Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 II 499



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Urteilskopf

139 II 499

35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Einfache
Gesellschaft 380/132/65 kV-Gommerleitung, bestehend aus Swissgrid AG und
Schweizerische Bundesbahnen SBB gegen Beschwerdegegner 1-21 und Bundesamt für
Energie (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_175/2013 vom 11. September 2013

Regeste

Plangenehmigungsverfügung für eine 380/220/132/65 kV-Hochspannungsleitung
zwischen Bitsch/Massaboden-Filet/Mörel-Ulrichen (Gommerleitung).

Beschwerdegründe im Plangenehmigungsverfahren.
Wer zur Beschwerde befugt ist, kann nicht nur Mängel des Projekts in seiner
unmittelbaren Umgebung geltend machen, sondern auch die generelle Linienführung
kritisieren, sofern dies zu einer Aufhebung oder Änderung der Linienführung im
Bereich seiner bzw. ihrer Grundstücke führen könnte (Abkehr von BGE 118 Ib 206
E. 8 S. 212 ff.; BGE 120 Ib 59 E. 1c S. 62 f.; E. 2.2).
Dies gilt grundsätzlich auch für Gemeinden, die gestützt auf Art. 12 Abs. 1
lit. a NHG Beschwerde führen (E. 2.3).

Sachplan Übertragungsleitungen (SÜL).
Mitwirkungsrecht und -pflicht der Gemeinden im Sachplanverfahren (E. 3).
Vom Bundesrat erlassene Sachpläne können im Beschwerdeverfahren betreffend den
Plangenehmigungsentscheid vorfrageweise überprüft werden (E. 4.1).
Zur Bindungswirkung. von Sachplänen im allgemeinen (E. 4.2) und im vorliegenden
Fall (E. 4.3).

Prüfung von Verkabelungsvarianten im Plangenehmigungsverfahren.
Resonanzproblematik bei der Verkabelung von SBB-Leitungen (E. 6).
Bestätigung der Freileitungsführung am Schattenhang oberhalb des Walds im
Bereich Obergoms und Grengiols-Süd (E. 7.3).
Rückweisung zur Prüfung der Verkabelung in einem Stollen im Bereich
Binnegga-Binnachra-Hockmatta-Hofstatt (E. 7.4).

Sachverhalt ab Seite 501

BGE 139 II 499 S. 501

A. Die einfache Gesellschaft Obere Rhonetalleitung plant den Bau einer 380/220/
132/65 Kilovolt (kV)-Hochspannungsleitung zwischen Bitsch/Massaboden-Filet/
Mörel-Ulrichen (sog. Gommerleitung). Mit diesem Projekt soll das im Oberwallis
vorhandene 220 kV-Übertragungsnetz durch eine rund 35 km lange 380/220
kV-Doppelleitung ersetzt werden. Zwischen Massaboden und Ulrichen soll ein 132
kV- Leitungsstrang der Schweizerischen Bundesbahnen AG (nachfolgend: SBB) sowie
- zwischen dem Kraftwerk Mörel und Ernen sowie dem Kraftwerk Ernen und dem
Unterwerk "Zum Loch" - ein 65 kV-Leitungsstrang mitgeführt werden. Durch diesen
Neubau können die existierende 220 kV-Leitung zwischen Mörel/Filet und Ulrichen
sowie die 65 kV-Leitung zwischen Mörel und Ernen 1 vollständig und die
bestehende 65 kV-Leitung zwischen Binnegga und Fiesch weitgehend abgebrochen
werden.
Die Gommerleitung bildet Teil der wichtigen West-Ost-Verbindung von Mörel/Filet
nach Airolo, die zum strategischen Übertragungsnetz der Schweiz gehört.
Dasselbe gilt für die SBB-Leitung, die zum Leitungszug Massaboden-Ritom gehört:
Sie stellt den Anschluss des Westschweizer SBB-Netzes an das Tessiner und
Innerschweizer Bahnnetz her, was die Ringbildung im schweizerischen Bahnnetz
ermöglicht und die Versorgungssicherheit erhöht. Beide Leitungen wurden vom
Bundesrat am 21. August 2002 unter Festlegung eines Zwischenergebnisses und des
massgeblichen Leitungskorridors in den Sachplan Übertragungsleitung (SÜL)
aufgenommen (SÜL-Objektblätter 101.10 [Mörel/Filet-Fiesch], 101.20
[Fiesch-Ulrichen], 800.10 und 800.20 [SBB]).

B. Am 20. Dezember 2007 reichte die einfache Gesellschaft Obere Rhonetalleitung
beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ESTI) das Plangenehmigungsgesuch
ein (L-210201.1). Gegen das Vorhaben gingen zahlreiche Einsprachen ein. Am 9.
März 2009 und am 3. Februar 2011 reichte die Gesuchstellerin eine überarbeitete
Planvorlage für den Abschnitt Bitsch/Massaboden-Mörel/Filet-Fiesch (L-210201.2)
und Grengiols-Süd (L-210201.3) ein.
Mit Verfügung vom 30. Juni 2011 genehmigte das Bundesamt für Energie (BFE) die
Planvorlagen im Sinne der Erwägungen mit
BGE 139 II 499 S. 502
Auflagen und Bedingungen und wies die Einsprachen ab, soweit es darauf eintrat.

C. Gegen die Plangenehmigungsverfügung erhoben verschiedene Munizipal- und
Burgergemeinden des Obergoms sowie Einzelpersonen Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht.
A. und B. und Mitbeteiligte (Beschwerdegegner 1-7) beantragten, die
Gommerleitung sei im Gebiet der Kulturlandschaftskammer
Binnegga-Binnachra-Hockmatta-Hofstatt in einen Stollen zu verlegen.
Die Munizipal- und Burgergemeinden Blitzingen, Grafschaft, Münster-Geschinen,
Niederwald, Reckingen-Gluringen und Ulrichen (im Folgenden:
Beschwerdegegnerinnen 8-19) ersuchten das Bundesverwaltungsgericht, die
Angelegenheit zur Prüfung der Verkabelung/Erdverlegung der projektierten
Leitung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D. Mit Urteil vom 3. Januar 2013 hiess das Bundesverwaltungsgericht die
Beschwerden gut, hob die angefochtene Plangenehmigung auf und wies die
Angelegenheit zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen an das BFE zurück.
Es hielt in den Erwägungen fest, dass dem Beweisantrag der beschwerdeführenden
Gemeinden stattzugeben und eine Verkabelungsstudie einzuholen sei. In deren
Rahmen sei zunächst die Möglichkeit einer (Teil-)Verkabelung der Gommerleitung
auf einem hierfür geeigneten Trassee, losgelöst von dem im Sachplan
festgelegten Leitungskorridor, unter Berücksichtigung des aktuellen Stands von
Technik und Wissenschaft zu prüfen. Die mit einem solchen Leitungsvorhaben
verbundenen Vor- und Nachteile seien zu bestimmen und mit der bewilligten
Freileitung zu vergleichen. Könne aufgrund dieser Gegenüberstellung nicht von
vornherein ausgeschlossen werden, dass die Gommerleitung als Freileitung zu
führen sei, so werde in einem weiteren Schritt zu prüfen sein, ob und zu
welchen Bedingungen die Gommerleitung in den Bereichen, in denen sie kommunale
und kantonale Landschaftszonen beeinträchtige, verkabelt werden könne.
Schliesslich werde ein Experte zu untersuchen haben, ob und gegebenenfalls
inwiefern eine Verkabelung des 132 kV-Leitungsstrangs der SBB möglich sei. Je
nach dem Ergebnis der Expertise werde das BFE entweder eine Änderung der
bestehenden SÜL-Objektblätter zu erwirken oder abermals über das eingereichte
Plangenehmigungsgesuch zu befinden haben.
BGE 139 II 499 S. 503

