Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 II 328



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Urteilskopf

139 II 328

23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Starticket AG, Ticketino AG und ticketportal AG gegen Aktiengesellschaft
Hallenstadion Zürich, Ticketcorner AG und Wettbewerbskommission (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_1054/2012 vom 5. Juni 2013

Regeste

Art. 6 und 48 VwVG; Art. 43 KG; Parteistellung und Beschwerdebefugnis der
Konkurrenten im kartellrechtlichen Untersuchungsverfahren nach Art. 27 ff. KG.
Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Konkurrentenbeschwerde
(E. 3.3). Die Kartellgesetzgebung als Ordnung zur Gewährleistung eines
wirksamen Wettbewerbs versetzt die Konkurrenten in eine besondere,
beachtenswerte, nahe Beziehung zueinander (E. 3.5).
Berücksichtigung der Besonderheiten des Kartellverwaltungsverfahrens und
namentlich der in Art. 43 KG angelegten Unterscheidung zwischen
beteiligungsberechtigten Dritten mit und ohne Parteistellung (E. 4).
Parteistellung (Art. 6 VwVG) und Beschwerdebefugnis (Art. 48 VwVG) der
Konkurrenten im kartellrechtlichen Untersuchungsverfahren setzen voraus, dass
diese einen deutlich spürbaren wirtschaftlichen Nachteil erleiden (E. 4.5).
Anwendung im konkreten Fall (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 329

BGE 139 II 328 S. 329

A.

A.a Am 2. Februar 2010 eröffnete das Sekretariat der Wettbewerbskommission
(WEKO) eine Untersuchung gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995
über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251)
gegen die Aktiengesellschaft Hallenstadion Zürich (nachfolgend: AGH) und die
Ticketcorner AG betreffend den Vertrieb von Tickets im Hallenstadion Zürich.

A.b Der Gegenstand der Untersuchung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die
AGH sieht in ihren Allgemeinen
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Geschäftsbedingungen (AGB; Stand: 2011) vor, dass Veranstalter verpflichtet
sind, der AGH ein Kontingent von mindestens 50 Prozent der Tickets aus
sämtlichen Kategorien zu Standardkonditionen in Konsignation zur Verfügung zu
stellen. Ticketing-Partner der AGH ist die Ticketcorner AG. Die von ihnen
getroffene Kooperationsvereinbarung sieht vor, dass mindestens 50 Prozent aller
Tickets für Veranstaltungen im Hallenstadion durch die Ticketcorner AG
vertrieben werden. Diese 50 %-Klauseln in den AGB und der
Kooperationsvereinbarung wirken sich nach den Erkenntnissen im
Untersuchungsverfahren wie 100 %-Klauseln aus. Das bedeutet, dass Veranstalter
zwar die Möglichkeit hätten, mehrere Ticketvertriebsunternehmen mit dem
Ticketvertrieb für Veranstaltungen im Hallenstadion zu betrauen, davon jedoch
regelmässig absehen.

A.c Im Untersuchungsverfahren räumte das Sekretariat der WEKO der Starticket
AG, der Ticketino AG und der ticketportal AG Parteistellung nach Art. 6 des
Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021) ein.

B. Mit Verfügung vom 14. November 2011 stellte die WEKO die Untersuchung ein.
Dagegen erhoben die Starticket AG, die Ticketino AG und die ticketportal AG
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses trat mit Urteil vom 19.
September 2012 mangels Beschwerdebefugnis nicht auf die Beschwerde ein.

C. Vor Bundesgericht beantragen die Starticket AG, die Ticketino AG und die
ticketportal AG, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September
2012 aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, auf die Beschwerde vom 23.
Januar 2012 einzutreten und die materiellen Rügen zu behandeln, eventualiter
die Vorinstanz anzuweisen, das Verfahren zur Neubeurteilung an die WEKO
zurückzuweisen. (...)
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde hebt das Bundesgericht den
angefochtenen Entscheid insoweit auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung
an das Bundesverwaltungsgericht zurück, als der Starticket AG
(Beschwerdeführerin 1) und der ticketportal AG (Beschwerdeführerin 3) die
Beschwerdebefugnis abgesprochen worden ist.
(Auszug)

