Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 III 49



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Urteilskopf

139 III 49

8. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. AG
gegen Y. Ltd (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_13/2012 vom 19. November 2012

Regeste

Art. 312 ff., 400 Abs. 1 und Art. 425 ff. OR; zusammengesetzter Vertrag;
Herausgabe- und Rechenschaftspflicht; interne Dokumente.
Grundsätze des zusammengesetzten Vertrags (E. 3.3). Anwendung auf den Vertrag
mit kommissions- und darlehensrechtlichen Elementen (E. 3.4).
Rechenschaftsablage über (der Herausgabepflicht nicht unterliegende) interne
Dokumente (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 49

BGE 139 III 49 S. 49

A. Die Bank X. AG (Beauftragte, Beschwerdeführerin) und die Y. Ltd
(Auftraggeberin, Beschwerdegegnerin) nahmen am 31. August 2004 eine
Geschäftsbeziehung auf. Grundlage der vertraglichen Beziehung der Parteien
waren ein Rahmenvertrag für Over-The-Counter (OTC)-Devisengeschäfte sowie Call-
und Put-Optionen auf
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Devisen und Edelmetallen vom 31. August 2004, die von der Y. Ltd am 31. August
2004 unterschriftlich akzeptierten Bedingungen für die Vermittlung von
Optionskontrakten, ein Rahmenvertrag für einen Lombardkredit vom 31. August
2004 und eine Allgemeine Faustpfandverschreibung vom 31. August 2004. Am 18.
März 2005 kam ein Vertrag über die Errichtung eines Kontos und Depots hinzu.
Die Geschäftsbeziehung der Parteien gestaltete sich so, dass die Bank X. AG in
eigenem Namen, aber im Auftrag und für Rechnung der Y. Ltd Optionskontrakte
abschloss. Dabei hatte diese im Rahmen eines sog. Margin Trading einen
prozentualen Anteil des Kaufpreises in Eigenmitteln aufzubringen, während der
Restbetrag von der Bank X. AG als Kredit zur Verfügung gestellt wurde. Für
diesen Kredit hatte die Y. Ltd eine bestimmte Marge als Sicherheit zu leisten.
Wenn sich die Marge "auf Grund aktueller Berechnung nach Ermessen der Bank als
ungenügend" erweisen sollte, war die Y. Ltd gehalten, die Margennachforderung
(Margin Call) der Bank X. AG sofort zu begleichen. Der Deckung der Marge diente
u.a. der Lombardkredit. Sowohl der Abschluss der Optionskontrakte als auch der
Lombardkredit waren durch die mit der Faustpfandverschreibung verpfändeten
Werte der Y. Ltd (zusätzlich) gesichert.
Zwischen Dezember 2006 und Januar 2007 forderte die Bank X. AG von der Y. Ltd
mittels vier Margin Calls einen Betrag von insgesamt Fr. 5'248'000.- nach. Die
Y. Ltd opponierte gegen die Nachforderungen, kam ihnen aber vollumfänglich
nach.

B. Mit Klage vom 16. Oktober 2007 beim Zivilgericht Basel-Stadt verlangte die
Y. Ltd von der X. AG die Vorlegung, den Nachweis bzw. die Edition diverser
Unterlagen, Kennzahlen und Aufzeichnungen, die ihr die Nachprüfung der
Margennachforderungen erlauben sollten. Mit Urteil vom 2. Dezember 2009 wies
das Zivilgericht die Klage ab, soweit es darauf eintrat.
Die dagegen beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt erhobene
Appellation der Y. Ltd hiess dieses teilweise gut und verpflichtete die X. AG
zur Vorlegung einer umfassend dokumentierten Schlussabrechnung, zum Nachweis
einer lückenlosen und detaillierten Aufstellung sämtlicher Vermögenspositionen,
welche ihr von November 2006 bis Januar 2007 als Sicherheit für ihre
Geschäftsbeziehung mit der Y. Ltd gedient hatten, zur Edition der den
Margennachforderungen zugrunde gelegten Kennzahlen und Berechnungen, zur
Edition der Aufzeichnungen und Protokolle der Telefonate
BGE 139 III 49 S. 51
zwischen zwei Angestellten der Parteien vom 18. und 20. Dezember 2006 sowie 3.
und 4. Januar 2007 und zum Nachweis der Exposures und Net Present Values, auf
die anlässlich dieser Telefonate explizit Bezug genommen worden war.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 10. Januar 2012 beantragt die Bank X. AG
dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben,
soweit damit das Urteil des Zivilgerichts aufgehoben wurde und die
Appellations- und Klagebegehren der Beschwerdegegnerin ganz oder teilweise
gutgeheissen wurden, und es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem
sie auf die Vertragsbeziehungen der Parteien Auftragsrecht angewendet und
folglich gestützt auf Art. 400 OR Rechenschafts- und Herausgabepflichten bejaht
habe.

