Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 I 331



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Urteilskopf

138 I 331

31. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Demokratische
Juristinnen und Juristen Bern DJB und Mitb. gegen Grosser Rat des Kantons Bern
(Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_949/2011 vom 4. September 2012

Regeste

Art. 12, Art. 13 Abs. 1 und 2 BV; Art. 8 EMRK; abstrakte Normenkontrolle;
Sozialhilferecht.
Die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Änderungen des kantonalbernischen
Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (SHG) betreffend Entfallen des
Sozialhilfegeheimnisses bei Ermächtigung der betroffenen Person oder der
vorgesetzten Stelle zur Auskunftserteilung und bei Anzeige einer Straftat (Art.
8 Abs. 2 lit. a-c SHG), betreffend Einholen einer Vollmacht von den betroffenen
Personen (Art. 8b Abs. 3 SHG) sowie betreffend Auskunftspflichten privater
Dritter (Art. 8c Abs. 1 lit. c-e SHG) sind verfassungs- und konventionskonform
(E. 5-8).

Sachverhalt ab Seite 332

BGE 138 I 331 S. 332

A. Der Grosse Rat des Kantons Bern verabschiedete am 24. Januar 2011 eine
Änderung des kantonalbernischen Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche
Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1). Mit Beschluss vom 29. Juni
2011 stellte der Regierungsrat fest, dass die Referendumsfrist unbenutzt
abgelaufen ist. Am 23. November 2011 wurde die Änderung in der Bernischen
Amtlichen Gesetzessammlung (BAG) publiziert. Die Änderung umfasst unter anderem
folgende Bestimmungen:
Art. 8 Sozialhilfegeheimnis und Anzeigepflichten und -rechte
^1 Personen, die sich mit dem Vollzug dieses Gesetzes befassen, haben über
Angelegenheiten, die ihnen dabei zur Kenntnis gelangen, zu schweigen.
^2 Das Sozialhilfegeheimnis entfällt, wenn
a) die betroffene Person zur Auskunftserteilung ermächtigt hat,
b) die vorgesetzte Stelle zur Auskunftserteilung ermächtigt hat,
c) eine Straftat zur Anzeige gebracht wird, oder
d) auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung ein Auskunftsrecht oder eine
Auskunftspflicht besteht.
^3 Personen, die sich mit dem Vollzug dieses Gesetzes befassen, sind zur
Mitteilung an die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn ihnen in ihrer
amtlichen Tätigkeit konkrete Verdachtsgründe bekannt werden für
a) ein von Amtes wegen zu verfolgendes Verbrechen,
b) ein von Amtes wegen zu verfolgendes Vergehen im Zusammenhang mit dem Bezug
von Sozialhilfeleistungen, oder
c) eine Übertretung im Sinne von Artikel 85, ausser wenn sie offensichtlich
ungewollt erfolgte.
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^4 Die Mitteilungspflichten nach Artikel 48 Absatz 1 des Einführungsgesetzes
vom 11. Juni 2009 zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur
Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ) und Absatz 3 entfallen, wenn
a) die Informationen vom Opfer stammen,
b) die Informationen von der Ehegattin oder vom Ehegatten, von der
eingetragenen Partnerin oder vom eingetragenen Partner, von der Lebenspartnerin
oder vom Lebenspartner, von einem Elternteil, Geschwister oder Kind des Opfers
stammen, oder
c) das Opfer Ehegattin oder Ehegatte, eingetragene Partnerin oder eingetragener
Partner oder Lebenspartnerin oder Lebenspartner, Elternteil, Geschwister oder
Kind der vermuteten Täterschaft ist.
Art. 8a (neu) Weitergabe von Informationen an Behörden und Privatpersonen
^1 Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Personen dürfen Informationen
betreffend Angelegenheiten nach Artikel 8 Absatz 1 weitergeben, wenn
a) die Informationen nicht personenbezogen sind,
b) die Betroffenen dazu ihre ausdrückliche Zustimmung erteilen,
c) das Erfüllen der Sozialhilfeaufgaben die Weitergabe zwingend erfordert oder
d) eine ausdrückliche Grundlage in einem Gesetz die Weitergabe verlangt oder
zulässt.
^2 Informationen dürfen gemäss Absatz 1 Buchstabe d insbesondere weitergegeben
werden an
a) die zuständigen Ausländerbehörden aufgrund einer Anfrage gemäss Artikel 97
Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer (AuG) und unaufgefordert nach Artikel 97 Absatz 3 Buchstabe d AuG
gemäss den Ausführungsbestimmungen des Bundesrats,
b) die Steuerbehörden des Kantons und der Gemeinden im Rahmen von Artikel 155
des Steuergesetzes vom 21. Mai 2000 (StG),
c) die Betreibungs- und Konkursbehörden im Rahmen von Artikel 91 Absatz 5 und
Artikel 222 Absatz 5 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über
Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG),
d) die Vormundschaftsbehörden im Rahmen von Artikel 364 des Schweizerischen
Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB), und von Artikel 25 des Gesetzes
vom 28. Mai 1911 betreffend die Einführung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches (EG ZGB),
e) die für die Anordnung von Massnahmen nach dem Gesetz vom 22. November 1989
über die fürsorgerische Freiheitsentziehung und andere Massnahmen der
persönlichen Fürsorge (FFEG) zuständigen Behörden,
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f) die Polizeiorgane des Kantons und der Gemeinden nach Artikel 50 Absatz 4 des
Polizeigesetzes vom 8. Juni 1997 (PolG) ungeachtet der besonderen
Geheimhaltungspflicht,
g) die Einrichtungen und Organe der Sozialversicherungen, soweit das
Bundesrecht es vorsieht,
h) andere mit der individuellen Sozialhilfe im Sinne dieses Gesetzes befasste
Behörden des Kantons oder der Gemeinden nach Artikel 2 des Gemeindegesetzes vom
16. März 1998 (GG),
i) die mit dem Vollzug der öffentlichen Sozialhilfe befassten Behörden des
Bundes und anderer Kantone, sofern die Mitteilungen zur Erfüllung der
Sozialhilfeaufgaben zwingend erforderlich sind und die anfragende Behörde
aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen zu deren Bearbeitung befugt ist.
^3 Informationen dürfen nur weitergegeben werden, wenn die anfragenden Behörden
und Privatpersonen den Gegenstand der gewünschten oder verlangten Informationen
genau bezeichnen und die Zulässigkeit der Weitergabe nachweisen.
^4 Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Personen dürfen, sofern die
Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt sind, Informationen auch an Behörden und
Personen weitergeben, die keiner besonderen Geheimhaltungspflicht unterstehen.
^5 Die Einrichtung elektronischer oder automatisierter Abrufverfahren bedarf
einer ausdrücklichen Grundlage in einem Gesetz.
Art. 8b (neu) Informationsbeschaffung
^1 Informationen sind in der Regel im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach
Artikel 28 bei der betroffenen Person zu beschaffen.
^2 Ist dies nicht möglich oder sinnvoll, können die Informationen gestützt auf
die nachstehenden Bestimmungen direkt bei Dritten eingeholt werden.
^3 Für Informationen, die gestützt auf die nachstehenden Bestimmungen nicht
beschafft werden können, holen die mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten
Personen von den betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs
um Gewährung von Sozialhilfe eine Vollmacht ein.
Art. 8c (neu) Auskunftspflichten und Mitteilungsrecht
^1 Gegenüber den mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Stellen sind zur
Erteilung mündlicher und schriftlicher Auskünfte, die für den Vollzug
erforderlich sind, verpflichtet:
a) die Behörden des Kantons und der Gemeinden nach Artikel 2 des Gesetzes vom
23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG),
b) Personen und Organisationen des öffentlichen oder des privaten Rechts,
soweit sie mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut sind,
c) Personen, die mit einer Person, die Leistungen der öffentlichen Sozialhilfe
beansprucht oder beantragt, in Hausgemeinschaft leben oder
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einer solchen Person gegenüber unterhalts- oder unterstützungspflichtig sind,
d) die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von Personen, die Leistungen der
öffentlichen Sozialhilfe beanspruchen oder beantragen,
e) Vermieterinnen und Vermieter von Wohnraum von Personen, die Leistungen der
öffentlichen Sozialhilfe beanspruchen oder beantragen.
^2 Soweit keine besonderen Vorschriften des Bundesrechts entgegenstehen und die
Informationen notwendig sind, um die Ansprüche nach diesem Gesetz vollständig
abzuklären, sind zur Erteilung von Auskünften insbesondere verpflichtet:
a) die Behörden der Einwohnerkontrolle,
b) die Ausländerbehörden betreffend den ausländerrechtlichen Status einer
Person, die Leistungen der öffentlichen Sozialhilfe beansprucht,
c) die Strassenverkehrsbehörden im Rahmen von Artikel 104 Absatz 5 des
Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG),
d) die Polizeiorgane des Kantons und der Gemeinden,
e) die Steuerbehörden betreffend Steuerdaten derjenigen Personen, die
Leistungen der individuellen oder der institutionellen Sozialhilfe
beanspruchen, beantragen oder beansprucht haben,
f) die Einrichtungen und Organe der Sozialversicherungen.
^3 Die in Absatz 1 und 2 genannten Personen und Behörden sind namentlich
verpflichtet, Auskünfte zu erteilen zur Abklärung
a) der finanziellen und persönlichen Verhältnisse von Personen, die Leistungen
der öffentlichen Sozialhilfe beanspruchen,
b) der Ansprüche dieser Personen gegenüber Dritten,
c) der Integration der unterstützten Person,
d) der Rückerstattungspflicht nach diesem Gesetz oder
e) der wirtschaftlichen Verhältnisse von Personen, die Leistungen der
institutionellen Sozialhilfe empfangen, sowie von deren Eltern oder deren
gesetzlichen Vertretung, soweit dies notwendig ist, um die Kostenbeteiligung
der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger festzusetzen.
^4 Die in Absatz 1 und 2 genannten Personen und Behörden können den für den
Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Behörden von sich aus Informationen
zukommen lassen, wenn sie sichere Kenntnis haben, dass die von der Meldung
betroffenen Personen Sozialhilfe beziehen und die Informationen für die
Abklärung der Ansprüche nach diesem Gesetz zwingend erforderlich sind.
Die Änderungen sind am 1. Januar 2012 in Kraft getreten.

