Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 II 134



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Urteilskopf

139 II 134

11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Grundhof
Bözberg AG gegen Regierungsrat des Kantons Aargau (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_423/2012 vom 15. März 2013

Regeste

Bewilligungspflicht von Probebohrungen im Waldgebiet.
Probebohrungen im Waldgebiet bedürfen einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24
RPG, wenn das Vorhaben so gewichtige Auswirkungen auf Raum und Umwelt hat, dass
ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen
Kontrolle besteht. Von massgeblicher Bedeutung für die Beurteilung der
räumlichen Folgen sind insbesondere die Art und Empfindlichkeit der Umgebung,
in welcher das Vorhaben realisiert werden soll. Angesichts des besonderen
Standorts im Wald sind die mit den fraglichen Probebohrungen verbundenen
negativen Auswirkungen auf die Umgebung als so erheblich einzustufen, dass die
Bewilligungspflicht nach Art. 24 RPG zu bejahen ist (E. 5.2 und 5.3).
Für den Wald nachteilige Nutzungen, die keine Rodung darstellen, können von den
Kantonen gemäss Art. 16 Abs. 2 WaG aus wichtigen Gründen unter Auflagen und
Bedingungen bewilligt werden. Als solche Nutzungen gelten punktuelle oder
unbedeutende Beanspruchungen von Waldboden für nichtforstliche Kleinbauten und
-anlagen, die das Bestandesgefüge des Waldes nicht beeinträchtigen (E. 6.2).
Bei den geplanten Probebohrungen handelt es sich um eine die Funktionen des
Waldes zumindest temporär beeinträchtigende nachteilige Nutzung, welche eine
kantonale Ausnahmebewilligung nach Art. 16 Abs. 2 WaG erfordert (E. 6.3).