3.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die vertragliche Beziehung der Parteien sei
durch eine auftrags- bzw. kommissionsrechtliche Komponente einerseits und durch
ein Darlehensverhältnis andererseits geprägt gewesen. Kommission und Darlehen
hätten dabei in einer notwendigen inneren Verbindung gestanden, sei das
Darlehen doch gerade zum Zweck der Margendeckung für die bei der Bank
abgeschlossenen OTC-Handelsgeschäfte oder Traded Options und Financial Futures
Kontrakte gewährt worden. Das vertragliche Recht der Beschwerdeführerin, von
der Beschwerdegegnerin mit einem Margin Call eine Erhöhung ihrer Sicherheit zu
verlangen, habe dabei sowohl in Verbindung zum gewährten Darlehen gestanden als
vor allem auch zum Auftrag, Optionen zu erwerben. Es sei der Beschwerdeführerin
sowohl mit dem Rahmenvertrag für OTC-Devisengeschäfte wie auch mit der
Faustpfandverschreibung das Recht eingeräumt worden, während der Laufzeit der
Transaktionen zusätzliche Sicherheiten, für eine ohne Deckung abgeschlossene
Transaktion nachträglich Sicherheiten oder im Falle einer Deckungsverminderung
Nachdeckung zu verlangen. Schliesslich hätten die mit der
Faustpfandverschreibung verpfändeten Werte sowohl als Sicherheit für das
Darlehen (Lombardkredit) als auch für den Abschluss der
BGE 139 III 49 S. 52
OTC-Geschäfte gedient. Aufgrund dieser inneren Verbindung, die das
Vertragskonglomerat zu einem einheitlichen Vertrag mit Mischung verschiedener
Vertragstypen mache, liege ähnlich wie bei einem Vermögensverwaltungsvertrag
oder einer sonstigen Wertschriftenhandels- und Depotbeziehung ein gemischtes
Rechtsgeschäft bzw. ein gemischter Vertrag vor, auf den gerade auch mit Bezug
auf die Rechenschafts- und Herausgabepflichten der beauftragten Partei
Auftragsrecht anwendbar sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, es handle sich vorliegend nicht um einen
gemischten Vertrag, sondern - wenn überhaupt - um zusammengesetzte Verträge mit
einem inneren Zusammenhang. Es müssten daher die Rechte und Pflichten in jedem
Vertrag einzeln beurteilt werden und es könnten nur dann allenfalls
einzelvertragliche Rechte und Pflichten auf das rechtsgeschäftliche Netzwerk
ausgedehnt werden, wenn dadurch keine neuen Rechtspositionen kreiert würden.
Zudem sei zwischen den Parteien gerade kein Vermögensverwaltungsauftrag
abgeschlossen worden, weshalb die Vorinstanz einen falschen Analogieschluss
ziehe. Die Parteien seien sich weiter nur über die Höhe der eingeforderten
Nachdeckung bzw. über die Höhe des geforderten Abbaus der Ausstände uneinig,
nicht aber über die Tatsache der Kreditgewährung als solche, womit
ausschliesslich die Absicherung des gewährten Kredits in Frage stehe und nicht
der auftragsgemässe Abschluss der Optionsgeschäfte. Es gehe daher nicht an, auf
dem Weg der Vertragsauslegung oder -ergänzung auftragsrechtliche Nebenpflichten
auf die Frage der Kreditsicherung auszudehnen. In diesem Punkt müsse
Darlehensrecht angewendet werden, das keine Herausgabe- und
Rechenschaftspflichten kenne.

