Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 I 113



Zurück zur Einstiegsseite Drucken

Urteilskopf

138 I 113

9. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen
Gemeinde X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_294/2011 vom 29. Dezember 2011

Regeste

Art. 9 BV; Art. 10 des Gesetzes vom 14. Juni 2006 über das Arbeitsverhältnis
der Mitarbeitenden des Kantons Graubünden; Rechtzeitigkeit der fristlosen
Entlassung durch den Arbeitgeber.
Zusammenfassung der Kriterien, welche hinsichtlich der Erklärungsfrist für die
fristlose Kündigung im privatrechtlichen (E. 6.3) und im öffentlich-rechtlichen
(E. 6.4) Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen sind.
Mit Blick auf die Besonderheiten der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen im
Vergleich zu einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis wurde die fristlose
Entlassung eines Lehrers angesichts der konkreten Umstände als nicht verwirkt
betrachtet (E. 7).

Sachverhalt ab Seite 114

BGE 138 I 113 S. 114

A. A., geb. 1948, war seit dem Schuljahr 1984 als Primarlehrer in der Gemeinde
X. angestellt. Am 2./3. Juli 2007 führte er als Klassenlehrer mit der
Primarschulklasse 6b eine zweitägige Schulreise nach B. mit Übernachtung im
Hotel durch. Bei einer Zimmerkontrolle um 23.30 Uhr stellte er fest, dass sich
trotz Verbots vier Mädchen im Knabenzimmer aufhielten. Er hielt daraufhin eines
der Mädchen fest, wobei der genaue Geschehensablauf (Packen an der Schulter
oder Würgen bzw. beidhändiges Umfassen des Halses) von den Betroffenen
unterschiedlich dargestellt wurde. Eine der betroffenen Schülerinnen rief
daraufhin ihre Eltern an. Die alarmierte Polizei führte eine nächtliche
Befragung durch. Am 4. Juli 2007 beschloss der Schulrat nach Anhörung von A.,
diesen per sofort vom Schuldienst zu suspendieren.
Nach Durchführung weiterer Abklärungen zum Vorfall fand am 26. Juli 2007 eine
Besprechung zwischen dem Schulleiter, dem Schulratspräsidenten und dem
Rechtskonsulenten einerseits, sowie A., seiner den Schulausflug begleitenden
Partnerin und dessen Rechtsvertreter anderseits, statt. Am 27. Juli 2007
beschloss der Schulrat, das Anstellungsverhältnis mit dem Klassenlehrer
fristlos aufzulösen und eröffnete dies A. am 30. Juli 2007. Mit Schreiben vom
30. Juli 2007 bezeichnete dessen Rechtsvertreter die fristlose Kündigung als
ungerechtfertigt und erklärte, sein Mandant biete der Gemeinde weiterhin seine
Dienste an. Die schriftlich begründete Kündigungsverfügung wurde diesem am 27.
August 2007 zugestellt.

B. A. gelangte daraufhin an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden.
Dabei beanstandete er die Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung. Zudem
beantragte er die Zahlung von Fr. 130'642.85 sowie einer Pönalentschädigung von
Fr. 18'549.90, je zuzüglich Zins von jährlich 5 % seit dem 28. Juli 2007 und
Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge.
Das kantonale Verwaltungsgericht sistierte das Verfahren bis zum Abschluss des
Verfahrens in der gegen A. erhobenen Strafanzeige wegen Tätlichkeit. Das
Kantonsgericht sprach diesen mit Entscheid vom 27. Mai 2009 vom Vorwurf der
Tätlichkeit frei, weil zwar der objektive Tatbestand erfüllt war, es jedoch am
Vorsatz fehlte.
BGE 138 I 113 S. 115
Das Verwaltungsgericht hob die Sistierung auf, setzte den Schriftenwechsel fort
und führte eine mündliche Hauptverhandlung durch. Im Laufe des Verfahrens
reduzierte A. die Höhe der Pönalentschädigung auf brutto Fr. 9'274.95, nebst
Zins von 5 %. Mit Entscheid vom 20. Dezember 2010 wies das kantonale Gericht
die Beschwerde bzw. Klage ab.

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.
beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Gemeinde X. zu
verpflichten, ihm brutto Fr. 130'642.85 (abzüglich Fr. 7'923.50 an erzieltem
Einkommen) und Fr. 9'274.95 zu zahlen, zuzüglich Verzugszins; zudem seien die
Sozialversicherungsbeiträge abzurechnen. Eventuell sei die Sache an das
kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die Gemeinde X. und das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden schliessen
auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

6.