E. Gegen dieses Urteil hat die einfache Gesellschaft Obere Rhonetalleitung
(bzw. 380/132/65 kV-Gommerleitung), bestehend aus verschiedenen
Netzgesellschaften sowie aus der SBB, (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) am
11. Februar 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans
Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben
und der Plangenehmigungsentscheid des BFE vom 30. Juni 2011 sei zu bestätigen.
Eventualiter sei die Angelegenheit zur Behandlung der mit dem angefochtenen
Entscheid nicht behandelten Rügen der Beschwerdegegner 1-7 und 20-21 an das
Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.

F. Mit Fusionsvertrag vom 26. Juni 2013 sind die Netzgesellschaften, die bisher
Mitglied der einfachen Gesellschaft Rhonetalleitung waren, in der Swissgrid AG
aufgegangen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und hebt den
angefochtenen Entscheid auf, soweit die Rückweisung der Sache an das BFE über
das Gebiet Binnegga-Binnachra-Hockmatta-Hofstatt hinausgeht.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht
auf den Beweisantrag der Gemeinden (heutige Beschwerdegegnerinnen 8-19)
eingetreten, für das gesamte Projekt eine Verkabelungsstudie einzuholen. Die
Gemeinden seien nicht befugt, an der im Sachplan vom Bundesrat festgelegten
Linienführung Kritik zu üben, sondern könnten lediglich das Ausführungsprojekt
beanstanden, wobei sie konkret aufzeigen müssten, inwiefern dieses im Bereich
ihrer Parzellen bzw. ihres Gemeindegebiets gegen Bundesrecht verstosse. Sie
verweist hierfür auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Legitimation im
Bereich des Nationalstrassenbaus (BGE 118 Ib 206 E. 8 S. 212 ff.) und im
eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahren (BGE 120 Ib 59 E. 1c S. 62 f.).

2.1 Nach dieser Rechtsprechung können Private und Organisationen das vom
Bundesrat genehmigte generelle Projekt und die darin festgelegte Linienführung
für eine Nationalstrasse nicht direkt anfechten, sondern nur indirekt, sofern
sich die behaupteten Mängel im Ausführungsprojekt niedergeschlagen haben.
Allerdings verlangte das Bundesgericht, dass der vom Strassenbau betroffene
Private konkret
BGE 139 II 499 S. 504
aufzeigen müsse, inwiefern das Ausführungsprojekt im Bereich seines Grundstücks
gegen Bundesrecht verstosse; auf allgemeine Kritik an der geplanten
Linienführung trat es nicht ein (BGE 118 Ib 206 E. 8b S. 214 f. sowie - für den
Bahnbau - BGE 120 Ib 59 E. 1b S. 62; je mit Hinweisen). Dieses Erfordernis
leitete das Bundesgericht nicht aus den Besonderheiten des National- oder
Eisenbahnrechts ab, sondern aus den (damals geltenden) allgemeinen Bestimmungen
der Bundesrechtspflege zur Beschwerdebefugnis (insb. Art. 103 lit. a OG [AS
1969 767]), die eine örtlich nahe Beziehung des Einsprechers zum umstrittenen
Projekt verlangten und sein persönliches Betroffensein voraussetzten, da die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zur Popularbeschwerde werden dürfe (BGE 120
Ib 59 E. 1c S. 63 mit Hinweis).

2.2 Art. 103 lit. a OG wurde am 1. Januar 2007 durch Art. 89 Abs. 1 BGG
ersetzt. Diese Bestimmung verlangt neben der formellen Beschwer (lit. a)
weiterhin, dass der Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur
Streitsache verfügt (lit. b) und einen praktischen Nutzen aus der Aufhebung
oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht (lit. c). Die Nähe der
Beziehung zum Streitgegenstand muss bei Bauprojekten insbesondere in räumlicher
Hinsicht gegeben sein. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die
tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang
des Verfahrens beeinflusst werden kann (BGE 133 II 409 E. 1.3 S. 413 mit
Hinweisen).
Insofern gilt auch heute noch, dass ein Beschwerdeführer, der einen
Plangenehmigungsentscheid anficht, darlegen muss, inwieweit er durch das
bewilligte Projekt in eigenen Interessen betroffen ist und einen Nachteil
erleiden könnte; die Popularbeschwerde zur Geltendmachung allgemeiner oder
öffentlicher Interessen bleibt (von spezialgesetzlich geregelten Fällen
abgesehen) ausgeschlossen.
Dagegen hat das Bundesgericht seine Praxis zu den zulässigen Beschwerdegründen
seit Inkrafttreten des BGG präzisiert: Ist die besondere Beziehungsnähe in
räumlicher Hinsicht gegeben und die Beschwerdebefugnis daher zu bejahen, ist
der Beschwerdeführer mit sämtlichen Rügen zum Verfahren zuzulassen, die sich
rechtlich oder tatsächlich auf seine Stellung auswirken, d.h. deren
Durchdringen dazu führen würde, dass das Bauvorhaben (auch im Bereich des
Beschwerdeführers) nicht oder anders realisiert würde als geplant (BGE 138 II
191 E. 5.2 S. 205; BGE 137 II 30 E. 2.3 S. 34). Ohnehin gilt im
BGE 139 II 499 S. 505
Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht (wie auch im Verfahren der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor Bundesgericht) nicht das
Rügeprinzip, sondern das Bundesrecht ist grundsätzlich von Amtes wegen
anzuwenden (Art. 106 Abs. 1 BGG).