3.3 Stehen verschiedene Parteivereinbarungen nicht als selbständige Verträge
nebeneinander, sondern sind sie nach dem Willen der Parteien in der Art
miteinander verknüpft und voneinander abhängig, dass ein gemischter oder
zusammengesetzter Vertrag vorliegt, so wird dieser als Einheit aufgefasst (BGE
131 III 528 E. 7.1.1 S. 531; BGE 118 II 157 E. 3a S. 162). Ein
zusammengesetzter Vertrag liegt vor, wenn die Parteien zwar mehrere Verträge
schliessen, diese aber voneinander abhängig sind (BGE 131 III 528 E. 7.1.1 S.
531). Angesichts ihrer gegenseitigen Abhängigkeit geht es nicht an, die
einzelnen Vertragsbestandteile einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zu
unterwerfen (BGE 118 II 157 E. 3a S. 162). Es ist vielmehr für jede Rechtsfrage
der vertragliche Regelungsschwerpunkt zu ermitteln (BGE 131 III 528 E. 7.1.1 S.
532).
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3.4 Es trifft zu, dass die Parteien nicht einen einzigen Vertrag, sondern
mehrere Verträge geschlossen haben, welche aber unbestrittenermassen in einem
inneren Zusammenhang stehen und voneinander abhängig sind. Entgegen der Ansicht
der Beschwerdeführerin ist aber auch in diesem Fall die Frage, ob Herausgabe-
und Rechenschaftspflichten bestehen, für die einzelnen Vertragsbestandteile
einheitlich zu beantworten. Vorliegend stehen sowohl der Lombardkredit, der
u.a. zum Zweck der Margendeckung gewährt wurde, als auch der von der
Beschwerdeführerin gewährte Kredit für den Anteil des Optionskaufpreises, der
nicht durch das Eigenkapital der Beschwerdegegnerin gedeckt war, in direktem
Zusammenhang mit den Optionsgeschäften. Durch das von der Beschwerdeführerin
zur Verfügung gestellte Kapital wurde bei den Optionsgeschäften ein Hebeleffekt
erzielt. Die Darlehen dienten damit der Durchführung der Optionsgeschäfte. Die
Margin Calls erfolgten, weil sich die Beschwerdeführerin für die offenen
Positionen nicht mehr genügend gedeckt sah bzw. ihr ihrer Ansicht nach nicht
mehr genügend Sicherheiten zur Verfügung standen. Ohne von der
Beschwerdeführerin getätigte Optionsgeschäfte gäbe es mithin keine offenen
Positionen und würde die Beschwerdeführerin keine (zusätzliche) Deckung für
diese benötigen, womit die Margin Calls in einem direkten Zusammenhang mit den
abgeschlossenen Optionsverträgen stehen. Für die Frage der Herausgabe- und
Rechenschaftspflicht in Bezug auf die Margin Calls stehen somit
kommissionsrechtliche Elemente im Vordergrund. In den Vorschriften zur
Kommission (Art. 425 ff. OR) ist keine Regelung allfälliger Herausgabe- und
Rechenschaftspflichten enthalten. Diesfalls kommen für das
Kommissionsverhältnis die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung (Art. 425
Abs. 2 OR). Die Vorinstanz hat damit kein Bundesrecht verletzt, wenn sie Art.
400 OR angewendet hat.

4. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz eine Verletzung der
bundesrechtlichen Bestimmungen zum Auftragsrecht, des Rechts auf eine Auslegung
der vertraglichen Pflichten nach Treu und Glauben sowie des Willkürverbots vor,
indem diese den Nachweis bzw. die Edition interner Dokumente angeordnet habe.

4.1

4.1.1 Die Beschwerdeführerin bringt vorab vor, interne Dokumente würden ganz
grundsätzlich weder der Herausgabe- noch der Rechenschaftspflicht unterliegen.
Die Edition bzw. der Nachweis interner
BGE 139 III 49 S. 54
Dokumente sei unter dem "Deckmantel" der Rechenschaftspflicht angeordnet
worden, was den im Rahmen der Herausgabepflicht sorgsam abgegrenzten Schutz des
Beauftragten unterlaufe. Die Beschränkung der Herausgabepflicht sei nur
sinnvoll, wenn nicht unter dem Titel der Rechenschaftspflicht die gleichen
internen Dokumente nachzuweisen, offenzulegen oder zu edieren seien. Die
Beschwerdeführerin beruft sich auf ein Urteil des Bundesgerichts, worin dieses
ausgeführt habe, rein bankinterne Dokumente würden weder der Herausgabe- noch
der Rechenschaftspflicht unterliegen (Urteil C.59/1980 vom 17. Juni 1980, in:
ZR 80/1981 S. 73 ff.). Der Informationsanspruch und spiegelbildlich dazu die
Rechenschaftspflicht müssten dort enden, wo der Herausgabeanspruch ende.