B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 19. Dezember
2011 fechten die Demokratischen Juristinnen und
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Juristen Bern DJB, der Verband Avenir Social - Professionelle Soziale Arbeit
Schweiz, das Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen KABBA, die Partei
der Arbeit des Kantons Bern, die Grünalternativen GPB-DA sowie R. und Z. den
kantonalen Erlass an. Sie beantragen, es seien Art. 8 Abs. 2 lit. a-c, Art. 8b
Abs. 3 und Art. 8c Abs. 1 lit. c-e der Gesetzesänderung aufzuheben. Zudem sei
der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
Der Grosse Rat des Kantons Bern, handelnd durch den Regierungsrat, schliesst in
seinen Vernehmlassungen vom 16. Januar resp. 8. Februar 2012 auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne, sowie des Gesuchs um
aufschiebende Wirkung.

C. Mit Verfügung vom 19. Januar 2012 weist der Präsident der I.
sozialrechtlichen Abteilung das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung
ab.

D. Am 4. September 2012 hat das Bundesgericht eine publikumsöffentliche
Beratung durchgeführt.

E. Im Anschluss an den Erhalt der Einladung zur öffentlichen Beratung hat die
Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern die auf ihrer Homepage
aufgeschaltete Mustervollmacht eingereicht, wozu die Beschwerdeführer Stellung
nehmen konnten.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung verschiedener verfassungsmässiger
Rechte, insbesondere gemäss Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 18 Abs. 2 der Verfassung
des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV/BE; SR 131.212), gemäss Art. 12 BV und
schliesslich auch gemäss Art. 14 BV und Art. 8 EMRK sowie gemäss Art. 29 BV.

5.1 Die Bundesverfassung gewährleistet einzelne Gehalte der früher durch
ungeschriebenes Verfassungsrecht garantierten persönlichen Freiheit in
verschiedenen Verfassungsbestimmungen (vgl. dazu ausführlich BGE 127 I 6 E. 5a
S. 10 ff.). Während Art. 10 Abs. 2 BV die verfassungsrechtliche Grundgarantie
zum Schutz der Persönlichkeit darstellt und neben dem Recht auf körperliche und
geistige Unversehrtheit sowie der Bewegungsfreiheit weiterhin all jene
Freiheiten verbrieft, die elementare Erscheinungen der
Persönlichkeitsentfaltung darstellen, schützt Art. 13 BV in besonderer Weise
die verschiedene Aspekte umfassende Privatsphäre mit ihren
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spezifischen Bedrohungsformen. Dazu gehört namentlich der Schutz vor
Beeinträchtigungen, die durch die staatliche Bearbeitung von persönlichen Daten
entstehen, gemäss Art. 13 Abs. 2 BV. Der verfassungsrechtliche Datenschutz ist
somit Teil des Rechts auf eine Privat- und persönliche Geheimsphäre (Art. 13
Abs. 1 BV). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung greifen die Erhebung,
Aufbewahrung und Bearbeitung erkennungsdienstlicher Daten in das Recht auf eine
persönliche Geheimsphäre ein (BGE 136 I 87 E. 5.1 S. 101 und E. 8.1 S. 112; BGE
133 I 77 E. 3.2 S. 80 f.; BGE 129 I 232 E. 4.3.1 S. 245 f.; BGE 128 II 259 E.
3.2; je mit Hinweisen).
Auf die Kritik an dieser Rechtsprechung in dem von der Gesundheits- und
Fürsorgedirektion des Kantons Bern in Auftrag gegebenen Gutachten (GÄCHTER/
EGLI, Informationsaustausch im Umfeld der Sozialhilfe, Rechtsgutachten vom 17.
Juni 2009, Rz. 20 i.V.m. Rz. 31 und 35; auch Jusletter vom 6. September 2010
[nachfolgend: Gutachten]) - damit werde der spezifische,
informationsorientierte Gehalt des verfassungsrechtlichen Datenschutzes
verkannt, Schutzobjekt von Art. 13 Abs. 2 BV seien personenbezogene Daten und
nicht die Privatsphäre, der Schutz umfasse folgerichtig sämtliche Personendaten
und nicht nur solche, die einen Bezug zur Privatsphäre haben - braucht hier
nicht weiter eingegangen zu werden. Denn die hier zu prüfenden Bestimmungen
betreffen die Beschaffung und Weitergabe von persönlichkeitsnahen Daten. Selbst
wenn Art. 13 Abs. 2 BV der im Gutachten geltend gemachte Schutzbereich zukäme,
würden diese Daten jedenfalls durch Art. 13 Abs. 1 BV (allgemeiner Schutz der
Privatsphäre) oder Art. 10 Abs. 2 BV (allgemeine persönliche Freiheit)
geschützt, deren Schutzbereiche sich überschneiden (MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte
in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 138 ff.; GIOVANNI BIAGGINI, BV Kommentar,
2007, N. 17 zu Art. 10 BV; EVA MARIA BELSER, in: Datenschutzrecht, Belser/
Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, § 6 Rz. 121, 158 und 164; Gutachten, Rz. 61).
Eine genauere Abgrenzung kann daher unterbleiben (vgl. auch Gutachten, Rz. 34).
Die Beschwerdeführer begründen im Übrigen nicht (nicht publ. E. 3), inwiefern
Art. 18 Abs. 2 KV/BE einen darüber hinausgehenden Schutzanspruch gewährleisten
soll, zumal sie selber darlegen, dass Art. 18 Abs. 2 KV/BE keine subjektiven
Rechte vermittelt, sondern sich an den Gesetzgeber richtet. Darauf ist somit
nicht weiter einzugehen.
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5.2 Der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK ist betroffen, wenn Daten, welche
die Privatsphäre betreffen, erhoben, gespeichert oder verarbeitet werden (BGE
133 I 77 E. 3.2 S. 80 f.; BGE 124 I 85 E. 2c S. 87; BGE 122 I 360 E. 5a S. 362;
BGE 120 Ia 147 E. 2 S. 149; Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte [EGMR] Wasmuth gegen Deutschland vom 17. Februar 2011 [Nr. 12884
/03] § 74; Marper gegen Vereinigtes Königreich vom 4. Dezember 2008 [Nr. 30562/
04 und 30566/04] § 67; Perry gegen Grossbritannien vom 17. Juli 2003, Recueil
CourEDH 2003-IX S. 155 §§ 36 ff.; Amann gegen Schweiz vom 16. Februar 2000,
Recueil CourEDH 2000-II S. 201 § 44 f., auch in: VPB 2000 Nr. 144; BELSER,
a.a.O., § 3 Rz.10; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, Rz. 51 ff.,
v.a. Rz. 59; FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl.
2009, N. 16 zu Art. 8 EMRK; GRABENWARTER/PABEL, Europäische
Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, § 22 Rz.10).
Bei der Frage, ob ein Eingriff im Sinn von Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorliegt,
berücksichtigt der EGMR die Art der Information, die Form ihrer Verwendung und
das Ergebnis, zum dem diese führen kann (Urteile des EGMR Marper, § 67; Peck
gegen Vereinigtes Königreich vom 28. Januar 2003 [Nr. 44647/98] §§ 59-61).
Art. 8 EMRK verlangt, dass ein Gesetz mit ausreichender Klarheit die
Bedingungen für die Datenverarbeitung festlegen muss, um die Betroffenen gegen
eine willkürliche Verwendung durch die Behörde zu schützen. Das Niveau der
Präzisierung hängt dabei massgeblich ab vom betroffenen Sachgebiet sowie der
Anzahl und der Qualität der Gesetzesanwender. Von Bedeutung ist auch, ob die
Datenverarbeitung geheim oder offen erfolgt, denn die Gefahr einer
missbräuchlichen Verwendung durch die Behörden ist bedeutend grösser, wenn der
Betroffene nichts von der Datenbearbeitung weiss (Urteile des EGMR Marper, § 95
f.; Amann, § 56). Die von den Beschwerdeführern zitierten konkreten
Anforderungen aus dem Urteil Marper, § 98 (richtig: § 99) können nicht auf den
vorliegenden Fall übertragen werden, denn jene Ausführungen des EGMR beziehen
sich ausdrücklich auf die dort streitgegenständlichen Massnahmen (DNA-Profile,
Gewebeproben und digitale Fingerabdrücke). Für den EGMR war deren höchst
persönlichkeitsgefährdender Charakter (§§ 72, 75, 76, 104) namentlich zufolge
deren automatisierter Verwendung (§§ 75, 86) unter sehr vielen verschiedenen
Umständen (§ 84) entscheidend. Vergleichbare Verwendungen liegen hier nicht
vor.
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6.

