Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 III 433



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Urteilskopf

139 III 433

62. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Société des
Produits Nestlé SA und Mitb. gegen Denner AG und Alice Allison SA (Beschwerde
in Zivilsachen)
4A_142/2013 vom 27. August 2013

Regeste

Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 47 ZPO und Art. 28 PatGG; Anschein
der Befangenheit eines nebenamtlichen Richters am Bundespatentgericht.
Anschein der Befangenheit eines Rechts- bzw. Patentanwalts, der als
nebenamtlicher Richter am Bundespatentgericht tätig ist, wenn ein offenes
Mandat seiner Anwalts- bzw. Patentanwaltskanzlei zu einer Verfahrenspartei oder
einer mit dieser eng verbundenen Person besteht (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 433

BGE 139 III 433 S. 433
A. Mit Klage vom 17. Mai 2011 beantragten die Société des Produits Nestlé SA,
die Nestec SA und die Nestlé Nespresso SA (Klägerinnen, Beschwerdeführerinnen)
dem Handelsgericht des Kantons Zürich im Wesentlichen, es sei der Denner AG und
der Alice Allison SA (Beklagte, Beschwerdegegnerinnen) bis zum Ablauf des
jeweiligen Schweizer Teils der europäischen Patente EP 0 512 468, EP 0 512 470
und EP 1 646 305 unter Androhung der Bestrafung
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ihrer Organe im Widerhandlungsfall nach Art. 292 StGB und der
Zwangsvollstreckung zu verbieten, gerösteten und gemahlenen Kaffee enthaltende
Portionspackungen, die bestimmte Merkmale aufweisen, in der Schweiz
herzustellen, zu lagern, anzubieten, zu verkaufen oder auf andere Weise in
Verkehr zu bringen, oder bei einer dieser Handlungen mitzuwirken.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2012 überwies das Handelsgericht das Verfahren dem
Bundespatentgericht zur Beurteilung.

B.

B.a Mit Schreiben vom 7. Juni 2012 wurden die Parteien vom Bundespatentgericht
auf den 2. Oktober 2012 zur Instruktionsverhandlung vorgeladen. Unter den
Mitwirkenden seitens des Gerichts war als Fachrichter (Referent) Dipl. El.-Ing.
ETH Peter Rigling angeführt.
Mit Schreiben vom 28. September 2012 informierte der Präsident des
Bundespatentgerichts die Parteien, Richter Rigling habe ihm mitgeteilt, dass er
im Zusammenhang mit der Konfliktabklärung in einem anderen Verfahren vor dem
Bundespatentgericht darauf gestossen sei, dass seine Patentanwaltskanzlei
Troesch Scheidegger Werner AG seit dem 25. April 2012 die Gesellschaft Migros
France in einer Markensache vertrete. Der Präsident erklärte, seines Erachtens
erfülle dieser Sachverhalt keinen der Tatbestände gemäss Art. 3 oder 4 der
Richtlinien des Bundespatentgerichts zur Unabhängigkeit.
Noch am gleichen Tag teilte der Rechtsvertreter der Klägerinnen dem
Bundespatentgericht mit, dass er ein Ausstandsbegehren stellen werde, woraufhin
die auf den 2. Oktober 2012 angesetzte Instruktionsverhandlung abgesagt wurde.
Mit Eingabe vom 3. Oktober 2012 beantragten die Klägerinnen, Fachrichter Peter
Rigling habe in den Ausstand zu treten; eventualiter sei er in den Ausstand zu
versetzen.
Mit Schreiben vom 26. November 2012 nahm Richter Rigling zum Ausstandsgesuch
Stellung und erklärte, seines Erachtens liege kein Ausstandsgrund vor. Die von
seiner Kanzlei Troesch Scheidegger Werner AG in einer Markenangelegenheit
vertretene Migros France sei nicht Streitpartei im vorliegenden Prozess. Ferner
gehe es bei der durch einen Partner der Troesch Scheidegger Werner AG
bearbeiteten Markenangelegenheit offensichtlich nicht um die gleiche Sache wie
im zu beurteilenden Verfahren. Schliesslich seien mit der Vertretertätigkeit im
Zusammenhang mit einer schweizerischen Markenanmeldung lediglich geringe
Einnahmen verbunden.
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Am 27. November 2012 wurde das Schreiben von Richter Rigling den Parteien zur
Stellungnahme zugestellt. Mit Eingabe vom 10. Dezember 2012 hielten die
Klägerinnen an ihrem Ausstandsbegehren fest, während sich die Beklagten dazu
nicht äusserten.