4.1.2 Nach Art. 400 Abs. 1 OR hat der Beauftragte auf Verlangen jederzeit über
seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge
derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten. Die
Rechenschaftspflicht des Beauftragten soll dem Auftraggeber die Kontrolle über
seine Tätigkeiten ermöglichen (BGE 110 II 181 E. 2 S. 182; Urteil 4A_144/2012
vom 11. September 2012 E. 3.2.2). Sie bildet Voraussetzung und Grundlage der
Ablieferungs- oder Herausgabepflicht (BGE 110 II 181 E. 2 S. 182) und findet
ihre Grenzen im Grundsatz von Treu und Glauben (Urteile 4A_144/2012 vom 11.
September 2012 E. 3.2.2; 4C.206/2006 vom 12. Oktober 2006 E. 4.3.1). Wie die
Rechenschaftspflicht ist auch die Pflicht zur Ablieferung ein zentrales Element
der Fremdnützigkeit des Auftrags (BGE 138 III 755 E. 5.3 S. 762; BGE 137 III
393 E. 2.3 S. 397; BGE 132 III 460 E. 4.2 S. 465 f.). Die Herausgabepflicht
nach Art. 400 Abs. 1 OR lässt sich darüber hinaus als Konkretisierung der
Treuepflicht nach Art. 398 Abs. 2 OR verstehen. Sie garantiert die Einhaltung
der Treuepflicht und stellt insofern eine präventive Massnahme zur Wahrung der
Interessen des Auftraggebers dar (BGE 138 III 755 E. 5.3 S. 762; BGE 137 III
393 E. 2.3 S. 397).

