Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 IV 113



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Urteilskopf

139 IV 113

16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft (Beschwerde in Strafsachen)
1B_387/2012 vom 24. Januar 2013

Regeste

Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Art. 113 Abs. 1, Art. 130, 132 Abs. 1 lit. a und
Art. 133 Abs. 2 StPO; amtliche und notwendige Verteidigung; Vorschlagsrecht des
Beschuldigten betreffend die Person des amtlichen Verteidigers; Verbot des
Selbstbelastungszwangs.
Zwischenentscheid (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG): Drohender nicht wieder
gutzumachender Nachteil bejaht, wenn eine Verletzung des Vorschlagsrechts der
beschuldigten Person nach Art. 133 Abs. 2 StPO zur Diskussion steht (E. 1.2).
Bei notwendiger Verteidigung setzt die Bestellung eines Offizialverteidigers,
dessen Kosten vom Staat (vorläufig) zu bevorschussen sind, keinen Nachweis der
finanziellen Bedürftigkeit des Beschuldigten voraus. Dass die Vorinstanz das
gesetzliche Vorschlagsrecht bei der Ernennung des Offizialverteidigers davon
abhängig macht, dass der Beschuldigte der Staatsanwaltschaft seine finanziellen
Verhältnisse offenlegt und der erbetene Verteidiger ihn dazu aktiv anhalten
muss, hält vor dem Bundesrecht nicht stand (E. 4 und 5).

Sachverhalt ab Seite 114

BGE 139 IV 113 S. 114

A. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt eine Strafuntersuchung gegen
X. wegen des Verdachts (unter anderem) von Diebstahl und Missbrauch einer
Datenverarbeitungsanlage. Am 15. Februar 2011 beauftragte der Beschuldigte
einen erbetenen privaten Verteidiger. (...)

B. Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 teilte der erbetene Verteidiger der
Staatsanwaltschaft mit, dass er (mangels Kostendeckung für seine Bemühungen)
gezwungen sei, das private Mandat sofort niederzulegen. Gleichzeitig stellte er
(...) das Gesuch, er sei als amtlicher Verteidiger einzusetzen. Am 22. Juli
2011 forderte die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten auf, eine neue
Wahlverteidigung zu bestimmen. Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 teilte der
Beschuldigte
BGE 139 IV 113 S. 115
der Staatsanwaltschaft mit, dass er seinen bisherigen erbetenen Verteidiger als
amtlichen Verteidiger zu bestellen wünsche. Mit Verfügung vom 4. August 2011
ernannte die Staatsanwaltschaft einen anderen Anwalt als amtlichen Verteidiger
des Beschuldigten. Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht am
24. Oktober 2011 teilweise gut. Es hob die Verfügung vom 4. August 2011 auf und
wies die Sache zur Neubeurteilung an die Staatsanwaltschaft zurück.

C. Mit Verfügung vom 20. Januar 2012 bestellte die Staatsanwaltschaft erneut
den erwähnten anderen Anwalt als amtlichen Verteidiger, mit Wirkung ab diesem
Datum. Eine vom Beschuldigten dagegen erhobene Beschwerde wies das
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, am 10. April 2012 ab.

D. Gegen den Beschluss des Kantonsgerichts vom 10. April 2012 gelangte der
Beschuldigte mit Beschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides. Die Staatsanwaltschaft sei zudem anzuweisen, den
vom Beschwerdeführer gewünschten Anwalt als (neuen) amtlichen Verteidiger zu
bestellen. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht
in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach
ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder
Zwischenentscheid mit Beschwerde in Strafsachen nur ausnahmsweise anfechtbar,
sofern ein konkreter rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die
rechtsuchende Partei günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben
werden könnte (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen).