B.b Mit Beschluss der Gerichtsleitung vom 13. Februar 2013 wies das
Bundespatentgericht das Ausstandsbegehren ab.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Klägerinnen dem Bundesgericht,
es sei der Beschluss der Gerichtsleitung des Bundespatentgerichts vom 13.
Februar 2013 aufzuheben und es sei Fachrichter Peter Rigling in den Ausstand zu
versetzen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Beschluss des Bundespatentgerichts vom
13. Februar 2013 auf und versetzt den nebenamtlichen Richter Peter Rigling in
den Ausstand.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführerinnen werfen der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 30
Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 47 ZPO (SR 272) und Art. 28 des
Bundesgesetzes vom 20. März 2009 über das Bundespatentgericht
(Patentgerichtsgesetz, PatGG; SR 173.41) vor.

2.1

2.1.1 Das Patentgerichtsgesetz enthält in Art. 28 eine Bestimmung über den
Ausstand. Darüber hinaus sind gemäss Art. 27 PatGG auch für Verfahren vor dem
Bundespatentgericht die allgemeinen Regeln über den Ausstand von
Gerichtspersonen nach Art. 47 ff. ZPO anwendbar (DAVID RÜETSCHI, in: Kommentar
zum Patentgerichtsgesetz [PatGG], Calame und andere [Hrsg.], 2013, N. 6 zu Art.
28 PatGG). Damit wird der verfassungsmässige Anspruch auf ein unabhängiges und
unparteiisches Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV) konkretisiert, weshalb die zu dieser
Verfassungsbestimmung ergangene Rechtsprechung weiterhin zu beachten ist (vgl.
Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006
7272 Ziff. 5.2.3 zu Art. 45 E-ZPO).

2.1.2 Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren
Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf,
dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und
unparteiischen Richter beurteilt
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wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, die
ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten
einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Art. 30 Abs. 1 BV soll zu
der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des
Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen (
BGE 139 III 120 E. 3.2.1 S. 124; BGE 138 I 1 E. 2.2 S. 3; BGE 137 I 227 E. 2.1
S. 229; BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210).
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird bereits verletzt, wenn bei
objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der
Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen.
Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne werden nach der
Rechtsprechung angenommen, wenn im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und
verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten aufscheinen, die geeignet sind,
Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Dabei ist nicht
auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die
Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es
genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein
der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen. Für die Ablehnung wird
nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 139 I 121 E. 5.1
S. 125; BGE 139 III 120 E. 3.2.1 S. 124; BGE 138 I 1 E. 2.2 S. 3; BGE 137 I 227
E. 2.1 S. 229; BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210; je mit Hinweisen).

2.1.3 Ein Anschein von Befangenheit kann sich aus dem Umstand ergeben, dass ein
Richter zu einer Prozesspartei in einer besonderen Beziehung - namentlich einer
solchen beruflicher Natur - steht oder stand. Die Frage, ob dies eine Ablehnung
rechtfertigt, stellt sich aufgrund ihrer hauptberuflichen Anwaltstätigkeit, die
verschiedenste Beziehungen und Bindungen entstehen lässt, insbesondere bei
nebenamtlichen Richtern. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters gilt für
amtliche und nebenamtliche Richter gleichermassen. Der Umstand, dass beim
Einsatz nebenamtlicher Richter die Wahrscheinlichkeit beruflicher Beziehungen
zu einer der Verfahrensparteien zunimmt im Vergleich zu vollamtlichen Richtern,
die keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgehen, rechtfertigt keine
unterschiedliche Anwendung der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Vielmehr ist
der Schutz der Rechtsunterworfenen in diesen Fällen besonders gefordert und hat
die Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 30 Abs. 1 BV) ihren
eigentlichen Zweck zu erfüllen, auch in Anbetracht
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solcher Verbindungen einen korrekten und fairen Prozess sicherzustellen (vgl.
hinsichtlich des Bundespatentgerichts etwa CYRILL P. RIGAMONTI, Ein Jahr
schweizerisches Bundespatentgericht, Zeitschrift für vergleichende
Rechtswissenschaft 112/2013 S. 300, wonach die Flexibilität des gewählten
Modells mit einer überwiegenden Mehrzahl nebenamtlicher Richter zur Folge hat,
dass im Interesse der Glaubwürdigkeit des Gerichts ganz besonders auf die
richterliche Unabhängigkeit geachtet werden muss).

