Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 I 6



Urteilskopf

138 I 6

2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Nachrichtendienst des Bundes NDB und Eidgenössischer Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragter EDÖB (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
1C_289/2009 vom 2. November 2011

Regeste

Recht auf Achtung des Privatlebens, Einsicht in Staatsschutzakten, indirektes
Auskunftsrecht; Art. 8 und 13 EMRK, Art. 82 lit. a und Art. 83 lit. a BGG.
Die Mitteilung des Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne
von Art. 18 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren
Sicherheit (BWIS) kann im vorliegenden Zusammenhang nach Art. 82 lit. a BGG
angefochten werden (E. 1.2). In Anbetracht der gerichtlichen Überprüfung durch
den EGMR kann im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit gestützt auf Art.
83 lit. a BGG auf die Beschwerde eingetreten werden (E. 1.3.2).
Hinweise zur Beschaffung und Bearbeitung von Informationen im Bereich des
Staatsschutzes und zum indirekten Auskunftsrecht nach BWIS (E. 3).
Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 4.1);
Anforderungen an Eingriffe nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK in formeller und
materieller Hinsicht (E. 4.2 und 4.3).
Das BWIS stellt eine hinreichende Grundlage für die Beschaffung und Bearbeitung
von Informationen und für den Aufschub der Einsicht in der Form des indirekten
Auskunftsrechts dar (E. 5.2); es genügt den Bestimmtheitsanforderungen (E.
5.3), enthält Mechanismen zum Schutz der Grundrechte (E. 5.4), dient zulässigen
Zwecken (E. 5.5) und erweist sich als verhältnismässig (E. 5.6).
Recht auf wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK (E. 6.1); Zulässigkeit
von geheimer Überwachung und geheimer Aufbewahrung von Personendaten,
Anforderungen an den Aufschub der Auskunft (E. 6.2).
Die Ausgestaltung des indirekten Auskunftsrechts, die Beschränkung der
Datenaufbewahrung und die parlamentarische Aufsicht stellen Mechanismen zum
Schutz der Grundrechte dar (E. 7.1-7.3); Empfehlungen gegenüber den zuständigen
Behörden im Rahmen der geheimen Überprüfung kommt verbindlicher Charakter zu
(E. 7.4); Anforderungen an die Auskunftserteilung nach Dahinfallen der
Geheimhaltungsinteressen (E. 7.5); gesamthaft hält die BWIS-Regelung vor Art.
13 EMRK stand; Rückweisung der Sache zu neuer Prüfung im Sinne der Erwägungen
(E. 7.7).

Sachverhalt ab Seite 8

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X. ist nach eigenen Angaben polnischer Korrespondent der internationalen
Monatszeitung A. und hatte Wohnsitz in Basel. Hier wurde er im Rahmen eines
Polizeieinsatzes gegen vermeintlich gewalttätige Anti-WEF-Demonstranten am
Nachmittag des 26. Januar 2008 von der Basler Polizei festgenommen, ins
Untersuchungsgefängnis verbracht und am Abend desselben Tages freigelassen.
Diese Ereignisse erregten in Basel Aufsehen und führten zu einer Untersuchung.
Unter Hinweis auf die bevorstehende Datenvernichtung führte die Kantonspolizei
in einem Schreiben an eine Anwaltskanzlei das Folgende aus:
"Anzumerken ist, dass es sich gemäss den Erkenntnissen, die via die
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom DAP (fedpol) erhältlich gemacht
werden konnten, bei Herrn X. um einen international agierenden und
gewaltbereiten Globalisierungsgegner handelt, der aus diesem Grunde vom DAP
ausgeschrieben und mit einer Einreisesperre belegt war."
X. ist der Auffassung, dass seine Personalien und persönlichen Daten im
Anschluss an den erwähnten Vorfall vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP)
- damals dem Bundesamt für Polizei des EJPD zugeordnet und heute als
Nachrichtendienst des Bundes (NDB) dem Generalsekretariat des VBS zugeteilt -
überprüft und festgehalten wurden.
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Mit Schreiben vom 11. August 2008 ersuchte X. den Eidgenössischen Datenschutz-
und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB, Beauftragter) um Auskunft über die über
ihn gespeicherten Daten und um Einsicht in diese Daten. Der Beauftragte
erteilte dem Rechtsvertreter von X. am 4. November 2008 die folgende
Mitteilung:
" Mitteilung:
Wir teilen Ihnen mit, dass in Bezug auf Ihren Klienten entweder keine Daten
unrechtmässig bearbeitet werden oder dass wir bei Vorhandensein allfälliger
Fehler in der Datenbearbeitung eine Empfehlung zu deren Behebung an das
Bundesamt gerichtet haben.
Rechtsmittel:
Ein Rechtsmittel gegen diese Mitteilung ist gemäss Artikel 18 Absatz 2 Satz 1
BWIS ausgeschlossen. Gemäss Artikel 18 Absatz 2 Satz 2 kann vom Präsidenten der
Abteilung I des Bundesverwaltungsgerichts (Adresse: ...) verlangt werden, dass
er diese Mitteilung oder gegebenenfalls den Vollzug der abgegebenen Empfehlung
überprüft."
In der Folge gelangte X. an das Bundesverwaltungsgericht. Der Präsident der I.
Abteilung teilte daraufhin dem Rechtsvertreter am 10. Juni 2009 das Folgende
mit:
"Ich beziehe mich auf Ihr Gesuch vom 5. Dezember 2008 (Poststempel), in dem Sie
die Überprüfung der Mitteilung des Eidgenössischen Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) vom 4. November 2008 sowie allfälliger vom
EDÖB abgegebener Empfehlungen verlangen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass ich die
Prüfung im anbegehrten Sinne durchgeführt habe. Ich habe dabei überprüft, ob in
den von Ihrem Begehren betroffenen Datensammlungen über Ihren Mandanten Daten
unrechtmässig bearbeitet werden bzw. ob der EDÖB bei allfälligen Fehlern deren
Behebung veranlasst hat. Sollte ich dabei Mängel festgestellt haben, hätte ich
eine Empfehlung zu deren Beseitigung abgegeben.
Gemäss Art. 18 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 21. März 1997 über Massnahmen zur
Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) kann ich Ihnen indessen keine weiteren
Auskünfte über allfällige im Rahmen der Prüfung gemachten Feststellungen
erteilen.
In Ihrem Gesuch machen Sie geltend, Ihr Mandant habe ein Verfahren auf
Feststellung der Widerrechtlichkeit von Einträgen in die Datensammlungen der
deutschen Verfassungsschutzbehörden eingeleitet. Ich weise Sie darauf hin, dass
die Möglichkeit offensteht, erneut ein Gesuch beim EDÖB einzureichen und die
Löschung zu beantragen, wenn gerichtlich festgestellt werden sollte, dass Ihr
Mandant zu Unrecht von deutschen Behörden registriert wurde."
X. hat beim Bundesgericht am 29. Juni 2009 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten erhoben. Er stellt folgende Anträge:
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"1. Es sei der Entscheid des Abteilungspräsidenten des
Bundesverwaltungsgerichts vom 10.6.2009 aufzuheben.
2. Es sei X. Einsicht in alle über ihn bestehenden Akten und Daten der Polizei
und des Staatsschutzes (Dienst für Analyse und Prävention [DAP]) des Bundes,
insbesondere in die im Informationssystem des
Bundesamtes für Polizei gespeicherten Daten (namentlich ISIS00 und ISIS06) und
in allfällig damit verbundene Akten zu gewähren.
3. Im Anschluss an die Gewährung der Akteneinsicht gemäss Ziff. 2 hiervor sei
das Bundesamt für Polizei bzw. der DAP anzuweisen:
a. sämtliche über das Ereignis vom 26.1.2008 erhobenen Daten in Gegenwart des
Datenschutzbeauftragten zu löschen.
b. sämtliche Daten des Bundesamtes für Polizei bzw. des DAP in Gegenwart des
Datenschutzbeauftragen zu löschen, wonach es sich bei Herrn X. um 'einen
international agierenden und gewaltbereiten Globalisierungsgegner' handelt.
c. sämtliche übrige beim DAP allfällig bestehende Daten, die Herrn X.
betreffen, in Gegenwart des Datenschutzbeauftragten zu löschen. ..."
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt die Mitteilungen
des Beauftragten EDÖB und des Abteilungspräsidenten des
Bundesverwaltungsgerichts auf und weist die Sache an den Beauftragten zur
Behandlung des Auskunftsgesuchs vom 11. August 2008 im Sinne der Erwägungen
zurück. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Der Beschwerdeführer erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gemäss Art. 82 lit. a BGG, ohne dass die Mitteilung des
Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden:
Abteilungspräsident) eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthalten hätte.
Im Folgenden sind die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (E. 1.1), das
Vorliegen eines anfechtbaren Entscheides (E. 1.2) und der Ausschlussgrund von
Art 83 lit. a BGG (E. 1.3) zu prüfen.

1.1 Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde innert dreissig Tagen seit
Eröffnung der Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts erhoben (Art. 100 Abs. 1
BGG). Er ist vom Verfahren betroffen und hat ein schutzwürdiges Interesse an
der Aufhebung der Mitteilungen des Abteilungspräsidenten und des Datenschutz-
und Öffentlichkeitsbeauftragten EDÖB (im Folgenden: der Beauftragte bzw. EDÖB),
an
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der Einsicht in die Informationssysteme des Bundes sowie an der Vernichtung
allfälliger ihn betreffender Aktenstücke (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die Anträge des
Beschwerdeführers - Aufhebung der Mitteilungen, Einsicht in die
Informationssysteme und Vernichtung von Aktenstücken - sind mit Blick auf Art.
107 Abs. 2 BGG zulässig. In Betracht fällt ausschliesslich die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Unter
diesen Aspekten steht dem Eintreten auf die vorliegende Beschwerde nichts im
Wege.

1.2 Das Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren
Sicherheit (BWIS; SR 120) gewährleistet der gesuchstellenden Person bei
Begehren um Auskunft und Einsicht in Staatsschutzakten nach Art. 18 Abs. 1 und
2 eine stets gleichlautende Antwort des Beauftragten und des
Abteilungspräsidenten, dass eine Prüfung vorgenommen worden ist, keine Daten
unrechtmässig bearbeitet würden und im Falle von Unregelmässigkeiten eine
entsprechende Empfehlung ergangen wäre. Es stellt sich die Frage, ob diese
Mitteilungen Entscheide im Sinne von Art. 82 lit. a BGG darstellen. Der
Präsident der I. Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zieht dies angesichts
des besondern Verfahrens in Zweifel und beantragt, es sei schon aus diesem
Grunde auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das Anfechtungsobjekt der öffentlich-rechtlichen Beschwerde wird in Art. 82
lit. a BGG mit Entscheiden in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts
umschrieben. Es kann nicht bezweifelt werden, dass im vorliegenden Fall
öffentliches Recht, nämlich öffentliches Recht des Bundes in Frage steht. Es
kann auch nicht in Zweifel gezogen werden, dass die Mitteilungen des
Beauftragten und des Abteilungspräsidenten hoheitlicher Natur sind. Diese haben
ihre Mitteilungen als Träger öffentlicher Gewalt gemacht und sich dabei auf das
einschlägige Datenschutzrecht des BWIS abgestützt. Zudem ergingen die
Mitteilungen aufgrund einer konkreten und individuellen Prüfung. Es ist nicht
entscheidend, dass mit den stets gleichlautenden Mitteilungen des Beauftragten
und des Abteilungspräsidenten keine konkreten Feststellungen getroffen werden
und aus ihnen keinerlei Schlüsse über das Vorhandensein oder
Nicht-Vorhandensein von Einträgen in den Staatsschutzregistern gezogen werden
können.
Der Begriff "Entscheid" nach Art. 82 lit. a BGG ist autonomer Natur und reicht
über den engen Verfügungsbegriff gemäss Art. 5 VwVG (SR 172.021) hinaus. Es
gehören dazu auch Rechtsverweigerungen
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(vgl. Art. 94 BGG) und Realakte, welche die Rechtsstellung des Betroffenen
berühren und von der Vorinstanz materiell beurteilt worden sind. Bei der
Umschreibung des Anfechtungsobjekts wird - insbesondere, wenn
Grundrechtspositionen betroffen sind - auch auf das Rechtsschutzbedürfnis
abgestellt (vgl. BGE 126 I 250 E. 2d S. 254; BGE 130 I 369 E. 6.1 S. 377;
BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, BGG, 2. Aufl. 2011, N. 6 ff. zu Art.
82 BGG; ALAIN WURZBURGER, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 27 zu Art. 82
BGG). Unter diesem Gesichtswinkel kann nicht in Abrede gestellt werden, dass
der Beschwerdeführer durch die Mitteilungen des Beauftragten und des
Abteilungspräsidenten individuell in Grundrechtspositionen betroffen ist. Ein
Bedürfnis nach einer Überprüfung kann nicht verneint werden. Insoweit ist nicht
von Bedeutung, dass die Mitteilung des Beauftragten nach Art. 18 Abs. 2 BWIS
ausdrücklich keiner Beschwerde unterliegt und die Mitteilung des
Abteilungspräsidenten daher keinen eigentlichen Rechtsmittelentscheid
darstellt.
Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vorliegend im Grundsatz zu bejahen.