Sachverhalt ab Seite 136

BGE 139 II 134 S. 136

A. Der Kanton Aargau will im Hinblick auf die langfristige Planung des
Gesteinsabbaus Probebohrungen durchführen. Damit soll das Kalk- und
Mergelvorkommen, das zur Zementproduktion benötigt wird, untersucht werden. Mit
Beschluss vom 13. Dezember 2006 beauftragte der Regierungsrat des Kantons
Aargau das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau (BVU/AG), die
für diese Probebohrungen erforderlichen enteignungsrechtlichen Verfahren
einzuleiten.
Am 22. März 2007 erteilte die Abteilung für Umwelt des BVU/AG der Abteilung für
Raumentwicklung des BVU/AG gestützt auf Art. 32 GSchV (SR 814.201) und § 7 des
Gesetzes des Kantons Aargau vom 22. März 1954 über die Nutzung und den Schutz
der öffentlichen Gewässer unter Auflagen und Bedingungen
gewässerschutzrechtliche Bewilligungen für Sondierbohrungen in besonders
gefährdeten Gewässerschutzbereichen an vier Standorten, nämlich in den
Gemeinden Effingen, Schinznach-Dorf, Thalheim und Unterbözberg. Gemäss dem
Bestandteil der Bewilligung bildenden Gesuchsformular beträgt die Bohrtiefe am
Standort Effingen 100 m. Die Bohrlöcher, welche einen Durchmesser von maximal
20 cm aufweisen dürfen, müssen nach Abschluss der Untersuchung wieder
fachgerecht, nach dem Stand der Technik, verfüllt werden. Die für die
Probebohrungen temporär beanspruchte Waldfläche ist auf unter 100 m^2
beschränkt und zweckmässig abzugrenzen. Die Bohrungen sollen im Y-förmigen
Kreuzungsbereich der Waldstrassen vorgenommen werden. Für die Bohrinstallation
werden ein 25 t schwerer Bohrlastwagen (1 An- und 1 Abtransport) und ein 34 t
schwerer Transportlastwagen (je 2 An- und Abtransporte) benötigt. Ausser dem
Bohrgerät wird auf der Kreuzung eine Notstromgruppe, ein Spülwasserbecken und
ein Rohrlager installiert. Die Wegkreuzung wird deshalb während bis zu vier
Wochen mit grösseren Fahrzeugen nicht oder nur erschwert passierbar sein. Für
den An- und Abtransport von Kleinmaterial und Personal wird mit rund 60 Hin-
und Rückfahrten mit einem Lieferwagen (3,5 t) und mit rund 140 Hin- und
Rückfahrten mit Personenwagen (2 t) gerechnet. Für das Befahren der
Waldstrassen ist nach § 22 Abs. 1 lit. e der Verordnung vom 16. Dezember 1998
zum Waldgesetz des Kantons Aargau (AWaV/AG; SAR 931.111) eine schriftliche
Ausnahmebewilligung des Gemeinderats notwendig (Ziffer 10 der Bedingungen und
Auflagen zur Sondierbohrbewilligung vom 22. März 2007).
Am 30. Mai 2007 stellte die Abteilung für Raumentwicklung des BVU/AG bei der
kantonalen Schätzungskommission nach Baugesetz
BGE 139 II 134 S. 137
Gesuche um befristete Enteignungen zwecks Durchführung von Probebohrungen
(sowie An- und Abtransport der benötigten Installationen) an den vier erwähnten
Standorten. Bezüglich des Standorts Effingen wurde darum ersucht, die im
Eigentum der Gemeinde Effingen stehenden Parzellen Nr. 151 und 711 und die
erforderlichen Zufahrtsrechte befristet zu enteignen. Gegen das öffentlich
aufgelegte Enteignungsgesuch in Effingen erhob unter anderem die Grundhof
Bözberg AG Einsprache. Die Einsprecherin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr.
159, welches sich in unmittelbarer Nähe des Bohrstandorts befindet.
Nach einer Einigungsverhandlung überwies die Schätzungskommission die
Einsprache am 30. Juni 2008 an den Regierungsrat des Kantons Aargau. Dieser
wies die Einsprache am 14. Januar 2009 ab und ordnete die Enteignung für die
Durchführung der Probebohrungen in Effingen samt Benutzung der zu den
Bohrstellen führenden Waldstrassen an. Zudem wies er die Gemeinde Effingen an,
auf entsprechendes Gesuch hin das für das Befahren der Waldstrassen gemäss § 22
Abs. 1 lit. e AWaV/AG erforderliche Ausnahmebewilligungsverfahren
durchzuführen.
Gegen diesen Regierungsratsentscheid reichte unter anderem die Grundhof Bözberg
AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Aargau ein.
Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 18. November 2009 ab,
soweit es darauf eintrat. Auf eine von der Grundhof Bözberg AG gegen dieses
Urteil erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 1C_15/2010 vom 16.
Juni 2010 nicht ein.

B. Am 25. Januar 2011 stellte die Abteilung Raumentwicklung des BVU/AG bei der
Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG das Gesuch, es sei festzustellen,
dass die geplanten Probebohrungen nebst der (bereits erteilten)
gewässerschutzrechtlichen Bohrbewilligung und der waldrechtlichen
Ausnahmebewilligung gemäss § 22 Abs. 1 lit. e AWaV/AG für die Benutzung der zu
den Bohrstellen führenden Waldstrassen weder einer Baubewilligung nach RPG (SR
700) noch einer Rodungs- oder weiteren waldrechtlichen Ausnahmebewilligung im
Sinne des Waldgesetzes des Kantons Aargau vom 1. Juli 1997 (AWaG/AG; SAR
931.100) bedürften.
Am 23. Februar 2011 verfügte die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG
bezogen auf den Probebohrungsstandort Effingen (Parzellen Nr. 151 und 711) was
folgt:
BGE 139 II 134 S. 138
I. Es wird festgestellt, dass die Probebohrung nicht baubewilligungspflichtig
ist.
II. Es wird festgestellt, dass gemäss langer kantonaler Praxis für die
Probebohrung keine Ausnahmebewilligung für eine Rodung notwendig ist.
III. Es wird festgestellt, dass es sich bei Probebohrungen, welche sich
ausschliesslich auf das Areal von Waldstrassen beschränken, nicht um eine
nachteilige Nutzung gemäss § 13 WaG/AG handelt. Es ist keine
Ausnahmebewilligung notwendig.
Der Entscheid wurde mit Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit in den begründeten
Entscheid und die Gesuchsunterlagen sowie versehen mit einer
Rechtsmittelbelehrung öffentlich publiziert.
Während der Auflagefrist vom 8. März bis 6. April 2011 erhob insbesondere die
Grundhof Bözberg AG Beschwerde beim Regierungsrat mit dem Antrag auf Aufhebung
der Verfügung der Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG vom 23. Februar
2011. Mit Entscheid vom 28. September 2011 wies der Regierungsrat die
Beschwerde ab.
Die von der Grundhof Bözberg AG erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
mit Urteil vom 18. Juni 2012 ab.