2.1.4 Das Bundesgericht hatte sich wiederholt mit Fällen zu befassen, in denen
ein nebenamtlicher Richter (oder Schiedsrichter) mit einer Prozesspartei in
besonderer Weise verbunden war. Es hat bei der Beurteilung, ob der Anschein der
Befangenheit besteht, insbesondere berücksichtigt, dass ein Anwalt auch
ausserhalb seines Mandats versucht sein kann, in einer Weise zu handeln, die
seinen Klienten ihm gegenüber weiterhin wohlgesinnt sein lässt. Ein als Richter
amtender Anwalt erscheint nach ständiger Rechtsprechung als befangen, wenn zu
einer Partei ein noch offenes Mandatsverhältnis besteht oder er für eine Partei
mehrmals oder kurze Zeit vorher anwaltlich tätig geworden ist. Dies gilt
unabhängig davon, ob das Mandat in einem Sachzusammenhang mit dem zu
beurteilenden Streitgegenstand steht oder nicht (BGE 138 I 406 E. 5.3 und 5.4;
BGE 135 I 14 E. 4.1 S. 15 f.; BGE 116 Ia 485 E. 3b S. 489 f.; je mit
Hinweisen).
In seiner neusten Rechtsprechung ging das Bundesgericht nach Auseinandersetzung
mit Lehre und Rechtsprechung, einschliesslich jener des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), noch einen Schritt weiter: Es erkannte,
dass ein als Richter bzw. Schiedsrichter amtierender Anwalt nicht nur dann als
befangen erscheint, wenn er in einem anderen Verfahren eine der Prozessparteien
vertritt oder kurz vorher vertreten hat, sondern auch dann, wenn im anderen
Verfahren ein solches Vertretungsverhältnis zur Gegenpartei einer der
Prozessparteien besteht bzw. bestanden hat (BGE 135 I 14 E. 4.1-4.3; bestätigt
in BGE 138 I 406 E. 5.3 und 5.4; vgl. auch BGE 139 III 120 E. 3.2.1 S. 124).
In solchen Fällen geht das Bundesgericht ungeachtet der weiteren konkreten
Umstände von einem Anschein der Befangenheit aus (BGE 138 I 406 E. 5.4.1).
Insbesondere kann es etwa bei einem offenen Auftragsverhältnis zu einer
Verfahrenspartei aufgrund der damit einhergehenden Interessenbindungen und
Loyalitätspflichten des nebenamtlich als Richter tätigen Anwalts nicht darauf
ankommen, ob
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das wahrgenommene Mandat von der Partei bzw. vom Anwalt als wichtig oder
weniger bedeutsam erachtet wird.