4.1.3 Der Umfang der Rechenschaftspflicht ist beschränkt auf Belange des
Auftragsverhältnisses, wobei der Beauftragte den Auftraggeber vollständig und
wahrheitsgetreu zu informieren und ihm alle Dokumente vorzulegen hat, die sich
auf die im Interesse des Auftraggebers besorgten Geschäfte beziehen (Urteil
C.59/1980 vom 17. Juni 1980 E. 2 [nach ZR: E. 1], in: ZR 80/1981 S. 73). Die
Herausgabepflicht umfasst alles, was dem Beauftragten in Ausführung des Mandats
vom Auftraggeber ausgehändigt worden oder von Dritten zugekommen ist (BGE 122
IV 322 E. 3c/aa S. 328).
BGE 139 III 49 S. 55
Ausgenommen sind rein interne Dokumente wie vorbereitende Studien, Notizen,
Entwürfe, Materialsammlungen und eigene Buchhaltungen (BGE 122 IV 322 E. 3c/aa
S. 328). Die Beschwerdeführerin stützt sich auf eine Lehrmeinung, wonach die
Rechenschaftspflicht als komplementäres Informationsrecht nicht weiter gehen
könne als die Herausgabepflicht und insofern denselben Beschränkungen
unterliege (STEFAN HAFNER, Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten - Ein
Beitrag zum Informationsrecht im Auftragsvertrag, 2007, S. 128, 307).
Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Das Bundesgericht hat zwar auch in
Bezug auf die Rechenschaftspflicht entschieden, dass rein interne Dokumente wie
etwa nie versandte Vertragsentwürfe dieser nicht unterliegen (Urteile 4P.34/
1993 vom 30. April 1993 E. 4, in: ZR 93/1994 S. 32; C.59/1980 vom 17. Juni 1980
E. 4a [nach ZR: E. 3a], in: ZR 80/1981 S. 76; vgl. auch Urteil 5A_171/2009 vom
15. Oktober 2009 E. 3.5). Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, dass
Herausgabe- und Rechenschaftspflicht gleich weit reichen. So können etwa
Aufzeichnungen über Kundenbesuche und -kontakte Gegenstand der
Rechenschaftspflicht bilden, obwohl solche (internen) Aufzeichnungen
grundsätzlich nicht der Herausgabepflicht unterliegen (vgl. Urteil 5A_171/2009
vom 15. Oktober 2009 E. 3.5). Dies ergibt sich aus dem Zweck der
Rechenschaftspflicht. Anders als die Herausgabepflicht, welche die Einhaltung
der Treuepflicht garantiert, soll die Rechenschaftspflicht die Kontrolle über
die Tätigkeiten des Beauftragten ermöglichen (oben E. 4.1.3). Auch in der Lehre
wird überzeugend darauf hingewiesen, dass etwa Ärzte die erstellten
Krankengeschichten nicht herauszugeben, im Rahmen der Rechenschaftspflicht aber
zur Einsicht vorzulegen bzw. dem Patienten Kopien auszuhändigen hätten
(FELLMANN, Berner Kommentar, 1992, N. 139 f. zu Art. 400 OR; WEBER, in: Basler
Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 13 zu Art. 400 OR;
WERRO, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N.
15 zu Art. 400 OR; HOFSTETTER, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne
Auftrag, in: Obligationenrecht - Besondere Vertragsverhältnisse, SPR Bd. VII/6,
2. Aufl. 2000, S. 120; vgl. auch GEHRER/GIGER, in: Vertragsverhältnisse,
Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 12a zu Art. 400 OR;
ENGEL, Contrats de droit suisse, 2. Aufl. 2000, S. 501). Aus dem Umstand, dass
bestimmte Dokumente nicht der Herausgabepflicht unterliegen, kann somit
entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht
BGE 139 III 49 S. 56
automatisch geschlossen werden, dass über diese auch keine Rechenschaft
abzulegen sei (so auch ARTER/DAHORTSANG, Besprechung des bundesgerichtlichen
Urteils 4A_688/2011 vom 17. April 2012, AJP 2012 S. 1159 mit Hinweisen).
Es ist somit zu differenzieren zwischen (der Herausgabepflicht nicht
unterliegenden) internen Dokumenten, deren Inhalt dem Auftraggeber in
geeigneter Form zur Kenntnis gebracht werden muss, um diesem überhaupt die
Kontrolle über die Tätigkeiten des Beauftragten zu ermöglichen, und rein
internen Dokumenten wie z.B. nie versandten Vertragsentwürfen, welche für die
Überprüfung der vertragsgemässen Ausführung des Auftrags durch den Beauftragten
ohnehin nicht relevant sind. Unterliegt ein internes Dokument grundsätzlich der
Rechenschaftspflicht, bedeutet dies indessen noch nicht, dass es dem
Auftraggeber ohne weiteres vorzulegen ist. Vielmehr ist in diesem Fall eine
Interessenabwägung mit den Geheimhaltungsinteressen des Beauftragten
vorzunehmen (vgl. Urteile 4P.34/1993 vom 30. April 1993 E. 4, in: ZR 93/1994 S.
31 f.; C.59/1980 vom 17. Juni 1980 E. 4a [nach ZR: E. 3a], in: ZR 80/1981 S.
76). Den berechtigten Interessen des Beauftragten kann auch dadurch Rechnung
getragen werden, dass ein Dokument im konkreten Fall etwa nur auszugsweise
vorzulegen ist (vgl. auch FELLMANN, Berner Kommentar, 1992, N. 79 zu Art. 400
OR). Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn sie eine
Rechenschaftspflicht in Bezug auf einzelne interne Dokumente bejaht hat, selbst
wenn diese der Herausgabepflicht nicht unterliegen sollten.

4.2

4.2.1 Die Beschwerdeführerin rügt weiter, die Vorinstanz habe sie zu Unrecht
zur Edition der Aufzeichnungen und Protokolle der Telefonate vom 18. und 20.
Dezember 2006 sowie 3. und 4. Januar 2007 zwischen zwei Angestellten der
Parteien verpflichtet. Die Telefonaufzeichnungen seien intern erfolgt und daher
nicht zu edieren. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz seien sie nicht der
Korrespondenz gleichzustellen. In der Literatur sei zudem nur von einer Vorlage
von Dokumenten die Rede, nicht aber von Aufzeichnungen mündlicher Aussagen.
Diese hätten bewusst nicht dieselbe Bedeutung wie formell geführte
Korrespondenz.