2.3 Plangenehmigungen für elektrische Leitungen umfassen meist eine grössere
Strecke (hier: rund 30 km). Innerhalb des Planungsperimeters können die
Einsprecher die Notwendigkeit des Aus- und Neubaus sowie die Linienführung
(einschliesslich deren ober- oder unterirdischen Führung) rügen und
diesbezügliche Anträge stellen, soweit ihnen dies im Obsiegensfall einen
praktischen Vorteil verschaffen würde (so auch Urteil 1C_297/2010 vom 1.
Dezember 2010 E. 3.2 betr. Baulinienfestsetzung). Der gerügte Mangel muss somit
nicht den Leitungsabschnitt im Bereich ihrer Grundstücke betreffen; es genügt,
wenn er zu einer Aufhebung oder Änderung der Linienführung im Nahbereich der
Einsprecher führen könnte. Ob dies der Fall ist, muss anhand der Umstände des
jeweiligen Falles beurteilt werden.
Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn eine Gemeinde gestützt auf Art. 12 Abs.
1 lit. a des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz
(NHG; SR 451) Beschwerde führt. Zwar ist ihre Beschwerde insoweit mit einer
ideellen Verbandsbeschwerde vergleichbar, als es um die parteimässige
Durchsetzung öffentlicher Interessen geht (MARANTELLI-SONANINI/HUBER, in:
Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 37 zu
Art. 48 VwVG). Art. 12 NHG berechtigt die Gemeinden dazu, im Interesse des
Natur- und Heimatschutzes und zur Wahrung des heimatlichen Landschafts- und
Ortsbilds Beschwerde zu führen (grundlegend BGE 109 Ib 341 E. 2b S. 342 f.;
bestätigt in BGE 118 Ib 614 E. 1c S. 616 f.). Vorausgesetzt wird jedoch, dass
die Verfügung ein Vorhaben betrifft, das auf ihrem kommunalen Hoheitsgebiet
ausgeführt werden soll oder sich jedenfalls auf dieses auswirkt (PETER M.
KELLER, in: Kommentar NHG, 1997, N. 6 zu Art. 12 NHG). Insofern können die
Gemeinden die Überprüfung eines Projekts und die Erarbeitung von Varianten nur
insofern verlangen, als dies (zumindest auch) zu einer Verbesserung des
Projekts bzw. einer Verminderung seiner Auswirkungen aus Sicht von Natur und
Landschaft auf ihrem Hoheitsgebiet führt.

2.4 (Zusammenfassung: Prüfung des Beweisantrags der Gemeinden anhand dieser
Kriterien. Ein praktisches Interesse ist für den Leitungsabschnitt im Obergoms
sowie im daran anschliessenden Abschnitt im Landschaftspark Binntal zu
bejahen.)
BGE 139 II 499 S. 506
Dagegen ist für die noch weiter talabwärts liegenden Strecken, in den Gemeinden
Mörel-Filet, Termen, Bitsch und Naters, nicht dargetan, inwieweit ihre
Verkabelung sich auf die Linienführung im Obergoms, d.h. im Bereich der am
Verfahren beteiligten Burger- und Munzipalgemeinden, auswirken könnte; dies ist
auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Die Beschwerde ist daher zumindest
insoweit gutzuheissen, als die Rückweisung auch zur Prüfung der Verkabelung im
unteren Goms erfolgt ist.

3. Die Beschwerdeführerin macht überdies geltend, der Antrag sei verspätet
gewesen, weil die betroffenen Gemeinden die Möglichkeit gehabt hätten, im
Sachplanverfahren eine Verkabelungsstudie zu beantragen. Das Sachplanverfahren
werde obsolet, wenn die vom Leitungsprojekt betroffenen Gemeinden
grundsätzliche Einwände gegen das Projekt erst auf Stufe
Plangenehmigungsverfahren erheben dürften. (...)

3.1 Art. 19 der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV; SR 700.1) sieht
vor, dass der Entwurf eines Konzepts oder Sachplans des Bundes den betroffenen
Kantonen zugestellt wird; die kantonale Fachstelle für Raumplanung hört die
interessierten kantonalen, regionalen und kommunalen Stellen an und sorgt
dafür, dass die Bevölkerung in geeigneter Weise mitwirken kann. Zudem verlangt
Art. 18 RPV i.V.m. Art. 13 Abs. 2 RPG (SR 700) eine Zusammenarbeit mit anderen
Planungsträgern und insbesondere mit den Kantonen.
Der Sachplan ist für die Behörden, und damit auch für die Gemeinden,
verbindlich (Art. 22 Abs. 1 RPV). Im Allgemeinen bedeutet dies, dass Kanton und
Gemeinden verpflichtet sind, die Konzepte und Sachpläne bei ihren raumwirksamen
Tätigkeiten zu berücksichtigen; kommt dem Bund dagegen (wie im Bereich des SÜL)
eine umfassende Zuständigkeit zu und werden im Sachplan konkrete räumliche
Aussagen gemacht (hier: Festsetzung eines Korridors für eine Freileitung), so
bindet dies Kantone und Gemeinden direkt (WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz,
2006, N. 30 zu Art. 13 RPG; LUKAS BÜHLMANN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
die Raumplanung, 2009, N. 48 zu Art. 13 RPG).
Die SÜL-Festsetzungen können daher schwerwiegende Auswirkungen auf die
planerische Entscheidungsfreiheit und Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen
Gemeinden haben. Insofern steht diesen ein Mitwirkungsrecht zu, das über das
allgemeine Mitwirkungsrecht
BGE 139 II 499 S. 507
der Bevölkerung gemäss Art. 4 Abs. 2 RPG hinausgeht und insbesondere das Recht
umfasst, Beweisanträge zu stellen und alternative Linienführungen bzw.
Kabelvarianten zu beantragen. Die Rechtslage ist insofern mit derjenigen im
Richtplanverfahren vergleichbar (vgl. BGE 136 I 265 E. 3.2 S. 272 mit
Hinweisen). Die Gemeinden können und müssen daher grundsätzliche Einwände gegen
die Linienführung bereits im Sachplanverfahren vorbringen.