1.1 Der blosse Umstand, dass es sich bei einem Offizialverteidiger nicht (oder
nicht mehr) um den Wunsch- bzw. Vertrauensanwalt des Beschuldigten handelt,
schliesst eine wirksame und ausreichende Verteidigung nicht aus. Die Ablehnung
eines Gesuchs des Beschuldigten um Auswechslung des Offizialverteidigers
begründet daher in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil
im Sinne des Gesetzes (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263; BGE 126 I 207 E. 2b S. 211;
Urteile 1B_197/2011 vom 14. Juli 2011 E. 1.2; 1B_357/2010 vom 7. Januar 2011 E.
1.2.1-1.2.2; 1B_184/2009 vom 2. Juli 2009
BGE 139 IV 113 S. 116
E. 2.1-2.2). Anders liegt der Fall, wenn der amtliche Verteidiger seine
Pflichten erheblich vernachlässigt (vgl. BGE 120 Ia 48 E. 2 S. 50 ff.), wenn
die Strafjustizbehörden gegen den Willen des Beschuldigten und seines
Offizialverteidigers dessen Abberufung anordnen (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 339)
oder wenn sie dem Beschuldigten verweigern, sich (zusätzlich zur
Offizialverteidigung) auch noch durch einen erbetenen Privatverteidiger
vertreten zu lassen (BGE 135 I 261 E. 1.2-1.4 S. 264 f.).

1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonalen Instanzen hätten ihm,
entgegen seinem ausdrücklichen Willen, nicht den von ihm vorgeschlagenen,
sondern einen ihm fremden Anwalt als amtlichen Verteidiger bestellt. Damit
hätten sie sein Vorschlagsrecht nach Art. 133 Abs. 2 StPO missachtet und ihm
(in einem Fall der notwendigen Verteidigung) einen nicht erwünschten
Rechtsvertreter aufgedrängt.
Das Bundesgericht hat im Urteil 1B_74/2008 vom 18. Juni 2008 E. 2 festgehalten,
dass sich bereits aus Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK ein Anspruch ergibt, dass die
Behörde bei der Ernennung des amtlichen Verteidigers die Wünsche des
Angeschuldigten berücksichtigt (vgl. Urteil des EGMR Croissant gegen
Deutschland vom 25. September 1992 § 29, in: EuGRZ 19/1992 S. 542). Diesen
Anspruch hat der Bundesgesetzgeber in Art. 133 Abs. 2 StPO ausdrücklich
geregelt. Der Bundesrat führt in der Botschaft zur Strafprozessordnung dazu
aus, mit einer sachgerechten Auslegung der Bestimmung könne allfälligen
Bedenken begegnet werden, wonach die Verfahrensleitung, insbesondere die
Staatsanwaltschaft, versucht sein könnte, eine ihr genehme Verteidigung zu
bestellen (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des
Strafprozessrechts, BBl 2006 1180 zu Art. 131). Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung ist nicht auszuschliessen, dass das Ablehnen eines Wunsches des
Beschuldigten nach einem bestimmten amtlichen Verteidiger einen nicht wieder
gutzumachenden (rechtlichen) Nachteil bewirken kann (Urteil 1B_74/2008 vom 18.
Juni 2008 E. 2).
In der vorliegenden Angelegenheit ist ein drohender nicht wieder gutzumachender
Rechtsnachteil zu bejahen. Er liegt darin, dass dem Wunsch des Beschuldigten
nach einem Anwalt seines Vertrauens keine Rechnung getragen würde und damit die
Gefahr einer Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs des Beschuldigten auf
Verteidigung durch einen Rechtsvertreter seiner Wahl (Art. 6 Ziff. 3 lit. c
EMRK) besteht (vgl. dazu E. 4-5 hiernach). Die Folgen einer
BGE 139 IV 113 S. 117
Nichtberücksichtigung der Wünsche des Angeschuldigten können im weiteren
Strafverfahren kaum mehr korrigiert werden, so dass auch bei einer späteren
Einsetzung des Wunschverteidigers eine Verletzung des Vorschlagsrechts nach
Art. 133 Abs. 2 StPO bestehen bliebe. Ausserdem würde eine spätere Korrektur
einer Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten auf Berücksichtigung seiner
Wünsche in der Regel zu Verzögerungen des Strafverfahrens führen, die mit dem
Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren sind (Art. 5 StPO). Es liegt somit
ein mit Beschwerde in Strafsachen anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG vor.