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht
vom 5. September 2012 beantragt die Grundhof Bözberg AG, das Urteil des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass für die
geplanten Probebohrungen ein Baubewilligungsverfahren durch die zuständige
Behörde durchgeführt werden müsse.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Die Baubewilligungspflicht betreffend hat die Vorinstanz erwogen, die
geplanten Probebohrungen seien auf eine Fläche von unter 100 m^2 und auf eine
Zeitdauer von vier Wochen beschränkt und hinterliessen kaum Spuren, da die
Bohrlöcher nach dem Abschluss der Untersuchungen wieder aufzufüllen seien. Die
räumlichen Auswirkungen der Probebohrungen seien nicht erheblich und gingen
nicht über das hinaus, was der kantonale Gesetzgeber als baubewilligungsfrei
erachte. Keiner Baubewilligung bedürften namentlich
BGE 139 II 134 S. 139
Fahrnisbauten wie beispielsweise Festhütten oder Zelte bis zu einer Dauer von
zwei Monaten (§ 30 Abs. 2 lit. d der aargauischen Bauverordnung vom 25. Mai
2011 [BauV/AG; SAR 713.121]);ebenso seien Erdsonden in der Regel
baubewilligungsfrei, sofern die gewässerschutzrechtliche Bewilligung vorliege
(§ 30 Abs. 2 lit. e BauV/AG). Die aus den Probebohrungen resultierenden
Immissionen und die sich daraus ergebende Beschränkung der Befahrbarkeit der
Waldstrassen genügten nicht für die Bejahung der Baubewilligungspflicht. So
führten beispielsweise auch Renovationsarbeiten im Gebäudeinnern regelmässig zu
störenden Immissionen und Behinderungen durch abgestellte Handwerkerfahrzeuge
oder durch temporär gelagertes Baumaterial, ohne dass sie deswegen
bewilligungspflichtig wären. Nicht entscheidend ins Gewicht falle, dass die
Probebohrungen im Perimeter des BLN-Objekts Nr. 1'108 (Aargauer Tafeljura) und
im Wald geplant seien. Die Probebohrungen auf den Waldstrassen beeinträchtigten
Natur und Landschaft nur unerheblich, und die Gesichtspunkte des Natur- und
Landschaftsschutzes seien in einem späteren Zeitpunkt, nämlich beim Entscheid,
ob die planerischen Grundlagen für den Abbau von Kalk und Mergel geschaffen
werden sollten, vertieft zu würdigen.
Zusammenfassend seien die räumlichen Auswirkungen der beabsichtigten
Probebohrungen nicht derart bedeutungsvoll, dass sie einer vorgängigen
Kontrolle im Baubewilligungsverfahren bedürften.