6.1 Art. 8 Abs. 1 SHG umschreibt das Sozialhilfegeheimnis. Nach Art. 8 Abs. 2
lit. a SHG entfällt das Geheimnis, wenn die betroffene Person zur
Auskunfterteilung ermächtigt hat.
Letztere Bestimmung ist entgegen den Beschwerdeführern nicht verfassungswidrig.
Auf den Grundrechtsschutz kann im Einzelfall - wenigstens bei nicht schwer
wiegenden Grundrechtseingriffen - auch verzichtet werden (KIENER/KÄLIN,
Grundrechte, 2007, S. 57 f.; MARKUS SCHEFER, Die Beeinträchtigung von
Grundrechten, 2006, S. 71 f.; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen
Staatsrechts, Bd. II: Grundrechte, 1982, S. 25 f.). Selbst im Gutachten, das
von einem weniger individualrechtlichen bzw. einem vor allem institutionellen
Schutzgehalt des verfassungsrechtlichen Datenschutzes ausgeht und
dementsprechend der Einwilligung eine nur beschränkte Bedeutung zumisst, wurde
die Einwilligung im konkreten Einzelfall als grundsätzlich zulässig erachtet
(Rz. 58). Und auch Art. 19 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992
über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) sieht vor, dass die Bekanntgabe von
Personendaten im Einzelfall bei entsprechender Einwilligung zulässig ist.
Nichts anderes ergibt sich aus der von den Beschwerdeführern angerufenen
Lehrmeinung (EPINEY/SCHLEISS, Ausgewählte Aspekte des Art. 19 Abs. 3 DSG
[Abrufverfahren], Jusletter vom 7. November 2011,Rz. 23), denn die Autorinnen
beziehen sich ausdrücklich nur auf die Voraussetzungen beim sog. Abrufverfahren
nach Art. 19 Abs. 3 DSG, welches ein automatisiertes Verfahren beinhaltet
(a.a.O., Rz. 15). Automatisierte Verfahren bergen aber klar höhere Risiken für
Persönlichkeitsverletzungen (vgl. auch Urteil des EGMR Marper, §§ 75, 86;
MEIER, a.a.O., S. 84). Um ein solches Verfahren geht es hier nicht. Art. 8a
Abs. 5 SHG behält für die Einrichtung automatisierter Abrufverfahren eine
ausdrückliche Grundlage in einem Gesetz vor.

6.2 Die in Art. 8 Abs. 2 lit. b SHG vorgesehene Möglichkeit, dass das
Sozialhilfegeheimnis entfällt, wenn die vorgesetzte Stelle zur
Auskunftserteilung ermächtigt hat, war in den Normtextvorschlägen des
Gutachtens (Rz. 327) und entsprechend im Antrag des Regierungsrats noch nicht
enthalten. Diese Bestimmung fand, wie der ganze Art. 8 Abs. 2 SHG, erstmals
Eingang in den Gemeinsamen Antrag des Regierungsrates und der Kommission an den
Grossen Rat vom 11. August 2010 . Aus den Materialien ergibt sich nichts
Genaueres . Als Anwendungsbeispiel wurde die Einvernahme einer Sozialarbeiterin
als Zeugin in einem Zivilprozess genannt (vgl.
BGE 138 I 331 S. 340
Ausführungen anlässlich einer Informationsveranstaltung der Gesundheits- und
Fürsorgedirektion des Kantons Bern im November 2011, S. 2).
Die frühere gesetzliche Regelung der sozialhilferechtlichen Schweigepflicht
ging nach vorherrschendem Verständnis nicht über den Schutz des allgemeinen
Amtsgeheimnisses gemäss Art. 58 Personalgesetz des Kantons Bern vom 16.
September 2004 (PG/BE; BSG 153.01) hinaus. Sowohl Art. 58 PG/BE wie aArt. 8
Abs. 1 SHG stellten Angelegenheiten, die ihrer Natur nach oder gemäss
besonderer Vorschrift geheim zu halten sind, unter die Schweigepflicht. Da
diese offene Formulierung bei den in der Sozialarbeit Tätigen zu Unsicherheiten
geführt hatte, wurden die Standardfälle der Datenpreisgabe durch die
Sozialhilfebehörden an andere Behörden oder Private in Art. 8a SHG präzisiert
(Gutachten, Rz. 317 i.V.m. Rz. 220; Vortrag des Regierungsrats an den Grossen
Rat zum Gemeinsamen Antrag des Regierungsrats und der Kommission vom 11. August
2010, S. 5 f.). Art. 8a SHG enthält somit nach der Absicht des Gesetzgebers die
materiellen Ausnahmen von der Geheimnispflicht. Bereits Art. 58 Abs. 2 PG/BE
sieht zudem vor, dass Angestellte über grundsätzlich der Geheimnispflicht
unterstehende Angelegenheiten vor Gerichten und weiteren Instanzen aussagen
dürfen, wenn die zuständige Behörde sie dazu ermächtigt. Dabei handelt es sich
um eine organisationsrechtliche Norm formeller Natur. Dazu, ob materiell ein
Grund für eine Datenfreigabe besteht, ist damit nichts gesagt. Zwar ist der
einzelne Angestellte zufolge der Ermächtigung vom Vorwurf einer
Amtsgeheimnisverletzung geschützt; es bleibt aber offen, ob die übergeordnete
Behörde durch die Ermächtigung nun ihrerseits eine Amtsgeheimnisverletzung
begeht (JEAN NICOLAS DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 417
ff., 420; Gutachten, Rz. 214 ff. i.V.m. Rz. 194-196).
Art. 8 Abs. 2 lit. b SHG ist somit in dem Sinn von Art. 8a SHG abzugrenzen,
dass es sich lediglich um eine formelle Bestimmung analog Art. 58 Abs. 2 PG/BE
handelt. Das wird auch bestätigt durch das erwähnte Beispiel (Einvernahme als
Zeugin in einem Prozess, vgl. E. 6.2 erster Absatz). Das Amtsgeheimnis - und
entsprechend auch das Sozialhilfegeheimnis - begründet ein
Mitwirkungsverweigerungsrecht gemäss Art. 166 Abs. 1 lit. c ZPO (SR 272).
Dieses entfällt jedoch, wenn die betroffene Person von ihrer vorgesetzten
Stelle zur Aussage ermächtigt worden ist und sich damit auch nicht mehr
strafbar macht (Art. 320 Ziff. 2 StGB). Im Hinblick auf die
BGE 138 I 331 S. 341
Zeugnispflicht kann also eine Ermächtigung notwendig sein; die Einwilligung des
Geheimnisherrn allein genügt nicht (MARKUS BERNI, in: Schweizerische
Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 10 zu Art. 166
ZPO). Ob die gerügte explizite Bestimmung im SHG angesichts der allgemeinen
Regelung im PG/BE notwendig war, kann hier offenbleiben. Beabsichtigt war
offenbar, der Übersichtlichkeit halber auch Regelungen aus andern Gesetzen
aufzunehmen (vgl. Ausführungen anlässlich der erwähnten
Informationsveranstaltung vom November 2011, S. 2).

6.3

6.3.1 Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, Art. 8 Abs. 3 und 4 SHG
regelten in Erfüllung der verfassungsmässigen Anforderungen genau, unter
welchen Voraussetzungen im Rahmen der Sozialhilfe angefallene Personendaten zur
Erstattung einer Strafanzeige verwendet werden dürften. Diese konkrete
gesetzliche Regelung werde unterlaufen, wenn nach Art. 8 Abs. 2 lit. c SHG
solche Daten ohnehin immer zur Erstattung einer Anzeige verwendet werden
dürften. Art. 8 Abs. 2 lit. c SHG enthalte eine Generalvollmacht und sei daher
offensichtlich verfassungswidrig.