6.1 Der Beschwerdeführer beanstandet des Weitern die fristlose Entlassung in
zeitlicher Hinsicht. Das rechtliche Gehör zu den ihm zur Last gelegten
Vorwürfen sei ihm bereits am 4. Juli 2007 gewährt worden. Weitere
Untersuchungen hätten nicht abgewartet werden müssen. Bereits mit Schreiben vom
19. Juli 2007 sei ihm mitgeteilt worden, dass eine fristlose Auflösung des
Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen sei. Die fristlose Entlassung sei
schliesslich am 27. Juli 2007 aufgrund derselben Erkenntnisse ausgesprochen
worden, wie sie bereits am 4. Juli 2007 festgestanden hätten. Ein valabler
Grund für die Verspätung habe daher nicht bestanden. Nach Auffassung des
Beschwerdeführers beruht die vorinstanzliche Bejahung der Rechtzeitigkeit der
fristlosen Entlassung auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen
Personalgesetzes und widerspricht Doktrin und Praxis zu Art. 337 OR, welche dem
Kündigenden für die fristlose Entlassung im Normalfall eine Reaktionszeit von
zwei bis drei Arbeitstagen und bei einem Gremium allenfalls von bis zu einer
Woche zugestehen würden.

6.2 Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich nicht, innerhalb welcher
Zeitspanne eine fristlose Entlassung ausgesprochen werden
BGE 138 I 113 S. 116
muss. Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes vom 14. Juni 2006 über das Arbeitsverhältnis
der Mitarbeitenden des Kantons Graubünden (Personalgesetz, PG/GR; BR 170.400)
entspricht praktisch wörtlich Art. 337 Abs. 1 erster Satzteil OR.
Die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen
Kündigungsfrist zeitigt für beide Seiten nachteilige Folgen. Beim Arbeitgeber
fallen personelle Ressourcen aus, während der entlassenen Person der zur
Deckung des Lebensunterhalts normalerweise erforderliche Arbeitserwerb entgeht
und sie ihr Betätigungsfeld sowie den Kollegenkreis verliert. Fristlose
Entlassungen führen zudem häufig zu Rechtsstreitigkeiten. Allein diese Umstände
gebieten sowohl in privatrechtlichen als auch in öffentlich-rechtlichen
Arbeitsverhältnissen eine sorgfältige und allenfalls gerichtlicher Überprüfung
standhaltende Abklärung der Verhältnisse, einschliesslich einer Abwägung der
auf dem Spiel stehenden Interessen, bevor die Kündigung ausgesprochen wird. Die
Vorinstanz verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass
rufschädigende Vorverurteilungen zu vermeiden sind.

6.3

6.3.1 Aus dem Wesen des wichtigen Grundes hat die zu Art. 337 OR ergangene
privatrechtliche bundesgerichtliche Rechtsprechung abgeleitet, dass der
Kündigungsberechtigte sich mit der Aussprechung der fristlosen Auflösung des
Arbeitsverhältnisses nicht ungebührlich lange Zeit lassen darf. Ist ein
wichtiger Grund gegeben, so ist die fristlose Kündigung sofort auszusprechen.
Andernfalls ist anzunehmen, das Einhalten der ordentlichen Kündigungsfrist sei
für den Kündigenden subjektiv zumutbar, und ist das Recht auf eine sofortige
Vertragsauflösung verwirkt (BGE 130 III 28 E. 4.4 S. 34; BGE 123 III 86 E. 2a
S. 87; BGE 99 II 308 E. 5a S. 310; BGE 97 II 142 E. 2a S. 146).

6.3.2 Dabei ist nach den Umständen des konkreten Falles zu entscheiden, innert
welcher Frist dem Berechtigten billigerweise ein Entschluss darüber zuzumuten
ist, ob er von seinem Recht zur fristlosen Aufhebung des Vertrags Gebrauch
machen will. In der Regel wird eine Überlegungsfrist von zwei bis drei
Arbeitstagen zum Nachdenken und Einholen von Rechtsauskünften als angemessen
angesehen. Ein Hinauszögern über diese Zeitspanne ist nur zulässig, wenn es mit
Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens
als verständlich und berechtigt erscheint (BGE 130 III 28 E. 4.4 S. 34 mit
Hinweisen; Urteil 4C.345/2001
BGE 138 I 113 S. 117
vom 16. Mai 2002 E. 3.2). Eine Verlängerung von einigen Tagen (gemäss Urteil
4A_569/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1 von etwa einer Woche) ist etwa dann
zulässig, wenn bei einer juristischen Person die Entscheidungskompetenz einem
mehrköpfigen Gremium zusteht und die Willensbildung daher aufwendiger ist oder
wenn Arbeitnehmervertreter anzuhören sind (Urteile 4C.291/2005 vom 13. Dezember
2005 E. 3.2; 4C.348/2003 vom 24. August 2004 E. 2; 4C.382/1998 vom 2. März 1999
E. 1b; 4C.282/1994 vom 21. Juni 1995 E. 3).