3.2 Vorliegend wurde das SÜL-Dossier für die Gommerleitung allen betroffenen
Gemeinden zugestellt. Diese hatten daher grundsätzlich die Möglichkeit,
Beweisanträge (via den Kanton oder die Region Goms) zu stellen, auch wenn sie
selbst nicht Mitglied der SÜL-Begleitgruppe waren.
Die für die Gommerleitung massgeblichen SÜL-Objektblätter (Nrn. 101, 101.10,
101.20, 800.10 und 800.20) datieren allerdings vom 21. August 2002; das
Anhörungs- und Mitwirkungsverfahren wurde 1998 und 2000 durchgeführt, mit
Konfliktbereinigung 2002. Nach der damaligen Praxis waren
Hochspannungsleitungen aus technischen und energiewirtschaftlichen Gründen
grundsätzlich als Freileitungen auszuführen; für die Verkabelung einer
Hochspannungsleitung wurden, wegen der damit verbundenen technischen und
betrieblichen Nachteile und der erheblichen Mehrkosten, hohe Anforderungen an
die Schutzwürdigkeit des Gebiets gestellt (BGE 115 Ib 311 E. 5f-h S. 324 ff.);
die Verkabelung fiel praktisch nur in Betracht, wenn ein Bundesinventar-Objekt
beeinträchtigt würde. Dies erklärt, weshalb im SÜL-Verfahren weder der Kanton
noch die Gemeinden die Prüfung einer Kabelvariante beantragten; ein solcher
Antrag hätte damals keine Aussicht auf Erfolg gehabt.
Wie im Folgenden darzulegen sein wird (E. 4), haben sich die Verhältnisse
seither wesentlich geändert. Soweit dies dazu führt, dass die Bindung an den
Sachplan entfällt und im Plangenehmigungsverfahren neue, vom SÜL abweichende
Leitungsführungen geprüft werden können bzw. müssen, sind auch die
Beschwerdegegnerinnen 8-19 berechtigt, erstmals im Plangenehmigungsverfahren
Anträge zur Prüfung von Kabelvarianten zu stellen.
(...)

4. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Bindungswirkung des Sachplans:
Dieser sei für die Behörden verbindlich, und zwar auch für die Gerichtsbehörden
(BGE 129 II 331 E. 4.2 S. 344; WALDMANN/HÄNNI, a.a.O., N. 21 und 25 zu Art. 13
RPG). (...)
BGE 139 II 499 S. 508
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass der Sachplan (anders als ein
kantonaler Richtplan) auch nicht vorfrageweise überprüft werden dürfe. Es
handle sich um einen Akt des Bundesrats, dessen Anfechtung gemäss Art. 189 Abs.
4 BV ausgeschlossen sei und der auch im Plangenehmigungsverfahren nur
eingeschränkt überprüft werden dürfe. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung sei er einzig dann nicht verbindlich, wenn der Bundesrat bei der
Festsetzung Interessen von Verfassungsrang schlicht ausser Acht gelassen habe (
BGE 128 II 1 E. 3d S. 11 f.). Dabei sei auf den Zeitpunkt der
Sachplanfestsetzung abzustellen. Im vorliegenden Fall habe der Bundesrat im
SÜL-Verfahren eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und habe dabei
insbesondere auch den Aspekt des Landschaftsschutzes umfassend berücksichtigt.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass sich die Verhältnisse in tatsächlicher
oder rechtlicher Hinsicht seither erheblich geändert hätten. (...)
Diese Auffassung wird vom BFE geteilt: Es müsse auch in Zukunft möglich sein,
in einem bestimmten Zeitpunkt der Planung gewisse Lösungen endgültig
auszuschliessen, auf Grund der in diesem Zeitpunkt vorhandenen und dem
Planungsstand angemessenen Unterlagen. Dies betreffe nicht nur den in Anspruch
zu nehmenden Raum (z.B. rechte oder linke Tal- oder Seeseite), sondern auch den
Entscheid über die Technologie (Kabel- oder Freileitung). Sei dies nicht mehr
gewährleistet, müssten vorsorglich alle möglichen Optionen und Varianten bis
zur Genehmigungsreife entwickelt werden, um dem Vorwurf der unvollständigen
Sachverhaltsabklärung zuvorzukommen. Dies hätte zur Folge, dass auf absehbare
Zeit keine Leitungsprojekte mehr realisiert werden könnten.

4.1 Art. 189 Abs. 4 BV schliesst lediglich die direkte (selbstständige)
Anfechtung von Akten des Bundesrats aus, nicht aber ihre vorfrageweise
Überprüfung (Art. 190 BV e contrario; vgl. WALTER HALLER, in: Die
Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 56 zu Art. 189 BV
). Insofern können Verordnungen des Bundesrates wie auch bundesrätliche
Inventare (vgl. BGE 138 II 281 E. 5.4 S. 289 mit Hinweis) im Anwendungsfall auf
ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden. Gleiches muss
für Sachpläne des Bundesrates gelten, da ansonsten der nach Art. 29a BV und
Art. 6 EMRK gebotene wirksame Rechtsschutz gegen die Bewilligung von Projekten,
die sich auf einen bundesrätlichen Sachplan stützen, nicht gewährleistet wäre.
BGE 139 II 499 S. 509
Die Aussage, wonach auch Gerichtsbehörden an den Sachplan gebunden sind, ist
daher zu relativieren: Privaten können die (nur behördenverbindlichen)
Sachplanfestsetzungen nicht entgegengehalten werden, auch nicht über den Umweg
einer gerichtlichen Bindung an den Sachplan. Auf Beschwerde von Privaten müssen
die Gerichte die Sachplanfestsetzungen somit frei auf ihre
Bundesrechtskonformität überprüfen können (so schon BGE 128 II 331 E. 4.2 S.
344 in fine). Selbstverständlich ist ein dem Bundesrat zustehender Ermessens-
oder Beurteilungsspielraum zu respektieren.
Gemeinden sind zwar als Behörden grundsätzlich an Sachpläne gebunden. Wurde
dieser jedoch vom Bundesrat erlassen, so können sie ihn (anders als einen
kantonalen Richtplan) nicht direkt anfechten. Insofern müssen auch sie die
Möglichkeit haben, den Sachplan im Plangenehmigungsverfahren vorfrageweise
überprüfen zu lassen.