6.3.2 Auch diese Rüge ist unbegründet. Nachdem der ursprüngliche Antrag der
Regierung lediglich eine Bestimmung zur Befreiung von der Anzeige pflicht (Art.
8 Abs. 2) und eine solche zur Anzeigeberechtigung bei Verdacht auf
Widerhandlung gegen Art. 85 SHG enthalten hatte, wurde in der Kommission
präzisiert, dass ein Anzeige recht immer bestehe; die Diskussionen bezogen sich
vor allem auf die Abgrenzung der Anzeigepflichten (Kommissionssitzung vom 16.
September 2010, S. 11 und 14 f. ). Das Anzeigerecht ergebe sich aus der
Formulierung, dass in diesem Fall das Sozialhilfegeheimnis entfalle
(Kommissionssitzung vom 21. September 2010, S. 3). Die in der Vernehmlassung
des Regierungsrats vertretene Auffassung, dass Art. 8 Abs. 3 und 4 SHG
lediglich die Anzeigepflichten regelt, bei den davon nicht erfassten Delikten
aber grundsätzlich ein Anzeigerecht besteht und sich dieses auf Art. 8 Abs. 2
lit. c SHG stützen lässt, entspricht somit den Materialien.
Es ist eine Frage der Verhältnismässigkeit im Einzelfall, ob eine Anzeige
berechtigterweise erfolgt ist. Gerade bei Straftaten, die nicht mit dem Bezug
der Sozialhilfe zusammenhängen und daher nicht unter Art. 8 Abs. 3 lit. b SHG
fallen, namentlich bei Delikten gegen die körperliche oder sexuelle Integrität,
kann ohne weiteres das Interesse an der Anzeige der Straftat jenes an der
Einhaltung des
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Sozialhilfegeheimnisses überwiegen. Eine genauere Abgrenzung der Delikte
bereits im Gesetz ist nicht möglich, da die Frage, ob vom Anzeigerecht Gebrauch
gemacht wird, insbesondere in solchen Fällen von einer Interessenabwägung im
Einzelfall abhängt.

7.

7.1 Die Beschwerdeführer rügen sodann, Art. 8b Abs. 3 SHG sei
verfassungswidrig. Die darin enthaltene, erst im Rahmen der Beratungen
eingefügte Generalvollmacht zur Informationsbeschaffung stehe in eklatantem
Widerspruch zu Art. 8c SHG, welcher die Beschaffung von Informationen bei
Dritten beschränke und genau umschreibe. Die Generalvollmacht bezwecke, diese
Voraussetzungen zu umgehen und ermögliche einen völlig unbegrenzten und
unkontrollierten Datenfluss. Da die Vollmacht zudem im Zeitpunkt der
Gesuchstellung erteilt werden müsse, könne von einer freiwilligen Vollmacht
keine Rede sein. Die Erlangung von Sozialhilfe werde an einen Verzicht auf
Grundrechtsschutz geknüpft und damit werde in Fällen, in welchen es sich um
existenznotwendige Sozialhilfe handle, auch das Recht auf Nothilfe gemäss Art.
12 BV verletzt.

7.2 Art. 8b SHG enthält eine Stufenfolge der Informationsbeschaffung. In erster
Linie sind Informationen im Rahmen der Mitwirkungspflicht (Art. 28 SHG) bei der
betroffenen Person zu beschaffen (Abs. 1), in zweiter Linie gestützt auf die
gesetzlichen Befugnisse gemäss Art. 8c SHG (Abs. 2) und erst zuletzt - wenn
sich die Information auf beiden Wegen nicht beschaffen lässt - kann sich die
Sozialhilfebehörde auf die Vollmacht stützen. Entsprechend wurden in den
Beratungen zwei Anwendungsbereiche genannt: die Informationsbeschaffung bei
privaten Trägern von Berufsgeheimnissen (Ärzte, Anwälte, Banken) und jene
Fälle, wo zwar gemäss Art. 8c SHG eine gesetzliche Auskunftspflicht Dritter
besteht, diese Dritten dem aber nicht oder nur ungenügend nachkommen (vgl.
Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern, Jg. 2010, Novembersession vom 22.
November bis 1. Dezember 2010, S. 12, Votum Studer). Nach dem klaren Wortlaut
des Gesetzes ist die Vollmacht im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs
einzuholen. Soweit seitens der kantonalen Gesundheits- und Fürsorgedirektion
die Auffassung vertreten wurde, die Vollmacht sei erst einzuholen, wenn sich
zeige, dass eine betroffene Person ungenügend mitwirke (erwähnte
Informationsveranstaltung vom November 2011, S. 8), wäre diese Interpretation
der Bestimmung mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht vereinbar.
BGE 138 I 331 S. 343

7.3 Die Beschwerdeführer gehen davon aus, das Erlangen der Sozialhilfe hänge
vom Erteilen der Vollmacht ab; die Bestimmung berühre daher auch das Recht auf
Nothilfe gemäss Art. 12 BV.
Das Erteilen der Vollmacht ist eine besondere Form der Mitwirkung. Da Art. 8b
Abs. 3 SHG sich nicht zu den Folgen einer Vollmachtsverweigerung äussert,
gelten die allgemeinen Regeln zur Mitwirkungsverweigerung. Nach Art. 36 SHG
wird die Hilfe bei Pflichtverletzungen gekürzt. Die Leistungskürzung muss dem
Fehlverhalten angemessen sein und darf den absoluten Existenzbedarf nicht
berühren.
Kommt ein Gesuchsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nach und kann deshalb
der Bedarf überhaupt nicht ermittelt werden, mangelt es am Nachweis der
Bedürftigkeit. Der Gesuchsteller trägt die Folgen der Beweislosigkeit, die er
selbst zu verantworten hat. Das Grundrecht auf Existenzsicherung wird davon
nicht berührt, denn beweismässig liegt keine Notlage vor. Kann die Notlage
anderweitig eruiert werden, muss die Sozialhilfebehörde die notwendigen
Abklärungen treffen. Steht die Notlage trotz mangelnder Mitwirkung fest, ist
der Schutzbereich von Art. 12 BV betroffen (CARLO TSCHUDI, Die Auswirkungen des
Grundrechts auf Hilfe in Notlagen auf sozialhilferechtliche Sanktionen, in: Das
Grundrecht auf Hilfe in Notlagen, derselbe [Hrsg.], 2005, S. 117 ff., 121;
CLAUDIA HÄNZI, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe,
2011, S. 150). Das bedeutet, dass eine Vollmachtsverweigerung bei Einreichen
des Gesuchs nicht zu Nichteintreten führen darf, weil in diesem Zeitpunkt noch
unklar ist, ob die Behörde nicht gestützt auf die vom Gesuchsteller selber
gelieferten und den allenfalls nach Art. 8c SHG beschafften Daten in der Lage
sein wird, den Bedarf zu beurteilen (vgl. auch BGE 131 V 42 E. 3 S. 47 und SVR
2009 UV Nr. 43 S. 150, 8C_770/2008 E. 5.2; je mit Hinweisen, betreffend eine
Mitwirkungspflichtverletzung durch Verweigerung der Ermächtigungserteilung nach
Art. 55 Abs. 1 UVV [SR 832.202]). Stellt sich später heraus, dass Bedarf
besteht, kann die Sozialhilfe zwar wegen Verletzung der Mitwirkung gekürzt
werden. Das Existenzminimum ist jedoch gemäss Art. 36 SHG immer zu beachten.
Somit verletzt Art. 8b Abs. 3 SHG das Grundrecht auf Existenzsicherung nicht.

7.4 Ebenso wenig verletzt die Pflicht zur Vollmachterteilung den
verfassungsrechtlichen Anspruch auf Datenschutz:

7.4.1 Das Einverständnis in eine Datenbearbeitung muss grundsätzlich freiwillig
sein. Jedoch kann die alleinige Tatsache, dass eine
BGE 138 I 331 S. 344
Verweigerung einen Nachteil für die betroffene Person nach sich zieht, die
Gültigkeit der Zustimmung nicht beeinträchtigen. Dies wäre nur dann der Fall,
wenn dieser Nachteil keinen Bezug zum Zweck der Bearbeitung hat oder diesem
gegenüber unverhältnismässig ist (Botschaft vom 19. Februar 2003 zur Änderung
des Bundesgesetzes über den Datenschutz [DSG], BBl 2003 2101 ff., 2127 Ziff.
2.3; MEIER, a.a.O., Rz. 853 ff.; ASTRID EPINEY, in: Datenschutzrecht, Belser/
Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, § 9 Rz. 18). Diese im Hinblick auf den
gesetzlichen Datenschutz genannten Kriterien sind auch massgebliche
Gesichtspunkte bei der Prüfung des verfassungsrechtlichen Schutzes. Allein
daraus, dass allenfalls später die Hilfe gekürzt wird, wobei die Kürzung nach
dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 36 SHG dem Verschulden angemessen sein
muss, können die Beschwerdeführer somit nichts für sich ableiten.