Erwägungen

BGE 139 II 328 S. 331
Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Vorinstanz hat die Beschwerdebefugnis anhand von Art. 48 VwVG geprüft.
Wo Wettbewerbsbeschränkungen strittig seien, könne eine Beschwerdebefugnis des
Konkurrenten nur bejaht werden, wenn zusätzlich zur Konkurrenzsituation eine
erhebliche Behinderung der wirtschaftlichen Position durch die
wettbewerbsbeschränkende Massnahme hinzutrete. Aus der (Einstellungs-)Verfügung
der WEKO ergebe sich, dass die Beschwerdeführerinnen nicht erheblich im
Wettbewerb unter den Ticketleistungsanbietern behindert seien, auch wenn sie
durch das Auftreten der Ticketcorner AG möglicherweise einen wirtschaftlichen
Nachteil erleiden würden. Die durch die 50 %-Klauseln eingeräumte privilegierte
Stellung der Ticketcorner AG führe bei den Beschwerdeführerinnen nicht zu einem
erheblichen Nachteil, der eine besondere, nahe Beziehung der
Beschwerdeführerinnen zur Streitsache schaffen würde. Das Kartellrecht als
solches vermittle die erforderliche Beziehungsnähe nicht, da es den freien
Wettbewerb an sich, nicht aber die einzelnen Konkurrenten voreinander schütze.
Die Beschwerdebefugnis sei daher zu verneinen.

2.2 Die Beschwerdeführerinnen rügen eine bundesrechtswidrige Aberkennung der
Beschwerdebefugnis. Dabei habe die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich
falsch festgestellt, wenn sie die erhebliche Behinderung im Wettbewerb mit der
Begründung verneine, dass etliche Veranstalter mit zwei verschiedenen
Ticketanbietern zusammenarbeiten würden. Die Beschwerdeführerinnen seien in
ihrem durch das Kartellgesetz geschützten Anspruch auf Teilnahme am Wettbewerb
beeinträchtigt. Eine besondere Nähe zum Streitgegenstand ergebe sich dadurch,
dass dieser Anspruch der Beschwerdeführerinnen bzw. Konkurrentinnen durch
wettbewerbsbeschränkende Praktiken verletzt werde. Entscheidend sei, dass die
Beschwerdeführerinnen durch diese Praktiken vom Wettbewerb ausgeschlossen seien
bzw. faktisch nicht in den Markt eintreten könnten. Zu Unrecht setze sich die
Vorinstanz darüber hinweg, dass bereits die WEKO den Beschwerdeführerinnen
Parteistellung zuerkannt habe. Zudem vermische die Vorinstanz (materielle)
Kriterien der kartellrechtlichen Zulässigkeit mit den (formellen) Kriterien der
Beschwerdebefugnis. Schliesslich habe die Vorinstanz verkannt, dass die
Schlussfolgerungen der WEKO betreffend Marktabgrenzung und
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Marktanteilen unzutreffend bzw. unvollständig seien. Bereits die WEKO habe eine
falsche Eingrenzung der relevanten Märkte vorgenommen.

2.3 Die Beschwerdegegnerinnen wenden ein, es gehe vorliegend allein darum, ob
die Beschwerdeführerinnen eine deutlich spürbare Verschlechterung ihrer
Wettbewerbsposition und damit einen deutlich spürbaren wirtschaftlichen
Nachteil erleiden würden. Zu Recht habe die Vorinstanz dies verneint. Es
gelinge den Beschwerdeführerinnen nicht, eine konkrete, deutlich spürbare
Behinderung der wirtschaftlichen Position, d.h. einen kausalen Umsatzrückgang,
nachzuweisen. Nicht entscheidend sei, ob die Beschwerdeführerinnen im Verfahren
vor der WEKO als Parteien eingestuft worden seien, zumal das Sekretariat der
WEKO diese Frage nur oberflächlich geprüft habe. Soweit die
Beschwerdeführerinnen ihre privaten Interessen durchsetzen wollen, stehe ihnen
der Zivilrechtsweg offen (Art. 12 ff. KG). Die weiteren von den
Beschwerdeführerinnen erhobenen Sachverhalts- und materiell-rechtlichen Rügen
seien für die Eintretensfrage nicht wesentlich.

3.