4.2 Im Übrigen ist die Bindungswirkung von Sachplänen auch für andere Behörden
nicht absolut.
Gemäss Art. 22 Abs. 3 RPV reicht die Bindung einer Festsetzung nur so weit, als
sich die damit verbundenen Auswirkungen auf Raum und Umwelt anhand der
Sachplangrundlagen und des Standes der Planungen von Bund und Kantonen im
Zeitpunkt der Festsetzung beurteilen lassen. Dies setzt voraus, dass sich die
Sachplanbehörde mit einem Interessenkonflikt im Sachplan ausdrücklich
auseinandergesetzt hat und sich klar für den Vorrang des einen oder anderen
Interesses entschieden hat (vgl. BGE 128 II 1 E. 3d S. 11 f.).
Sodann sind Sachpläne gemäss Art. 17 Abs. 4 RPV zu überprüfen und
gegebenenfalls anzupassen, wenn sich die Verhältnisse geändert haben, sich neue
Aufgaben stellen oder eine gesamthaft bessere Lösung möglich ist. Wie beim
kantonalen Richtplan, besteht auch die Funktion des Sachplans nicht allein in
der Festschreibung bestimmter Zustände, sondern ebenso sehr in der Steuerung
und Leitung künftiger Planungsprozesse, weshalb die nachgeordnete Ebene (hier:
des Plangenehmigungsverfahrens) auf die vorgeordnete Stufe der Sachplanung
zurückwirken kann (vgl. BGE 119 Ia 362 E. 4a S. 367 f. mit Hinweisen zum
Richtplan). Veränderte Verhältnisse oder andere gewichtige Gründe können daher
ein Abweichen vom Sachplan im Bewilligungsverfahren rechtfertigen (WALDMANN/
HÄNNI, a.a.O., N. 26 und 32 zu Art. 13 RPG; BÜHLMANN, a.a.O., N. 35 und 47 zu
Art. 13 RPG). Ob dies einer Bewilligung des Vorhabens vor Anpassung des
Sachplans entgegensteht, oder im Bewilligungsverfahren ohne
BGE 139 II 499 S. 510
förmliche Änderung des Sachplans von diesem abgewichen werden kann, hängt von
der jeweiligen Rechtsmaterie sowie von Umfang und Gewicht der Abweichungen ab.
Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die Fachbehörde nicht leichthin
eine ihr als gesamthaft besser erscheinende Lösung in Abweichung des Sachplans
bewilligen darf. Das Sachplanerfordernis will gerade sicherstellen, dass die
gebotene Interessenabwägung auf Stufe Bundesrat erfolgt, der über die
erforderliche Distanz verfügt und befähigt ist, die Interessen auf
übergeordneter Stufe in einer Gesamtschau abzuwägen, während die Fachbehörden
dazu neigen, ihre fachspezifischen Interessen in den Vordergrund zu stellen (
BGE 128 II 1 E. 3d S. 11).
Die Bindung an den Sachplan darf aber auch nicht dazu führen, dass an Lösungen
festgehalten wird, die aufgrund veränderter Verhältnisse (neue Erkenntnisse,
Methoden, Technologien etc.) überholt sind. Massgeblich für die Bewilligung
eines Projekts ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
Plangenehmigungsverfügung (hier: am 30. Juni 2011) und nicht der Zeitpunkt der
Sachplanfestsetzung (hier: am 21. August 2002).

4.3 Wie das Bundesgericht in BGE 137 II 266 vom 5. April 2011 (d.h. vor der
Erteilung der Plangenehmigung im vorliegenden Verfahren) dargelegt hat, sind
Kabelanlagen aufgrund des technischen Fortschritts leistungsfähiger,
zuverlässiger und kostengünstiger geworden; dies mindert das Gewicht der gegen
eine (Teil-)Verkabelung sprechenden Gründe und kann dazu führen, dass das
Interesse an der ungeschmälerten Erhaltung einer Landschaft von mittlerer bzw.
nur lokaler Bedeutung im Einzelfall überwiegen kann. In diesem Zusammenhang ist
auch die zunehmende Verbauung der Schweiz zu berücksichtigen, mit der Folge,
dass unbeeinträchtigte Landschaften immer seltener werden und das Interesse an
ihrer Erhaltung zunimmt (E. 4.2 S. 276 f.).
Hinzu kommt, dass seit Erlass des Sachplans die Kategorie der Regionalpärke von
nationaler Bedeutung eingeführt worden ist (Teilrevision des NHG vom 6. Oktober
2006, in Kraft seit 1. Dez. 2007). Diese schützen grössere, teilweise
besiedelte Gebiete, die sich durch ihre natur- und kulturlandschaftlichen
Eigenschaften besonders auszeichnen (Art. 23g Abs. 1 NHG), insbesondere durch
die Vielfalt und Seltenheit der einheimischen Tier- und Pflanzenarten sowie
ihrer Lebensräume, die besondere Schönheit und die Eigenart der Landschaft,
einen
BGE 139 II 499 S. 511
geringen Grad an Beeinträchtigungen der Lebensräume sowie des Landschafts- und
Ortsbildes durch Bauten, Anlagen und Nutzungen, sowie die Einzigartigkeit und
besondere Qualität der Kulturlandschaft (Art. 15 der Verordnung vom 7. November
2007 über die Pärke von nationaler Bedeutung [Pärkeverordnung, PäV; SR
451.36]).
Die Qualität von Natur und Landschaft in Regionalparks soll erhalten und
aufgewertet werden (Art. 23g Abs. 2 lit. a NHG). Bei neuen Bauten, Anlagen und
Nutzungen ist der Charakter des Landschafts- und Ortsbildes zu wahren und zu
stärken (Art. 20 lit. c PäV); bestehende Beeinträchtigungen des Landschafts-
und Ortsbildes durch Bauten, Anlagen und Nutzungen sind bei sich bietender
Gelegenheit zu vermindern oder zu beheben (Art. 20 lit. d PäV). Dies gilt
insbesondere auch beim Ersatz, der Änderung oder dem Neubau von
Starkstromleitungen.
Zu den Regionalparks von nationaler Bedeutung gehört auch der Landschaftspark
Binntal. Dieser wurde im Dezember 2008 (d.h. nach Erlass der SÜL-Objektblätter)
als kantonaler Naturpark gegründet. Das Parklabel, d.h. die Anerkennung als
regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung, wurde ihm zwar erst mit
Verfügung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) vom 20. September 2011 erteilt; das
Anerkennungsverfahren wurde jedoch schon am 5. Januar 2011 eingeleitet und war
damit bei Erlass der Plangenehmigungsverfügung hängig.
Wie sich aus dem SÜL-Objektblättern und den dazugehörigen Erläuterungen ergibt,
wurde die Möglichkeit einer unterirdischen Leitungsführung zur Schonung der
kantonalen und kommunalen Schutzgebiete und namentlich des Gebiets des heutigen
Regionalen Naturparks Binn im Sachplanverfahren nicht geprüft.
Es erfolgte daher auch keine Abwägung mit den einer Verkabelung
entgegenstehenden Interessen. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend
dargelegt hat, sind die zuständigen Planungs- und Bewilligungsbehörden deshalb
befugt, diese Prüfung im Plangenehmigungsverfahren nachzuholen und sind
insofern nicht an die in den SÜL-Objektblättern 101.1, 101.2, 800.1 und 800.2
enthaltenen Festsetzungen gebunden.
Dies gilt ohnehin, soweit Private (wie die Beschwerdegegner 1-7) Anträge auf
die Prüfung von Verkabelungsvarianten stellen: Da sie nicht an den Sachplan
gebunden sind, müssen die Behörden ihren Beweisanträgen stattgeben, soweit
diese nicht in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen werden können.
BGE 139 II 499 S. 512

5. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob das BFE aufgrund der im
Plangenehmigungsverfahren erfolgten Abklärungen zum Ergebnis kommen durfte, die
Freileitung sei gegenüber einer - vollständigen oder teilweisen - Verkabelung
der Leitung die beste Lösung. (...)