2.1.5 Ein Anschein der Befangenheit ergibt sich auch daraus, dass nicht der
nebenamtliche Richter selbst, sondern ein anderer Anwalt seiner Kanzlei ein
Mandat mit einer Prozesspartei unterhält bzw. kurz vorher unterhalten hat.
Diesbezüglich unterscheidet das Bundesgericht nicht danach, ob der Auftrag vom
richterlich tätigen Anwalt oder von einem seiner Kanzleikollegen ausgeführt
wird (vgl. BGE 138 I 406 E. 5.3 S. 408; Urteil 4A_256/2010 vom 26. Juli 2010 E.
2.5, in: sic! 12/2010 S. 919 f.). Der Mandant erwartet nicht nur von seinem
Ansprechpartner innerhalb der Anwaltskanzlei, sondern von deren Gesamtheit
Solidarität (vgl. JENS-PETER LACHMANN, Gedanken zur Schiedsrichterablehnung
aufgrund Sozietätszugehörigkeit, in: Festschrift für Reinhold Geimer, München
2002, S. 520 zur vergleichbaren Frage der Ablehnung eines Schiedsrichters).
Dies gilt nicht nur, wenn sich die beteiligten Anwälte dem Klienten gegenüber
gemeinschaftlich zur sorgfältigen Vertragserfüllung verpflichtet haben, was bei
Zusammenschlüssen von Anwälten zu einer einfachen Gesellschaft oder zu einer
Kollektivgesellschaft in der Regel der Fall ist (vgl. WALTER FELLMANN,
Anwaltsrecht, 2010, Rz. 1641), sondern trifft erst recht zu für
körperschaftlich organisierte Kanzleien, bei denen die juristische Person
Vertragspartnerin des Klienten ist.
Diese einheitliche Betrachtung steht im Übrigen auch im Einklang mit derjenigen
nach den massgebenden Grundsätzen des anwaltlichen Berufsrechts, wonach im
Hinblick auf einen allfälligen Interessenkonflikt alle in einer
Kanzleigemeinschaft zusammengefassten Anwälte wie ein Anwalt zu behandeln sind
(BGE 138 II 162 E. 2.5.2; vgl. auch WALTER FELLMANN, in: Kommentar zum
Anwaltsgesetz, Fellmann/Zindel [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 88 zu Art. 12 BGFA;
MICHEL VALTICOS, in: Commentaire romand, Loi sur les avocats, 2010, N. 156 zu
Art. 12 BGFA; BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, Rz. 1435;
vgl. auch das Urteil T2448-06 des Schwedischen Supreme Court vom 19. November
2007 Jilkén vs. Ericsson AB, in: Stockholm International Arbitration Review 3/
2007 S. 173 f.). Die Interessen- und Loyalitätsbindungen zwischen den Anwälten
einer Kanzlei einerseits und ihren Mandanten andererseits sind geeignet, den
Anschein der Befangenheit eines nebenamtlichen Richters in einem Verfahren zu
erwecken, an dem ein Klient als Partei teilnimmt. Abgesehen davon können die
Verfahrensbeteiligten als
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Aussenstehende in der Regel die interne Organisation, die personelle
Zusammenarbeit, die finanziellen Anreize bzw. die Informationsflüsse innerhalb
der Kanzlei nicht durchschauen, weshalb sich angesichts der Tragweite des
Anspruchs auf einen unparteiischen und unbefangenen Richter sowohl bei
Rechtsanwalts- als auch bei Patentanwaltskanzleien eine einheitliche
Betrachtung aufdrängt, und es im Hinblick auf den Anschein der Befangenheit
nicht auf die interne personelle oder finanzielle Beteiligung des
nebenamtlichen Richters bei der Wahrnehmung des betreffenden Mandats ankommen
kann.

2.1.6 Zur Annahme einer besonderen Verbundenheit des Richters mit einer
Verfahrenspartei, die den Anschein der Befangenheit erweckt, kommt auch eine
andere Beziehung als ein direktes Mandatsverhältnis zu dieser Partei in
Betracht. Das Bundesgericht hat es etwa als unzulässig erachtet, dass ein
Anwalt als Richter in einer Sache mitwirkt, die für ein gleichgelagertes
Verfahren, in dem er eine Partei vertritt, eine erhebliche präjudizielle
Bedeutung haben kann (vgl. BGE 128 V 82 E. 2a S. 85 und E. 3d; BGE 124 I 121 E.
3). Die richterliche Unparteilichkeit kann sodann gefährdet sein, wenn der
nebenamtliche Richter zwar nicht unmittelbar für eine Verfahrenspartei
anwaltlich tätig ist, aber für eine mit dieser eng verbundene Person, so
insbesondere eine Konzerngesellschaft. Angesichts der Vielfalt möglicher
Verbindungen zwischen verschiedenen Gesellschaften wäre ein streng
schematisches Vorgehen verfehlt: Weder kann ohne Weiteres von der Befangenheit
des nebenamtlichen Richters ausgegangen werden, wenn ein offenes
Mandatsverhältnis zu einer mit der Prozesspartei irgendwie verbundenen
Konzerngesellschaft besteht, noch wäre es im Hinblick auf den massgebenden
Gesichtspunkt des Anscheins der Befangenheit bei objektiver Betrachtung
angebracht, unbesehen der Konzernwirklichkeit ausschliesslich auf die
rechtliche Unabhängigkeit der Verfahrenspartei abzustellen. Vielmehr ist unter
Berücksichtigung der konkreten Umstände zu beurteilen, ob das offene
Mandatsverhältnis zwischen dem nebenamtlichen Richter bzw. seiner Kanzlei und
einer Konzerngesellschaft mit einer vergleichbaren Nähe zur mit dieser
verbundenen Verfahrenspartei einhergeht.
Entgegen dem, was die Vorinstanz anzunehmen scheint, können praktische
Schwierigkeiten bei der Beurteilung von Ausstandsgründen oder der damit
verbundene Aufwand nicht dazu führen, bestimmte Beziehungen - wie etwa ein
Mandatsverhältnis zu einer
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verbundenen Gesellschaft - bei der Beurteilung von Ausstandsgründen einfach
auszublenden. Vielmehr ist diesen Schwierigkeiten mit einer konsequenten
Offenlegung besonderer Beziehungen zu einer mit einer Verfahrenspartei
verbundenen Person zu begegnen, sofern diese im konkreten Fall einen
Ausstandsgrund darstellen können (vgl. Art. 48 ZPO). Wie die
Beschwerdeführerinnen zutreffend vorbringen, sind vergleichbare Abklärungen der
nebenamtlichen Richter im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte im
aussergerichtlichen beruflichen Alltag üblich. Im vorliegenden Verfahren wurde
das fragliche Mandatsverhältnis der Kanzlei des nebenamtlichen Richters zur
Migros France denn auch korrekt offengelegt.