7.4.2 Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, wegen der inhaltlichen
Unbestimmtheit handle es sich um eine unzulässige Generalvollmacht, die einen
"völlig unbegrenzten und unkontrollierten Datenfluss" ermögliche.

7.4.2.1 Verschiedene kantonale Sozialhilfegesetze ermächtigen die Behörde ex
lege, Informationen bei Dritten einzuholen, ohne dies im Einzelnen zu
spezifizieren (z.B. § 2 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 6. März 2001
über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention [SAR 851.200]:
"Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, sind die zuständigen Behörden
berechtigt, die für den Vollzug erforderlichen Auskünfte einzuholen"; Art. 16
Abs. 1 lit. b des Sozialhilfegesetzes des Kantons St. Gallen vom 27. September
1998 [sGS 381.1]: "Wer um finanzielle Nothilfe ersucht ... ermächtigt
Amtsstellen und Dritte, Auskünfte zu erteilen"; Art. 12 Abs. 3 der
Sozialhilfeverordnung des Kantons Obwalden vom 10. November 1983 [GDB 870.11]
i.V.m. Art. 14 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Obwalden vom 23. Oktober
1983 [GDB 870.1]: "Die in der öffentlichen Sozialhilfe tätigen Personen und
Amtsstellen sind berechtigt, nötigenfalls bei Dritten Auskünfte einzuholen"; §
23 Abs. 3 des Gesetzes vom 16. Dezember 1982 über die Sozialhilfe im Kanton Zug
[BGS 861.4]: "Die Sozialbehörden sind berechtigt, nötigenfalls bei Dritten
Auskünfte einzuholen, in der Regel nach Orientierung des Betroffenen"; vgl.
auch § 18 Abs. 4 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981
[LS 851.1] in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung: "Die
BGE 138 I 331 S. 345
Fürsorgebehörde ist berechtigt, auch ohne Zustimmung des Hilfesuchenden und der
weiteren in Abs. 1 genannten Personen Auskünfte bei Dritten einzuholen, die sie
für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt, wenn Zweifel an der Richtigkeit oder
Vollständigkeit der Angaben oder Unterlagen bestehen").

7.4.2.2 Die (privatautonome) Vollmacht ersetzt eine gesetzliche Ermächtigung.
Im einen wie im andern Fall stellt sich die Frage, ob die Grundlage für die
Informationsbeschaffung genügend bestimmt ist. Aus dem
Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 36 Abs. 3 BV) ergibt sich, dass nur jene
Daten erhoben werden dürfen, die für die Bearbeitung des Gesuchs notwendig
sind. Im Datenschutz wird daraus der Grundsatz der Zweckbindung abgeleitet (BGE
129 I 249 E. 4.2 S. 255 mit Hinweisen; Gutachten, Rz. 100; RAINER J. SCHWEIZER,
in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 2.
Aufl. 2008, N. 44 zu Art. 13 BV; vgl. auch EPINEY, in: Datenschutzrecht,
a.a.O., § 9 Rz. 29 ff., 31). In den oben genannten kantonalen Bestimmungen wird
diese Zweckbindung mehrheitlich ausdrücklich festgehalten mit Ausdrücken wie
"nötigenfalls", "die erforderlichen Auskünfte", "für die Ausübung ihrer
Aufgaben benötigt".

7.4.2.3 In Art. 8b Abs. 3 SHG fehlt nach dem Wortlaut eine entsprechend
explizite Einschränkung. Eine solche ergibt sich aber aus der Systematik. Dass
die zu erhebenden Informationen für den Vollzug erforderlich bzw. notwendig
sein müssen, um die Ansprüche nach dem SHG abzuklären, ist ausdrücklich in Art.
8c Abs. 1 und 2 festgehalten. In Art. 8c Abs. 3 SHG wird schliesslich in einer
nicht abschliessenden Aufzählung festgehalten, zu welchen Gegenständen
Informationen eingeholt werden können, und damit verdeutlicht, was mit den
allgemeinen Begriffen "erforderlich" bzw. "notwendig" gemeint ist. Art. 8b Abs.
3 SHG nimmt gemäss seinem Wortlaut auf diese Bestimmungen Bezug. Der
Unterschied zwischen Art. 8b Abs. 3 und Art. 8c ist daher im Wesentlichen, dass
Art. 8b Abs. 3 einerseits offenlässt, von welchen Personen Auskünfte eingeholt
werden können, und anderseits die Zwecke, zu denen Auskünfte eingeholt werden,
nicht spezifiziert. Das bedeutet aber nicht, dass die allgemeine
Zweckgebundenheit, nämlich dass nur die für die Gesuchsbearbeitung
erforderlichen Daten beschafft werden dürfen (vgl. auch MEIER, a.a.O., Rz. 883;
CORRADO RAMPINI, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, 2. Aufl. 2006, N. 5
zu Art. 13 DSG), nicht
BGE 138 I 331 S. 346
gelten würde. Es geht daher nicht um eine für irgendwelche Zwecke verwendbare
Generalvollmacht; vielmehr ermächtigt die Vollmacht nur, die zur Prüfung des
Anspruchs nötigen Informationen einzuholen. Damit ist für den Gesuchsteller
grundsätzlich erkennbar (vgl. SCHWEIZER, a.a.O., N. 44 zu Art. 13 BV; EPINEY,
in: Datenschutzrecht, a.a.O., § 9 Rz. 40), welche Daten über ihn beschafft
werden. Es steht auch nichts entgegen, auf der Vollmacht entsprechend
festzuhalten, dass nur für den Vollzug notwendige Informationen beschafft
werden dürfen, allenfalls auch unter Wiedergabe des entsprechend angepassten
Wortlauts von Art. 8c Abs. 3 SHG.

7.4.3 Nach dem Gesagten handelt es sich hier nicht um eine Generalvollmacht,
sondern um eine durch ihre Zweckgebundenheit eingeschränkte Vollmacht. Die
Frage kann nunmehr einzig sein, ob trotz dieser Einschränkung die Pflicht zur
Einreichung einer solchen Vollmacht bei Gesuchseinreichung als
verfassungswidrig zu betrachten ist, sei es, weil die Massnahme sich als
unverhältnismässig erweist, sei es, weil wegen der noch gegebenen Offenheit der
Vollmacht die Gefahr des gesetz- und damit auch verfassungswidrigen Gebrauchs
besteht.
Die diesbezüglich von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen genügen allerdings
kaum den Anforderungen des Art. 106 Abs. 2 BGG (nicht publ. E. 3). Insbesondere
ist unklar, ob der pauschal erhobene Vorwurf der Unverhältnismässigkeit sich
nur auf eine völlig unbegrenzte Vollmacht bezieht oder aber auf eine durch die
Zweckgebundenheit eingeschränkte Vollmacht, wie sie hier nach dem zuvor
Gesagten vorliegt. Diese Frage kann aber offenbleiben, da eine
Verfassungswidrigkeit jedenfalls zu verneinen ist, wie die folgenden
Ausführungen zeigen.

7.4.3.1 Das Gebot der Verhältnismässigkeit ist unter dem Gesichtswinkel der
Einschränkung von Grundrechten nach Art. 36 Abs. 3 BV sowie nach Art. 8 Ziff. 2
EMRK zu beachten. Es verlangt, dass eine behördliche Massnahme für das
Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Ziels geeignet
und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der
Grundrechtseinschränkung als zumutbar und verhältnismässig erweist. Es muss
eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegen. Eine Massnahme ist
unverhältnismässig, wenn das Ziel mit einem weniger schweren
Grundrechtseingriff erreicht werden kann (BGE 136 I 87 E. 3.2 S. 91 f. mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 137 I 31 E. 7.5.2 S. 53).
BGE 138 I 331 S. 347
Es besteht unzweifelhaft und auch unbestrittenermassen ein erhebliches
öffentliches Interesse daran, dass Sozialhilfe nicht aufgrund tatsachenwidriger
oder unvollständiger Information zu Unrecht ausgerichtet wird. Dieses Interesse
ist nicht nur auf die sorgsame Verwendung der finanziellen Mittel gerichtet. Es
liegt vielmehr im berechtigten Interesse der Öffentlichkeit, dass Sozialhilfe
nur gestützt auf verlässliche Entscheidgrundlagen ausgerichtet wird. Der
Wahrnehmung einer korrekten Sachverhaltsabklärung bei der Ausrichtung von
Sozialhilfeleistungen kommt denn auch in der Öffentlichkeit eine grosse
Bedeutung zu. Dabei geht es auch um die Bewahrung des Vertrauens des Bürgers in
den Staat (vgl. hiezu BGE 114 Ia 395 E. 6b S. 402; Urteil 1C_11/2009 vom 3.
Juni 2009 E. 2).
Im Hinblick auf dieses öffentliche Interesse erscheint der mit der Pflicht zur
Erteilung der Vollmacht verbundene Eingriff zumutbar, zumal diese innerhalb des
dargelegten gesetzlichen Stufensystems erst als letzte Massnahme zum Zuge
kommt, nämlich wenn die erforderlichen Informationen weder bei der betroffenen
Person noch gestützt auf die gesetzlichen Befugnisse beschafft werden können
(E. 7.2 hievor). Zu beachten ist sodann, dass der gesuchstellenden Person bei
Erteilung der Vollmacht bewusst gemacht wird, dass diese als - letzte -
Informationsmassnahme zur Anwendung gelangen kann. Dies geht insofern weniger
weit als die einer Behörde eingeräumten Informationsmöglichkeiten aufgrund
einer allgemeinen gesetzlichen Ermächtigung, über deren Bestehen sich die
gesuchstellende Person in der Regel kaum Rechenschaft gibt.
Unter dem Gesichtswinkel der Geeignetheit ist festzuhalten, dass es nicht
möglich ist, jeden möglichen Anwendungsfall für die Vollmacht vorauszusehen und
zu beurteilen, ob diese künftig ein geeignetes Mittel zur Informationsgewinnung
darstellt. Die Beschwerdeführer haben auch in keiner Weise ausgeführt, wann und
inwiefern es an dieser Geeignetheit fehlen soll. Im Rahmen der hier
vorzunehmenden abstrakten Normenkontrolle lässt sich die Geeignetheit der
Vollmacht daher nicht verneinen. Ebenso fehlt es an substantiierten
Ausführungen zur Erforderlichkeit, sodass auch darauf nicht weiter eingegangen
werden kann.
Die Verhältnismässigkeit der Massnahme ist demnach gegeben.