1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen
weiteren Erörterungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. Nach den Erwägungen der Vorinstanz ist hier unbestrittenermassen ein Fall
der notwendigen Verteidigung (gemäss Art. 130 lit. b StPO) gegeben. Bei der
Bestellung des Offizialverteidigers habe die Verfahrensleitung nach Möglichkeit
die Wünsche des Beschuldigten zu berücksichtigen. Falls er bereits einen
privaten Rechtsvertreter beigezogen habe, sei dieser grundsätzlich als
amtlicher Verteidiger zu bestellen. Zwar bestehe kein Anspruch auf einen
Offizialverteidiger nach freier Wahl. Es müssten jedoch sachliche Gründe dafür
vorliegen, dass die Verfahrensleitung dem Wunsch des Beschuldigten nicht
entspreche. Der erbetene Verteidiger habe der Staatsanwaltschaft am 12.
Dezember 2011 (zum wiederholten Mal) mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer im
damaligen Verfahrensstadium nicht bereit gewesen sei, seine Einkommens- und
Vermögenssituation offenzulegen. Der Beschwerdeführer habe im kantonalen
Verfahren weder seine finanziellen Verhältnisse offenbart noch dargelegt,
inwiefern eine Ausnahme (von dieser prozessualen Obliegenheit) bestehe. Diese
Haltung habe der erbetene Verteidiger auch in der Beschwerdeschrift an die
Vorinstanz bekräftigt. Da er dem Beschuldigten von der Offenlegung seiner
finanziellen Verhältnisse abgeraten habe (anstatt dem Gesuch um amtliche
Verteidigung geeignete Belege betreffend Mittellosigkeit beizulegen), sei ein
sachlicher Grund erfüllt, welcher gegen seine Bestellung als amtlicher
Verteidiger spreche.

3. Der Beschwerdeführer rügt, die kantonalen Instanzen hätten ihm, entgegen
seinem ausdrücklichen Willen, nicht den von ihm
BGE 139 IV 113 S. 118
vorgeschlagenen erbetenen Privatanwalt als amtlichen Verteidiger bestellt,
sondern einen ihm zuvor völlig unbekannten Rechtsvertreter. Damit hätten sie
sein gesetzliches Vorschlagsrecht nach Art. 133 Abs. 2 StPO (sowie die Regelung
von Art. 132 Abs. 1 lit. a StPO) missachtet und ihm einen nicht erwünschten
Rechtsvertreter aufgedrängt. Zwischen diesem und ihm habe nie ein
Vertrauensverhältnis bestanden. Sachliche Gründe für die Missachtung seines
Vorschlages würden im angefochtenen Entscheid nicht dargelegt. Dass die
Vorinstanz die amtliche Verteidigung im Falle einer notwendigen Verteidigung
davon abhängig mache, dass er, der Beschuldigte, mittellos sein und darüber
hinaus seine finanziellen Verhältnisse der Staatsanwaltschaft offenlegen
müsste, sei gesetzes- und grundrechtswidrig. Ohne Kenntnis des präzisen
Tatvorwurfs und der Untersuchungsakten sei er, der Beschwerdeführer, im
fraglichen Verfahrensstadium im Übrigen nicht bereit gewesen, seine Einkommens-
und Vermögenssituation zu offenbaren und sich dadurch womöglich selber zu
belasten. Die Ansicht der Vorinstanz, sein erbetener Verteidiger hätte ihn, den
Beschwerdeführer, dazu anhalten müssen, der Staatsanwaltschaft seine
finanziellen Verhältnisse darzulegen, um als amtlicher Verteidiger zugelassen
zu werden, sei unhaltbar. Jedenfalls bei notwendiger Verteidigung widerspreche
der angefochtene Entscheid auch dem strafprozessualen Verbot des
Selbstbelastungszwangs (Art. 113 Abs. 1 StPO). Neben den genannten Bestimmungen
der StPO verletze der angefochtene Entscheid die (durch Art. 32 Abs. 2 BV, Art.
6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. c EMRK sowie Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II [SR
0.103.2]) grundrechtlich geschützten Verteidigungsrechte, das rechtliche Gehör
(Art. 29 Abs. 2 BV) und das Willkürverbot (Art. 9 BV).