5.2 Die Probebohrungen sind im Waldgebiet geplant und dienen keinem
forstwirtschaftlichen Zweck. In Frage steht daher die Erforderlichkeit einer
Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Dem in Art. 24 RPG verwendeten Bauten-
und Anlagenbegriff liegt das Verständnis von Art. 22 RPG zugrunde, d.h. die
Anwendung von Art. 24 RPG setzt das Vorliegen einer baubewilligungspflichtigen
Baute oder Anlage gemäss Art. 22 Abs. 1 RPG voraus.
Bauten und Anlagen gemäss Art. 22 Abs. 1 RPG sind jene künstlich geschaffenen
und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in fester Beziehung zum Erdboden
stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu
beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die
Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Massstab dafür, ob eine
bauliche Massnahme erheblich genug ist, um sie dem Baubewilligungsverfahren zu
unterwerfen, ist die Frage, ob mit der Realisierung der Baute oder Anlage im
Allgemeinen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, so wichtige räumliche Folgen
verbunden sind, dass ein Interesse der
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Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht (BGE
120 Ib 379 E. 3c S. 383 mit Hinweisen). Die Baubewilligungspflicht soll es
mithin der Behörde ermöglichen, das Bauprojekt in Bezug auf seine räumlichen
Folgen vor seiner Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen
Nutzungsordnung und der übrigen einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen (BGE
123 II 256 E. 3 S. 259).
Als Bauten gelten nach der bundesgerichtlichen Praxis auch Fahrnisbauten,
welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest verwendet werden. Diese
Voraussetzungen sind für vorbereitende Handlungen zu einem die Umwelt
belastenden Werk jedenfalls dann als erfüllt anzusehen, wenn sie ein für die
Orts- oder Regionalplanung erhebliches Ausmass annehmen, wie dies das
Bundesgericht für rund zwölf Monate dauernde Probebohrungen zur Abklärung eines
Standorts für die Lagerung radioaktiver Abfälle angenommen hat (BGE 111 Ib 102
E. 6 S. 109). Für geotechnische Untersuchungen dürften die genannten
Voraussetzungen erfüllt sein, wenn die damit verbundenen Terrainveränderungen
zu beträchtlichen Eingriffen in die Umwelt führen und während längerer Zeit
sichtbar bleiben (im Ergebnis offengelassen in BGE 118 Ib 1 E. 2c S. 9). Der
Baubewilligungspflicht können indes auch blosse Nutzungsänderungen unterstehen,
die zwar keine massgeblichen Terrainveränderungen bewirken, aber erhebliche
Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. BGE 119 Ib 222 E. 3a S. 226 bez. eines
Hängegleiterlandeplatzes).
Nicht bewilligungspflichtig sind nach Art. 22 Abs. 1 RPG Kleinvorhaben, die nur
ein geringes Ausmass haben und weder öffentliche noch nachbarliche Interessen
berühren. Darunter fallen zum Beispiel bauliche Veränderungen im Innern von
Gebäuden oder für kurze Zeit aufgestellte Zelte oder Wohnwagen. Wesentlich für
die Frage, ob eine Kleinbaute der Bewilligungspflicht untersteht oder nicht,
sind die Art und die Empfindlichkeit der Umgebung, in welcher das Vorhaben
realisiert werden soll (vgl. hierzu und zum Ganzen ANDREAS BAUMANN, Das
Baubewilligungsverfahren nach aargauischem Recht, 2007, S. 46 ff., insb. 50).