5.1 (Zusammenfassung der Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts).

5.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die neue Leitungsführung kantonale
und kommunale Schutzgebiete beeinträchtigt: Tatsächlich führe die neue
Linienführung und der Abbruch der bestehenden 220- kV-Leitung in weiten
Bereichen (insb. zwischen Bister und Steinhaus sowie Blitzingen, Ritzingen und
Gluringen) zu einer Entlastung; dies belege der Bericht des Büros für Natur und
Landschaft AG ARNAL vom 25. November 2010 zur Bewertung der
Ausgleichsmassnahmen nach dem "N+L Punktekonto" (im Folgenden: ARNAL-Bericht).
Das BFE habe im Plangenehmigungsentscheid einlässlich dargelegt, weshalb die
gewählte Linienführung die beste Lösung sei. Mit diesen Erwägungen habe sich
das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt und damit das rechtliche
Gehör verletzt. (...)
Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Verkabelung der
SBB-Leitung auf einer Länge von 30 km bereits aufgrund der Resonanzproblematik
ausgeschlossen sei (...).

5.3 Das BFE erachtet die Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin als
begründet, insbesondere auch zur Resonanzproblematik. (...)

5.4 (Zusammenfassung: Stellungnahmen der Beschwerdegegner).

6. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Bericht "Resonanzproblematik
im SBB-Energienetz" von Martin Aeberhard, René Vollenwyder, Christine Haag und
Benedikt Aeberhardt vom 15. Mai 2012 (im Folgenden: Bericht
Resonanzproblematik) ergibt sich, dass ein physikalisches Zusammenspiel
zwischen den Triebfahrzeugen einerseits und dem Bahnstromnetz andererseits
besteht, das ein Aufschwingen des Bahnstromnetzes (Resonanz) bewirken und bei
geringer Dämpfung zu massiven Überspannungen führen könne, die wiederum
Betriebsstörungen oder sogar Schäden an Triebfahrzeugen und Infrastruktur
auslösen könnten. Ob problematische Resonanzen auftreten, sei von vielen
Faktoren abhängig, insbesondere von der Anzahl Fahrzeuge, deren Aufenthaltsort,
dem Fahrzeugtyp, dem Schaltzustand des Bahnstromnetzes, den momentan
eingesetzten Kraftwerken, aber auch vom Verkabelungsanteil des
BGE 139 II 499 S. 513
Bahnstromnetzes (und zwar unabhängig davon, ob sich die Kabelstrecke in der
Nähe einer Bahnschienenstrecke befindet oder nicht).
Der Verkabelungsanteil habe einen grossen und ungünstigen Einfluss auf das
Resonanzverhalten: Je höher der Kabelanteil im Bahnstromnetz sei, desto tiefer
sinke die Resonanzfrequenz; tiefere Resonanzfrequenzen würden weniger (durch
Eisen- und Wirbelstromverluste in den Kupferleitungen) gedämpft. Für einen
stabilen Betrieb müsse die Resonanzfrequenz oberhalb von 103 Hz bleiben.
Bereits mit den bis zum Jahr 2025 geplanten Verkabelungen von ca. 190 km werde
diese Grenze erreicht. Im Bericht wird ausgeführt, dass die SBB Massnahmen
vorantreiben, um das Resonanzproblem einzugrenzen (insbesondere durch
Eliminierung/Vermeidung von anregenden Elementen bei den Fahrzeugen und
Optimierung der Netzstruktur), um einen grösseren Handlungsspielraum für
Verkabelungen zu gewinnen. Möglich sei auch der Einsatz von Generatoren als
dämpfende Elemente; jedoch eigne sich diese Massnahme nur für Teilnetze (wie
den Bereich Lötschberg-Simplon) und lediglich für planbare ausserordentliche
Netzzustände. Als lokale Massnahme hätten sich sodann Dämpfungsglieder zur
passiven Dämpfung im Lötschberg-Simplon-Korridor bewährt; auch diese eigneten
sich jedoch nicht für einen flächendeckenden Einsatz. Zur Zeit werde auch die
Möglichkeit untersucht, Frequenzumformer als aktive Dämpfungsglieder
einzusetzen, was bereits bei Windparks realisiert worden sei. Trotz dieser
Forschungsarbeiten müsse jedoch in absehbarer Zeit darauf geachtet werden, dass
der kritische Kabelanteil nicht überschritten werde; hierfür sei eine
schweizweite Koordination der diversen Verkabelungs-Projekte nötig.

6.1 Bei diesem Bericht handelt es sich um ein Gutachten, das von der SBB in
Auftrag gegeben wurde, d.h. um ein Parteigutachten. Die vollständige Fassung
des Berichts wurde den Beschwerdegegnern erst am 22. Januar 2013 zugestellt,
d.h. nach Ergehen des angefochtenen Entscheids, verbunden mit dem Verbot, ihn
Drittpersonen auszuhändigen oder zu publizieren, weshalb die Beschwerdegegner
den Bericht nicht durch eigene Fachleute überprüfen lassen konnten. Eine
unabhängige Studie zur Resonanzproblematik liegt bislang nicht vor.