1.3 Art. 83 lit. a BGG schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes,
der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen
Angelegenheiten im Grundsatz aus. Die Beschwerde kommt im Sinne einer
Gegenausnahme gleichwohl zum Zug, soweit das Völkerrecht einen Anspruch auf
gerichtliche Beurteilung einräumt.

1.3.1 Vorerst fragt sich, ob die umstrittenen Mitteilungen und die allfällige
Bearbeitung von Personendaten über den Beschwerdeführer "auf dem Gebiet der
inneren und äusseren Sicherheit des Landes" im Sinne von Art. 83 lit. a BGG
ergangen sind.
Das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit bezweckt
die Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen der Schweiz
sowie den Schutz der Freiheitsrechte der Bevölkerung (Art. 1 BWIS). Der Bund
trifft vorbeugende Massnahmen, um frühzeitig Gefährdungen zu erkennen und zu
bekämpfen (Art. 2 Abs. 1 BWIS). Zu den vorbeugenden Massnahmen gehört die
Bearbeitung von Informationen über die innere und äussere Sicherheit (Art. 2
Abs. 4 lit. b BWIS). Die Bearbeitung von Informationen über die politische
Betätigung und die Ausübung der
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Meinungs-, Koalitions- und Versammlungsfreiheit ist den Sicherheitsorganen des
Bundes ausnahmsweise gestattet, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine
Organisation oder ihr nahestehende Personen die Ausübung der politischen Rechte
oder der Grundrechte als Vorwand nehmen, um terroristische,
nachrichtendienstliche oder gewalttätig extremistische Tätigkeiten
vorzubereiten oder durchzuführen (Art. 3 Abs. 1 und 2 BWIS).
Vor diesem Hintergrund kann nicht in Frage gestellt werden, dass eine
allfällige Bearbeitung von Personendaten über den Beschwerdeführer durch Organe
des Bundes den Bereich der inneren oder äusseren Sicherheit des Landes im Sinne
von Art. 83 lit. a BGG beschlägt. Das Bundesgericht ist in vergleichbaren
Konstellationen vom Ausschlussgrund der inneren oder äusseren Sicherheit des
Landes gemäss Art. 100 lit. a OG ausgegangen (BGE 125 II 417 E. 4a S. 420; BGE
133 II 450 E. 2.2 S. 454; BGE 132 I 229 E. 6.1 S. 237; BGE 129 II 193 E. 2.1 S.
197; vgl. THOMAS HÄBERLI, in: Basler Kommentar, BGG, 2. Aufl. 2011, N. 22 f. zu
Art. 83 BGG). Daraus folgt, dass auch die Gesuche um Auskunft über bzw.
Einsicht in die Datensammlung sowie die Mitteilungen des Beauftragten und des
Abteilungspräsidenten zum Bereich der inneren oder äusseren Sicherheit des
Landes im Sinne von Art. 83 lit. a BGG zu zählen sind.

1.3.2 Trotz des Ausschlusses der Beschwerde auf dem Gebiet der inneren oder
äusseren Sicherheit ist die Beschwerde im Sinne der Gegenausnahme nach Art. 83
lit. a BGG zulässig, soweit das Völkerrecht einen Anspruch auf gerichtliche
Beurteilung einräumt.
Die genannte Bestimmung umschreibt nicht, welche gerichtliche Instanz die
gerichtliche Beurteilung vornimmt. Sie verlangt keine Beurteilung durch ein
schweizerisches Gericht und lässt zu, dass das Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte angesprochen ist. Für die Gegenausnahme von Art.
83 lit. a BGG genügt es somit, dass das Völkerrecht in der Form der
Europäischen Menschenrechtskonvention eine gerichtliche Beurteilung durch den
Gerichtshof verlangt. Dies trifft auf die vorliegende Konstellation zu. Der
EGMR hat in mehreren Beschwerdefällen die geheime Überwachung, Aufzeichnung von
Personendaten und deren Verwendung unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 und Art.
13 EMRK geprüft (vgl. die unten behandelten Urteile Klass, Malone, Rotaru,
Segerstedt-Wiberg und die Entscheidung Weber und Saravia). In gleicher Weise
kann die vorliegende Angelegenheit - bei gegebenen
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Prozessvoraussetzungen - dem EGMR mit dem Anspruch auf gerichtliche Beurteilung
unterbreitet werden. Damit sind die Voraussetzungen erfüllt, dass das
Bundesgericht im Sinne der Gegenausnahme in Art. 83 lit. a BGG auf die
vorliegende Beschwerde eintreten kann. Dieses Vorgehen respektiert die
Subsidiarität des Verfahrens vor dem EGMR, wie sie in Art. 13 und 35 Ziff. 1
EMRK zum Ausdruck kommt. Es erlaubt zudem die innerstaatliche Überprüfung des
vorliegend umstrittenen Verfahrens, nachdem sich der Präsident der zuständigen
Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dazu geäussert hatte.

1.3.3 Demnach kann auf die vorliegende Beschwerde auch mit Blick auf Art. 83
lit. a BGG eingetreten werden.

2.

2.1 Mit der vorliegenden Beschwerde wehrt sich der Beschwerdeführer dagegen,
dass die allenfalls über ihn bestehenden Einträge in Informationssystemen des
Bundes weiterhin geheim aufbewahrt, bearbeitet und verwendet werden. Er ersucht
deshalb um vollständige Einsicht in diese Informationssysteme, um hernach
allfällige Einträge löschen oder korrigieren lassen zu können.
Hierfür beruft sich der Beschwerdeführer in materieller Hinsicht zur Hauptsache
auf die Garantie von Art. 8 EMRK an. Diese wird durch die geheime Aufbewahrung
von Personendaten beeinträchtigt und verlangt dafür rechtsstaatliche
Absicherungen. In formeller Hinsicht bezieht er sich auf Art. 13 EMRK und macht
geltend, das in Art. 18 BWIS vorgesehene Auskunftsverfahren genüge den
Anforderungen an eine wirksame Beschwerde nicht, die Mitteilungen des
Beauftragten und des Abteilungspräsidenten stellten keine hinreichenden
Antworten auf seine Ersuchen dar.
Für die Beschwerdebehandlung ist von Art. 8 EMRK auszugehen. Es ist zu prüfen,
welche Garantien diese Bestimmung enthält, welche Formen von Einschränkungen
sie zulässt und welche Anforderungen sie an geheime Datenbearbeitungen stellt.
Zu untersuchen sind insbesondere das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage,
die öffentlichen Interessen an entsprechenden Massnahmen und die Qualität der
gesetzlichen Grundlage hinsichtlich Bestimmtheit, Voraussehbarkeit,
Zugänglichkeit und inhärenten Kontrollmechanismen (E. 4 und 5).
In einem zweiten Schritt ist die Bedeutung von Art. 13 EMRK nachzuzeichnen. Es
ist zu prüfen, inwieweit die Garantie eingeschränkt
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werden kann, was eine Einschränkung im Einzelnen bedeutet, inwieweit eine
Mitteilung darüber erforderlich ist und welche Anforderungen an das Verfahren
während der Geheimhaltung und nach Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen zu
stellen sind (E. 6 und 7).
Vorauszuschicken ist eine Übersicht über das schweizerische Staatsschutzsystem
und über die Bestimmungen zur Informationsbeschaffung und -aufbewahrung im
Bereich der inneren Sicherheit (E. 3.1). Ferner ist das Auskunftsrecht gemäss
Art. 18 BWIS darzustellen (E. 3.2).
Das Bundesgericht entscheidet über die vorliegende Beschwerde in Kenntnis der
Akten. Dieses Vorgehen entspricht der Praxis des Bundesgerichts (BGE 128 I 167
E. 3.1 S. 169; Urteil 1A.225/2005 vom 27. Mai 2003 E. 1.3, nicht publ. in: BGE
129 I 249; je mit Hinweisen).
(...)

3.

3.1 Zum Staatsschutz im Allgemeinen kann das Folgende ausgeführt werden:
Die rechtlichen Grundlagen zur Wahrung der inneren Sicherheit der Schweiz
finden sich, soweit im vorliegenden Verfahren von Bedeutung, im Bundesgesetz
vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, im
Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des
zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG; SR 121) und im Bundesgesetz vom 13. Juni
2008 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI; SR 361). Das
Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit steht im
Dienste der Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen der
Schweiz sowie des Schutzes der Freiheitsrechte ihrer Bevölkerung (Art. 1 BWIS).
Der Bund trifft vorbeugende Massnahmen, um Gefährdungen frühzeitig zu erkennen
und zu bekämpfen (Art. 2 BWIS). Es gehört dazu die Bearbeitung von
Informationen über die innere und die äussere Sicherheit (Art. 2 Abs. 4 lit. b
BWIS). Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und das Bundesamt für Polizei
(fedpol) erfüllen die Aufgaben nach dem BWIS (Art. 5 Abs. 3 BWIS). Der
Nachrichtendienst des Bundes nimmt die nachrichtendienstlichen und präventiven
Aufgaben aus dem Bereich des BWIS wahr (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung vom 4.
Dezember 2009 über den Nachrichtendienst des Bundes [V-NDB; SR 121.1]).
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Das Kapitel Informationsbearbeitung im Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung
der inneren Sicherheit ordnet namentlich die Informationsbeschaffung (Art. 14
BWIS) und das Bearbeiten von Personendaten (Art. 15 BWIS). Danach können Daten
beschafft werden, selbst wenn dies für die betroffenen Personen nicht erkennbar
ist. Die Sicherheitsorgane dürfen besonders schützenswerte Personendaten sowie
Persönlichkeitsprofile im Rahmen der Verordnung bearbeiten (Art. 20 V-NDB).
Informationen dazu können aktiv beschafft werden (Art. 17 V-NDB). Die
Datenbearbeitung unterliegt gewissen Schranken hinsichtlich politischer
Betätigung und der Ausübung der Meinungs-, Koalitions- und
Versammlungsfreiheit, es sei denn, dass begründeter Verdacht besteht, dass
Personen und Organisationen die Ausübung politischer Rechte und der Grundrechte
zum Vorwand der Vorbereitung oder Durchführung von terroristischen,
nachrichtendienstlichen oder gewalttätig extremistischen Tätigkeiten nehmen
(Art. 3 BWIS).
Im Rahmen des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen
Nachrichtendienstes ordnet die Verordnung vom 4. Dezember 2009 über die
Informationssysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (ISV-NDB; SR 121.2) u.a.
Betrieb, Datenbestand und Nutzung des Informationssystems Innere Sicherheit
(ISIS). Das Informationssystem Innere Sicherheit ISIS besteht aus einer Reihe
von Subsystemen und Datenbanken (Art. 25 ISV-NDB). Die Dauer der
Datenaufbewahrung ist mit Blick auf die unterschiedlichen Kategorien von Daten
im Einzelnen festgelegt (Art. 33 ISV-NDB). Die Daten in der Datenbank
Staatsschutz werden periodisch einer Gesamtbeurteilung unterzogen (Art. 32
ISV-NDB). Im Anschluss an ein Auskunftsgesuch überprüft der NDB unabhängig von
den festgelegten Laufzeiten, ob die vorhandenen Daten noch notwendig sind (Art.
18 Abs. 5 BWIS).
Die Geschäftsprüfungsdelegation überwacht gemäss Art. 53 Abs. 2 des
Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG; SR 171.10) die Tätigkeit im
Bereich des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste regelmässig in
allgemeiner Weise. Im Jahre 2010 hat sie dazu eine vertiefte Prüfung
vorgenommen und einen eingehenden Bericht erstattet (vgl. Bericht der
Geschäftsprüfungsdelegation vom 21. Juni 2010 über Datenbearbeitung im
Staatsschutzinformationssystem ISIS, BBl 2010 7665; zu den
Datenbearbeitungsregeln für das ISIS-Informationssystem insbes. S. 7675 Ziff.
2.2 des genannten Berichts).
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Das Auskunftsrecht der Betroffenen richtet sich nach Art. 18 BWIS (Art. 31
ISV-NDB).