5.3 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hängt die Bewilligungspflicht
von Probebohrungen folglich von deren konkreten räumlichen Auswirkungen im
Einzelfall ab (BGE 118 Ib 1 E. 2c S. 9; zur Kasuistik vgl. auch WALDMANN/HÄNNI,
Raumplanungsgesetz, Handkommentar, 2006, N. 15 zu Art. 22; CHRISTIAN MÄDER, Das
Baubewilligungsverfahren, 1991, S. 90 f.). Entscheidend ist nach dem
BGE 139 II 134 S. 141
Gesagten, ob die Probebohrungen so gewichtige Auswirkungen auf Raum und Umwelt
haben, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer
vorgängigen Kontrolle besteht; von massgeblicher Bedeutung für die Beurteilung
der räumlichen Folgen sind insbesondere auch die Art und die Empfindlichkeit
der Umgebung.
Der geplante Standort der Probebohrungen in Effingen befindet sich ausserhalb
der Bauzone im Wald im Perimeter des BLN-Objekts Nr. 1'108 (Aargauer Tafeljura)
und liegt in einem besonders gefährdeten Gewässerschutzbereich (vgl. insoweit
Art. 32 Abs. 2 lit. f i.V.m. Art. 29 GSchV [SR 814.201] und Art. 19 Abs. 2
GSchG [SR 814.20]; vgl. ferner die Sondierbohrbewilligung der Abteilung für
Umwelt des BVU/AG vom 22. März 2007). Damit aber unterscheidet sich der zu
beurteilende Fall massgeblich von den von der Vorinstanz angeführten
Vergleichsbeispielen. Der Anwendungsbereich von § 30 Abs. 2 BauV/AG ist
ausdrücklich auf Bauzonen beschränkt. Ausserhalb der Bauzonen hingegen ist
namentlich die Installation von Erdsonden bewilligungspflichtig, d.h. es bedarf
hierfür einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Auch die von der Vorinstanz
erwähnten Renovationsarbeiten im Gebäudeinnern betreffen in aller Regel Gebäude
im Baugebiet, sodass hier die räumlichen Folgen bzw. die Auswirkungen auf die
Umgebung deutlich geringer sind als bei Probebohrungen im Wald.
Die geplanten Probebohrungen nehmen zwar eine verhältnismässig geringe
Waldfläche von unter 100 m^2 in Anspruch und erstrecken sich über eine relativ
kurze Zeitdauer von maximal vier Wochen. Dennoch sind die Auswirkungen
erheblich, da neben dem benötigten Bohrgerät eine Notstromgruppe, ein
Spülwasserbecken und ein Rohrlager angeliefert, installiert, betrieben und
wieder abtransportiert werden müssen. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass die
Auswirkungen nicht auf den eigentlichen Standort beschränkt bleiben. Vielmehr
tangieren die mutmasslich rund 200 Hin- und Rückfahrten durch den Wald auch
übriges Waldgebiet, wobei die genaue Anzahl und der Zeitpunkt der Fahrten sowie
die zu wählende Route bislang noch nicht verbindlich festgelegt sind.
Angesichts des besonderen Standorts - Waldgebiet, BLN-Objekt und besonders
gefährdeter Gewässerschutzbereich - sind die mit den Probebohrungen verbundenen
negativen Auswirkungen auf die Umgebung im Ergebnis als so erheblich
einzustufen, dass das Bauvorhaben einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG
bedarf.
BGE 139 II 134 S. 142

6.

6.1 Die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG stellte mit Entscheid vom 23.
Februar 2011 fest (vgl. Sachverhalt lit. B. hiervor), für die Probebohrungen
sei keine Ausnahmebewilligung für eine Rodung erforderlich (vgl. Art. 5 des
Waldgesetzes vom 4. Oktober 1991 [WaG; SR 921.0] und Art. 4 der Waldverordnung
vom 30. November 1992 [WaV; SR 921.01]), und bei den Probebohrungen handle es
sich auch nicht um eine nachteilige Nutzung des Waldes, für welche eine
Ausnahmebewilligung notwendig wäre (vgl. Art. 16 WaG). Die Vorinstanz hat diese
Einschätzung im angefochtenen Urteil bestätigt und in ihrer Begründung unter
Bezugnahme auf die Erwägungen des Regierungsrats ausgeführt, die Probebohrungen
beschränkten sich auf das Gebiet von Waldstrassen. Deren Zweckentfremdung sei
mit maximal vier Wochen kurz befristet. Die auf die Waldbewirtschaftung mit
grossen und schweren Fahrzeugen ausgelegten Waldstrassen vermöchten die mit den
Probebohrungen verbundenen Fahrten schadlos zu bewältigen, und die Funktion der
Waldstrassen als forstliche Anlagen bleibe auf Dauer erhalten. Der Umstand,
dass die Waldweggabelung während eines Monats nicht oder nur erschwert mit
zweispurigen Fahrzeugen befahrbar sei, schränke die Produktionsfähigkeit des
angrenzenden Waldbodens nicht ein. Auch das Wild werde durch die Bohrarbeiten
samt den damit verbundenen Fahrten mutmasslich nicht stärker gestört als durch
ordentliche Forstarbeiten. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass das Wild die
Umgebung der Bohrstelle nur vorübergehend meide und nicht dauerhaft vertrieben
werde. Ebenfalls nur geringfügig beeinträchtigt sei schliesslich die
Erholungsfunktion des Waldes.
Bei dieser Ausgangslage sei für die Probebohrungen keine Rodungsbewilligung
gemäss Art. 5 WaG notwendig. Ebenso wenig sei eine Ausnahmebewilligung für eine
nachteilige (Wald-)Nutzung nach Art. 16 WaG bzw. § 13 AWaG/AG erforderlich, da
die Funktion und die Bewirtschaftung des Waldes weder gefährdet noch relevant
beeinträchtigt würden.