6.2 Dennoch ist das Problem ernst zu nehmen. Bereits im Schlussbericht der
Arbeitsgruppe Leitungen und Versorgungssicherheit (nachfolgend: AG LVS) vom 28.
Februar 2007 wurde festgehalten, dass Netzstabilitätsgründe der Verkabelung im
Bahnstromnetz enge
BGE 139 II 499 S. 514
Grenzen setzten und deshalb empfohlen, die Erdverlegung von Leitungen im 16,7
Hz-Hochspannungsnetz der SBB nur bei hohen Beeinträchtigungen (spezielle
Schutzkriterien der Landschaft, des Bodens, des Grundwassers, des Waldes und
der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung [NISV; SR
814.710]) in Betracht zu ziehen, wobei die technischen Randbedingungen
(Netzresonanz und begrenzt zulässiger Verkabelungsanteil) zwingend zu
berücksichtigen seien.
Zwar besteht - wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat - noch etwas
Spielraum, wenn nur die bereits genehmigten Projekte berücksichtigt werden;
dieser muss jedoch haushälterisch genutzt werden, um der SBB die Möglichkeit
von Verkabelungen in Bereichen offenzuhalten, in denen eine Freileitung (z.B.
aus immissionsschutzrechtlichen Gründen) ausscheidet. Die bereits erfolgte
Verkabelung von insgesamt 40,4 km zwischen dem Nordportal (Brig) und dem
Südportal (Iselle) betrifft den Simplontunnel und damit eine spezielle
Situation; daraus kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass auch die
Anschlussstrecke Bitsch/Massaboden bis Ulrichen vollständig verkabelt werden
kann.
Es trifft zu, dass diese Fragen grundsätzlich im SÜL- bzw. im
Plangenehmigungsverfahren abgeklärt werden müssen. Allerdings ist zu
berücksichtigen, dass die Realisierung der vorliegend streitigen Leitungen
dringlich ist: Sie gehören zum strategischen Übertragungsnetz der Schweiz, das
grundsätzlich bis 2015 realisiert werden soll. Der Neubau der 132 kV-Leitung
der SBB muss laut BFE spätestens bei Eröffnung des Gotthard-Basistunnels Ende
2016/Anfang 2017 in Betrieb genommen werden können. Auch die AG LVS ging in
ihrem Schlussbericht davon aus, dass der Neubau der 132 kV-Leitung der SBB zur
Bildung eines ringförmigen, tragfähigen Bahnstrom-Verbundnetzes zur
Gewährleistung der Versorgungssicherheit unerlässlich sei.
Zwar ist die lange Dauer des Verfahrens nicht den Beschwerdegegnern anzulasten.
Dies ändert aber nichts an dem nunmehr bestehenden Zeitdruck. Unter diesen
Umständen müssen Rückweisungen auf das absolut Gebotene reduziert werden, d.h.
auf Teilstrecken, in denen sich die Interessenabwägung des BFE als
bundesrechtswidrig erweist, eine Verkabelung zwingend geprüft werden muss und
mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch realisiert werden kann.

7. Im Folgenden ist der angefochtene Plangenehmigungsentscheid unter diesem
Blickwinkel zu überprüfen.
BGE 139 II 499 S. 515

7.1 Das BFE ging davon aus, dass der festgesetzte Korridor im Wald und am
Talhang sich nicht für eine Kabelanlage eigne und hierfür ein Trassee im
Talgrund gesucht werden müsste, einerseits um Wald- und Schutzgebiete zu
meiden, andererseits um nicht die vielen Wildbäche am Talhang queren zu müssen.
Im relativ schmalen Talboden befänden sich die Siedlungsgebiete, deren
Umfahrung (zur Einhaltung der NIS-Grenzwerte) eine grosse Herausforderung
darstellen würde. Entlang der nördlichen Seite der Rhone befänden sich Dörfer
und Weiler zwischen Bister und Steinhaus. Zudem seien in diesem Gebiet
Gasleitungen vorhanden, auf welche ebenfalls Rücksicht genommen werden müsse.
Für die Entwicklung der Dörfer sowie für die Landwirtschaft wäre eine
Linienführung in Siedlungsnähe nachteilig, da im Bereich der Kabelanlage nicht
gebaut werden dürfe und kein Tiefpflügen möglich sei. Für eine Linienführung
entlang der Rhone ergäben sich aus Sicherheitsgründen und im Hinblick auf die
dritte Rhonekorrektur Konflikte. Zudem befänden sich entlang der Rhone drei
Auengebiete, welche nicht tangiert werden dürften.
Demgegenüber erachtete das BFE den Korridor für die Freileitung als optimal,
sowohl für die Siedlungsgebiete als auch für die Landschaft. Die
Leitungsbündelung ermögliche, dass die 220 kV-Leitung zwischen Mörel und
Ulrichen auf der gesamten Länge und die 65 kV- Leitungen Ernen-Ulrichen und
Heiligkreuz-Fiesch teilweise abgebrochen werden. Für die Dörfer zwischen Bister
und Steinhaus sowie für Blitzingen, Ritzingen und Gluringen, die von der
Linienführung der 220 kV-Leitung betroffen waren, ergebe sich eine erhebliche
Verbesserung. Durch die zusätzliche Verlegung der Leitung an den südlichen
Talhang könne nahezu der gesamte Talboden von störenden Leitungen entlastet
werden. Das BFE ging deshalb davon aus, dass das Leitungsprojekt
(Leitungsbündelung und Verlegung der Leitung an den südlichen Talhang) dem
Landschaftsbild und den kommunalen Interessen genügend Rechnung trage, zumal
fraglich erscheine, ob für eine Kabelanlage überhaupt ein geeigneter Korridor
gefunden werden könnte.

7.2 Das BAFU hält diese Interessenabwägung in seiner Vernehmlassung vor
Bundesverwaltungsgericht wie auch vor Bundesgericht im Bereich Obergoms für
bundesrechtskonform (anders als im Bereich der Querung der Binna; vgl. dazu
unten, E. 7.4). (...) Auf der linken Talseite im Bereich der bewaldeten
Talflanke (...) berühre die Freileitung die kommunalen Schutzgebiete von
Reckingen-Gluringen (...), Münster-Geschinen (...) und Ulrichen (...). Diese
dienten vor
BGE 139 II 499 S. 516
allem der Erhaltung der heutigen forst- und landwirtschaftlichen Nutzung. Nach
Auffassung des BAFU werden diese Schutzziele durch die genehmigte Freileitung
nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Das gewählte Leitungstrassee befinde sich
auf der Schattenseite, über dem Wald, und entspreche mit der vorgesehenen
Bündelung der verschiedenen Leitungen auf einem Gestänge grundsätzlich dem
Schonungsgebot gemäss Art. 3 NHG und Art. 20 PäV. Sollte in diesem
Streckenabschnitt eine Kabelvariante im Talboden weiterverfolgt werden, so sei
zu bedenken, dass je nach Linienführung ebenfalls verschiedene Schutzgebiete
betroffen wären. Neben zwei kleineren kantonalen Landschaftsschutzgebieten
befänden sich in dieser Gegend insbesondere auch kommunale und kantonale
Naturschutzgebiete sowie Objekte aus dem Aueninventar von nationaler Bedeutung.
Das BAFU geht davon aus, dass der landschaftliche Gewinn einer allfälligen
Verkabelung eher gering ausfallen und die voraussichtlich unverhältnismässigen
Kosten (aufgrund der anspruchsvollen Topografie und der erwähnten
Schutzgebiete) nicht überwiegen würde.