3.2 Art. 18 BWIS ordnet das Auskunftsrecht. Er weist folgenden Wortlaut auf:
Art. 18 Auskunftsrecht
^1 Jede Person kann beim Eidgenössischen Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragten verlangen, dass er prüfe, ob im Informationssystem
des Bundesamtes rechtmässig Daten über sie bearbeitet werden. Der Datenschutz-
und Öffentlichkeitsbeauftragte teilt der gesuchstellenden Person in einer stets
gleichlautenden Antwort mit, dass in Bezug auf sie entweder keine Daten
unrechtmässig bearbeitet würden oder dass er bei Vorhandensein allfälliger
Fehler in der Datenbearbeitung eine Empfehlung zu deren Behebung an den NDB
gerichtet habe.
^2 Ein Rechtsmittel gegen diese Mitteilung ist ausgeschlossen. Die betroffene
Person kann verlangen, dass der Präsident oder die Präsidentin der auf dem
Gebiet des Datenschutzes zuständigen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts
die Mitteilung des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten
oder den Vollzug der von ihm abgegebenen Empfehlung überprüft. Der Präsident
oder die Präsidentin teilt der Person in einer stets gleichlautenden Antwort
mit, dass die Prüfung im begehrten Sinn durchgeführt wurde.
^3 Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte kann
ausnahmsweise nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über
den Datenschutz (DSG) der gesuchstellenden Person in angemessener Weise
Auskunft erteilen, wenn damit keine Gefährdung der inneren oder der äusseren
Sicherheit verbunden ist und wenn der gesuchstellenden Person sonst ein
erheblicher, nicht wieder gut zu machender Schaden erwächst.
^4 Die Kantone überweisen Gesuche, die sich auf Akten des Bundes beziehen, an
den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten.
^5 Im Anschluss an das Auskunftsgesuch überprüft der NDB unabhängig von den
festgelegten Laufzeiten, ob die vorhandenen Daten noch benötigt werden. Alle
nicht mehr benötigten Daten werden im Informationssystem gelöscht.
^6 Registrierten Personen, die ein Auskunftsgesuch gestellt haben, wird beim
Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen zur Wahrung der inneren Sicherheit,
spätestens bei Ablauf der Aufbewahrungsdauer, nach Massgabe des DSG Auskunft
erteilt, sofern dies nicht mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden ist.
Eine dem Art. 18 BWIS ähnliche Regelung enthält das Bundesgesetz über die
polizeilichen Informationssysteme des Bundes in Art. 7 und 8. Diese
Bestimmungen haben die früheren Vorschriften von
BGE 138 I 6 S. 18
Art. 14 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1994 über kriminalpolizeiliche
Zentralstellen des Bundes (ZentG; SR 360) abgelöst. Des Weitern verweist Art.
27 der Verordnung vom 25. August 2005 über die Meldestelle für Geldwäscherei
(SR 955.23) hinsichtlich des Auskunftsrechts von betroffenen Personen auf die
genannte Regelung im BWIS.

3.3 Das BWIS enthält mit der zitierten Bestimmung von Art. 18 eine spezielle,
von den allgemeinen Grundsätzen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den
Datenschutz (DSG; SR 235.1) abweichende Regelung zum Anspruch auf Auskunft über
Einträge in Informationssystemen des Bundes. Im Sinne eines Überblicks können
folgende Besonderheiten genannt werden.

3.3.1 Nach Art. 18 Abs. 1 BWIS kann jede Person beim Beauftragten EDÖB eine
Prüfung verlangen, ob im Informationssystem des Bundes rechtmässig Daten über
sie bearbeitet werden. Der Beauftragte erteilt der gesuchstellenden Person eine
stets gleichlautende, stereotype Antwort, dass entweder keine Daten
unrechtmässig bearbeitet würden oder dass bei allfälligem Vorliegen von Mängeln
in der Datenbearbeitung eine Empfehlung zu deren Behebung an den
Nachrichtendienst des Bundes ergangen sei.
Ein Rechtsmittel gegen die stereotype Antwort des Beauftragten ist nach Art. 18
Abs. 2 BWIS ausdrücklich ausgeschlossen. Allerdings kann sich die betroffene
Person gestützt auf diese Bestimmung an den Präsidenten der zuständigen
Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts wenden. Von diesem erhält sie eine
stets gleichlautende Antwort, wonach die Mitteilung des Beauftragten und der
Vollzug einer allfälligen Empfehlung des Beauftragten überprüft worden seien
und allenfalls von Seiten des Abteilungspräsidenten eine entsprechende
Empfehlung ergangen sei.

3.3.2 Im Verfahren vor dem Beauftragten und dem Abteilungspräsidenten wird
Auskunft darüber erteilt, dass eine Prüfung vorgenommen worden sei, keine
unrechtmässige Datenbearbeitung erfolge, allfällige Mängel durch eine
Empfehlung beseitigt würden und die Einhaltung einer solchen Empfehlung
überprüft worden sei. Es wird der Auskunft ersuchenden Person bescheinigt, dass
die Informationssysteme in Übereinstimmung mit den besondern für den
Staatsschutz geltenden Regeln geführt würden und somit "alles mit rechten
Dingen zu- und hergehe". Die betroffene Person kann die Auskunft allerdings in
keiner Weise überprüfen oder überprüfen lassen.
BGE 138 I 6 S. 19
Insbesondere kann sie aus der stereotypen Antwort keinerlei Schlüsse ziehen, ob
überhaupt, allenfalls in welcher Weise, aus welchen Gründen und gestützt auf
welche Quellen sie in einem Informationssystem des Bundes vermerkt ist. Der
Gesetzgeber geht davon aus, für einschlägige Kreise sei allein schon die
Information, dass eine bestimmte Person überhaupt verzeichnet oder aber gerade
nicht verzeichnet ist, von grosser Bedeutung, weil daraus Rückschlüsse über das
Funktionieren von Staatsschutzorganen gezogen und damit die Wirksamkeit der
Staatsschutztätigkeiten beeinträchtigt werden könnten (vgl. Entscheid der
Eidgenössischen Datenschutzkommission [EDSK] vom 15.2.2006-23.5.2006,
Sachverhalt, in: ZBl 108/2007 S. 392).
Das Geheimnis über einen allfälligen Eintrag oder eine allfällige
Datenbearbeitung bleibt mit dieser Art des Auskunftsverfahrens
aufrechterhalten. Obwohl die Mitteilungen des Beauftragten und des
Abteilungspräsidenten abschliessende Orientierungen darstellen, bleibt die
Auskunft vorläufiger und indirekter Natur. Aus diesem Grund hat sich hierfür
der Ausdruck der indirekten Auskunft eingebürgert. Die eigentliche Information
wird bis zu einer definitiven Auskunftserteilung aufgeschoben. Diese richtet
sich dann nach Art. 18 Abs. 3 und 6 BWIS (unten E. 7.4; vgl. zum Ganzen
GIOVANNI BIAGGINI , Verfassungsrechtliche Abklärung betreffend die Teilrevision
des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit[Vorlage
"BWIS II"],Gutachten vom Juni 2009[nachfolgend: Gutachten], in: VPB 2009 Nr. 14
Ziff. VII S. 238/310).

3.3.3 Dem Beauftragten stehen im Falle von Auskunftsersuchen die Mittel gemäss
dem Datenschutzgesetz zur Verfügung. Allgemein überwacht er nach Art. 27 Abs. 1
DSG die Einhaltung der generellen und der speziellen Datenschutzvorschriften
durch die Bundesorgane. Er klärt den Sachverhalt gemäss Art. 27 Abs. 2 DSG von
sich aus oder auf Meldung hin ab. Hierfür erlaubt ihm Art. 27 Abs. 3 DSG, Akten
herauszuverlangen, Auskünfte einzuholen und sich Datenbearbeitungen vorführen
zu lassen (vgl. auch Art. 34 der Verordnung vom 14. Juni 1993 zum Bundesgesetz
über den Datenschutz [VDSG; SR 235.11] zur Auskunftspflicht hinsichtlich von
Datenbearbeitungen). Die Bundesorgane müssen an der Feststellung des
Sachverhalts mitwirken (vgl. allgemein zu den Informationsbeschaffungsrechten
des Beauftragten RENÉ HUBER, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz,
Maurer-Lambrou/Vogt [Hrsg.], 2. Aufl. 2006, N. 7 ff. zu Art. 27 DSG). Ergibt
die Abklärung Mängel, so kann der
BGE 138 I 6 S. 20
Beauftragte in allgemeiner Weise nach Art. 27 Abs. 4 DSG und spezifisch
gestützt auf Art. 18 Abs. 1 BWIS dem verantwortlichen Organ bzw. dem
Nachrichtendienst des Bundes eine Empfehlung erteilen, das Bearbeiten zu ändern
oder zu unterlassen.
Grundsätzlich stehen dieselben Mittel auch dem Präsidenten der zuständigen
Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfügung. Er kann - gleich wie der
Beauftragte - zur Mängelbehebung Empfehlungen abgeben. Diese können sich an den
Beauftragten wie auch an die Verwaltung richten. Bereits die Eidgenössische
Datenschutzkommission EDSK hatte die Befugnis für die Erteilung von
Empfehlungen für sich in Anspruch genommen (Entscheid EDSK, a.a.O., E. 7 und
Dispositiv). Das Bundesverwaltungsgericht kann allgemein von der Verwaltung
verlangen, dass ihm Datenbearbeitungen vorgelegt werden (Art. 35 VDSG). Der
Praxis der Eidgenössischen Datenschutzkommission EDSK kann entnommen werden,
dass die ISIS- Datenbank beim Bundesamt für Polizei (fedpol) überprüft wurde
und die Kommission mit Vertretern des Bundesamtes Instruktionsverhandlungen
durchführte (Entscheid EDSK, a.a.O., Sachverhalt).

3.3.4 Der Beauftragte kann der gesuchstellenden Person nach Art. 18 Abs. 3 BWIS
ausnahmsweise und in angemessener Weise Auskunft erteilen, soweit damit keine
Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit verbunden ist und soweit ihr
sonst ein erheblicher, nicht wieder gut zu machender Schaden erwächst.
Erforderlich hierfür ist ein Gesuch. Für diese Auskunftserteilung wird nach dem
Wortlaut des Gesetzes nicht unterschieden, ob die gesuchstellende Person
tatsächlich vermerkt ist oder nicht (vgl. Entscheid EDSK, a.a.O., E. 4; vgl.
auch RAINER J. SCHWEIZER, Das indirekte Auskunftsrecht im Datenschutz der
Schweiz aus grund- und menschenrechtlicher Sicht, in: Festschrift für Luzius
Wildhaber, 2007, S. 775, insbes. 780 und 783; TIZIANA MONA-MAGNI, Das indirekte
Auskunftsrecht - Zur Praxis der Eidgenössischen Datenschutzkommission, ZBl 108/
2007 S. 364, 368). Diese Auskunftserteilung ist definitiver und abschliessender
Natur.
Der Beauftragte macht von dieser Auskunftserteilung gemäss Art. 18 Abs. 3 BWIS
in neuerer Zeit vermehrt Gebrauch. So sind im Jahre 2008 148 Gesuche
eingegangen. In Bezug auf all diese Gesuche kam der Beauftragte zum Schluss,
dass die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung gegeben waren. Demnach
informierte er die Betroffenen in angemessener Weise (vgl. 16.
Tätigkeitsbericht des
BGE 138 I 6 S. 21
Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten 2008/2009, Ziff.
1.4.4; 17. Tätigkeitsbericht 2009/2010, Ziff. 1.4.5; Bericht
Geschäftsprüfungsdelegation, a.a.O., BBl 2010 7709 Ziff. 4.1; anders noch
Entscheid EDSK, a.a.O., Sachverhalt). Anzumerken ist, dass der Beauftragte
betroffenen Gesuchstellern ein Formular zur Verfügung stellt, um die
persönliche Situation sowie den erheblichen, nicht wieder gutzumachenden
Schaden darzulegen.