6.3.3 Bei einem klaren Sachverhalt muss anders vorgegangen werden als in
Fällen, in denen zuerst Abklärungen notwendig sind oder Verfehlungen erst
langsam an den Tag treten (Urteile 4A_238/2007 vom 1. Oktober 2007 E. 4.1;
4C.188/2006 vom 25. September 2006 E. 2; 4C.348/2003 vom 24. August 2004 E.
3.2; 4C.345/2001 vom 16. Mai 2002 E. 3.2). Geht es bei der Abklärung darum,
zuerst das Ausmass der Verfehlung abschätzen zu können, so wird die
Überlegungsfrist notwendigerweise erst an die Abklärungsfrist anschliessen. Die
Art der Vorwürfe (beispielsweise sexuelle Belästigungen) kann eine längere
Abklärungsfrist rechtfertigen (Urteil 4A_238/2007). Ist der Vorwurf an den
Arbeitnehmer klar und kann sich der Arbeitgeber schon bei der Abklärung des
Sachverhalts überlegen, wie er reagieren will, wenn sich der Vorwurf als
zutreffend erweist, rechtfertigt es sich nicht, ihm nach der Abklärungsfrist
noch eine Überlegungsfrist für die fristlose Entlassung einzuräumen (Urteil
4C.187/2004 vom 5. Juli 2004 E. 4.1). Von einem grösseren Unternehmen ist zu
erwarten, dass sich dieses so organisiert, dass wesentliche Entscheidungen auch
bei Ferienabwesenheit des Geschäftsführers gefällt werden können, zumal wenn
von vornherein mit solchen Entscheiden gerechnet werden muss (Urteil 4C.345/
2001 vom 16. Mai 2002 E. 4.2). Liegt ein konkreter nennenswerter Verdacht vor,
bei dessen Erhärtung der Arbeitgeber in Betracht zieht, das Arbeitsverhältnis
sofort zu beenden, ist zu verlangen, dass der Arbeitgeber unverzüglich alle ihm
zumutbaren Massnahmen ergreift, um Klarheit zu gewinnen (Urteil 4A_251/2009 vom
29. Juni 2009 E. 2.1).

6.3.4 In der Literatur zu Art. 337 OR wird bezüglich der Frage, wie viele Tage
mit "sofort", "umgehend" oder "innert angemessener Frist" gemeint sind,
weitgehend die "Zwei-bis-drei-Tage-Regel" des Bundesgerichts übernommen (vgl.
ROGER RUDOLPH, Bagatelldelikte am
BGE 138 I 113 S. 118
Arbeitsplatz: ein ausreichender Grund für eine fristlose Entlassung?, AJP 2010
S. 1521). STREIFF/VON KAENEL (Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 17 zu Art. 337
OR) gehen davon aus, dass der rigorose Massstab des Bundesgerichts (2-3
Arbeitstage) im Einzelfall mindestens dann der Relativierung bedarf, wenn
schützenswerte Gründe ein rasches Handeln verzögern. Müsse beispielsweise der
Kündigungsentscheid von einem Gremium (z.B. Verwaltungsrat) in einer
gemeinsamen Sitzung getroffen werden, könne sich die Reaktionsfrist auf bis zu
einer Woche verlängern. Davon geht auch WOLFGANG PORTMANN (in: Basler
Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 13 zu Art. 337 OR) aus,
räumt jedoch ein, dass eine längere Frist gelten soll, wenn die angekündigte
Antwort des Rechtsvertreters des Arbeitnehmers abzuwarten sei. GUSTAV WACHTER
(Der Untergang des Rechts zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses,
ArbR 1990 S. 42 ff.) weist darauf hin, dass auch bei komplizierter
Organzusammensetzung nicht mehrere Wochen zugewartet werden könne, und zwar
selbst dann nicht, wenn während der Ferienzeit nicht sämtliche Mitglieder
anwesend sind. Werde der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Klärung des
Sachverhalts angehört, beginne die Frist grundsätzlich nach seiner
Stellungnahme zu laufen. ADRIAN STAEHELIN (in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl.
1996, N. 35 zu Art. 337 OR) geht von einer Überlegungsfrist von ein bis zwei
Tagen aus, anerkennt aber, dass die Bedenkzeit ausnahmsweise in komplexen
Fällen auch etwas länger dauern kann. HUMBERT/VOLKEN (Fristlose Entlassung
[Art. 337 OR], AJP 2004 S. 564 ff.) vertreten die Auffassung, eine Frist von
bis zu drei Tagen sei in jedem Fall rechtzeitig. Die kurze Frist habe den
Vorteil einer einfachen Rechtsanwendung und diene der Rechtssicherheit. Sie
räumen jedoch ein, dass sich die Frage, wie lange der Arbeitgeber mit der
Erklärung der fristlosen Entlassung zuwarten darf, nicht nach einem absoluten
Massstab beurteilen lässt.