4.

4.1 Die beschuldigte Person ist berechtigt, in jedem Strafverfahren und auf
jeder Verfahrensstufe einen Rechtsbeistand ihrer Wahl mit der Verteidigung zu
betrauen (Art. 129 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 132 Abs. 1 lit. a StPO ordnet die
Verfahrensleitung eine amtliche Verteidigung an, wenn bei notwendiger
Verteidigung nach Art. 130 StPO die beschuldigte Person trotz Aufforderung der
Verfahrensleitung keine Wahlverteidigung bestimmt oder der Wahlverteidigung das
Mandat entzogen wurde oder sie es niedergelegt hat und die beschuldigte Person
nicht innert Frist eine neue Wahlverteidigung bestimmt. Ein Fall notwendiger
Verteidigung liegt insbesondere vor, wenn der beschuldigten Person eine
Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende
Massnahme droht (Art. 130
BGE 139 IV 113 S. 119
lit. b StPO). Nach Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO ordnet die Verfahrensleitung
über die Fälle der notwendigen Verteidigung hinaus dann eine amtliche
Verteidigung an, wenn die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist.

4.2 Die amtliche Verteidigung wird von der im jeweiligen Verfahrensstadium
zuständigen Verfahrensleitung bestellt (Art. 133 Abs. 1 StPO). Die
Verfahrensleitung berücksichtigt dabei nach Möglichkeit die Wünsche der
beschuldigten Person (Art. 133 Abs. 2 StPO). Die amtliche Verteidigung wird
nach dem Anwaltstarif desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren
geführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft oder das
urteilende Gericht legen die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest (Art.
135 Abs. 2 StPO). Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten
verurteilt, so ist sie, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben,
verpflichtet, dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen (Art. 135 Abs. 4 lit.
a StPO).

4.3 Mit den gesetzlichen Bestimmungen von Art. 132 und 133 StPO wurde die
bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6
Ziff. 3 lit. c EMRK kodifiziert. Das Vorschlagsrecht des Beschuldigten nach
Art. 133 Abs. 2 StPO begründet zwar keine strikte Befolgungs- bzw.
Ernennungspflicht zulasten der Verfahrensleitung. Für ein Abweichen vom
Vorschlag des Beschuldigten bedarf es jedoch zureichender sachlicher Gründe,
wie z.B. Interessenkollisionen, Überlastung, die Ablehnung des Mandates durch
den erbetenen Verteidiger, dessen fehlende fachliche Qualifikation oder
Berufsausübungsberechtigung oder andere sachliche Hindernisse (vgl. VIKTOR
LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N.
4 f. zu Art. 133 StPO;NIKLAUS RUCKSTUHL, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 7 f. zu Art. 133 StPO; NIKLAUS SCHMID,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2009, N. 2 zu Art. 133 StPO; HARARI/
ALIBERTI, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 25
und 29 zu Art. 133 StPO; s. auch Urteil des Bundesgerichts 1B_74/2008 vom 18.
Juni 2008 E. 2 und 6; Urteil Croissant gegen Deutschland vom 25. September 1992
§ 29, in: EuGRZ 19/1992 S. 542).

5.