3.3.5 Schliesslich kann gemäss Art. 18 Abs. 6 BWIS nach Massgabe des
Datenschutzgesetzes Auskunft erteilt werden, wenn die Geheimhaltungsinteressen
dahingefallen sind oder spätestens bei Ablauf der Aufbewahrungsdauer gemäss
Art. 33 ISV-NDB. Nach dem Wortlaut unterliegt die Auskunft zwei besondern
Voraussetzungen: Zum einen ist erforderlich, dass überhaupt ein Auskunftsgesuch
gestellt wird. Zum andern, dass es sich beim Gesuchsteller um eine registrierte
Person handelt. Die Auskunft wird erteilt, sofern dies nicht mit
unverhältnismässigem Aufwand verbunden ist.
Mit Art. 18 Abs. 6 BWIS wird der Aufschub des Auskunftsrechts aufgehoben. Es
greifen nunmehr das Verfahren und die Grundsätze des Datenschutzgesetzes Platz.
Insbesondere kommt die Regelung des Auskunftsrechts nach Art. 8 DSG mit den
Einschränkungen gemäss Art. 9 DSG zur Anwendung. Allerdings kommt das
Datenschutzgesetz nicht integral zum Zug. Die Auskunftserteilung unterliegt
zwei besondern Voraussetzungen. Zum einen setzt Art. 18 Abs. 6 BWIS ein
entsprechendes Gesuch voraus, zum andern sollen nichtregistrierte Personen
keine Auskunft erhalten können. Diese Einschränkungen wirken sich auf die
Gesamtheit des Auskunftsrechts aus. Es wird im Zusammenhang mit der konkreten
Beurteilung der vorliegenden Beschwerde im Einzelnen zu prüfen sein, wie diese
Regelungen zu verstehen sind, inwiefern sie im Einklang mit der EMRK stehen und
ob sie sich EMRK-konform auslegen und anwenden lassen (E. 7.4).

3.3.6 Nach Art. 18 Abs. 5 BWIS überprüft der NDB im Anschluss an ein
Auskunftsgesuch, ob die vorhandenen Daten noch benötigt werden. Diese Prüfung
erfolgt unabhängig von der in Art. 32 ISV-NDB vorgesehenen periodischen
Überprüfung und ungeachtet der in Art. 33 ISV-NDB vorgesehenen
Aufbewahrungsdauer. Alle nicht mehr benötigten Daten werden im
Informationssystem gelöscht. Über diese Nachkontrolle im Einzelfall hinaus
werden die Daten in der Datenbank Staatsschutz periodisch einer
Gesamtbeurteilung
BGE 138 I 6 S. 22
unterzogen (Art. 32 ISV-NDB). Ferner überwacht die Geschäftsprüfungsdelegation
gemäss Art. 53 Abs. 2 ParlG die Tätigkeiten des Staatsschutzes und der
Nachrichtendienste in allgemeiner Weise. Sie hat im Jahre 2010 einen
umfassenden Bericht zur Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS
verfasst (oben E. 3.1).

3.3.7 Das in Art. 18 Abs. 1 und 2 BWIS vorgesehene sog. indirekte
Auskunftsrecht ist von verschiedener Seite auf Kritik gestossen. Die ehemalige
Eidgenössische Datenschutzkommission kam im Jahre 2006 zum Schluss, dass die
Regelung den Anforderungen von Art. 13 EMRK nicht genüge (Entscheid EDSK,
a.a.O., E. 5c). Dieselbe Auffassung ist in der Lehre vertreten worden
(SCHWEIZER, a.a.O.; MONA-MAGNI, a.a.O.; vgl. auch MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte,
4. Aufl. 2008, S. 176 f.). Die Geschäftsprüfungsdelegation empfahl in ihrem
Bericht anstelle des indirekten Einsichtsrechts ein Auskunftsrecht nach den
Modalitäten von Art. 8 BPI (Empfehlung 11, S. 7736). Eine Motion Leutenegger
Oberholzer (08.3852) verlangte die Abschaffung des indirekten Auskunftsrechts;
der Bundesrat stimmte der Motion zu; der Nationalrat wies sie in der
Frühjahrssession 2010 indes ab. Gleichwohl schlug der Bundesrat in seiner
Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der
inneren Sicherheit vor, dass sich das Auskunftsrecht inskünftig nach Art. 8 und
9 DSG richten soll (Zusatzbotschaft "BWIS II reduziert" vom 27. Oktober 2010,
BBl 2010 7841, insb. 7887 zu Art. 18). Die parlamentarische Debatte darüber war
im Zeitpunkt des vorliegenden Urteils noch offen.
Demgegenüber gelangt GIOVANNI BIAGGINI in seinem Gutachten zur Teilrevision des
BWIS zum Schluss, dass sich das indirekte Auskunftsrecht nach Art. 18 BWIS
verfassungs- und konventionskonform auslegen und anwenden lasse (BIAGGINI ,
Gutachten, a.a.O., Ziff. VII S. 309 ff.).

4. Art. 8 EMRK räumt in Ziff. 1 jeder Person das Recht auf Achtung ihres
Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz ein und
erlaubt gemäss den Vorgaben in Ziff. 2 entsprechende Eingriffe. Der Gehalt der
Gewährleistungen und die Anforderungen an die Einschränkungen sind im Folgenden
mit Blick auf nachrichtendienstliche Aufzeichnungen und Einsichtnahmen
nachzuzeichnen.

4.1 Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantiert jeder Person das Recht auf Achtung ihres
Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer
BGE 138 I 6 S. 23
Korrespondenz. Für den vorliegenden Zusammenhang steht das Recht auf
Privatleben im Vordergrund. Das Privatleben im Sinne dieser Bestimmung stellt
einen offenen Begriff dar. Es umfasst physische und psychische Aspekte und
räumt Anspruch auf persönliche Identität und Entfaltung ein. Zum Privatleben
gehört, dass ungehindert Beziehungen mit andern Personen geknüpft und
entwickelt werden können. Auch berufliche Aktivitäten zählen dazu (Urteile des
EGMR Shimovolos gegen Russland vom 21. Juni 2011 [Nr. 30194/09] § 64 f.;
Özpinar gegen Türkei vom 19. Oktober 2010 [Nr. 20999/04] § 45 f.; Gillan und
Quinton gegen Grossbritannien vom 12. Januar 2010 [Nr. 4158/05] § 61;
Segerstedt-Wiberg gegen Schweden vom 6. Juni 2006 [Nr. 62332/00],Recueil
CourEDH 2006-VII S. 131, § 71; Rotaru gegen Rumänien vom 4. Mai 2000 [Nr. 28341
/95], Recueil CourEDH 2000-V S. 61, § 35 f., auch in: RUDH 2000 S. 109; Amann
gegen Schweiz vom 16. Februar 2000, Recueil CourEDH 2000-II S. 201, § 65, auch
in: VPB 2000 Nr. 144; Malone gegen Grossbritannien vom 2. August 1984 [Nr. 8691
/79], Serie A Bd. 82,§ 42, auch in: EGMR-E 2 Nr. 39 S.452; Leander gegen
Schweden vom 26. März 1987 [Nr. 9248/81], Serie A Bd. 116, § 48, auch in:
EGMR-E 3 Nr. 35 S. 430; Entscheidung Weber und Saravia gegen Deutschland vom
29. Juni 2006 [Nr. 544934/00], Recueil CourEDH2006-XI S. 351, § 79; Urteil
Niemietz gegen Deutschland vom 16. Dezember 1992 [Nr. 72/1991/324/396], Série A
Bd. 251-B, § 29 ff.,auch in: EuGRZ 1993 S. 65). Der Bereich des Privatlebens
wird durch das Aufbewahren von Personendaten in Registern betroffen. Das
behördliche Anlegen von geheimen Fichen mit Personendaten über eine bestimmte
Person bedeutet für diese einen Eingriff in die Garantie auf Achtung ihres
Privatlebens, unabhängig davon, ob die Informationen bei bestimmter Gelegenheit
tatsächlich verwendet oder weitergegeben werden. Zu den Eingriffen gehören
sowohl die Weitergabe von solchen Personendaten wie auch die Verweigerung der
Einsicht und die Unmöglichkeit ihrer Bestreitung (Urteile Segerstedt-Wiberg, §
73 und 99; Rotaru, § 46; Amann, § 69 f. und 80; Leander, § 48; vgl. Urteil
Klass und Mitbeteiligte gegen Deutschland vom 6. September 1978[Nr. 50289/71],
Serie A Bd. 28, § 41,auch in: EGMR-E 1 Nr. 31 S. 320; Entscheidung Weber und
Saravia, § 79).

4.2 Die Garantien von Art. 8 Ziff. 1 EMRK sind nicht absolut. Eingriffe sind
nach Massgabe von Art. 8 Ziff. 2 EMRK mit der Konvention vereinbar.
Erforderlich hierfür ist, dass eine gesetzliche
BGE 138 I 6 S. 24
Grundlage im nationalen Recht den Eingriff zu rechtfertigen vermag. Zum
Erfordernis "prévu par la loi" zählen nicht nur eine (geschriebene oder
ungeschriebene) Grundlage im innerstaatlichen Recht, sondern auch Anforderungen
an deren Qualität. Es wird eine hinreichende Zugänglichkeit ("accessible") und
Vorhersehbarkeit ("prévisible") verlangt. Da geheime staatliche Massnahmen
weder von Betroffenen noch von der Öffentlichkeit kontrolliert werden können,
ist mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit und Vorrang des Rechts erforderlich, dass
bereits die rechtliche Grundlage für sich genommen dem Einzelnen mit
entsprechenden Mechanismen einen angemessenen Schutz vor willkürlichen
Verletzungen des Privatlebens gewährt. Hierfür muss die rechtliche Grundlage
den Umfang des behördlichen Ermessens im Hinblick auf das rechtmässige Ziel der
Massnahmen umschreiben und begrenzen. Gefordert sind gesetzliche Garantien
gegen Missbräuche zum Nachteil des Einzelnen und der Demokratie (Urteile
Shimovolos, § 67 f.; Gillan und Quinton, § 76 f.; Entscheidung Weber und
Saravia, § 84 und 92 ff.; Urteile Segerstedt-Wiberg, § 76; Rotaru, § 52, 55 und
63 ff.; Amann, § 55 f.; Leander, § 50-52; Malone, § 66-68).
Ein wirksamer Schutz vor Willkür verlangt im Sinne der Vorhersehbarkeit eine
hinreichend bestimmte Umschreibung der Massnahmen und Voraussetzungen ("netteté
suffisante"). Tragweite und Modalitäten der geheimen Massnahmen sind unter
Beachtung der Besonderheit des Regelungsgegenstandes zu umschreiben, sodass der
Betroffene bei entsprechender Vorsicht und allenfalls mit juristischer Beratung
sein Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines bestimmten Handelns
entsprechend den Umständen vorhersehen kann. Allerdings können die
Anforderungen an die Vorhersehbarkeit im Bereiche des Staatsschutzes nicht
dieselben sein wie in andern Sachgebieten. Die Vorhersehbarkeit bedeutet nicht,
dass jegliche Konsequenz klar soll abgeschätzt werden können. Gefordert ist
indes, dass für den Einzelnen erkennbar ist, unter welchen Umständen und unter
welchen Bedingungen die rechtliche Grundlage die öffentliche Gewalt ermächtigt,
einen geheimen Eingriff vorzunehmen (Urteile Shimovolos, § 68;
Segerstedt-Wiberg, § 76; Rotaru, § 55; Amann, § 56; Leander, § 51; Malone, § 67
f.; vgl. zum Ganzen eingehend auch Entscheidung Weber und Saravia, § 92-102;
Urteil Liu gegen Russland vom 6. Dezember 2007 [Nr. 42086/05] §56).