7.3 Diese Ausführungen sind aus Sicht des Bundesrechts nicht zu beanstanden.

7.3.1 Zunächst ist klarzustellen, dass nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung nicht nur Landschaften von nationaler Bedeutung, sondern auch
solche von regionaler oder lokaler Bedeutung die Prüfung einer
Verkabelungsvariante rechtfertigen können. Dies bedeutet aber nicht, dass
zwingend eine Machbarkeitsstudie für eine Verkabelung geboten ist, sobald ein
kommunales Schutzgebiet berührt wird; vielmehr hängt dies von der Intensität
der Beeinträchtigung und den Vor- und Nachteilen möglicher Alternativen ab. Die
Behörde ist nur verpflichtet, ernsthaft in Betracht fallende Varianten näher zu
prüfen (Urteil 1C_560/2010 vom 14. Juni 2011 E. 7, in: URP 2012 S. 27); andere
Varianten können bereits aufgrund einer summarischen Prüfung ausgeschieden
werden.

7.3.2 Vorliegend hat das BFE im Plangenehmigungsentscheid dargelegt, dass eine
erdverlegte Leitung im relativ engen Talgrund verlaufen müsste, und diese
Variante aufgrund einer summarischen Prüfung der damit verbundenen Nachteile
für Siedlungsgebiete, Landwirtschaft und Schutzgebiete als nachteiliger
bewertet als die projektierte Freileitung über dem Wald, auf der Schattenseite
des Tals.
Tatsächlich verläuft die projektierte Freileitung auf dem ganzen Abschnitt im
Obergoms am Hang im Wald, wodurch sie nur mittlere
BGE 139 II 499 S. 517
Fernwirkung und keine Nahwirkung hat. Der Wald gehört nicht zum touristisch
erschlossenen und genutzten Gebiet. Der ARNAL-Bericht geht daher für die
Strecke Ulrichen bis Niederwald von einer mittleren Wirkung (...) in einer
Landschaft mit mittlerem Erholungswert (...) aus; im Gebiet des Regionalen
Naturparks Binn (Ärnerwald) steigt der Erholungswert der Landschaft (...),
dagegen bleibt es (wegen der Leitungsführung über dem Wald) bei einem mittleren
Wirkungsfaktor (...).
Ähnlich ist der Verlauf im Bereich Grengiols-Süd (...).

7.3.3 (Zusammenfassung: Konsequenzen der Freileitung für den Wald, insbesondere
Niederhalteservitute).
Zwar werden die breit ausladenden Masten und die Leitungen über dem Wald
sichtbar sein; dies gilt namentlich im Bereich von Gebirgsbächen und
Lawinenschneisen. Ein Kabeltrassee würde jedoch den Wald sehr viel stärker
beeinträchtigen (massive Aushubarbeiten; Belastung mit Baumaschinen, dauerhafte
Rodungsschneise, Übergangsbauwerke). Es ist daher nachvollziehbar, dass das
Kabeltrassee im relativ engen Talgrund verlaufen müsste, in dem die
Siedlungsgebiete, die touristische Infrastruktur (insb. Loipen) und technische
Infrastruktur (Bahnlinie, Gasleitung usw.) konzentriert sind und sich zudem
Naturschutzgebiete befinden (u.a. Auengebiete von nationaler Bedeutung). Es ist
daher völlig offen, ob und wo im Talgrund ein zweckmässiges Leitungstrassee für
eine Kabelvariante gefunden werden könnte; weder die Beschwerdegegner 8-19 noch
das Bundesverwaltungsgericht haben sich zu dieser Frage geäussert.

7.4 Anders liegen die Verhältnisse im Bereich Binnegga-Binnachra-
Hockmatta-Hofstatt. Die neue Leitung überquert hier die Binna und die beidseits
davon gelegenen Landwirtschaftsflächen (Binnegga und Hockmatte), die zu
kantonalen bzw. kommunalen Schutzgebieten gehören (...). Das gesamte Gebiet ist
Teil des Regionalen Naturparks Binn; es handelt sich um eine wertvolle
Kulturlandschaft mit hohem Erholungswert. Im ARNAL-Bericht wird von einer sehr
starken Auswirkung (...) ausgegangen, u.a. wegen der Exponiertheit der Leitung
auf der Kuppe bei Binnegga und der Herableitung ins Binntal sowie der Kreuzung
von Offenland im Bereich Hockmatte.
Das BAFU führt in seiner Vernehmlassung aus, dass der Verlauf der Freileitung
aufgrund seiner Anträge bereits optimiert und das Landschaftsbild im Vergleich
zur vorbestehenden Situation verbessert worden sei; dennoch sei weiterhin von
einer schweren Beeinträchtigung
BGE 139 II 499 S. 518
des kantonalen Landschaftsschutzgebiets Binnachern/Binnegga und des Regionalen
Naturparks Binn auszugehen. Es hält daher eine Machbarkeitsstudie zur
Verkabelung für erforderlich, in der auch die allfällige Resonanzproblematik
für das SBB-Stromnetz zu prüfen sei.
Für dieses Gebiet wird im Plangenehmigungsentscheid lediglich ausgeführt, dass
sich ein Kabel aufgrund der schwierigen geologischen Verhältnisse und zum
Schutz des Parks nur in einem bergmännischen Stollen verlegen liesse, der
aufwendig gesichert werden müsste (Gefahr von Rutschungen und Sackungen), ohne
diese Variante jedoch weiter zu prüfen: Weder wurde ein geeigneter
Leitungskorridor definiert, noch die damit verbundenen Vor- und Nachteile
denjenigen der projektierten Freileitung gegenübergestellt, noch die damit
verbundenen Kosten geschätzt. Die Interessenabwägung ist für diesen
Leitungsabschnitt daher unzureichend, weshalb das Bundesverwaltungsgericht die
Sache zu Recht zur Prüfung der Machbarkeit einer (Teil-)Verkabelung
zurückgewiesen hat.
Wird die Rückweisung auf dieses Teilgebiet beschränkt, hält sich der zeitliche
und verfahrensmässige Aufwand in Grenzen, muss das Plangenehmigungsverfahren
doch nur für diesen Abschnitt neu aufgerollt werden und kann u.U. auf eine
Wiederholung des SÜL-Verfahrens verzichtet werden. Allfällige Resonanzprobleme
im SBB-Netz und Möglichkeiten ihrer Dämpfung auf der relativ kurzen Strecke
werden im Plangenehmigungsverfahren zu prüfen sein, ebenso wie die Möglichkeit
einer getrennten Führung der SBB-Leitung in diesem Abschnitt. Die übrige
Leitungsstrecke ist insoweit einzubeziehen, als dies für die optimale
Linienführung und landschaftsverträgliche Übergangswerke einer
Verkabelungsvariante im Gebiet Binnegga-Binnachra-Hockmatta-Hofstatt notwendig
ist.