2.2 Nach Art. 28 PatGG treten nebenamtliche Richterinnen und Richter in den
Ausstand bei Verfahren, in denen eine Person derselben Anwalts- oder
Patentanwaltskanzlei oder desselben Arbeitgebers wie sie eine Partei vertritt.
Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, wenn sie davon ausgeht, Art. 28 PatGG
regle allgemein im Sinne einer lex specialis gegenüber der ZPO, wann ein
Richter wegen eines Mandats einer Person aus seiner Kanzlei in den Ausstand zu
treten habe. Die Bestimmung hat lediglich den Fall im Auge, dass ein Kanzlei-
oder Arbeitskollege des Richters eine Verfahrenspartei vor Bundespatentgericht
vertritt; entgegen dem angefochtenen Entscheid erfasst die Bestimmung nicht die
Situation, in der ein der Kanzlei des Richters angehörender Anwalt ein Mandat
zu einer Verfahrenspartei unterhält, ohne diese jedoch im betreffenden
Verfahren vor dem Bundespatentgericht zu vertreten (vgl. die Botschaft vom 7.
Dezember 2007 zum Patentgerichtsgesetz, BBl 2008 485 Ziff. 2.5.2 zu Art. 28
E-PatGG, wonach die Bestimmung einen Ausstandsgrund "in Ergänzung" der
allgemeinen Regeln von Art. 45 E-ZPO [nunmehrArt. 47 ZPO] vorsieht; vgl. auch
RÜETSCHI, a.a.O., N. 9 zu Art. 28 PatGG, nach dem die Bestimmung einen - im
Vergleich zur ZPO - zusätzlichen Ausstandsgrund festlegt).
Art. 28 PatGG ist demnach nicht in dem Sinne zu verstehen, dass ein offenes
Mandatsverhältnis der Anwaltskanzlei des nebenamtlichen Richters zu einer
Verfahrenspartei unter Ausstandsgesichtspunkten von Gesetzes wegen als
unbedenklich zu erachten wäre, solange diese im Verfahren vor
Bundespatentgericht nicht von einem Kanzleikollegen vertreten wird. Zu einem
derartigen Umkehrschluss führen weder die allgemeinen Auslegungsregeln (BGE 137
IV 249 E. 3.2; BGE 137 V 434 E. 3.2; BGE 136 III 23 E. 6.6.2.1; BGE 135 III 112
E. 3.3.2) noch wäre eine solche Auffassung mit den aufgeführten
BGE 139 III 433 S. 441
Grundsätzen zur Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 30 Abs. 1 BV)
in Einklang zu bringen. Ebenso wenig lässt sich aus Art. 28 PatGG ableiten,
eine Mandatsbeziehung zu einer mit einer Verfahrenspartei verbundenen
Konzerngesellschaft falle bei der Beurteilung der Befangenheit von vornherein
ausser Betracht.
Der in Art. 28 PatGG ausdrücklich aufgeführte Ausstandsgrund für nebenamtliche
Richter bei von Kanzleikollegen vertretenen Verfahrensparteien stimmt mit den
verfassungsrechtlich gebotenen Ausstandsgründen überein und ergibt sich bereits
aus dem Anspruch auf einen unbefangenen und unparteilichen Richter (so
zutreffend etwa schon die Stellungnahme des Verbands Schweizerischer Patent-
und Markenanwälte [VSP] und des Verbands der beim Europäischen Patentamt
eingetragenen freiberuflichen schweizerischen Patentanwälte [VESPA] zum
Vorentwurf, Bericht des EJPD über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens
zum PatGG [September 2007], S. 7; vgl. auch BGE 92 I 271 E. 5, wo das
Bundesgericht aus verfassungsrechtlicher Sicht bereits dort auf Befangenheit
erkannt hat, wo die Ehefrau des Schiedsrichters als juristische Mitarbeiterin
in der Anwaltskanzlei des Rechtsvertreters einer Partei tätig war; vgl.
demgegenüber RÜETSCHI, a.a.O., N. 46 zu Art. 28 PatGG, der in der Bestimmung
eine Verschärfung der allgemeinen Grundsätze erblickt).
Die Bestimmung ist nicht auf Fälle - wie den vorliegenden - anwendbar, in denen
ein offenes Mandat der Kanzlei des Richters zu einer Verfahrenspartei (bzw.
einer mit dieser eng verbundenen Person) besteht, diese jedoch im Verfahren vor
Bundespatentgericht nicht von einem Kanzleikollegen vertreten wird. Zu beachten
sind vielmehr die allgemeinen Ausstandsgründe nach Art. 47 ZPO - im konkreten
Fall insbesondere die Generalklausel in Abs. 1 lit. f - unter Berücksichtigung
der aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessenden Grundsätze. Wie die Vorinstanz selbst
zutreffend festhält, kommt der Konkretisierung der Ausstandsgründe in den von
ihr erlassenen Richtlinien zur Unabhängigkeit (Stand 1. Januar 2013)
demgegenüber keine normative Geltung zu (vgl. dazu RÜETSCHI, a.a.O., N. 13 zu
Art. 27 und N. 16 ff. zu Art. 28 PatGG).