4.3 In materieller Hinsicht müssen sich Eingriffe in das Recht auf Achtung des
Privatlebens nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK namentlich
BGE 138 I 6 S. 25
insoweit rechtfertigen lassen, als sie in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur
Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten oder zum Schutz der
Rechte und Freiheiten anderer. Geheime Überwachungen und Aufzeichnungen von
Bürgern, wie sie für den Polizeistaat typisch sind, können nur hingenommen
werden, soweit sie zur Erhaltung der demokratischen Einrichtungen unbedingt
notwendig sind (Urteile Segerstedt-Wiberg, § 88; Klass, § 42). Der Schutz der
nationalen Sicherheit und die Sicherung der öffentlichen Ordnung stellen,
abstrakt betrachtet, hinreichende Motive gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK dar. Doch
ist auch zu prüfen, ob die konkret vorgesehenen Mittel innerhalb der Grenzen
dessen bleiben, was in einer demokratischen Gesellschaft tatsächlich notwendig
ist (Urteil Klass, § 46).
Unter diesem Gesichtswinkel anerkennt der Gerichtshof, dass die demokratische
Gesellschaft durch verfeinerte Formen der Spionage, der Infiltration und des
Terrorismus bedroht ist und es zu ihrem Schutze geheimer Massnahmen der
Überwachung und Aufzeichnung bedarf. Solche Massnahmen können sich, wenn auch
zum Bedauern des Gerichtshofs, als notwendig erweisen (Urteil Klass, § 48 und
68; vgl. Urteil Leander, § 78). Dem Rechtsstaat kann nicht verwehrt sein, den
modernen Bedrohungen mit entsprechenden Massnahmen zu begegnen. Es kann nicht
der Sinn einer freiheitlichen demokratischen Staatsordnung sein, sich ohne
gleichwertige Verteidigungsmöglichkeiten ihren Gegnern auszuliefern (BGE 109 Ia
273 E. 7 S. 289).
Die vom Rechtsstaat in Betracht gezogenen Massnahmen müssen mit Blick auf die
verfolgten Ziele verhältnismässig sein. Angesichts der Risiken, die ein System
geheimer Überwachung und Fichierung zum Schutz der nationalen Sicherheit birgt,
und der Gefahr, dass die Demokratie mit der Begründung, sie zu verteidigen,
untergraben oder gar zerstört wird ("le risque de saper, voire de détruire, la
démocratie au motif de la défendre"), dürfen die Vertragsstaaten nicht zu
beliebigen Massnahmen greifen. Es muss daher sichergestellt sein, dass
angemessene und wirksame Garantien gegen Missbräuche vorhanden sind
(Entscheidung Weber und Saravia, § 106; Urteile Segerstedt-Wiberg, § 88; Rotaru
, § 59; Leander, § 59 f.; Klass, § 48; eingehend BGE 109 Ia 273 E. 10 S. 295).
Unter solchen Voraussetzungen, bei genauer Prüfung der tatsächlichen
Gegebenheiten und mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung
BGE 138 I 6 S. 26
der Regelung hat der Gerichtshof sowohl die geheime Überwachung von Personen
als auch das geheime Anlegen, Aufbewahren und Verwenden von Fichen über
Personen in unterschiedlichen Konstellationen als mit der Garantie von Art. 8
EMRK im Einklang befunden (Urteile Klass ; Malone ; Leander ; Segerstedt-Wiberg
[in Bezug aufeine von mehreren Beschwerdeführenden]; Entscheidung Weber und
Saravia ).

4.4 Mit Blick auf die vorliegend umstrittene Konstellation ergibt sich aus der
Rechtsprechung des Gerichtshofes zusammenfassend, dass das geheime Anlegen und
Aufbewahren von Fichen Eingriffe in das Recht auf Achtung der Privatsphäre
darstellt. Solche sind gestützt auf eine gesetzliche Grundlage zulässig.
Erforderlich ist eine hinreichend bestimmte und zugängliche gesetzliche
Grundlage, die den Rahmen der Anwendung umschreibt, den Ermessensspielraum der
Behörden ausreichend begrenzt und hinreichende Schutzmechanismen enthält.
Eingriffe in das Privatleben müssen verhältnismässig sein und dürfen nicht über
das zur Aufrechterhaltung des demokratischen Rechtsstaates unbedingt
erforderliche Mass hinausgehen.

5.

5.1 Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass er in den entsprechenden
Informationssystemen des Bundes vermerkt ist, die ihn betreffenden
Personendaten aufbewahrt, verwendet und weitergeleitet werden und insoweit eine
Datenbearbeitung erfolgte bzw. erfolgt. Der Beschwerdeführer hat bisher keinen
direkten Zugang zu den Informationssystemen des Bundes erhalten, keine direkte
Auskunft über mögliche Einträge und keine Möglichkeit der Bestreitung,
Korrektur oder Entfernung von allfälligen Aufzeichnungen. Auch mit der
indirekten Auskunft durch den Beauftragten und den Abteilungspräsidenten nach
Art. 18 Abs. 1 und 2 BWIS ist dem Beschwerdeführer der Zugang und die
Möglichkeit einer Korrektur oder Entfernung vorerst und bisher verwehrt worden.
Unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt in
diesen Umständen ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens im
Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK.
Es ist daher zu prüfen, ob der Grundrechtseingriff nach Massgabe von Art. 8
Ziff. 2 EMRK gerechtfertigt werden kann. Insbesondere stellt sich die Frage, ob
der allfällige Vermerk in den Informationssystemen und die Regelung der sog.
indirekten bzw. aufgeschobenen Auskunft im Sinne von Art. 18 BWIS vor den
Garantien der Menschenrechtskonvention standhält.
BGE 138 I 6 S. 27

5.2 Die Bestimmung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK verlangt als Erstes eine Grundlage
im nationalen Recht. Eine solche besteht in klarer Weise: Das Bundesgesetz über
Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit umschreibt den Rahmen der
nachrichtendienstlichen Tätigkeit (vgl. allgemein oben E. 3). Es nennt als
Zweck die Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen und den
Schutz der Freiheitsrechte (Art. 1 BWIS), ermächtigt zur Vornahme von
vorbeugenden Massnahmen, insbesondere zur Bearbeitung von Informationen über
die innere und äussere Sicherheit (Art. 2 BWIS), ordnet die (geheime)
Informationsbeschaffung und -bearbeitung (Art. 14 f. und 17 BWIS) und legt
schliesslich die Grenzen der Tätigkeit der Sicherheitsorgane fest (Art. 3
BWIS). Das Bundesgesetz umschreibt zudem das Auskunftsrecht hinsichtlich der
Informationssysteme des Bundes. Es sieht insbesondere vor, dass die
Auskunftsrechte vorerst aufgeschoben werden und der Betroffene vom Beauftragten
und vom Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts lediglich
stereotype, stets gleichlautende Auskünfte erhält (Art. 18 BWIS). Schliesslich
wird die Regelung im BWIS durch weitere Bundesgesetze und Verordnungen ergänzt.
All diese Erlasse sind in den gängigen Formen publiziert und ohne Weiteres
allgemein zugänglich. In formeller Hinsicht bestehen an der gesetzlichen
Grundlage keine Zweifel.

5.3 Das Bestimmtheitsgebot ist mit Blick auf die Umschreibung der umstrittenen
Massnahmen an Ziel und Zweck des Regelungsgegenstandes zu messen. In
allgemeiner Weise hat das Bundesgericht ausgeführt, dass die
Bestimmtheitserfordernisse im Polizeirecht auf besondere Schwierigkeiten
stossen (BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 mit Hinweisen). In gleicher Weise können die
Anforderungen an die Vorhersehbarkeit im Bereiche des Staatsschutzes nicht
dieselben sein wie in andern Sachgebieten (oben E. 4.2). Unter Beachtung dieser
Grundsätze kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die von der
Bundesgesetzgebung vorgesehenen und oben dargelegten Massnahmen sowohl in Bezug
auf die einzelnen Vorkehren wie auch in Bezug auf deren Voraussetzungen
hinreichend bestimmt umschrieben sind. Daran ändert die Verwendung von
unbestimmten Rechtsbegriffen in den einzelnen Erlassen nichts. Es kann ihnen
klar entnommen werden, dass aus Gründen des Staatsschutzes Informationen über
Personen und Vorkommnisse geheim erhoben, in Informationssystemen aufgenommen
und entsprechend bearbeitet werden dürfen. Die Zuständigkeiten in diesen
Bereichen können der
BGE 138 I 6 S. 28
Bundesgesetzgebung entnommen werden. In Bezug auf das Auskunftsrecht ergibt
sich klar, dass dieses mit den immer gleichlautenden stereotypen Mitteilungen
des Beauftragten und des Abteilungspräsidenten vorerst lediglich in indirekter
Weise gewährt und erst im Rahmen von Art. 18 Abs. 3 BWIS bzw. nach Wegfall der
Geheimhaltungsinteressen gemäss Art. 18 Abs. 6 BWIS gewährt wird. Dies erlaubt
es, bei entsprechender Vorsicht und mit allfälliger Beratung das Verhalten
danach auszurichten und die Folgen von bestimmten Handlungen abzuschätzen.

5.4 Die geheime Staatsschutztätigkeit gestattet es dem Betroffenen nicht, die
gegen ihn getroffenen Massnahmen selber zu kontrollieren oder überprüfen zu
lassen. Daraus schliesst der Gerichtshof auf die Notwendigkeit, dass die
gesetzlichen Regelungen selber dem Betroffenen einen gewissen Schutz gewähren
und Garantien gegen Missbräuche aufweisen müssen. Unter diesem Gesichtswinkel
ist das sog. indirekte Auskunftsrecht bedeutsam: Das Verfahren nach Art. 18
Abs. 1 und 2 BWIS gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, sich an eine
unabhängige Behörde zu wenden, welche ihm bestätigt, dass keine
Rechtsverletzungen vorliegen. Trotz des Umstandes, dass die Mitteilungen des
Beauftragten und des Abteilungspräsidenten keine Begründung enthalten und nicht
überprüft werden können, stellt die Auskunft für den Betroffenen eine nicht
unwesentliche Information dar. Die Auskunft beruht auf Nachforschungen von
unabhängigen Behörden. Dem Präsidenten der entsprechenden Abteilung des
Bundesverwaltungsgerichts kommt gerichtliche Unabhängigkeit zu. Der
Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte übt seine Funktion
unabhängig und ohne Weisungen aus (Art. 26 Abs. 3 DSG). Beide können die
Sachlage prüfen und von den Verwaltungsstellen entsprechende Auskünfte
einfordern (vgl. oben E. 3.3.3).
Im vorliegenden Fall zeigt sich, dass der Beauftragte auf die Anfrage des
Beschwerdeführers Erkundigungen beim DAP einholte. Im Verfahren vor dem
Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte er, dass keine
Anhaltspunkte für Unregelmässigkeiten bestanden hätten. Aus dem Dossier ergibt
sich weiter, dass der Abteilungspräsident des Bundesverwaltungsgerichts eine
eingehende Überprüfung vornahm. Er holte vom Bundesamt für Polizei und vom
Beauftragten nicht nur eine Vernehmlassung ein, sondern stellte darüber hinaus
konkrete, auf den Fall bezogene Fragen. Seine Mitteilung erging somit gestützt
auf Abklärungen. Gesamthaft zeigt sich, dass zwei unabhängige Stellen die
Sachlage geprüft und
BGE 138 I 6 S. 29
dem Beschwerdeführer bestätigt haben, dass keine Daten unrechtmässig bearbeitet
würden. Darin kommen ein Mechanismus zum Schutz der Betroffenen und Gewähr
gegen Missbräuche zum Ausdruck.
Darüber hinaus bietet die Gesetzgebung weitere Anhaltspunkte zur Verhinderung
von Missbräuchen. Anlässlich von Auskunftsgesuchen, nach Ablauf der
vorgesehenen Aufbewahrungsdauer und in periodischen Abständen sollen Kontrollen
der Datenbestände vorgenommen und nicht mehr benötigte Daten in den
Informationssystemen gelöscht werden (oben E. 3.3.6). Diese Kontrollmechanismen
werden zwar nicht systematisch umgesetzt, wie die Geschäftsprüfungsdelegation
festgestellt hat. Ihre eingehende Untersuchung und ihr umfassender Bericht mit
zahlreichen konkreten Empfehlungen (oben E. 3.1) zeigen in hinreichender Weise,
dass auf die entsprechenden Kontrollen und die konsequente Umsetzung der
Schutzmechanismen Gewicht gelegt wird. Als Kontrollmechanismus kommt der
konsequenten Aufsicht durch die parlamentarische Geschäftsprüfungsdelegation
ebenfalls Bedeutung zu.