6.4

6.4.1 Obwohl bei der Anwendung von Art. 10 PG/GR auf die (zivilrechtliche)
bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 337 OR zurückgegriffen werden kann,
lässt sich die Praxis, welche eine fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen
grundsätzlich nur innert einer Zeitspanne von einigen wenigen Arbeitstagen
erlaubt, nicht unbesehen auf öffentlich-rechtliche Anstellungsverhältnisse
übertragen. In diesem Bereich ergeht die Kündigung normalerweise in Form einer
schriftlich begründeten Verfügung; dieser geht häufig eine
BGE 138 I 113 S. 119
Untersuchung voraus, besonders wenn Zweifel zu erhärten oder auszuschliessen
sind. Zudem ist dem Angestellten nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen vor
der Kündigungsverfügung das rechtliche Gehör einzuräumen (Art. 29 Abs. 2 BV).
Dazu kommen die speziellen Verfahrensabläufe innerhalb der Verwaltung, die es
nicht immer erlauben, unverzüglich über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses
zu entscheiden, vor allem wenn nicht ein direkter Vorgesetzter, sondern die
Wahl- und Aufsichtsbehörde zuständig ist (bereits erwähntes Urteil 8C_170/2009
E. 6.2.1; Urteile 2A.656/2006 vom 15. Oktober 2007 E. 5.2.1; 2A.495/2006 vom
30. April 2007 E. 4.1). Ist ein strafrechtlicher Sachverhalt oder dessen
rechtliche Würdigung für den Ausgang eines Administrativverfahrens relevant,
erweist sich nach der Rechtsprechung ein Verfahrensaufschub bis zum Abschluss
des Strafprozesses als zulässig (Urteile 1P.47/2000 vom 25. April 2000 E. 2b;
2P.30/1993 vom 1. Oktober 1993 E. 6b und P.1211/1985 vom 12. März 1986 E. 4;
vgl. auch Urteil 1P.127/2000 vom 8. Mai 2000 E. 3). Ebenfalls
rechtsprechungsgemäss kann das Resultat einer Administrativuntersuchung
(beispielsweise wegen Mobbing) abgewartet werden, bevor die fristlose
Entlassung ausgesprochen wird. Zudem kann die Einschaltung einer paritätischen
Kommission eine weitere Verzögerung rechtfertigen (bereits erwähntes Urteil
8C_170/2009 E. 6.2.2 f.).

6.4.2 Das öffentliche Personalrecht unterscheidet sich des Weitern insofern vom
Arbeitsvertragsrecht des Obligationenrechts, als dem Gemeinwesen bei seinem
Handeln verfassungsrechtliche Schranken auferlegt sind. Während der private
Arbeitgeber sich auf die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit berufen kann,
bleibt der staatliche Arbeitgeber an die Grundrechte und die rechtsstaatlichen
Grundsätze des Verwaltungsrechts (Gesetzmässigkeit, Rechtsgleichheit,
öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben, rechtliches
Gehör) gebunden (Urteil 8C_340/2009 vom 24. August 2009, auszugsweise in: ARV
2009 S. 311; MARCO DONATSCH, Privatrechtliche Arbeitsverträge und der
öffentliche Dienst, Jusletter vom 3. Mai 2010, Rz. 20 ff.; MARTIN BERTSCHI, Auf
der Suche nach dem einschlägigen Recht im öffentlichen Personalrecht, ZBl 105/
2004 S. 631 f. und 636; TOMAS POLEDNA, Annäherungen ans Obligationenrecht, in:
Personalrecht des öffentlichen Dienstes, Helbling/Poledna [Hrsg.], 1999, S.
220).