7.4.3.2 Wie dargelegt (nicht publ. E. 4) hat der Verfassungsrichter die
Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht nur abstrakt zu
untersuchen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit verfassungstreuer Anwendung
einzubeziehen. Die abstrakt betrachtet
BGE 138 I 331 S. 348
verfassungskonforme Vollmacht erwiese sich als verfassungswidrig, wenn zu
befürchten wäre, dass sie entgegen den dargelegten Einschränkungen verwendet
würde.
Von besonderer Bedeutung ist dabei, namentlich auch im Hinblick auf Art. 8
EMRK, die Qualität der Gesetzesanwender (vgl. E. 5.2 hievor). Im Bereich
Sozialhilfe sind grundsätzlich Personen beschäftigt, welche aufgrund ihrer
Ausbildung in der Lage sind, zwischen für den Sozialhilfeanspruch
erforderlichen und nicht erforderlichen Informationen zu differenzieren. Es
kann zudem davon ausgegangen werden, dass es sich dabei eher um Personen
handelt, welche sich aufgrund eines Interesses an sozialen Themen zu diesem
Betätigungsfeld hingezogen fühlen. Das zeigt sich etwa am Berufsbild, welches
der Beschwerde führende Verband Avenir Social - Professionelle Soziale Arbeit (
http://www.avenirsocial.ch) vermittelt, und spricht dagegen, dass diese
Personen die erteilten Vollmachten sachfremd anwenden. Ausbildungsstand und
Interessenlage lassen die Gefahr missbräuchlicher Verwendung solcher
Vollmachten daher als sehr gering erscheinen. Dafür spricht im Übrigen die dem
Gericht eingereichte Mustervollmacht. Es sind keine anderen Gesichtspunkte
geltend gemacht oder sonst ersichtlich, welche auf eine Missbrauchsgefahr
hindeuten würden.
Schliesslich ist auch von Bedeutung, dass es sich nicht um eine geheime
Datenbearbeitung handelt (vgl. E. 5.2 hievor). Auch wenn das SHG nicht
vorschreibt, dass die Betroffenen über die - sei es aufgrund der gesetzlichen
Ermächtigungen (Art. 8c SHG) oder der Vollmacht - von Dritten eingeholten Daten
im Einzelnen informiert werden müssen, haben diese die Möglichkeit, die
Bearbeitung ihrer Daten zu kontrollieren. Denn sie haben einen
verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einsicht in ihre eigenen Akten, ohne ein
besonderes schutzwürdiges Interesse nachweisen zu müssen (KIENER/KÄLIN, a.a.O.,
S. 161 und 163). Damit bleibt ihnen auch die Möglichkeit, im konkreten
Einzelfall eine verfassungswidrige bzw. gesetzwidrige Anwendung der Vollmacht
zu rügen (nicht publ. E. 4).

7.4.4 Art. 8b Abs. 3 SHG ist mithin einer verfassungskonformen Auslegung (nicht
publ. E. 4) zugänglich. Die Bestimmung hat somit Bestand.

8.

8.1 Weiter zu prüfen sind die gerügten Auskunftpflichten privater Dritter
gemäss Art. 8c Abs. 1 lit. c-e SHG. Personen, die mit
BGE 138 I 331 S. 349
Sozialhilfebezügern bzw. -antragstellern in Hausgemeinschaft leben oder einer
solchen Person gegenüber unterhalts- oder unterstützungspflichtig sind
(nachfolgend: Familienangehörige), Arbeitgeber und Vermieter sind danach zur
Erteilung mündlicher und schriftlicher Auskünfte verpflichtet, die für den
Vollzug erforderlich sind. Die Verankerung dieser Möglichkeit wurde als wichtig
erachtet, insbesondere in Fällen, in denen die Angaben der Gesuchsteller
vertieft überprüft werden sollen, um einen rechtswidrigen Bezug von Sozialhilfe
zu verhindern. Der kantonale Gesetzgeber hat im Übrigen darauf verzichtet, in
Bezug auf diese Auskunftspflichten eine Sanktionsmöglichkeit im SHG zu
verankern. Er hielt vielmehr fest, sollte eine Privatperson die
Auskunftspflicht in schwerwiegender Weise verletzen, müsse eine Sanktionierung
über Art. 292 StGB - Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung - erfolgen
(Vortrag des Regierungsrats an den Grossen Rat, S. 7).

8.2 Die Beschwerdeführer rügen vorerst, bereits die Anfrage bei diesen Dritten
führe zu einem erheblichen Grundrechtseingriff. Die Auskunftpflicht sei nämlich
nicht denkbar, ohne dass es gleichzeitig zu einer Datenbekanntgabe seitens der
Sozialhilfebehörde komme. Mit jeder Anfrage würden die betreffenden
Familienangehörigen, Arbeitgeber oder Vermieter darüber informiert, dass die
betroffene Person um Unterstützungsleistungen ersucht habe. Das sei weder
notwendig noch verhältnismässig.
Dass die Bedürftigkeit nicht beurteilt werden kann, wenn zum Beispiel
Unklarheit über die Wohnsituation, die Mietkosten oder die Erwerbseinkünfte
besteht, liegt auf der Hand. Wie die Beschwerdeführer selber darlegen,
beschränkt sich die unumgängliche Information, welche Dritte auf diese Weise
erhalten, auf die Tatsache, dass die betreffende Person um Unterstützung
ersucht hat. Weitergehende materielle Informationen erhalten sie auf diesem Weg
nicht, was der Beschwerdegegner im vorliegenden Verfahren ausdrücklich festhält
. Der Grundrechtseingriff durch die Datenbekanntgabe erweist sich somit als im
öffentlichen Interesse liegend und angesichts der beschränkten Tragweite auch
als verhältnismässig.

8.3 In Bezug auf Art. 8c Abs. 1 lit. c SHG (Auskunftpflichten von
Familienangehörigen) machen die Beschwerdeführer sodann geltend, diese
Bestimmung verstosse gegen das bundesgesetzlich geregelte
Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 165 ZPO) sowie gegen Art. 8 EMRK, Art. 14 BV
und die Verfahrensgarantien von Art. 29 BV.
BGE 138 I 331 S. 350

8.3.1 Die Schweizerische Zivilprozessordnung regelt das Verfahren vor
kantonalen Instanzen für streitige Zivilsachen, gerichtliche Anordnungen der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, gerichtliche Angelegenheiten des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts und der Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 1
ZPO). Sie findet keine Anwendung auf öffentlich-rechtliche Angelegenheiten
(DOMINIK VOCK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010,
N. 4 zu Art. 1 ZPO). Eine Verletzung der ZPO liegt daher offensichtlich nicht
vor.

8.3.2 Die Beschwerdeführer machen insbesondere eine Verletzung des Grundrechts
auf Schutz des Familienlebens geltend. Sie berufen sich auf Art. 14 BV, meinen
aber offenbar Art. 13 Abs. 1 BV, der den Schutz des Familienlebens garantiert,
zumal sie sich auch auf Art. 8 EMRK berufen, welche Bestimmung materiell der
Garantie von Art. 13 Abs. 1 BV entspricht (BGE 137 V 334 E. 6.1.1 S. 347; BGE
126 II 377 E. 7 S. 394; Urteil 1C_219/2007 vom 19. Oktober 2007 E. 2.3, in: Pra
2008 Nr. 12 S. 87).