5.5 Die umstrittenen, in das Privatleben eingreifenden Massnahmen müssen in
materieller Hinsicht den Anforderungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK genügen. Das
Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit verfolgt
klarerweise Zwecke, die im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK Eingriffe in das
Privatleben rechtfertigen können. Wie dargelegt (oben E. 3.1), stehen die
Massnahmen im Dienste der Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen
Grundlagen der Schweiz und des Schutzes der Freiheitsrechte der Bevölkerung.
Der Gerichtshof hat solche Staatsschutzzwecke als Rechtfertigung von Eingriffen
in das Privatleben abstrakt gesehen stets anerkannt (vgl. Urteile Klass;
Malone; Leander; Segerstedt-Wiberg; Entscheidung Weber und Saravia).

5.6 Zu prüfen ist die Verhältnismässigkeit der umstrittenen Massnahmen. Diese
dürfen nicht weiter gehen, als es in einem demokratischen Rechtsstaat zu dessen
Schutz notwendig ist.
Im vorliegenden Verfahren geht es um die geheime Beschaffung, Bearbeitung und
Verwendung sowie Weiterleitung von Personendaten, besonders schützenswerten
Personendaten und Persönlichkeitsprofilen (oben E. 3.1). Die Datenerhebung
erfolgt mit den in Art. 14 BWIS festgehaltenen Mitteln. Zwangsmittel stehen den
Behörden nicht zu, und geheime Überwachungen von
BGE 138 I 6 S. 30
Telefongesprächen und Aufnahmen mit technischen Geräten in Privaträumen sind
nicht vorgesehen (vgl. die Hinweise bei IVO SCHWEGLER, Datenschutz im
Polizeiwesen von Bund und Kantonen, 2001, S. 51 ff.; vgl. BGE 109 Ia 273 E. 7
S. 288). Das Bearbeiten der Daten erfolgt in Form von Bewertung und
systematischer Sammlung sowie durch Weitergabe an interessierte Stellen (Art.
15-17 BWIS). Diese Massnahmen können unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 Ziff.
2 EMRK als verhältnismässig bezeichnet werden. Es können darin keine Vorkehren
erblickt werden, mit denen der Rechtsstaat mit der Begründung, ihn zu
verteidigen, untergraben oder gar zerstört würde.
Dasselbe gilt für die Aufrechterhaltung der Geheimhaltung. Den
Staatsschutzakten kommt ihrer Natur gemäss Geheimnischarakter zu. Der Zugang
kann erst gewährt werden, wenn die Geheimhaltungsinteressen dahinfallen und die
Bedürfnisse des Staatsschutzes die Aufrechterhaltung der Geheimhaltung nicht
mehr erfordern. Eine Auskunftserteilung kommt im Einzelfall erst bei Wegfall
dieser Interessen (vgl. Art. 18 Abs. 3 und 6 BWIS) oder nach Ablauf der
gesetzlichen Dauer der Datenaufbewahrung (oben E. 3.1) in Betracht. Dannzumal
ist, wie unten zu zeigen ist (E. 7), eine entsprechende Auskunft tatsächlich zu
erteilen.
Der Beauftragte und der Abteilungspräsident kamen zum Schluss, dass vor dem
Hintergrund der konkreten Verhältnisse dem Beschwerdeführer über die stets
gleichlautende stereotype Mitteilung hinaus keine weitern Auskünfte zu erteilen
waren. Dies lässt sich mit Blick auf die besondere Problematik des
Staatsschutzes im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK rechtfertigen. Die
Aufrechterhaltung der Geheimhaltung erweist sich im konkreten Fall umso mehr
als verhältnismässig, als dem Beschwerdeführer über die stets gleichlautende
Mitteilung hinaus gewisse Informationen vermittelt worden sind und ihm
mitgeteilt worden ist, er könne erneut ein Gesuch um Löschung von Daten
stellen, wenn gerichtlich festgestellt würde, dass die deutschen Behörden
unrechtmässig Daten über ihn bearbeitet hätten.

5.7 Gesamthaft ergibt sich, dass sich die allfällige Beschaffung, Aufbewahrung
und Bearbeitung von Daten über den Beschwerdeführer mit Blick auf die Sicherung
der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen der Schweiz und den Schutz
der Freiheitsrechte der Bevölkerung ebenso rechtfertigen lassen wie die
Aufrechterhaltung der Geheimhaltung und die Beschränkung der Auskunft auf die
stereotypen Mitteilungen des Beauftragten und des
BGE 138 I 6 S. 31
Abteilungspräsidenten. Die Massnahmen erweisen sich als verhältnismässig. Die
Regelung im Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und
deren Anwendung im vorliegenden Fall halten demnach vor der Garantie von Art. 8
EMRK stand. In diesem Punkt erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

6. Über die Gewährleistung von Art. 8 EMRK hinaus stellt sich weiter die Frage,
ob die Verweigerung der Einsicht in die Register des Bundes und die vorläufige
Verweigerung einer materiellen Auskunft sowie die damit verbundene
Unmöglichkeit einer Bestreitung, Korrektur oder Löschung der allfälligen
Einträge mit den Anforderungen von Art. 13 EMRK im Einklang stehen. Die Frage
der Konformität mit Art. 13 EMRK stellt sich trotz des Umstandes, dass eine
Verletzung von Art. 8 EMRK verneint worden ist (vgl. Urteil Klass, § 65).

6.1 Nach Art. 13 EMRK hat derjenige, der sich in den durch die Konvention
garantierten Rechten und Freiheiten für beeinträchtigt hält und eine
entsprechende Verletzung behauptet, Anspruch darauf, bei einer nationalen
Instanz eine wirksame Beschwerde einzulegen. Dies bedeutet nicht, dass ein
Rechtsmittel an ein Gericht zur Verfügung stehen muss. Eine
Beschwerdemöglichkeit an eine hinreichend unabhängige Verwaltungsbehörde kann
genügen. Die Wirksamkeit des Rechtsmittels beurteilt sich nach den Befugnissen
der Behörde und den Verfahrensgarantien. Erforderlich ist, dass Anspruch auf
Prüfung der Vorbringen besteht und dass die Beschwerdebehörde den angefochtenen
Akt gegebenenfalls aufheben bzw. dessen Auswirkungen beheben kann. Ausserdem
müssen die rechtsstaatlich notwendigen minimalen Verfahrensrechte im Sinne von
Art. 29 BV gewährleistet sein, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör
und auf Begründung von Entscheiden (BGE 130 I 369 E. 6.1 S. 377; BGE 133 I 49
E. 3.1 S. 55, je mit zahlreichen Hinweisen; Urteile Silver und Mitbeteiligte
gegen Grossbritannien vom 25. März 1983, Serie A Bd. 61, § 113, auch in: EGMR-E
2 S. 227; Ramirez Sanchez gegen Frankreich vom 4. Juli 2006 [Nr. 59450/00] §
157-159, in: EuGRZ 2007 S. 141; Kudla gegen Polen vom 16. Oktober 2000 [Nr.
30210/96] § 157, in: EuGRZ 2004 S. 484).

6.2 In den Urteilen zur geheimen Überwachung und zur geheimen Fichierung von
Personen im Speziellen hat der Gerichtshof unter dem Gesichtswinkel des
Anspruchs auf eine wirksame Beschwerde das Folgende ausgeführt:
BGE 138 I 6 S. 32
Für die Berufung auf Art. 13 EMRK genügt es, dass der Betroffene in
vertretbarer Weise behaupten kann, Opfer einer Verletzung von in der Konvention
und ihren Zusatzprotokollen enthaltenen Garantien zu sein. Dies trifft zu,
soweit eine geheime Überwachung oder ein geheimes Anlegen, Aufbewahren und
Verwenden von Personendaten in behördlichen Registern, in die keine Einsicht
gewährt wird, in Frage steht (Urteile Segerstedt-Wiberg, § 116; Rotaru, § 68;
Leander, § 79; Klass, § 65). Die Beschwerdemöglichkeit im Sinne von Art. 13
EMRK muss in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wirksam sein ("'effectif'
en pratique comme en droit"; Urteile Segerstedt-Wiberg, § 117; Rotaru, § 67;
Aksoy gegen Türkei vom 18. Dezember 1996 [Nr. 100/1995/606/694], Recueil
CourEDH 1996-VI S. 2260, § 95,auch in: RUDH 1996 S. 301; Iatridis gegen
Griechenland vom 25. März 1999 [Nr. 31107/96], Recueil CourEDH 1999-II S. 115,§
66, auch in: EuGRZ 1999 S. 316), das Mass an Wirksamkeit garantieren, das in
Anbetracht der ganzen Umstände möglich ist (Urteile Leander, § 78; Klass, §
69), und gegebenenfalls eine entsprechende Berichtigung ("redressement
approprié") ermöglichen (Urteile Rotaru, § 67; Segerstedt-Wiberg, § 117). Die
Wirksamkeit beurteilt sich mit Blick auf die Zuständigkeiten der beteiligten
Behörden und die Verfahrensgarantien aufgrund der Gesamtheit der
innerstaatlichen Beschwerdemöglichkeiten; es ist unerheblich, dass eine für
sich allein betrachtet nicht ausreicht (Urteile Segerstedt-Wiberg, § 117;
Rotaru, § 69; Leander, § 77; Klass, § 67).
Der Gerichtshof legt Art. 13 EMRK nicht isoliert, sondern als Teil der ganzen
Konvention, insbesondere unter Einbezug von Art. 8 EMRK aus (Urteile Leander, §
77 f.; Klass, § 68). Er anerkennt, dass geheime Überwachung und geheimes
Sammeln von Personendaten in einer demokratischen Gesellschaft unter den
derzeitigen Verhältnissen für die nationale Sicherheit, die Verteidigung der
Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig erscheinen,
dass unter den gegebenen Umständen die Mitteilung von geheim erhobenen Daten
nicht verlangt werden kann und dass solche Systeme somit mit Art. 8 EMRK
vereinbar sind (Urteile Klass, § 48 und 68; Leander, § 78; oben E. 4.3). Der
Rechtsbehelf nach Art. 13 EMRK kann demnach nur so wirksam sein, wie es
angesichts der beschränkten Tragweite möglich ist, die jedes System geheimer
Überwachung mit sich bringt (Urteile Klass, § 69; Leander, § 78 und 84; Rotaru,
§ 69).
Dementsprechend kann unter dem Gesichtswinkel von Art. 13 EMRK ein objektiver
Kontrollmechanismus ausreichen, solange die
BGE 138 I 6 S. 33
in Frage stehenden Massnahmen geheim sind und geheim gehalten werden dürfen
(Urteile Segerstedt-Wiberg, § 117; Rotaru, § 69). Es kann mit der Garantie von
Art. 13 EMRK vereinbar sein, dass eine geheime Überwachungsmassnahme vorderhand
nicht mitgeteilt wird und über eine allfällige geheime Bearbeitung von
Personendaten vorerst keine Auskunft erteilt wird. Erforderlich sind
entsprechende Vorkehren und Verfahren, die gesamthaft eine hinreichende
Kontrolle und einen angemessenen Schutz gewähren und Gewähr für die Garantie
von Art. 8 EMRK bieten. In diesem Sinne hat der Gerichtshof namentlich in den
Urteilen Klass, Leander und (teils) Segerstedt- Wiberg entschieden.
Von dem Moment an, wo die Geheimhaltungsinteressen dahinfallen und die
umstrittenen Registereinträge bekannt werden, müssen den Betroffenen die
entsprechenden Beschwerdemöglichkeiten grundsätzlich zur Verfügung stehen. Es
muss ihnen ermöglicht werden, zumindest im Nachhinein eine Beschwerde im Sinne
von Art. 13 EMRK zu erheben (Urteile Segerstedt-Wiberg, § 117; Rotaru, § 69;
vgl. Urteil Klass, § 71). Dies setzt im Allgemeinen voraus, dass geheime
Überwachung und Bearbeitung von Personendaten nach Wegfall der
Geheimhaltungsinteressen tatsächlich mitgeteilt werden. Das Bundesgericht hat
im Zusammenhang mit der (damals kantonalrechtlich umschriebenen)
Telefonüberwachung aus Art. 13 EMRK den Schluss gezogen, dass die Betroffenen
über die Überwachungsmassnahmen ins Bild gesetzt werden müssen (BGE 109 Ia 273
E. 12a S. 299 f.; vgl. Art. 279 StPO). Ausnahmen sind nur unter qualifizierten
Voraussetzungen zulässig.