4.2.2 Bei den Telefonaufzeichnungen und -protokollen handelt es sich entgegen
der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht um interne Dokumente wie Aktennotizen,
die Meinungsäusserungen oder
BGE 139 III 49 S. 57
Gedanken zu einem Gespräch enthalten. Vielmehr geht es einzig um die exakte
Niederschrift oder Aufnahme dessen, was die Angestellten der Parteien
telefonisch besprochen haben und was damit beiden Parteien ohnehin bekannt sein
sollte. Die Beschwerdeführerin bringt denn auch nichts gegen die
vorinstanzlichen Ausführungen vor, wonach ein schutzwürdiges Interesse an der
Geheimhaltung der Daten nicht ersichtlich sei. Es ist daher nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz die Aufzeichnungen und Protokolle der genau
bezeichneten Telefongespräche der Rechenschaftspflicht unterstellt hat.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann es zudem keine Rolle spielen,
ob die Aufzeichnungen elektronisch oder schriftlich erfolgen. Ob mündlichen
Aussagen eine geringere Bedeutung zukommt als schriftlicher Korrespondenz, ist
eine Frage der Beweiswürdigung.

4.3

4.3.1 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, die Vorinstanz habe sie zu
Unrecht zum Nachweis bestimmter Kennzahlen verpflichtet, auf die anlässlich der
Telefonate vom 18. und 20. Dezember 2006 sowie 3. und 4. Januar 2007 explizit
Bezug genommen worden sei. Die Vorinstanz habe zur Begründung ausgeführt,
sämtliche im Geschäftsverkehr offengelegten Kennzahlen würden in jedem Fall der
Rechenschaftspflicht unterliegen, selbst wenn es sich um interne Dokumente
handle, die der internen Entscheidbildung der Beschwerdeführerin gedient
hätten. Diese Rechtsauffassung habe zur Konsequenz, dass bei jeder kurzen
mündlichen Information zum Beispiel über - unter Umständen sogar geschütztes -
Know-how die empfangende Partei Rechenschaftspflichten und unter Umständen
sogar Herausgabepflichten geltend machen könnte, obwohl die Informationen
lediglich der internen Entscheidfindung dienten. Eine solch weitgehende
Auslegung der Rechenschaftspflicht verletze Art. 400 OR. Zudem sei das Urteil
widersprüchlich. Seien nämlich die Telefonaufzeichnungen zu edieren, so könne
sich die Beschwerdegegnerin direkt auf diese Aufzeichnungen stützen.

4.3.2 Ob sämtliche Dokumente, die der internen Entscheidfindung der
Beauftragten dienen, offengelegt werden müssen, sobald diese sich im Verkehr
mit der Auftraggeberin auf solche interne Quellen bezieht, kann offenbleiben.
Denn die Verpflichtung zum Nachweis bestimmter Kennzahlen verletzt Art. 400 OR
auch dann nicht, wenn diese als intern qualifiziert werden. Die Vorinstanz hat
ausgeführt,
BGE 139 III 49 S. 58
die Beschwerdegegnerin habe ein Interesse an der Rechenschaftsablegung darüber,
welche Werte wie berechnet worden seien. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin
nichts vor. Sie macht auch keine konkreten Geheimhaltungsinteressen geltend,
sondern bringt im Gegenteil vor, eine Offenlegung dieser Kennzahlen sei
unnötig, da sich die Beschwerdegegnerin auch direkt auf die
Telefonaufzeichnungen stützen könne. Dieser Argumentation liegt sinngemäss die
Annahme zugrunde, die Beschwerdeführerin müsse mit der Offenlegung der
betreffenden Kennzahlen nicht wesentlich mehr Informationen preisgeben, als sie
dies ohnehin bereits mit der Edition der Telefonaufzeichnungen und -protokolle
tue. Die Abwägung der Interessen (vgl. oben E. 4.1.3) hat daher vorliegend
zugunsten der Beschwerdegegnerin als Auftraggeberin auszufallen.

4.4

4.4.1 Die Beschwerdeführerin rügt weiter, die Verpflichtung zum Nachweis einer
lückenlosen und detaillierten Aufstellung sämtlicher ihr als Sicherheit
dienender Vermögenspositionen für die Monate November 2006 bis Januar 2007
verstosse gegen Art. 400 OR. Zwischen den Parteien bestehe eine Vereinbarung
über die der Beschwerdeführerin als Sicherheit verpfändeten Werte. Diese
Vereinbarung sei massgebend. Auf zusätzliche Nachweise und eine detaillierte
Zusammenstellung der sich laufend verändernden Vermögenspositionen, die als
Sicherheit dienten, bestehe kein Rechtsanspruch. Es sei auch auf die
Volatilität der Depotwerte und auf die sich laufend ändernden
Fremdwährungskurse hinzuweisen. Eine lückenlose, laufende Aufstellung sei weder
Vertragsgegenstand noch für die Ausführung der vertraglichen Pflichten
notwendig.