8.3.2.1 Es ist fraglich, ob sämtliche der von Art. 8c Abs. 1 lit. c SHG
genannten Personen unter den Begriff "Familie" im Sinn der Grundrechtsnormen
fallen würden; dies gilt insbesondere hinsichtlich Personen, die lediglich eine
Unterhalts- oder Unterstützungspflicht trifft oder die nur in einer
Wohngemeinschaft zusammenleben (vgl. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit
constitutionnel suisse, Bd. II, 2006, S. 190 f. Rz. 392 f.; MÜLLER/SCHEFER,
a.a.O., S. 235; RAINER J. SCHWEIZER, in: Handbuch der Grundrechte, Merten/
Papier [Hrsg.], Bd. VII/2, 2007, § 213 Rz. 35 ff.; PASCAL MAHON, in: Petit
commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril
1999, 2003, N. 7 f. zu Art. 13 BV). Eine genaue Abgrenzung kann jedoch
unterbleiben, denn eine Grundrechtsverletzung ist ohnehin zu verneinen, wie
nachfolgend aufgezeigt wird.

8.3.2.2 Der grundrechtliche Anspruch auf Achtung des Familienlebens schützt
dieses insbesondere vor Eingriffen, die darauf abzielen oder dazu führen, dass
die Familie getrennt wird oder persönliche Kontakte unterbunden oder
beeinträchtigt werden (BGE 137 V 334 E. 6.1.1 S. 347; erwähntes Urteil 1C_219/
2007 E. 2.3; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 236; SCHWEIZER, in: Handbuch der
Grundrechte, a.a.O., § 213 Rz. 39 und 41; MAHON, a.a.O., N. 8 zu Art. 13 BV;
JENS MEYER-LADEWIG, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 3.
Aufl. 2011, N. 53 zu Art. 8 EMRK). Er schützt damit ganz allgemein die
sozialen, moralischen und kulturellen Beziehungen
BGE 138 I 331 S. 351
zwischen Familienmitgliedern, insbesondere bei der Erziehung der Kinder, und
auch materielle Interessen, wie Unterhaltsansprüche und erbrechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten (Urteil des EGMR Merger und Cros gegen Frankreich vom
22. Dezember 2004 [Nr. 68864/01] § 46; MEYER-LADEWIG, a.a.O., N. 49 zu Art. 8
EMRK; MAHON, a.a.O., N. 7 zu Art. 13 BV; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, a.a.O., S.
195 Rz. 403). Hauptsächliche Anwendungsbeispiele sind der ausländerrechtliche
Aufenthalt, familienrechtliche Auseinandersetzungen, Kinder- und
Jugendschutzmassnahmen, Namensgebung, Erziehungs- und Schulfragen. Wann ein
Eingriff in das Familienleben vorliegt, kann zweifelhaft sein. Nicht jede
Massnahme, die Rückwirkungen auf das Familienleben hat, bedeutet auch einen
Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich beziehungsweise eine
Verletzung. So wurde eine solche verneint im Fall einer belgischen Regelung,
welche in vom Staat als einsprachig definierten Regionen den Schulunterricht
lediglich in dieser Sprache ermöglichte und damit Eltern mit anderer
Muttersprache indirekt zwingen konnte, ihre Kinder in einer entfernten Region
in die Schule zu schicken (Urteil des EGMR vom 23. Juli 1968, Serie A Bd. 6 §
7). Ebenso wurde der obligatorische Sexualkundeunterricht an öffentlichen
Primarschulen nicht als Eingriff in das Familienleben qualifiziert (Urteil des
EGMR Kjeldsen, Busk Madsen und Pedersen gegen Dänemark vom 7. Dezember 1976,
Serie A Bd. 23 § 57; vgl. auch FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 28 zu Art. 8 EMRK;
AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, a.a.O., S. 195 Rz. 403). Dies, obwohl in beiden
Fällen zweifellos Rückwirkungen auf das Familienleben bestanden.

8.3.2.3 Die Beschwerdeführer vergleichen die Informationspflicht mit der -
fehlenden - Zeugnispflicht von Familienangehörigen. Sie machen geltend, die
zivilprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte seien Teil der gesetzlichen
Regelungen zum Schutz der Grundrechte der Art. 8 EMRK und Art. 14 (recte: 13
Abs. 1) BV.
Zeugnisverweigerungsrechte sollen u.a. einem Zeugen den Konflikt zwischen
strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht und familiärer Loyalität
ersparen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung,
BBl 2006 7221 ff., 7317 Ziff. 5.10.2; FRANZ RIKLIN, Das
Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund familienrechtlicher Beziehungen gemäss
schweizerischem Strafprozessrecht, in: Festgabe für Bernhard Schnyder zum 65.
Geburtstag, 1995, S. 569 ff., 570 f.). Im Hinblick auf Art. 8 EMRK ging der
Gerichtshof davon aus, dass die Verhängung einer dreizehntägigen
BGE 138 I 331 S. 352
Freiheitsstrafe zur Durchsetzung der Zeugnispflicht einer in gefestigtem
Konkubinat lebenden Frau im Strafverfahren gegen ihren Lebenspartner einen
Eingriff in das Recht auf Familienleben darstelle (Urteil des EGMR Van der
Heijden gegen Niederlande vom 3. April 2012 [Nr. 42857/05] § 52).
Das Zeugnisverweigerungsrecht lässt sich indessen nicht ohne weiteres mit der
Informationspflicht gemäss Art. 8c Abs. 1 lit. d SHG vergleichen. Letztere kann
zwar die familiären Beziehungen belasten, insbesondere wenn Familienmitglieder
Angaben machen, welche aus Sicht des Gesuchstellers als unnötig bzw. zu
weitgehend empfunden werden. Jedoch lässt sich nicht sagen, dass die
Mitwirkungspflicht von derartigem Gewicht ist, dass sie bei normalen
Verhältnissen zu einer eigentlichen Beeinträchtigung der familiären Beziehungen
führen müsste. Das moralische Dilemma eines Familienangehörigen, dessen Zeugnis
(wie im Entscheid Van der Heijden) mit zu einer langjährigen Gefängnisstrafe
beitragen kann, ist von anderer Qualität als die Auskunft gemäss Art. 8c Abs. 1
lit. c SHG, die lediglich gewährleisten soll, dass nicht unrechtmässig
staatliche Unterstützung bezogen wird. Im erwähnten Entscheid Van der Heijden
war zudem nicht die Zeugnispflicht als solche entscheidend; von Bedeutung war
vielmehr, dass die Durchsetzung der Zeugnispflicht zu einer Freiheitsstrafe
führte und dies insbesondere gegenüber einer Mutter mit kleinen Kindern (vgl.
insbesondere das Votum der Richter Costa, Hajiyev und Malinverni, Ziff. 9 f.,
und die abweichende Meinung der Richter Tulkens, Vajic, Spielmann, Zupancic und
Laffranque, Ziff. 9 und 12). Demgegenüber kann die Nichtbefolgung der
Informationsverpflichtung höchstens zu einer Busse wegen Nichtbefolgen einer
amtlichen Verfügung führen (Art. 292 StGB), und auch dies nach dem Willen des
Gesetzgebers (vgl. E. 8.1) einzig bei schwerwiegenden Verstössen.

8.3.2.4 Demzufolge ergibt sich, dass die Auskunftspflicht zwar gewisse
Rückwirkungen auf das Familienleben haben kann, diese aber keinen Eingriff in
den grundrechtlich geschützten Anspruch darstellen.

8.4

8.4.1 Hinsichtlich des Art. 8c Abs. 1 lit. d SHG (Arbeitgeber) rügen die
Beschwerdeführer, durch diese Informationspflicht werde Bundesrecht verletzt,
indem die Art. 328b und 330a OR unterlaufen würden. Mit diesen
Schutzbestimmungen werde auf Bundesebene
BGE 138 I 331 S. 353
abschliessend geregelt, welche Daten Arbeitgeber über ihre Angestellten
bearbeiten und inwiefern sie diese Daten weitergeben dürften. Die kantonalen
Behörden seien in diesem vom Bundesrecht abschliessend geregelten Bereich von
vornherein nicht zur Gesetzgebung kompetent. Konkret bestimme Art. 328b OR,
dass nur Daten bearbeitet werden dürften, welche die Eignung für das
Arbeitsverhältnis beträfen oder für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses
erforderlich seien. Und aus Art. 330a OR ergebe sich, dass einzig der
Arbeitnehmer darüber entscheide, ob andere Auskünfte als über Art und Dauer des
Arbeitsverhältnisses erteilt werden dürften. Demgegenüber sei die
Auskunftspflicht der Arbeitgeber gemäss Art. 8c Abs. 3 SHG viel weiter gefasst
und umfasse namentlich die "finanziellen und persönlichen Verhältnisse" der
Arbeitnehmer, deren "Ansprüche ... gegenüber Dritten" und deren "Integration".