6.2 Das Waldgesetz bezweckt die Erhaltung und den Schutz des Waldes, soll dafür
sorgen, dass der Wald seine Funktionen erfüllen kann, und die Waldwirtschaft
fördern und erhalten (Art. 1 Abs. 1 WaG). Als Wald gelten auch Waldstrassen (
Art. 2 Abs. 2 lit. b WaG). Bauvorhaben, die den Waldboden dauernd oder
vorübergehend zweckentfremden, bedürfen einer Rodungsbewilligung (Art. 4 WaG).
Rodungen sind grundsätzlich verboten (vgl. Art. 5 Abs. 1 WaG). Eine
BGE 139 II 134 S. 143
Ausnahmebewilligung darf gemäss Art. 5 Abs. 2 WaG erteilt werden, wenn der
Gesuchsteller nachweist, dass für die Rodung wichtige Gründe bestehen, die das
Interesse an der Walderhaltung überwiegen und zudem die folgenden
Voraussetzungen erfüllt sind: das Werk, für das gerodet werden soll, muss auf
den vorgesehenen Standort angewiesen sein (lit. a); das Werk muss die
Voraussetzungen der Raumplanung sachlich erfüllen (lit. b); die Rodung darf zu
keiner erheblichen Gefährdung der Umwelt führen (lit. c). Die Erteilung einer
Rodungsbewilligung befreit nicht von der Einholung einer Baubewilligung nach
Art. 22 oder 24 RPG (vgl. Art. 11 Abs. 1 WaG). Die Beanspruchung von Waldboden
für forstliche Bauten und Anlagen sowie für nichtforstliche Kleinbauten und
-anlagen gilt nach Art. 4 lit. a WaV nicht als Rodung und stellt somit keine
Zweckentfremdung des Waldes dar. Umgekehrt folgt daraus, dass nichtforstliche
Bauvorhaben, ausgenommen Kleinbauten und -anlagen, als eine Zweckentfremdung
des Waldes zu betrachten sind. Sie bedürfen deshalb einer Rodungsbewilligung
und, wie die forstlichen Bauvorhaben, immer auch einer Baubewilligung nach RPG.
Für den Wald nachteilige Nutzungen, die keine Rodung darstellen, sind
grundsätzlich unzulässig, dürfen aber von den Kantonen aus wichtigen Gründen
unter Auflagen und Bedingungen bewilligt werden (Art. 16 WaG). Als solche
Nutzungen gelten punktuelle oder unbedeutende Beanspruchungen von Waldboden für
nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen, wie bescheidene Rastplätze,
Feuerstellen, Sport- und Lehrpfade, erdverlegte Leitungen und
Kleinantennenanlagen, die das Bestandesgefüge des Waldes nicht beeinträchtigen
(Botschaft des Bundesrats vom 29. Juni 1988 zum WaG, BBl 1988 III 191). Die
nichtforstlichen Kleinbauten und -anlagen benötigen somit zwar keine
Rodungsbewilligung, weil sie den Wald nicht geradezu zweckentfremden. Da sie
für diesen jedoch nachteilig sind, bedürfen sie einer Ausnahmebewilligung des
Kantons und, weil sie als nachteilige Nutzungen dem Zweck des Waldes jedenfalls
nicht ganz entsprechen, einer Baubewilligung nach Art. 24 RPG.
Die Beurteilung, ob eine nichtforstliche Kleinbaute vorliegt, hat in erster
Linie mit Blick auf den Umfang und die Intensität des beanspruchten Waldbodens
zu erfolgen, wobei ein strenger Massstab anzusetzen ist, damit der Zweck der
Waldgesetzgebung, namentlich die Erhaltung des Waldbestands, nicht weitgehend
in Frage gestellt wird (vgl. STEFAN M. JAISSLE, Der dynamische Waldbegriff und
die Raumplanung, 1994, S. 136). Weist eine Baute eine derartige Grösse auf,
BGE 139 II 134 S. 144
dass von einer punktuellen oder unbedeutenden Beanspruchung des Waldbodens
nicht mehr gesprochen werden kann, lässt sie sich bereits aus diesem Grund
nicht mehr unter den Begriff der "Kleinbaute" im Sinne von Art. 4 lit. a WaV
subsumieren. Geht eine Baute allein unter dem Gesichtspunkt ihrer
flächenmässigen Ausdehnung nicht über die genannte Beanspruchung hinaus, folgt
daraus jedoch nicht zwingend, dass sie als Kleinbaute einzustufen ist. Vielmehr
ist in einem solchen Fall weiter zu prüfen, ob ihr Zweck auch den Einbezug
eines gewissen Umschwungs bedingt und wie intensiv die Nutzung in diesem
Bereich ist. Ob eine Baute oder Anlage als nichtforstliche Kleinbaute oder
-anlage im Sinne der Waldgesetzgebung in Betracht fällt, ist somit in jedem
Einzelfall anhand der gesamten Umstände zu prüfen (Urteil 1A.32/2004 vom 30.
September 2004 E. 3.1; in: Pra 2005 Nr. 87 S. 645).