3.1 Auf die kartellverwaltungsrechtlichen Verfahren sind die Bestimmungen des
Verwaltungsverfahrensgesetzes anwendbar, soweit das Kartellgesetz nicht davon
abweicht (Art. 39 KG; BGE 137 II 199 E. 6.4 S. 218). Das Kartellgesetz enthält
keine Bestimmung (mehr) zum Beschwerdeverfahren (vgl. aArt. 44 KG [AS 1996
558]) und regelt namentlich die Beschwerdebefugnis nicht ausdrücklich. Es gilt
daher für das Verfahren vor der Vorinstanz grundsätzlich die allgemeine Ordnung
des Art. 48 VwVG (vgl. Art. 37 VGG [SR 173.32]; Botschaft vom 23. November 1994
zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen
[nachfolgend: Botschaft Kartellgesetz], BBl 1995 I 468, 617 Ziff. 256.6;
VINCENT MARTENET, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, 2. Aufl.
2013, N. 132 zu Art. 39 KG; PETER HÄNNI, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz,
2010, N. 19 ff. zu Nach Art. 43 KG; PAUL RICHLI, Kartellverwaltungsverfahren,
in: Kartellrecht, SIWR Bd. V/2, 2000, S. 417 ff., 506 ff.).

3.2 Gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG ist zur Beschwerde berechtigt, wer vor der
Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme
erhalten hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an
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deren Aufhebung oder Änderung hat. Nach Art. 48 Abs. 2 VwVG sind ferner jene
Personen, Organisationen und Behörden zur Beschwerde berechtigt, denen ein
anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt. Eine Konstellation im Sinne von
Art. 48 Abs. 2 VwVG besteht vorliegend nicht. Die Beschwerdebefugnis beurteilt
sich somit nach Art. 48 Abs. 1 VwVG, der Art. 89 Abs. 1 BGG entspricht und in
Anlehnung an diesen auszulegen ist (BGE 139 II 279 E. 2.2; Urteile 2C_94/2012
vom 3. Juli 2012 E. 2.1; 9C_823/2011 vom 23. März 2012 E. 1.3).

3.3 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil 2C_485/2010 vom 3.
Juli 2012 E. 1.2.4, nicht publ. in: BGE 138 I 378, mit Hinweis auf BGE 127 II
264 E. 2c S. 269; BGE 125 I 7 E. 3d S. 9) sind Konkurrenten nicht schon
aufgrund der blossen Befürchtung, einer verstärkten Konkurrenz ausgesetzt zu
sein, beschwerdebefugt; diese Art des Berührtseins liegt vielmehr im Prinzip
des freien Wettbewerbs. Erforderlich ist eine schutzwürdige besondere
Beziehungsnähe, die sich aus der einschlägigen gesetzlichen Ordnung ergibt. So
kann ein schutzwürdiges Interesse für Konkurrenten in Wirtschaftszweigen
vorliegen, in welchen sie durch wirtschaftspolitische oder sonstige spezielle
Regelungen in eine solche besondere Beziehungsnähe untereinander versetzt
werden (Urteil 2C_694/2009 vom 20. Mai 2010 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 136 II
291; vgl. auch BGE 135 II 243 E. 1.2 S. 246 f.; MOOR/POLTIER, Droit
administratif, Bd. II, 3. Aufl. 2011, S. 740). Ferner ist ein Konkurrent
beschwerdebefugt, soweit er geltend macht, andere Konkurrenten würden
privilegiert behandelt. Hingegen kann das blosse allgemeine Interesse der
Konkurrenten, dass die für alle geltenden Vorschriften gegenüber den anderen
Wirtschaftsteilnehmern korrekt angewendet werden, keine Beschwerdebefugnis
begründen (BGE 125 I 7 E. 3g/bb S. 11 f.; BGE 123 II 376 E. 4b/bb S. 380 f.),
und zwar auch nicht zugunsten der Konkurrenten, welche befürchten, infolge
einer angeblich rechtswidrigen Zulassung neuer Produkte einen Umsatzrückgang zu
erleiden (BGE 123 II 376 E. 5b S. 382 ff.; Urteil 2C_348/2011 vom 22. August
2011 E. 2.3). Konkurrenten sind sodann nicht beschwerdebefugt, wenn sie nicht
eine Dritten zugestandene Begünstigung rügen, sondern im Gegenteil verhindern
wollen, dass - ohne Vorliegen einer "Schutznorm" im genannten Sinne - Dritten
das zugestanden wird, was ihnen auch zusteht (BGE 131 I 198 E. 2.6 S. 203 ff.).