2.3

2.3.1 Wie die Beschwerdeführerinnen unter Hinweis auf den in den Akten
liegenden Markenregisterauszug zutreffend ausführen, besteht das
Vertretungsverhältnis zwischen der Troesch Scheidegger
BGE 139 III 433 S. 442
Werner AG und der Migros France. Dass das offene Mandat der
Patentanwaltskanzlei des nebenamtlichen Richters Rigling nicht von ihm selbst,
sondern einem Kanzleipartner betreut wird, ist - wie dargelegt - unter
Ausstandsgesichtspunkten ebenso unerheblich wie der von der Vorinstanz erwähnte
Umstand, es handle sich dabei um ein "einzelnes unbedeutendes Mandat". Bestünde
das fragliche Mandat demnach mit der beklagten Denner AG, wäre der abgelehnte
Richter ohne Weiteres in den Ausstand zu versetzen.
Das offene Mandatsverhältnis besteht jedoch nicht mit der Verfahrenspartei
Denner AG, sondern mit ihrer Schwestergesellschaft Migros France. Es fragt sich
daher, ob aufgrund des Mandatsverhältnisses zur Migros France auch von einer
besonderen Verbundenheit von Richter Rigling mit deren Schwestergesellschaft
Denner AG auszugehen ist. Ohne dass dies von der Vorinstanz in Frage gestellt
oder von den Beschwerdegegnerinnen bestritten worden wäre, haben die
Beschwerdeführerinnen im vorinstanzlichen Verfahren behauptet und urkundlich
nachgewiesen, dass deren Muttergesellschaft, der Migros-Genossenschafts-Bund,
praktisch alle Migros-Marken wie auch diejenigen der Denner AG zentral
verwaltet. Die Beschwerdeführerinnen weisen zu Recht darauf hin, dass eine
isolierte Betrachtung der einzelnen Konzerngesellschaften daher im Bereich des
Markenrechts nicht gerechtfertigt erscheint. Das Interesse des
Migros-Genossenschafts-Bunds an sämtlichen Marken - auch denjenigen ihrer
Tochtergesellschaften - und den entsprechenden Verfahren ist offensichtlich.
Nach objektiver Betrachtung ist davon auszugehen, dass sich die Kanzlei von
Richter Rigling auch diesen Interessen verbunden fühlt und es daher im Hinblick
auf die Beurteilung des Ausstandsbegehrens nicht darauf ankommen kann, ob das
offene Mandat zur Eintragung einer Schweizer Marke von einer
Tochtergesellschaft des Migros-Genossenschafts-Bunds oder von diesem selbst
erteilt wurde.
Gleichzeitig hat der Migros-Genossenschafts-Bund ein gewichtiges Interesse an
dem beim Bundespatentgericht gegen die Beschwerdegegnerinnen eingeleiteten
Verfahren. Über das indirekte wirtschaftliche Interesse der Mutter- am Ausgang
des Patentverletzungsprozesses ihrer Tochtergesellschaft hinaus hat der
Migros-Genossenschafts-Bund im Verfahrensverlauf sein unmittelbares Interesse
an diesem Verfahren zu erkennen gegeben.

