Schutzpflichten. Dazu gehört nach konstanter Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Pflicht des Staats, präventiv
Schutzmassnahmen zu ergreifen, wenn das Leben einer Person durch Dritte bedroht
wird. Wenn die Behörden wissen oder wissen müssten, dass von kriminellen
Handlungen eines Dritten reell und unmittelbar eine derartige Gefahr ausgeht,
sind sie verpflichtet, die in ihrer Macht stehenden geeigneten Massnahmen zu
ergreifen (Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
BGE 139 IV 121 S. 126
Choreftakis und Choreftaki gegen Griechenland vom 17. Januar 2012, Nr. 46846/
08, §§ 44-47; Dink gegen Türkei vom 14. September 2010, Nr. 2668/07 etc., §§
64-75; je mit Hinweisen).
Die genannten verfassungs- und völkerrechtlichen Garantien schreiben nicht vor,
welche konkreten Massnahmen zum Schutz des Lebens zu ergreifen sind. Dem Staat
kommt bei deren Auswahl ein Ermessen zu, dessen Umfang durch das Gebot der
Effektivität und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bestimmt ist
(GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, S.
154). Welche Massnahmen als geeignet anzusehen sind, bestimmt sich nach den
konkreten Umständen des Einzelfalls.

4.7 Geht von einem Inhaftierten eine konkrete und unmittelbare Gefahr für das
Leben anderer Personen aus, so haben diese ein Interesse daran, dass ein
allfälliges Haftentlassungsgesuch abgewiesen wird. Das Bestehen eines
derartigen Interesses bedeutet jedoch auch vor dem Hintergrund der positiven
Schutzpflichten des Staats nicht zwangsläufig, dass diesen Personen ein
Beschwerderecht gegen den Haftentlassungsentscheid zukommt. Das hat auch
praktische Gründe. So könnte sich im Fall der Haftentlassung einer angeblich
gemeingefährlichen Person eine sehr grosse Zahl von Personen in einem ersten
Schritt an die Beschwerdeinstanz und in einem zweiten ans Bundesgericht wenden.
Eine derartige Ausweitung der Beschwerdelegitimation gebieten die positiven
Schutzpflichten, welche die konkreten, vom Staat zu ergreifenden Massnahmen
nicht vorbestimmen, nicht. Sie würde auch Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
entgegenlaufen. Denn obgleich nach den obigen Ausführungen (E. 4.2) der
Aufzählung in dieser Bestimmung beispielhafter Charakter zukommt, so bezweckte
doch der Gesetzgeber mit dem auf die Privatklägerschaft bezogenen Zusatz "wenn
der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann" zweifelsohne eine Einschränkung von deren Beschwerderecht.

4.8 Aus den genannten Gründen sind die Beschwerdeführer weder nach der
Strafprozessordnung noch nach dem Bundesgerichtsgesetz zur Beschwerde gegen die
vom Zwangsmassnahmengericht angeordnete Haftentlassung berechtigt. Sind sie
oder andere Personen der Auffassung, mit den angeordneten Ersatzmassnahmen
(Kontaktsperre gegenüber 30 Personen, Sicherheitsleistung im Umfang von Fr.
100'000.-, tägliche Meldepflicht, Eingrenzung auf das Gebiet der Schweiz, Pass-
und Schriftensperre) könne der
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Wiederholungsgefahr nicht hinreichend begegnet werden, haben sie sich an die
Staatsanwaltschaft zu wenden. Dieser kommt eine grosse Verantwortung zu, hat
sie doch aufgrund ihrer Funktion einen wesentlichen Einfluss darauf, dass der
Staat seinen positiven Schutzpflichten nachkommt.

4.9 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerde in diesem
Punkt abzuweisen ist.

5.

5.1 Auf die Rüge der Beschwerdeführer, sie seien in Verletzung von Art. 117
Abs. 3 i.V.m. Art. 214 Abs. 4 StPO von der Haftentlassung nicht unterrichtet
worden, ist das Obergericht ebenfalls nicht eingetreten. Zudem hat es
festgehalten, die Rüge sei ohnehin unbegründet.

5.2 Nach Art. 117 Abs. 3 StPO stehen den Angehörigen die gleichen Rechte zu wie
dem Opfer, wenn sie Zivilansprüche geltend machen. Das Opfer hat unter anderem
das Recht, über die Aufhebung der Untersuchungshaft oder die Flucht der
beschuldigten Person orientiert zu werden, wobei die Orientierung über die
Aufhebung der Haft unterbleiben kann, wenn die beschuldigte Person dadurch
einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt würde (Art. 214 Abs. 4 StPO).
Die Literatur ist hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Art. 117 Abs. 3
StPO den Angehörigen die gleichen Rechte wie dem Opfer gewährt, gespalten. Zum
Teil wird die Auffassung vertreten, eine generelle Gleichstellung der
Angehörigen auch in Bezug auf die dem Opfer gewährten besonderen Schutzrechte,
die nicht funktional zur Geltendmachung der eigenen privatrechtlichen Ansprüche
sind, erscheine wenig sinnvoll (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 7 zu Art. 117 StPO). Teilweise
wird auf den (Schutz-)Zweck des betreffenden Rechts abgestellt. So schreibt
SCHMID, die Angehörigen könnten sich auf die besonderen Rechte des Opfers
berufen, "soweit sich diese Schutzrechte nach ihrer Ausrichtung auch auf sie
als Angehörige beziehen (z.B. Ausschluss der Öffentlichkeit, Vermeidung der
Begegnung u.ä.) bzw. die Ausübung der Schutzrechte nicht zu widersinnigen
Ergebnissen führen könnte" (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung,
Praxiskommentar, 2009, N. 5 zu Art. 117 StPO). Ein weiterer Teil der Literatur
will den Angehörigen pauschal die gleichen Rechte wie dem Opfer zubilligen
(VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO],
2010, N. 6 f. zu Art. 117 StPO; HANSPETER KIENER, in: Kommentierte Textausgabe
zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2008, S. 96).
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Dem Wortlaut von Art. 117 Abs. 3 StPO lässt sich keine Einschränkung in dem
Sinne entnehmen, dass den Angehörigen, die Zivilansprüche geltend machen, nur
insoweit die gleichen Rechte wie dem Opfer zukommen, als dies die Durchsetzung
der Zivilansprüche erleichtert. Auch in der Botschaft des Bundesrats finden
sich keine Anhaltspunkte für diese Auffassung. Mit Blick auf die vorliegend
umstrittene Frage gibt es keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der klare
Wortlaut von Art. 117 Abs. 3 StPO den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers zum
Ausdruck bringt. Angehörige des Opfers, die nach Art. 118 f. StPO erklärt
haben, Zivilansprüche geltend zu machen, sind deshalb nach Art. 214 Abs. 4 StPO
von einer erfolgten Aufhebung der Untersuchungshaft zu informieren.

5.3 Gemäss dem angefochtenen Entscheid handelt es sich bei den
Beschwerdeführern um Straf- und Zivilkläger. Diese haben somit die
erforderliche Erklärung nach Art. 118 f. StPO abgegeben. Dass der Beschuldigte
durch die Orientierung über die Aufhebung der Haft einer ernsthaften Gefahr
ausgesetzt würde, wird von keiner Seite - auch nicht vom Beschuldigten selbst -
geltend gemacht. Unter diesen Voraussetzungen hätten die Beschwerdeführer
benachrichtigt werden müssen. Die Rüge der Verletzung von Art. 117 Abs. 3
i.V.m. Art. 214 Abs. 4 StPO ist begründet.