6.4.3 Schliesslich gilt es auch, auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen einer
widerrechtlichen fristlosen Entlassung im Privatrecht und
BGE 138 I 113 S. 120
im öffentlichen Dienstrecht hinzuweisen. Im Zivilrecht wird mit der fristlosen
Entlassung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet, unabhängig davon, ob die
Kündigung berechtigt war oder nicht (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 12 zu Art.
337 OR; PORTMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 337c OR). Entlässt der private
Arbeitgeber den Arbeitnehmer fristlos ohne wichtigen Grund, so hat dieser
Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis
unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder durch Ablauf der bestimmten
Vertragszeit beendigt worden wäre (Art. 337c Abs. 1 OR), oder auf eine
besondere Entschädigung gemäss Art. 337c Abs. 3 OR von höchstens sechs
Monatslöhnen. Die Rechtsfolgen einer unrechtmässigen fristlosen Entlassung sind
im öffentlichen Personalrecht auf Bundesebene sowie in den massgebenden
kantonalen und kommunalen Erlassen unterschiedlich ausgestaltet. Die
Entschädigungsansätze sind unter Umständen höher als jene des OR. Eine
unrechtmässig ergangene Kündigungsverfügung kann aufgehoben werden und - je
nach gesetzlicher Ausgestaltung - einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zur
Folge haben (vgl. beispielsweise Art. 14 Abs. 1 und 2 des
Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 [BPG; SR 172. 220.1]; HARRY NÖTZLI,
Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Bundespersonalrecht, 2005, S. 163
Rz. 264; vgl. auch Urteil 8C_808/2010 vom 28. Juni 2011). Eine Stellenbesetzung
vor der gerichtlichen Beurteilung der Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung
ist somit unter Umständen mit Risiken behaftet. Die Verfügung eines
öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers über eine fristlose Kündigung kann vom
angerufenen Gericht allenfalls in eine ordentliche Auflösung des
Arbeitsverhältnisses abgeändert werden, sofern ein sachlich zureichender
Kündigungsgrund vorliegt (vgl. BGE 137 I 58 E. 4.3.3 S. 65). Im Privatrecht
gilt dagegen das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Es bleibt darauf hinzuweisen,
dass eine ordentliche Kündigung bei Lehrpersonen meistens nur auf das Ende
eines Schuljahres hin möglich ist (vgl. Art. 34 Abs. 3 des Gesetzes vom 26.
November 2000 für die Volksschulen des Kantons Graubünden [Schulgesetz; BR
421.000]).

6.5 Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die fristlose Entlassung im
öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis für die kündigende Partei mit höheren
Risiken verbunden ist als im Privatrecht, und zwar einerseits wegen den
formellen Anforderungen an eine rechtmässige fristlose Entlassung und
anderseits wegen den Folgen einer formell oder materiell widerrechtlichen
fristlosen Entlassung für den
BGE 138 I 113 S. 121
Arbeitgeber und damit die öffentliche Hand. Daraus folgt, dass dem
öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber eine längere Reaktionszeit zuzubilligen ist,
damit er die Verfahrensvorschriften einhalten und den die Kündigung
begründenden Sachverhalt abklären und nachweisen kann, bevor er die Kündigung
ausspricht. Hingegen kann auch dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht
zugestanden werden, das Verfahren längere Zeit ruhen zu lassen, bzw. den
Arbeitnehmer nicht über die Überprüfung des Arbeitsverhältnisses zu
informieren. Während im Zivilrecht eine fristlose Kündigung in der Regel innert
weniger Arbeitstage auszusprechen ist und eine längere Frist nur zugestanden
wird, sofern praktische Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens dies
als berechtigt erscheinen lassen, vermögen im öffentlichen Personalrecht
weitere sachliche Gründe (z.B. rechtliches Gehör, Verfahrensvorschriften) ein
längeres Zuwarten zu rechtfertigen (vgl. Urteil 2A.495/2006 vom 30. April 2007
E. 4.1).

7. Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Würdigung der Chronologie der
Ereignisse vom Juli 2007 erkannt, dass die aufgrund der eingegangenen
Reaktionen besorgter Eltern sehr heikle Angelegenheit von den zuständigen
Vertretern der Gemeinde trotz der angelaufenen Sommerferien äusserst zügig
vorangetrieben worden sei. Die zu Beginn widersprüchlichen
Sachverhaltsdarstellungen der betroffenen Parteien hätten einer sorgfältigen
Abklärung bedurft. Dabei sei es auch darum gegangen, einer rufschädigenden
Vorverurteilung entgegenzuwirken. Nach den Feststellungen der Vorinstanz
reagierte die Gemeinde auf den Vorfall in der Nacht vom 2. auf den 3. Juli 2007
innerhalb von zwei Tagen, indem ein Dreier-Gremium des zuständigen Schulrats
den Beschwerdeführer am 4. Juli 2007 zu den Vorfällen befragte. Dabei gab
dieser über die genauen Abläufe und Vorkommnisse jener Nacht eine andere
Version wieder als die betroffenen Schülerinnen. Seine Angaben zum
Alkoholkonsum entsprachen zudem nicht der effektiv getrunkenen Menge. Aufgrund
der in der Zwischenzeit getätigten Abklärungen und der Reaktionen besorgter
Eltern gelangten die Vertreter der Gemeinde zur Überzeugung, dass eine
Wiederaufnahme des Unterrichts durch den Beschwerdeführer zum damaligen
Zeitpunkt nicht mehr zu verantworten war. Es wurde daher beschlossen, diesen
mit sofortiger Wirkung vom Schulunterricht freizustellen und die Schülerinnen
und Schüler der betroffenen Klasse vorzeitig in die Sommerferien zu entlassen.
Noch am gleichen Tag teilte der Schulratspräsident dem Beschwerdeführer
schriftlich mit, dass er bis auf Weiteres vom
BGE 138 I 113 S. 122
Schulunterricht suspendiert sei. Wie es nach den Sommerferien weitergehen
werde, sei Gegenstand weiterer Abklärungen und Entscheidungen des Schulrats.
Nach weiteren Gesprächen mit den betroffenen Eltern, den die handgreiflich
angegangene Schülerin behandelnden Ärzten sowie der Polizei bestätigte der
Schulrat drei Tage später, am 9. Juli 2007, die Suspendierung des
Beschwerdeführers. Überdies wurde beschlossen und dem Beschwerdeführer am 12.
Juli 2007 schriftlich eröffnet, dass dieser in demselben Schulhaus auch nach
den Sommerferien 2007 keinen Schulunterricht mehr werde erteilen können und die
Stelle ausgeschrieben werde. Die Gemeinde beauftragte zudem ihren
Rechtskonsulenten mit der Abklärung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf
das weitere Vorgehen. Mit der Freistellung von der Lehrtätigkeit gab die
Gemeinde dem Beschwerdeführer unmissverständlich zu verstehen, dass sie sein
pflichtwidriges Verhalten als gravierend einstufte und dieser mit weiteren
Massnahmen rechnen musste. Obschon sich der Beschwerdeführer am 4. Juli 2007 zu
den Ereignissen und zur Freistellung als erster Sofortmassnahme hatte äussern
können, musste ihm die Gemeinde anschliessend auch noch hinsichtlich einer
allfälligen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das rechtliche
Gehör gewähren, bevor sie darüber beschliessen konnte. Darauf wies sie im
Schreiben vom 12. Juli 2007 ausdrücklich hin. Die anschliessende zeitliche
Verzögerung ist grösstenteils dem Beschwerdeführer selber zuzuschreiben. Wegen
dessen Teilnahme an einem Weiterbildungsseminar wurde bis zur Woche vom 16.
Juli 2007 kein Besprechungstermin vereinbart. Nach seiner Rückkehr beauftragte
der Beschwerdeführer einen Rechtsvertreter mit der Interessenwahrung. Laut
Schreiben vom 19. Juli 2007 kam dieser mit dem Rechtskonsulenten der Gemeinde
überein, die Anhörung am 26. Juli 2007 durchzuführen. Gleichzeitig zeigte die
Gemeinde an, dass eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht
ausgeschlossen sei. Diese erneute Verzögerung ergab sich insbesondere, weil der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vorgängig die Polizeiakten einsehen
wollte. Nach der Unterredung vom 26. Juli 2007 beschloss der Schulrat an der
Sitzung vom 27. Juli 2007 die fristlose Entlassung. Bei diesen Gegebenheiten
kann nicht die Rede davon sein, dass die Gemeinde zu lange zugewartet und
deshalb ihr Recht auf eine fristlose Kündigung verwirkt hätte.