3.4 Das Bundesgericht hatte bisher nicht zu entscheiden, ob die
Kartellgesetzgebung die Konkurrenten untereinander in eine besondere
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Beziehungsnähe versetzt. Allerdings hat das Bundesgericht mit Bezug auf die
Konkurrentenbeschwerde im Bereich des Versicherungswesens darauf hingewiesen,
dass die Interessen der Konkurrenten an einem wirksamen Wettbewerb über das
Wettbewerbsrecht und insbesondere die Kartellgesetzgebung geschützt werden (BGE
138 I 378 E. 9.4 S. 401; Urteil 2C_94/2012 vom 3. Juli 2012 E. 2.10). Im Rahmen
einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 48 VwVG ist zu berücksichtigen,
dass die Konkurrentenbeschwerde im Bereich der Kartellgesetzgebung dazu
beiträgt, die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Konkurrenten (Art. 27
i.V.m. Art. 35 Abs. 3 BV) und damit wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten (Art.
96 BV). Während sich Konkurrenten gegen staatliche Wettbewerbsverzerrungen
unter Anrufung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Konkurrenten zur Wehr
setzen können (vgl. BGE 138 I 378 E. 6.1 S. 385; BGE 136 I 1 E. 4.4 S. 16 f.
mit Hinweisen), gewährleistet das Kartellgesetz den wirksamen Wettbewerb
zwischen Marktteilnehmern. Das spiegelt sich im Regelungszweck der
Kartellgesetzgebung wider, die den Wettbewerb als Institution wie auch die
Persönlichkeit der einzelnen Wettbewerbsteilnehmer schützt (BGE 139 I 72 E.
10.1.2 und 10.4.2 S. 103 f. und 108 f.; BGE 129 II 18 E. 5.2.1 S. 24, BGE 129
II 497 E. 6.4.2 S. 538). Spricht ansonsten das Prinzip des freien Wettbewerbs
und seine verfassungsrechtliche Anerkennung gegen die besondere Beziehungsnähe
unter den Konkurrenten, verhält es sich im Bereich des Wettbewerbsrechts gerade
anders: Die Konkurrenten setzen sich - wenn auch in eigenem, "egoistischem"
Interesse - für die Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs ein.

3.5 Diese rechtliche Ausgangslage bekräftigt das Vorliegen eines
prozessrechtlichen Rechtsschutzinteresses, auf das es bei der
Beschwerdebefugnis nach Art. 48 VwVG ankommt (BGE 135 II 172 E. 2.1 S. 174; BGE
133 I 185 E. 4.1 S. 192; BGE 123 II 376 E. 4c S. 381; BGE 121 I 267 E. 3c S.
270; vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 152;
MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2008,
Rz. 2.70). Das Kartellgesetz als Ordnung zur Gewährleistung eines wirksamen
Wettbewerbs versetzt die Konkurrenten in eine besondere, beachtenswerte, nahe
Beziehung zueinander. Sie sind von einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung
direkt und unmittelbar betroffen und haben an deren Beseitigung ein praktisches
und schutzwürdiges Interesse. Nicht abschliessend zu beantworten ist an dieser
Stelle, inwiefern dies auch für andere Marktteilnehmer (insb. Abnehmer und
Lieferanten) gilt,
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da die Beschwerdeführerinnen unstrittig in einem aktuellen Konkurrenzverhältnis
zur Ticketcorner AG stehen.

4.

4.1 Bei der Umschreibung der Beschwerdebefugnis nach Art. 48 VwVG sind die
Wechselwirkungen zwischen dem Verwaltungsverfahrensgesetz und den
kartellrechtlichen Verfahrensvorschriften zu berücksichtigen: Die allgemeinen
Regeln des VwVG sind kartellrechtskonform und die Sonderregeln des
Kartellgesetzes VwVG-konform auszulegen (vgl. Art. 4 VwVG und Art. 39 KG;
STEFAN BILGER, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz, 2010, N. 16 zu Vor Art.
39-44 KG; vgl. BGE 139 II 279 E. 2.3; BGE 135 II 172 E. 2.3.2 S. 178, BGE 135
II 60 E. 3.1.3 S. 69). Dabei sind nach der Systematik des
Verwaltungsverfahrensgesetzes Parteistellung (Art. 6 VwVG) und
Beschwerdebefugnis (Art. 48 VwVG) aufeinander abgestimmt (BGE 139 II 279 E.
2.2; BGE 131 II 587 E. 5.2 S. 592). Art. 6 VwVG umschreibt den Parteibegriff
offen und knüpft über den Verweis auf die Beschwerdebefugnis nach Art. 48 VwVG
an das Rechtsschutzinteresse an. Zu den Parteien zählen damit neben materiellen
Verfügungsadressaten auch Dritte, die in einem besonders engen, spezifischen
Verhältnis zum Verfügungsgegenstand stehen und deren Situation durch den
Ausgang des Verfahrens in relevanter Weise beeinflusst werden kann (BGE 139 II
279 E. 2.2; Urteil 2C_762/2010 vom 2. Februar 2011 E. 4.1).