2.3.2 Die Beschwerdeführerinnen werfen der Vorinstanz in diesem Zusammenhang zu
Recht unter Berufung auf Art. 53 ZPO und Art. 29
BGE 139 III 433 S. 443
Abs. 2 BV vor, ihnen die Einsicht in ein im Aktenverzeichnis aufgeführtes
E-Mail, mit dem der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerinnen dem Gericht die
an der Instruktionsverhandlung teilnehmenden Personen bekannt gab, ohne
nachvollziehbaren Grund verweigert zu haben. Nach Art. 53 Abs. 2 ZPO können die
Parteien die Akten einsehen und Kopien anfertigen lassen, soweit keine
überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Dass
Letzteres der Fall sein könnte, wurde im vorinstanzlichen Verfahren weder von
der Gegenseite noch von der Vorinstanz geltend gemacht und ist auch nicht
ersichtlich. Entgegen der vorinstanzlichen Stellungnahme vom 29. April 2013
kann der Umstand, dass die entsprechende Mitteilung der Parteien praktischen
Zwecken im Hinblick auf die Organisation der Verhandlung (Auswahl des
Verhandlungstisches sowie Vorbereitung der Zutrittsformulare durch den
Logendienst) dient, nicht dazu führen, dass den Parteien eine zur Beurteilung
der Ausstandsfrage bedeutsame Information vorenthalten wird.
Aus dem fraglichen E-Mail vom 25. September 2012 geht hervor, dass auf Seiten
der Beschwerdegegnerinnen die Leiterin Rechtsabteilung des
Migros-Genossenschafts-Bunds an der vom Bundespatentgericht angesetzten
Instruktionsverhandlung mit Vollmacht der Denner AG teilgenommen hätte. Der
Migros-Genossenschafts-Bund ist demnach am Ausgang des vorliegenden
Patentverletzungsverfahrens - für die Richter erkennbar - unmittelbar
interessiert, womit es für die Beurteilung des Ausstandsbegehrens nicht darauf
ankommen kann, ob er selbst oder seine Tochtergesellschaft Denner AG formell
Verfahrenspartei ist. Bei diesem Ergebnis braucht nicht vertieft zu werden, ob
sich bei der von den Beschwerdeführerinnen gegen den
Migros-Genossenschafts-Bund eingereichten Patentverletzungsklage tatsächlich
dieselben Sachverhalts- und Rechtsfragen wie im vorliegenden Verfahren stellen
und dieses für das Parallelverfahren präjudizierend sein könnte.

2.4 Aus diesen Gründen kommt es für die Beurteilung des Ausstandsbegehrens
weder darauf an, dass das offene Mandat der Patentanwaltskanzlei des
nebenamtlichen Richters Rigling mit der Tochtergesellschaft Migros France
besteht (und nicht mit deren Muttergesellschaft), noch darauf, dass im
vorliegenden Verfahren nicht der Migros-Genossenschafts-Bund als Partei
auftritt, sondern seine Tochtergesellschaft Denner AG. Aufgrund der engen
Verbindung des Migros-Genossenschafts-Bunds und seinen gewichtigen Interessen
sowohl am offenen Mandatsverhältnis als auch am Ausgang
BGE 139 III 433 S. 444
des vorliegenden Patentverletzungsprozesses ist die Frage der Befangenheit im
konkreten Fall nicht anders zu beurteilen, als wenn der
Migros-Genossenschafts-Bund selbst gleichzeitig Verfahrenspartei vor
Bundespatentgericht und Mandant der Patentanwaltskanzlei des abgelehnten
Richters wäre.
Das offene Mandat seiner Patentanwaltskanzlei ist daher bei objektiver
Betrachtung geeignet, den Anschein der Befangenheit des nebenamtlichen Richters
Rigling zu erwecken. Entsprechend ist der angefochtene Beschluss des
Bundespatentgerichts aufzuheben und der abgelehnte Richter in den Ausstand zu
versetzen.