8.4.2 Aufgrund des Wortlauts von Art. 8c Abs. 3 SHG können die erwähnten (E.
8.4.1 i.f.) Informationen von allen in Art. 8c Abs. 1 und 2 SHG genannten
Personen und Behörden beschafft werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass die
Formulierung hier zu wenig zwischen den einzelnen Adressaten differenziert. So
ist beispielsweise von vornherein nicht einsichtig, dass ein Arbeitgeber zu den
persönlichen Verhältnissen oder zu Ansprüchen seines Angestellten gegenüber
Dritten überhaupt Auskunft erteilen könnte. Die vom Arbeitgeber zulässigerweise
erfassten Daten sind beschränkt auf solche, welche die Eignung des
Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des
Arbeitsvertrages notwendig sind (Art. 328b OR). Der Beschwerdegegner hielt denn
auch im vorliegenden Verfahren fest, der Sozialdienst wolle vom Arbeitgeber
Informationen über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, dessen Umfang und
Inhalt sowie das damit erzielte Einkommen. Die Auskunftpflicht des Arbeitgebers
erfasse somit nicht alle in Art. 8c Abs. 3 SHG aufgezählten Bereiche, sondern
sei auf die genannten beschränkt.
Die Erklärungen der kantonalen Behörden über die künftige Anwendung einer
Vorschrift dürfen im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle mitberücksichtigt
werden (nicht publ. E. 4). Nachfolgend ist daher zu beurteilen, ob eine
kantonale Verpflichtung der Arbeitgeber zu Auskünften über Bestehen und Inhalt
des Arbeitsverhältnisses (inkl. Lohn) gegen den Vorrang des Bundesrechts
verstösst.
BGE 138 I 331 S. 354

8.4.3 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das
Bundeszivilrecht nicht beschränkt (Art. 6 Abs. 1 ZGB). Eine gleiche Materie
kann indessen sowohl von Regeln des Bundeszivilrechts wie von solchen des
kantonalen öffentlichen Rechts erfasst werden. Kantonale Regelungen sind in
diesem Fall rechtsprechungsgemäss zulässig, wenn der Bundesgesetzgeber die
Materie nicht abschliessend regelt, die kantonale Regelung durch ein
schutzwürdiges öffentliches Interesse begründet ist und sie nicht gegen Sinn
und Geist des Bundesrechts verstösst oder dessen Durchsetzung beeinträchtigt
oder vereitelt. In diesem Rahmen kann jedoch das kantonale öffentliche Recht
das Bundesprivatrecht nicht nur ergänzen, sondern auch in seiner Tragweite
beeinflussen; Art. 6 ZGB anerkennt insofern eine expansive Kraft des kantonalen
öffentlichen Rechts. Auch wenn eine bundesrechtliche Regelung in einem
bestimmten Bereich umfassend ist, kann ein kantonales Gesetz im gleichen
Bereich Bestand haben, wenn es ein anderes Ziel verfolgt als das vom
Bundesrecht verfolgte (BGE 138 III 49 E. 4.4.2 S. 55; BGE 137 I 31 E. 4.1 S.
41, BGE 130 I 135 E. 2.5.2 S. 140, 167 E. 3.4 S. 174; BGE 133 I 110 E. 4.1 S.
116; BGE 132 III 49 E. 2.2 S. 51 f.; BGE 130 I 82 E. 2.2 S. 86 f., BGE 130 I
279 E. 2.3.2 S. 284; alle je mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 8C_254/2011 vom 7.
Juli 2011 E. 6.1 mit Hinweisen).

8.4.4 Art. 328b OR wurde als besondere Bestimmung des Datenschutzes im
Arbeitsrecht geschaffen (vgl. Botschaft vom 23. März 1988 zum Bundesgesetz über
den Datenschutz, BBl 1988 II 413 ff., 488 Ziff. 222.1 ["Datenschutz im
Arbeitsverhältnis"]). Der Datenschutz ist eine "Querschnittsmaterie" (BGE 126
II 126 E. 4 S. 130; SVR 2009 UV Nr. 42 S. 145, 8C_192/2008 E. 3.3 mit
Hinweisen). Das Bundesgericht hat in BGE 122 I 153 E. 2e S. 157 f. zur nach
kantonalem Recht öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung eines
Patientenverhältnisses mit einer privaten Klinik und insbesondere zum
Verhältnis kantonaler öffentlich-rechtlicher Bestimmungen zum eidgenössischen
Datenschutzrecht Folgendes festgehalten:
"Es kann auch nicht gesagt werden, diese Ausgestaltung des
Patientenverhältnisses stehe mit dem Vorrang des Bundesrechts im Widerspruch
und entziehe die Privatklinik (...) in verfassungswidriger Weise dem
Anwendungsbereich des privatrechtlichen Teils des eidgenössischen
Datenschutzrechtes (...). Das Gesundheitswesen und ganz allgemein die
Gesundheitsfürsorge, Krankheitsbekämpfung und Krankenbetreuung fallen
traditionsgemäss in die Kompetenz der Kantone. Diese sind befugt, das
Gesundheitswesen mit öffentlichrechtlichen Vorschriften umfassend zu ordnen. Da
sich in der Sachmaterie des Gesundheitswesens mannigfache
persönlichkeitsrelevante Fragen stellen, liegt es auf der Hand, dass
BGE 138 I 331 S. 355
die Aspekte des Datenschutzes mitgeregelt werden. Angesichts der Besonderheit
des Bundesdatenschutzrechts als Querschnittsmaterie kann nicht leichthin gesagt
werden, kantonale öffentlichrechtliche Normen verstiessen gegen Sinn und Geist
des eidgenössischen Datenschutzrechts. Der Kanton handelt insofern im Rahmen
seiner angestammten Kompetenz..."
Von diesen Grundsätzen ist auch vorliegend auszugehen. Auch die Sozialhilfe ist
traditionellerweise eine angestammte kantonale Kompetenz.
Soweit geltend gemacht wird, Art. 328b OR enthalte eine abschliessende
Regelung, weil es sich gemäss Art. 362 Abs. 1 OR um eine zwingende Vorschrift
des Arbeitsrechts handelt (DANIEL KETTIGER, Der Persönlichkeitsschutz im
Arbeitsverhältnis im Lichte von Auskunftspflichten des Sozialhilferechts am
Beispiel des Kantons Bern, Jusletter vom 2. April 2012, Rz. 11), ist dem nicht
zu folgen, denn zwingendes Privatrecht bedeutet grundsätzlich nur, dass die
betreffende Regelung der Parteidisposition entzogen ist, nicht aber, dass
hinsichtlich des betreffenden Lebenssachverhaltes ergänzendes öffentliches
Recht ausgeschlossen ist (ARNOLD MARTI, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1998,
N. 252 zu Art. 6 ZGB). Art. 328b OR verweist auf das Bundesgesetz über den
Datenschutz. Gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG ist eine Datenbearbeitung nicht
widerrechtlich, wenn sie in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Solche
gesetzlichen Datenbearbeitungspflichten und -rechte sind recht häufig, unter
anderem im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht (RAMPINI, a.a.O., N. 18
zu Art. 13 DSG; WOLFGANG PORTMANN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd.
I, 5. Aufl. 2011, N. 28 zu Art. 328b OR). Aus der Umschreibung des Vorbehalts
in Art. 13 Abs. 1 DSG ergibt sich kein Ausschluss kantonaler Vorschriften. Die
in Art. 13 Abs. 1 DSG und damit auch Art. 328b OR vorbehaltene gesetzliche
Grundlage kann somit auch eine solche des kantonalen öffentlichen Rechts sein
(MEIER, a.a.O., Rz. 1601; RAMPINI, a.a.O., N. 17 zu Art. 13 DSG). Damit ist
auch ausgeschlossen, dass die kantonale Regelung gegen Sinn und Geist des
Bundesrechts verstösst.
Auch die weitere Voraussetzung, das Bestehen eines schutzwürdigen öffentlichen
Interesses, ist zu bejahen. Zwar sind die Informationen primär von den
Gesuchstellern einzuverlangen, und auch die Steuerbehörde ist verpflichtet, die
Steuerdaten bekannt zu geben (Art. 8c Abs. 2 lit. e SHG). Daraus folgt jedoch
nicht, dass ein schutzwürdiges öffentliches Interesse zu verneinen wäre (a.A.
KETTIGER, a.a.O., Rz. 12 und 18), denn die Steuerdaten geben nicht immer die
BGE 138 I 331 S. 356
aktuelle Situation wieder und die Auskünfte der Arbeitgeber sind unter
Umständen notwendig, um die Angaben der Gesuchsteller überprüfen zu können.

8.5 Gestützt auf Art. 8c Abs. 1 lit. e SHG werden Vermieter zur Auskunft
verpflichtet. Soweit diesbezüglich überhaupt genügende Rügen vorliegen, decken
sie sich mit den hinsichtlich der Auskunftspflicht der Arbeitgeber
vorgebrachten Einwänden. Es wird auf die Ausführungen unter E. 8.4 verwiesen.
Die Beschwerde ist somit auch diesbezüglich unbegründet.