4.2 Daraus folgt, dass über den Kreis der beschwerdebefugten Konkurrenten (Art.
48 VwVG) mittelbar auch die Parteien (Art. 6 VwVG) im
Kartellverwaltungsverfahren umschrieben werden. Es bestehen damit
Berührungspunkte zu Art. 43 KG, der die Beteiligung Dritter am
kartellrechtlichen Untersuchungsverfahren (Art. 27 ff. KG) ausdrücklich regelt.
Am Verfahren können sich nach Art. 43 Abs. 1 lit. a KG unter anderem Personen
beteiligen, die aufgrund der Wettbewerbsbeschränkung in der Aufnahme oder in
der Ausübung des Wettbewerbs behindert sind. Dazu zählen die aktuellen
Konkurrenten, die sich auf dem Markt bewegen, auf dem sich die
Wettbewerbsbeschränkung auswirkt (BILGER, a.a.O., N. 12 zu Art. 43 KG; PHILIPPE
BORENS, Die Rechtsstellung Dritter im Kartellverwaltungsverfahren der
Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz, 2000, S. 213). Die Beteiligung
Dritter liegt dabei nicht nur in deren Interesse, sondern trägt auch
Wesentliches zur Klärung des rechtserheblichen Sachverhalts bei und erhöht
damit die Qualität der Entscheide. Daneben dient die Ordnung des Art. 43 KG
einem effizienten
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Verfahren. Dies zeigt sich besonders in der abschliessenden Umschreibung des
Kreises der Beteiligungsberechtigten, dem Anmeldeerfordernis für die
Beteiligung (Art. 43 Abs. 1 KG i.V.m. Art. 28 Abs. 2 KG) sowie der Möglichkeit,
eine gemeinsame Vertretung zu verlangen und die Beteiligungsrechte auf eine
Anhörung zu beschränken (Art. 43 Abs. 2 KG). Art. 43 KG stimmt demnach das
Interesse der unter Umständen zahlreichen Dritten an der Mitwirkung auf die
Erfordernisse eines rechtmässigen und effizienten Verfahrens ab (vgl. BORENS,
a.a.O., S. 107 ff.; VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2008, Rz. 1707 ff.; RICHLI, a.a.O., S. 495 f.).

4.3 Hingegen äussert sich Art. 43 KG nach zutreffender Auffassung nicht dazu,
ob den nach Art. 43 Abs. 1 KG beteiligungsberechtigten Dritten auch
Parteistellung im Untersuchungsverfahren nach Art. 27 ff. KG zukommt. Vielmehr
richtet sich diese Verfahrensfrage nach Art. 6 VwVG. So setzt Art. 43 KG die
Unterscheidung zwischen beteiligungsberechtigten Dritten und Parteistellung
voraus, indem Art. 43 Abs. 2 KG die Beschränkung der Beteiligung auf eine
Anhörung nur zulässt, soweit Dritten keine Parteistellung zukommt. Diese
Unterscheidung geht denn auch ausdrücklich aus den Materialien hervor
(Botschaft Kartellgesetz, BBl 1995 I 468, 616 Ziff. 256.5) und hat sich in der
jüngeren Lehre durchgesetzt (z.B. BILGER, a.a.O., N. 21 ff. zu Art. 43 KG;
BORENS, a.a.O., S. 215 ff.; CHRISTIAN BOVET, Les tiers devant les Commissions
fédérales des banques, de la concurrence et de la communication, in: Les tiers
dans la procédure administrative, 2004, S. 145 ff., 156; BENOÎT MERKT, in:
Commentaire romand, Droit de la concurrence, 2. Aufl. 2013, N. 8 ff. und 19 zu
Art. 43 KG; RICHLI, a.a.O., S. 495 ff.; anders JÜRG BORER, Wettbewerbsrecht,
Bd. I, 3. Aufl. 2011, N. 6 zu Art. 43 KG).