4.4.2 Die Margennachforderungen (Margin Calls) der Beschwerdeführerin standen
in einem direkten Zusammenhang mit den in eigenem Namen, aber im Auftrag und
für Rechnung der Beschwerdegegnerin geschlossenen Optionsverträgen. Sie
erfolgten, weil sich die Beschwerdeführerin für die offenen Positionen nicht
mehr genügend gedeckt sah bzw. ihr ihrer Ansicht nach nicht mehr genügend
Sicherheiten zur Verfügung standen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz die Beschwerdeführerin zum Nachweis einer
Aufstellung sämtlicher ihr als Sicherheit dienender Vermögenspositionen
verpflichtet hat. Eine solche Aufstellung ist notwendig für die Überprüfung, ob
die Beschwerdeführerin zu Unrecht weitere Margin Calls erliess, obwohl sie
BGE 139 III 49 S. 59
möglicherweise bereits über ausreichend Sicherheiten verfügte. Da die
Rechenschaftspflicht dem Auftraggeber gerade die Kontrolle über die Tätigkeiten
des Beauftragten ermöglichen soll, hat die Vorinstanz nicht gegen Art. 400 OR
verstossen. Daran ändern auch die Volatilität der Werte und sich ändernde
Fremdwährungskurse nichts. Denn diese hatte die Beschwerdeführerin auch bereits
bei ihrer Bewertung der Sicherheiten zu berücksichtigen, die dem Erlass der
Margin Calls voranging.

4.5

4.5.1 Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, die Vorinstanz habe sie zu
Unrecht zur Vorlegung einer umfassend dokumentierten Schlussabrechnung
verpflichtet. Die der Beschwerdegegnerin zugestellten Depot- und Kontoauszüge
würden bereits Auskunft über angefallene Gebühren und Spesen und den aktuellen
Bestand von Konto und Depot geben. Es sei daher nicht ersichtlich, in welcher
Hinsicht oder welchen Inhalts dann noch eine Schlussabrechnung erstellt werden
solle. Zudem habe die Vorinstanz gestützt auf die Ausführungen der
Beschwerdegegnerin, die periodischen Konto- und Depotauszüge hätten keine
Relevanz für die Überprüfung der Margennachforderungen, ein Interesse der
Beschwerdegegnerin an der Vorlegung dieser Dokumente verneint. Mit dieser
Begründung hätte die Vorinstanz auch die Vorlegung einer Schlussabrechnung
ablehnen müssen.

4.5.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet ihre Rechenschaftspflicht in diesem
Punkt nicht grundsätzlich. Sie macht indessen geltend, sie habe der
Beschwerdegegnerin bereits alle Auszüge zugestellt. Diese Behauptung findet
keine Stütze im vorinstanzlichen Sachverhalt. Was das Interesse der
Beschwerdegegnerin an der Vorlegung der Dokumente angeht, so hat sie ein
solches nur in Bezug auf die Konto- und Depotauszüge, nicht aber in Bezug auf
eine Schlussabrechnung verneint. Die Beschwerdegegnerin ist ohnehin nicht zum
Nachweis eines schutzwürdigen Interesses an der Rechenschaftsablage
verpflichtet (Urteil C.59/1980 vom 17. Juni 1980 E. 2 [nach ZR: E. 1], in: ZR
80/1981 S. 74). Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten findet ihre Grenzen
lediglich im Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. E. 4.1.2). Eine Berufung auf
die Rechenschaftspflicht würde etwa dann keinen Rechtsschutz verdienen, wenn
der Auftraggeber die erforderlichen Informationen bereits besitzt oder sich
leicht aus eigenen Unterlagen informieren könnte, während der Beauftragte dazu
grössere Umtriebe auf sich nehmen müsste (Urteil 4C.206/2006
BGE 139 III 49 S. 60
vom 12. Oktober 2006 E. 4.3.1 mit Hinweis). Die Beschwerdeführerin macht zu
Recht nicht geltend, dass ihr die Erstellung einer Schlussabrechnung grosse
Umtriebe verursachen würde. Dass die Beschwerdegegnerin ihre Forderung nach
Rechenschaftsablegung auf andere Weise missbräuchlich geltend machen würde,
macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
Damit erweist sich auch diese Rüge als unbegründet.