5.1 Die Vorinstanz nennt als sachlichen Grund, weshalb hier ausnahmsweise vom
Vorschlag des Beschuldigten abgewichen werden
BGE 139 IV 113 S. 120
dürfe, dass der erbetene Verteidiger nicht dafür gesorgt habe, dass der
Beschwerdeführer der Staatsanwaltschaft seine finanzielle Situation offenlegt.
Damit vermischt sie in unzulässiger Weise das gesetzliche Vorschlagsrecht des
Beschuldigten betreffend die Person des amtlichen Verteidigers (Art. 133 Abs. 2
StPO) mit den materiellen Anspruchsvoraussetzungen für die unentgeltliche (bzw.
vom Staat zu bevorschussende) Verteidigung bedürftiger Personen und den damit
verbundenen Substanziierungsobliegenheiten (vgl. Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO).
Ausserdem verkennt die Vorinstanz die gesetzliche Unterscheidung zwischen
amtlicher Verteidigung bei notwendiger Verteidigung (Art. 132 Abs. 1 lit. a
StPO) und den übrigen Fällen der (unentgeltlichen) amtlichen Verteidigung. Nur
bei Letzteren verlangt das Gesetz (in Übereinstimmung mit der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichts) für eine staatliche Bevorschussung der
Verteidigungskosten den Nachweis, dass die beschuldigte Person nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO). Bei notwendiger
Verteidigung setzt die Bestellung eines Offizialverteidigers, dessen Kosten vom
Staat (vorläufig) zu bevorschussen sind, keinen Nachweis der finanziellen
Bedürftigkeit des Beschuldigten voraus (Art. 132 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 130
StPO). Falls sich bei einem notwendig durch einen Offizialanwalt verteidigten
Beschuldigten herausstellen sollte, dass er nicht (oder nicht mehr) bedürftig
ist, kann die Verfahrensleitung (spätestens am Ende des Strafverfahrens)
entscheiden, ob und inwieweit die staatlich bevorschussten Verteidigungskosten
an den Beschuldigten zu überwälzen sind (Art. 135 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 lit. a
StPO). Weder das Gesetz noch die Bundesgerichtspraxis sehen jedenfalls vor,
dass eine amtliche Verteidigung ohne Weiteres zur definitiven Befreiung des
Beschuldigten von staatlich bevorschussten Anwaltskosten führen müsste.

5.2 Die Frage der definitiven Auflage von Verteidigungskosten bildet nicht
Gegenstand des angefochtenen Entscheides. Streitig ist, ob die Vorinstanz Art.
133 Abs. 2 StPO verletzte, indem sie vom Vorschlag des Beschwerdeführers auf
Ernennung des erbeteten Verteidigers als Offizialverteidiger abwich. Hier war
und ist unbestrittenermassen ein Fall der notwendigen Verteidigung (nach Art.
130 lit. b StPO) gegeben. Wenn der Beschuldigte seine finanzielle Bedürftigkeit
(noch) nicht ausreichend dargelegt hat, kann dies zwar dazu führen, dass ihm am
Ende des Verfahrens die Kosten der (vorläufig vom Staat zu bevorschussenden)
Offizialverteidigung auferlegt werden könnten (vgl. Art. 135 Abs. 2 i.V.m. Abs.
4 lit. a StPO). Er
BGE 139 IV 113 S. 121
verliert damit jedoch nicht sein gesetzlich gewährleistetes Vorschlagsrecht zur
Person des Offizialverteidigers bei notwendiger Verteidigung. In dem von der
Vorinstanz beanstandeten prozessualen Vorgehen des erbetenen Verteidigers ist
weder ein gesetzes- oder standeswidriges Verhalten ersichtlich noch ein anderer
sachlicher Grund im Sinne der dargelegten Lehre und Praxis, weshalb er nicht
als amtlicher Verteidiger zu bestellen wäre. Dass die Vorinstanz das
gesetzliche Vorschlagsrecht des Beschuldigten bei der Ernennung des
Offizialverteidigers davon abhängig macht, dass der Beschuldigte der
Staatsanwaltschaft seine finanziellen Verhältnisse offenlegen und der erbetene
Verteidiger ihn dazu aktiv anhalten müsse, hält vor dem Bundesrecht nicht
stand. Neben den dargelegten Bestimmungen (Art. 132 Abs. 1 lit. a und Art. 133
Abs. 2 StPO) verletzt der angefochtene Entscheid auch das strafprozessuale
Verbot des Selbstbelastungszwangs (Art. 113 Abs. 1 StPO).