4.4 Die in Art. 43 KG angelegte Unterscheidung zwischen
beteiligungsberechtigten Dritten mit und ohne Parteistellung hat bei der
Auslegung der VwVG-Normen, namentlich von Art. 6 und 48 VwVG, einzufliessen.
Der Kreis der nach Art. 43 Abs. 1 KG beteiligungsberechtigten Dritten kann - je
nach den Umständen - einen beachtlichen Umfang annehmen. Wollte man ihnen ohne
Weiteres ein Rechtsschutzinteresse nach Art. 6 und 48 VwVG zusprechen, würde
die über Art. 43 KG angestrebte Abstimmung der Beteiligungsrechte auf die
Bedürfnisse eines raschen und korrekten Verfahrens zu einem guten Stück
unterlaufen. Wird dagegen zwischen beteiligungsberechtigten Dritten mit und
ohne Parteistellung
BGE 139 II 328 S. 337
unterschieden, kann der Kreis der beteiligungsberechtigten Dritten nach Art. 43
Abs. 1 KG relativ weit gefasst werden (BORENS, a.a.O., S. 213; RICHLI, a.a.O.,
S. 498). Das trägt zur Rechtsverwirklichung bei, ohne ein effizientes Verfahren
auch bei einer Vielzahl von Beteiligten zu verunmöglichen (vgl. Art. 43 Abs. 2
KG) und das Beschwerderecht in Richtung einer unerwünschten Popularbeschwerde
zu öffnen. Hinzu kommt, dass das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren primär
der Durchsetzung öffentlicher Interessen dient, während für die Durchsetzung
vorrangig privater Interessen der Zivilrechtsweg nach Art. 12 ff. KG offensteht
(BGE 131 II 497 E. 5.5 S. 514; BGE 130 II 521 E. 2.9 S. 529, BGE 130 II 149 E.
2.4 S. 156; Urteil 2A.161/2006 vom 12. Oktober 2006 E. 3.2). Angesichts dieser
gesetzlich vorgesehenen Gabelung des Rechtsschutzes ist zu vermeiden, dass das
Verwaltungsverfahren zu stark auf private Interessen ausgerichtet wird.

4.5 Aus den genannten Gründen ist einem Konkurrenten ungeachtet seiner
Beteiligung am Untersuchungsverfahren nach Art. 43 Abs. 1 KG nicht ohne
Weiteres die Parteistellung (Art. 6 VwVG) und die Beschwerdebefugnis (Art. 48
VwVG) einzuräumen, sondern nur dann, wenn er einen deutlich spürbaren
wirtschaftlichen Nachteil erleidet (im Ergebnis ebenso STEFAN BILGER, Das
Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen
[nachfolgend: Verwaltungsverfahren], 2002, S. 214 ff., 224 ff.; BORENS, a.a.O.,
S. 209 f.; jeweils mit Hinweis auf einen Entscheid der Rekurskommission für
Wettbewerbsfragen [REKO/WEF] vom 25. April 1997, in: Recht und Politik des
Wettbewerbs [RPW] 2/1997 S. 243 ff.). Ein deutlich spürbarer wirtschaftlicher
Nachteil setzt eine konkrete, individuelle Betroffenheit voraus und liegt vor,
wenn sich die beanstandete Abrede oder Verhaltensweise in wesentlichem Ausmass
nachteilig auf den Konkurrenten auswirkt, namentlich indem er eine
Umsatzeinbusse erleidet. Eine besondere Schwere ist dabei nicht vorausgesetzt.
Hingegen hat der beschwerdeführende Konkurrent im Rahmen seiner Mitwirkungs-
und Begründungspflicht darzulegen, dass er einen deutlich spürbaren
wirtschaftlichen Nachteil erleidet, soweit dies nicht klar aus den Akten
ersichtlich ist (Art. 13 VwVG und Art. 52 Abs. 1 VwVG; BGE 120 Ib 431 E. 1 S.
433 mit Hinweis).