6.3 Der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann gesamthaft entnommen werden, dass
der Anspruch auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK im Lichte der
Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK zu verstehen ist. Soweit eine geheime
Datenbeschaffung und -bearbeitung unter dem Gesichtswinkel der Achtung des
Privatlebens als konventionskonform erachtet wird, führt dies für sich genommen
nicht zu einer Verletzung von Art. 13 EMRK. In Anbetracht von Art. 8 EMRK wird
der Anspruch auf eine wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK eingeschränkt
bzw. aufgeschoben. Der Anspruch auf eine wirksame Beschwerde wirkt sich indes
nach Wegfall der Geheimhaltungsinteressen in dem Sinne aus, dass nunmehr eine
effektive Beschwerdemöglichkeit grundsätzlich gewährleistet werden muss. Wie es
sich damit verhält, ist nachfolgend zu prüfen.
BGE 138 I 6 S. 34

7.

7.1 Ausgangspunkt für die Frage, ob das Vorgehen der Behörden im vorliegenden
Fall mit Art. 13 EMRK vereinbar ist, bildet die Beurteilung unter dem
Gesichtswinkel von Art. 8 EMRK. Es ist dargelegt worden, dass eine allfällige
geheime Bearbeitung von Daten über den Beschwerdeführer in Informationssystemen
des Bundes mit der Garantie von Art. 8 EMRK vereinbar ist. Gleichermassen hält
das sog. indirekte Auskunftsrecht mit dem Aufschub von Einsicht und Auskunft
vor Art. 8 EMRK stand (oben E. 5). Daraus folgt gemäss der Rechtsprechung des
Gerichtshofes, dass die Mitteilung von geheimen Daten und die Möglichkeit einer
Einsicht oder Bestreitung auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 13 EMRK
grundsätzlich nicht verlangt werden können. Vielmehr kann ein Aufschub der
Auskunft mit dem Anspruch auf eine wirksame Beschwerde vereinbar sein.
Erforderlich hierfür ist, dass objektive Kontrollmechanismen bestehen und dass
der Betroffene nach dem Wegfall der Geheimhaltungsinteressen entsprechend den
Anforderungen von Art. 13 EMRK seine Beschwerderechte tatsächlich ausüben kann.

7.2 Der Beauftragte verneinte die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung
nach Art. 18 Abs. 3 BWIS und erteilte dem Beschwerdeführer eine Mitteilung im
Sinne von Art. 18 Abs. 1 BWIS. Der Abteilungspräsident des
Bundesverwaltungsgericht liess dem Beschwerdeführer eine Mitteilung gemäss Art.
18 Abs. 2 BWIS zukommen. Diese Mitteilungen gaben dem Beschwerdeführer bekannt,
dass eine Prüfung vorgenommen worden sei und keine unrechtmässigen
Datenbearbeitungen vorgenommen würden. Dieser hatte zwar keine Möglichkeit der
Überprüfung. Gleichwohl stellt dieses Verfahren einen bedeutenden Mechanismus
zur Verhinderung von Missbräuchen dar. Sowohl der Beauftragte wie auch der
Abteilungspräsident sind in ihrer Stellung von den Diensten des Staatsschutzes
unabhängig. Bevor sie ihre Mitteilungen erstatteten, hatten sie Abklärungen
vorgenommen (oben E. 5.4). Es stehen ihnen zur Prüfung von allgemeinen Fragen
wie auch zur Untersuchung konkreter Dossiers die Kompetenzen im Sinne von Art.
27 DSG zu (oben E. 3.3.3). Das Verfahren der indirekten Auskunft mit den
Mitteilungen des Beauftragten und des Abteilungspräsidenten gibt somit eine
gewisse Gewähr, dass allfällige Fehler tatsächlich erkannt und behoben werden
(vgl. SCHWEGLER, a.a.O., S. 179).

7.3 Für die einzelnen Kategorien von Einträgen in den Informationssystemen ist
eine bestimmte Aufbewahrungsdauer festgelegt. Die
BGE 138 I 6 S. 35
Daten werden periodisch einer Gesamtbeurteilung unterzogen. Ferner werden
Einträge anlässlich von Auskunftsgesuchen überprüft (vgl. oben E. 3.1). Diese
Vorgaben dienen dem Schutz vor missbräuchlicher Datenbearbeitung und fördern
die Transparenz. An dieser Zielsetzung vermögen die Feststellungen der
Geschäftsprüfungsdelegation, dass diese Vorgaben in der Praxis von den Behörden
nicht konsequent umgesetzt werden, nichts zu ändern.
Die Geschäftsprüfungsdelegation überwacht die nachrichtendienstliche Tätigkeit
der verantwortlichen Bundesbehörden allgemein und regelmässig (oben E. 3.1 und
5.4). Deren letzter Bericht vom 21. Juni 2010 zeigt, wie detailliert und
ernsthaft diese Überwachung vorgenommen wird. Auch wenn es der
Geschäftsprüfungsdelegation letztlich um eine generelle Aufsicht geht, zeigt
ihr Bericht doch anhand von Einzelfällen die Problematik der bisherigen
Datenbearbeitung auf und nennt eine ganze Reihe von konkreten Empfehlungen
(a.a.O., S. 7735 ff.). Der Bundesrat hat den Empfehlungen grundsätzlich
beigepflichtet (Stellungnahme des Bundesrates vom 20. Oktober 2010, BBl 2010
7739). An der Umsetzung dieser Empfehlungen ist daher nicht zu zweifeln. Dies
alles zeigt, dass die parlamentarische Aufsicht über die mit der
Datenbearbeitung befassten Bundesstellen einen wichtigen Beitrag zu einem
gesetzeskonformen Betrieb der Informationssysteme leistet.

7.4 Der Beauftragte kann nach Art. 27 Abs. 4 DSG und Art. 18 Abs. 1 BWIS
gegenüber dem verantwortlichen Bundesorgan, welches geheime Datenbearbeitungen
vornimmt, Empfehlungen erteilen, die Datenbearbeitung zu ändern oder zu
unterlassen. Dieselbe Zuständigkeit nimmt der Abteilungspräsident des
Bundesverwaltungsgerichts für sich in Anspruch. Das zuständige Departement und
die Bundeskanzlei werden über solche Empfehlungen orientiert. Es stellt sich
die Frage, ob und in welchem Ausmass solche Empfehlungen einen wirksamen
Kontrollmechanismus darstellen.
Im Allgemeinen kommt Empfehlungen kein verbindlicher Charakter zu. Darin liegt
der Grund, dass die Lehre die Auffassung vertritt, ein Organ, das blosse
Empfehlungen abgeben kann, genüge den Anforderungen von Art. 13 EMRK nicht
(vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK- Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 5 zu Art. 13 EMRK;
HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz,
2. Aufl. 1999, S. 335). Diese Sichtweise indes wird den Besonderheiten der
vorliegenden Konstellation nicht gerecht. Es ist daher mit
BGE 138 I 6 S. 36
Blick auf Zweck und Ziel der Regelung und unter Berücksichtigung von Art. 13
EMRK zu prüfen, welche Verbindlichkeit den genannten Empfehlungen nach Art. 18
Abs. 1 BWIS zukommt.
Der Beauftragte kann nach Art. 27 Abs. 4 und Art. 29 Abs. 3 DSG in genereller
Weise Empfehlungen im öffentlichen und privaten Bereich erlassen. Werden die
Empfehlungen nicht befolgt oder abgelehnt, so kann er die Angelegenheit gemäss
Art. 27 Abs. 5 und 6 bzw. Art. 29 Abs. 4 DSG dem Departement oder der
Bundeskanzlei bzw. dem Bundesverwaltungsgericht zum Entscheid vorlegen. Das
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist öffentlich. Es ist
offensichtlich, dass ein derartiges öffentliches Verfahren für den vorliegend
umstrittenen Bereich nicht in Betracht fällt. Dieser Umstand wirkt sich auf die
Natur der Empfehlungen aus, die der Beauftragte nach der lex specialis von Art.
18 Abs. 1 BWIS treffen kann.
Mit der Möglichkeit einer Empfehlung nach Art. 18 Abs. 1 BWIS sollte ein
Sicherungs- und Kontrollinstrument geschaffen werden. Nach dem Wortlaut der
Bestimmung dient die Empfehlung der Behebung von allfälligen Fehlern. Der
Vollzug der Empfehlung wird nach Art. 18 Abs. 2 BWIS vom Abteilungspräsidenten
überprüft. Das Ziel der Fehlerbehebung kann nur erreicht werden, wenn der
Empfehlung der Charakter einer verbindlichen Anweisung beigemessen wird.
Andernfalls könnten der Beauftragte und der Abteilungspräsident gerade im
heiklen Sachbereich des Staatsschutzes ihre Aufgaben nicht sinnvoll und wirksam
erfüllen. An dieser Natur ändert nichts, dass es der betroffenen
Verwaltungsstelle wie insbesondere dem Nachrichtendienst des Bundes möglich
sein muss, auf eine Empfehlung hin etwa mit neuen Sachverhaltselementen zu
reagieren. Darüber hinaus rechtfertigt auch Art. 13 EMRK, den Empfehlungen des
Beauftragten Verbindlichkeit zuzusprechen. Auf diese Weise erhält der
Kontrollmechanismus hinreichende Wirksamkeit und ermöglicht eine angemessene
Berichtigung. Andernfalls würde das genannte Verfahren der Mitteilung und der
indirekten Auskunft (oben E. 7.2) wesentlich an Gewicht verlieren. Was für die
Empfehlungen des Beauftragten gilt, hat gleichermassen Bedeutung für die
Empfehlungen, die der Abteilungspräsident des Bundesverwaltungsgerichts
erlassen kann.

7.5 Bei der Beurteilung von geheimen Überwachungsmassnahmen kommt unter dem
Gesichtswinkel von Art. 13 EMRK entscheidendes Gewicht weiter der Frage zu, in
welchem Ausmass nach dem
BGE 138 I 6 S. 37
Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen tatsächlich und wirksam Beschwerde
erhoben werden kann. Das gilt für die Situation, dass die Dauer der
Aufbewahrung abgelaufen ist oder dass eine Überprüfung im Allgemeinen bzw. auf
ein Auskunftsbegehren hin im Einzelfall ergibt, die Geheimhaltungsinteressen
seien entfallen. Für diese Konstellationen wird das Auskunftsrecht durch Art.
18 Abs. 6 BWIS geordnet (vgl. allgemein oben E. 3.3.5). Diese Bestimmung lässt
die Auskunftserteilung nach Massgabe des Datenschutzgesetzes zu, soweit eine
registrierte Person ein Auskunftsgesuch gestellt hat. Es ist im Folgenden zu
prüfen, ob sich dieses System konventionskonform auslegen lässt und ob es im
vorliegenden Fall konventionskonform angewendet worden ist. Dabei sind
verschiedenartige Konstellationen zu unterscheiden.