6.3 Die geplanten Probebohrungen dienen keinem forstwirtschaftlichen Zweck und
stellen damit eine Zweckentfremdung der Waldstrassen als Waldboden dar. Hiervon
geht im Übrigen auch die Vorinstanz aus. Eine einmalige, kurzfristige und
punktuelle Beanspruchung von Waldboden (wie etwa durch das Skifahren abseits
der Piste) darf mit Blick auf den zeitlichen Faktor noch nicht als
vorübergehende Zweckentfremdung angesehen werden (vgl. JAISSLE, a.a.O., S. 115
Fn. 5). Bei einer Beanspruchung des Waldbodens während einer Zeitdauer von vier
Wochen ist das Merkmal "vorübergehend" hingegen erfüllt. Damit liegt
grundsätzlich eine vorübergehende Zweckentfremdung des Waldbodens im Sinne von
Art. 4 WaG vor.
Indes gilt die Beanspruchung von Waldboden für nichtforstliche Kleinbauten und
-anlagen gemäss Art. 4 lit. a WaV nicht als Rodung. Auf der Basis der
beispielhaften Aufzählung in der bundesrätlichen Botschaft, wonach etwa
erdverlegte Leitungen und Kleinantennenanlagen nicht als Rodung gelten, und in
Anbetracht dessen, dass vorliegend die beanspruchte Waldbodenfläche weniger als
100 m^2 beträgt und die Nutzungsdauer auf maximal vier Wochen beschränkt ist,
ist bei den geplanten Probebohrungen von einer punktuellen Beanspruchung des
Waldbodens auszugehen, welche das Bestandesgefüge des Waldes nicht tangiert und
daher keiner Rodungsbewilligung nach Art. 5 Abs. 2 WaG bedarf. Allerdings
machen die Probebohrungen, wie dargelegt, die Anlieferung, die Installation,
den Betrieb und den Abtransport von Bohrgerät, einer Notstromgruppe, eines
Spülwasserbeckens und eines Rohrlagers sowie mutmasslich rund 200 Hin- und
Rückfahrten durch das Waldgebiet notwendig.
BGE 139 II 134 S. 145
Aufgrund dieser mit dem Vorhaben verbundenen negativen Auswirkungen auf die
Umgebung handelt es sich um eine die Funktionen des Waldes zumindest temporär
beeinträchtigende nachteilige Nutzung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 WaG. Eine
solche erfordert eine kantonale Ausnahmebewilligung, deren Erteilung gemäss
Art. 16 Abs. 2 WaG an das Vorliegen wichtiger Gründe geknüpft ist.