4.6 Über das Vorliegen eines wirtschaftlichen Nachteils im umschriebenen Sinne
hinaus kann jedoch entgegen der Vorinstanz keine weitere Schranke für die
Beschwerdebefugnis gesetzt werden. So kann sie nicht erst dann bejaht werden,
wenn der wirksame Wettbewerb nicht mehr funktioniert (so aber BILGER,
Verwaltungsverfahren,
BGE 139 II 328 S. 338
a.a.O., S. 215; RICHLI, a.a.O., S. 509). Damit würde die materiell-rechtliche
Beurteilung auf der Stufe der Beschwerdebefugnis vorweggenommen, mit der Folge,
dass der Rechtsschutz von Konkurrenten weitgehend ausgeschlossen wäre, sofern
die WEKO eine Einstellungsverfügung getroffen und damit das Vorhandensein von
wirksamem Wettbewerb bejaht hat. Einen solchen Ausschluss der
Beschwerdebefugnis und damit der gerichtlichen Kontrolle der Tätigkeit der
Wettbewerbsbehörden hat der Gesetzgeber jedoch bei der Untersuchung von
Wettbewerbsbeschränkungen - im Unterschied zur Prüfung von
Unternehmenszusammenschlüssen (Art. 43 Abs. 4 KG; BGE 131 II 497 E. 5 S. 508
ff.) - gerade nicht vorgesehen. Es muss daher für die Beschwerdebefugnis
genügen, dass sich die Abrede oder Verhaltensweise in wesentlichem Ausmass
nachteilig auf den Konkurrenten auswirkt.

5.

5.1 Vorliegend hat die Vorinstanz ausgeführt, "dass trotz der 50 %-AGB-Klausel
etliche Veranstalter - z.B. aus Gründen der besseren Verfügbarkeit von Tickets
im Ausland oder aus örtlichen Gründen - mit zwei verschiedenen Ticketanbietern
zusammenarbeiten". Zu Recht wenden die Beschwerdeführerinnen ein, dass diese
Ausführungen mit Bezug auf die Veranstaltungen im Hallenstadion klar
aktenwidrig sind. Die WEKO hat in ihrer Verfügung festgestellt, "dass sich die
50 %-AGB-Klausel jedenfalls in den allermeisten Fällen wie eine 100 %-ige
Klausel auswirkt. Die Veranstalter hätten zwar rechtlich die Möglichkeit,
mehrere Ticketvertriebsunternehmen mit dem Ticketvertrieb zu betrauen, faktisch
sehen sie jedoch von einer Nutzung dieser Möglichkeit regelmässig ab."
Inwiefern von dieser Sachverhaltsfeststellung abzuweichen ist, begründet die
Vorinstanz nicht, sondern verweist gerade auf die Ausführungen der WEKO. Es ist
daher auf die Erkenntnisse des Untersuchungsverfahrens abzustellen (Art. 105
Abs. 2 BGG).

5.2 Die Beschwerdeführerinnen 1 und 3 haben bereits im Verfahren vor der WEKO
anhand konkreter Veranstaltungen dargelegt, dass sie aufgrund der beanstandeten
Abrede bzw. Verhaltensweise (50 %-Klauseln) deutlich spürbare wirtschaftliche
Nachteile in Form von Umsatzeinbussen erleiden. Unter Verweis darauf hat die
WEKO den Beschwerdeführerinnen 1 und 3 Parteistellung zuerkannt. Damit ist auch
die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerinnen 1 und 3 aufgrund der Akten
erstellt und zu bejahen. Dagegen hat die Beschwerdeführerin 2 zu keinem
Zeitpunkt ihre Beschwerdebefugnis
BGE 139 II 328 S. 339
näher dargelegt. Die WEKO bejahte die Parteistellung im Sinne einer
"dynamischen Betrachtungsweise", da die 50 %-AGB-Klausel verhindere, dass die
Beschwerdeführerin 2 überhaupt erst Kunden gewinnen könne, die ihr den
Ticketvertrieb für im Hallenstadion stattfindende Anlässe übertragen würden.
Darin liegt jedoch nichts anderes als ein Hinweis auf die allgemeine Wirkung
der 50 %-Klauseln, ohne dass ersichtlich ist, ob die Beschwerdeführerin 2 einen
konkreten, individuellen wirtschaftlichen Nachteil erleidet. Dies ist aufgrund
der Akten nicht klar erstellt und wird von der Beschwerdeführerin 2 nicht
dargelegt. Namentlich konnte sie den erlittenen wirtschaftlichen Nachteil nicht
beziffern. Weder vor der Vorinstanz noch im bundesgerichtlichen Verfahren hat
die Beschwerdeführerin 2 hierzu Näheres ausgeführt. Die Vorinstanz hat daher
die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin 2 im Ergebnis zu Recht verneint.