7.5.1 Im Anschluss an die Vorfälle in Basel wandte sich der Beschwerdeführer
mit einem Auskunftsbegehren an den Beauftragten und an den
Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts. Es sind ihm in Anwendung
von Art. 18 Abs. 1 und 2 BWIS die Mitteilungen gemacht worden, dass keine
unrechtmässige Datenbearbeitung vorliege. Mit diesen Mitteilungen sind die
eigentliche Auskunft, die Einsicht und die Möglichkeit der Bestreitung und
Korrektur wegen anhaltender Geheimhaltungsinteressen vorderhand aufgeschoben
worden. Der Aufschub stellt einen Grundrechtseingriff dar, der sich nur so
lange rechtfertigen lässt, als Geheimhaltungsinteressen überwiegen. Entfallen
diese, so erfordern sowohl der Anspruch auf Achtung des Privatlebens nach Art.
8 EMRK als auch das Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK,
dass die Möglichkeit von Auskunft, Einsicht und allfälligen Korrekturen
geschaffen wird.
Vor diesem Hintergrund hat der Inhaber der Datensammlung den Beschwerdeführer
bei Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen von Amtes wegen zu informieren und
dessen bereits früher gestelltes Einsichtsersuchen nunmehr nach Art. 18 Abs. 6
BWIS zu behandeln. Ein neues Gesuch von Seiten des Beschwerdeführers ist nicht
erforderlich. Angesichts des früheren Auskunftsgesuchs und gemäss den Garantien
nach Art. 8 und 13 EMRK ist es unerheblich, ob die betroffene Person
tatsächlich vermerkt war oder nicht. Die Bestimmung von Art. 18 Abs. 6 BWIS ist
in diesem Sinne konventionskonform auszulegen. Damit kommt der Beschwerdeführer
ohne Weiteres in den Genuss der von der Konvention gewährleisteten Rechte
BGE 138 I 6 S. 38
und erhält entsprechend seinem Begehren zu gegebener Zeit die gewünschten
Auskünfte, um seine Rechte wahrzunehmen. Dass dies erst nachträglich erfolgt,
ist in einem System geheimer Staatsschutzakten nicht zu vermeiden.

7.5.2 Denkbar ist die weitere, in die Gesamtprüfung einzubeziehende
Konstellation, dass eine Person während der Dauer der Geheimhaltung kein
Einsichtsgesuch stellte, indessen hernach gestützt auf Art. 18 Abs. 6 BWIS bzw.
direkt nach Art. 8 DSG (beim Inhaber der Datensammlung) um Auskunft ersucht.
Die Garantie des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK umfasst gleich wie Art. 13 BV
den Anspruch auf Auskunft und Einsicht. Dieser ist unentbehrliche Voraussetzung
für die Verwirklichung des von Verfassung und Konvention garantierten Schutzes
der Privatsphäre (vgl. BGE 113 Ia 1 E. 4c/cc S. 7). Er hängt nicht davon ab, ob
eine Person in irgendeiner Weise registriert ist oder nicht. Zum Schutz der
Persönlichkeitsrechte gehört, überhaupt erst in Erfahrung bringen zu können, ob
eine Registrierung vorliegt oder nicht. Dies gilt auch für den Bereich von
Staatsschutzakten. Unter den erwähnten Voraussetzungen ist einem
Auskunftsbegehren daher aufgrund von Verfassung und Konvention ohne Weiteres zu
entsprechen.
Art. 18 Abs. 6 BWIS ist in diesem Sinne konventionskonform auszulegen. Der
Wortlaut steht mit den verfassungsmässigen Anforderungen nur scheinbar im
Widerspruch. Die Bestimmung von Art. 18 Abs. 6 BWIS bildet gewissermassen die
Fortsetzung des Verfahrens nach Art. 18 Abs. 3 BWIS. Insoweit ist nicht
ausgeschlossen, dass auch nichtregistrierte Personen, die bisher noch kein
Auskunftsgesuch gestellt haben, die von Art. 18 Abs. 6 BWIS vorgesehene
Auskunft erhalten. Zudem verweist die Bestimmung ohne Einschränkung auf das
Datenschutzgesetz. Dieses sieht in Art. 8 Abs. 1 DSG generell vor, dass jede
Person vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft verlangen kann, ob Daten über
sie bearbeitet werden. Dieser Grundsatz des Datenschutzgesetzes wird durch den
Wortlaut von Art. 18 Abs. 6 BWIS nicht eingeschränkt.
In verfassungs- und konventionskonformer Auslegung der BWIS-Auskunftsregelung
ergibt sich demnach, dass Personen nach dem Dahinfallen von
Geheimhaltungsinteressen gemäss Art. 18 Abs. 6 BWIS um Auskunft und Einsicht
ersuchen können, unabhängig davon, ob sie vorgängig ein Auskunftsgesuch
gestellt haben oder nicht bzw. ob sie registriert sind oder nicht.
BGE 138 I 6 S. 39

7.5.3 Schliesslich wird es Personen geben, die von den Informationssystemen
erfasst sind und keine Auskunftsgesuche stellen. Es stellt sich die Frage,
welche Anforderungen das Konventions- und Verfassungsrecht stellt, wenn in
solcher Konstellation die Geheimhaltungsinteressen dahinfallen.
Die geheime Datenbeschaffung stellt ebenso wie die geheime Datenaufbewahrung
und -bearbeitung einen Eingriff in die genannten Konventionsrechte dar. Die
Aufrechterhaltung der Geheimhaltung lässt sich verfassungsrechtlich nicht mehr
rechtfertigen, wenn die Geheimhaltungsinteressen dahingefallen sind. Das
bedeutet grundsätzlich, dass die Betroffenen über die Bearbeitung ihrer
Personendaten zu informieren sind. Soll eine wirksame Beschwerde im Sinne von
Art. 13 EMRK eingelegt werden können, so ist hierfür Voraussetzung, dass die
betroffene Person von den vorgenommenen Massnahmen Kenntnis erhält. Ein
genereller Ausschluss der nachträglichen Mitteilung würde eine wirksame
Beschwerde schon im Ansatz verunmöglichen (BGE 109 Ia 273 E. 12a S. 298).
Es braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, ob die von einer
geheimen Datenbearbeitung betroffenen Personen nach dem Wegfall der
Geheimhaltungsinteressen bzw. mit der Entfernung der Registereinträge gestützt
auf Art. 13 EMRK in genereller Weise und von Amtes wegen nachträglich über die
vorgängigen Massnahmen in Kenntnis gesetzt werden müssen (vgl. zu einer solchen
Konsequenz BGE 109 Ia 273 E. 12 S. 298).

7.5.4 Aufgrund dieser Erwägungen zu Art. 18 Abs. 6 BWIS ergibt sich, dass der
Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Dahinfallens der Geheimhaltungsinteressen auf
der Grundlage seines früheren Einsichtsgesuches ohne Weiteres Auskunft erhält
und gestützt darauf seine Rechte wahrnehmen kann. Darüber hinaus erlaubt die
Regelung von Art. 18 Abs. 6 BWIS, nach dem Dahinfallen der
Geheimhaltungsinteressen erstmals ein Einsichtsgesuch zu stellen und
entsprechende Auskunft zu erhalten.

7.6 Wird in konventionskonformer Auslegung von Art. 18 Abs. 6 BWIS Auskunft
erteilt, so richtet sich diese nach den allgemeinen Regeln des
Datenschutzgesetzes. Anwendbar sind insbesondere die Bestimmungen von Art. 8
und 9 DSG. Letztere Bestimmung lässt Einschränkungen des Auskunftsrechts zu,
namentlich wegen überwiegender Interessen der inneren oder äusseren Sicherheit
der Eidgenossenschaft (Art. 9 Abs. 2 lit. a DSG). Diese Einschränkungen sind im
vorliegenden Sachzusammenhang kaum von Bedeutung,
BGE 138 I 6 S. 40
weil das Datenschutzgesetz nach Art. 18 Abs. 6 BWIS erst zum Zuge kommt, wenn
die Geheimhaltungsinteressen dahingefallen oder die Aufbewahrungsdauer
abgelaufen ist (vgl. BIAGGINI, Gutachten, a.a.O., Ziff. VII/1b S. 310). Die
Frage einer allfälligen Anwendung von Art. 9 DSG braucht im vorliegenden Fall
nicht geprüft zu werden.

7.7 Die Regelung von Art. 18 BWIS sieht die vorläufige Verweigerung einer
materiellen Auskunft vor, gewährt den Gesuchstellern in der Form von
Mitteilungen des Beauftragten und des Abteilungspräsidenten ein sog. indirektes
Auskunftsrecht, führt nach dem Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen zu
einer Auskunft über allfällige Datenbearbeitungen von Amtes wegen und erlaubt
nachträglich, die Rechte wahrzunehmen. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt
sich zusammenfassend, dass diese Regelung von Art. 18 BWIS mit Art. 13 EMRK im
Einklang steht. Sie enthält während der Phase der Geheimhaltung eine Reihe von
wirksamen Kontrollmechanismen, welche gesamthaft betrachtet einen hinreichenden
Schutz gewährleisten: Aufgrund von Einsichtsgesuchen nehmen der Eidgenössische
Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte und der Präsident der zuständigen
Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts in unabhängiger Stellung gestützt auf
Abklärungen eine Prüfung vor. Sie bescheinigen dem Gesuchsteller, dass keine
Daten unrechtmässig bearbeitet werden. Gegebenenfalls erteilen sie eine
Empfehlung, der nach dem Gesagten verbindliche Wirkung zukommt. Ferner bestehen
institutionelle Absicherungen: Die Bundesgesetzgebung enthält für die einzelnen
Kategorien von Informationssystemen eine bestimmte Aufbewahrungsdauer. Die
Daten werden periodisch einer Gesamtbeurteilung und anlässlich von
Einsichtsgesuchen einer Einzelkontrolle unterzogen. Die
Geschäftsprüfungskommission überwacht die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten
der mit dem Staatsschutz betrauten Organe. Darüber hinaus wird nach dem
Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen Auskunft erteilt und ist die
Wahrnehmung der Rechte ohne Weiteres möglich. Mit all diesen Absicherungen wird
den Anforderungen von Art. 13 EMRK Genüge getan.
Diese Beurteilung gründet unter anderem auf der konventionskonformen Auslegung
von Art. 18 BWIS. Diese hat insbesondere ergeben, dass allfällige Empfehlungen
des Beauftragten und des Abteilungspräsidenten verbindliche Wirkung haben (E.
7.4). Ferner dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Dahinfallens der
Geheimhaltungsinteressen von Amtes wegen zu informieren und ihm
BGE 138 I 6 S. 41
entsprechend seinem früheren Einsichtsgesuch Auskunft zu erteilen ist, damit er
seine Rechte wahrnehmen kann (E. 7.5).
Dieser konventionskonformen Auslegung von Art. 18 BWIS haben der Beauftragte
und der Abteilungspräsident anlässlich ihrer Mitteilungen im vorliegenden Fall
noch nicht Rechnung tragen können. Es rechtfertigt sich daher, das
Auskunftsverfahren unter Aufhebung der entsprechenden Mitteilungen auf der
Grundlage der konventionskonformen Auslegung von Art. 18 BWIS nochmals
durchzuführen. In diesem Punkte ist die Beschwerde daher im Sinne der
Erwägungen teilweise gutzuheissen.

8. Zusammenfassend ergibt sich, dass das von Art. 18 BWIS vorgesehene
Auskunfts- und Einsichtsverfahren konventionskonform ausgelegt werden kann und
vor den Garantien von Art. 8 und Art. 13 EMRK standhält. Die Beschwerde ist
unter Aufhebung der umstrittenen Mitteilungen teilweise gutzuheissen, damit das
Verfahren in diesem Sinne konventionskonform durchgeführt werden kann. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.