Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 IV 92



Zurück zur Einstiegsseite Drucken

Urteilskopf

138 IV 92

13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
1B_442/2011 vom 4. Januar 2012

Regeste

Art. 5 Abs. 2, Art. 222, 224 ff., 388 lit. b und Art. 393 StPO; Beschwerde der
Staatsanwaltschaft gegen die Nichtanordnung der Untersuchungshaft durch das
Zwangsmassnahmengericht.
Vorgehen der Staatsanwaltschaft, damit sie die Freilassung des Beschuldigten
bis zum Entscheid der Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz über die
vorsorgliche Inhaftierung während des Beschwerdeverfahrens verhindern kann (E.
3). Lehnt die Verfahrensleitung die vorsorgliche Inhaftierung ab, kann die
Staatsanwaltschaft diesen Entscheid nicht beim Bundesgericht anfechten (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 93

BGE 138 IV 92 S. 93

A. Am Donnerstag, 14. Juli 2011 um ca. 16.00 Uhr, hielt die Gemeindepolizei
Binningen den mazedonischen Staatsangehörigen X. zusammen mit Y. an, da der
dringende Verdacht bestand, dass sie Betäubungsmittel konsumiert hatten. Die
darauf herbeigerufene Polizei Basel-Landschaft unterzog die beiden einer
Personenkontrolle. Dabei stellte sie bei Y. insbesondere ca. 58 Gramm Heroin
und 5 Gramm Kokain sicher. X. trug keine Betäubungsmittel auf sich. Hingegen
verlief der bei ihm durchgeführte Drogentest positiv auf Kokain und Opiate. X.
wurde darauf zusammen mit Y. auf den Polizeiposten Binningen verbracht, das
erste Mal einvernommen und noch am Abend des 14. Juli 2011 in das
Untersuchungsgefängnis Liestal überführt.
Am 16. Juli 2011 führte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft mit X. die
Hafteröffnungseinvernahme durch. Gleichentags beantragte sie dem
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft die Anordnung von
Untersuchungshaft für die vorläufige Dauer von drei Monaten.
Am 18. Juli 2011, um 12.15 Uhr, wies das Zwangsmassnahmengericht den Antrag der
Staatsanwaltschaft ab und entliess X. unverzüglich und unabhängig vom Einlegen
eines Rechtsmittels gleichentags, spätestens um 12.30 Uhr, aus der Haft.
Die von der Teilnahme an der Verhandlung des Zwangsmassnahmengerichts
dispensierte Staatsanwaltschaft erfuhr von der Entlassung von X. am 18. Juli
2011 um 14.21 Uhr.
Mit Beschwerde vom 19. Juli 2011 gelangte die Staatsanwaltschaft an das
Kantonsgericht Basel-Landschaft mit folgenden Anträgen:
"1. Es sei der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 18. Juli 2011
aufzuheben.
2. Es sei für die vorläufige Dauer von drei Monaten die Untersuchungshaft
anzuordnen.
3. (...)
4. Es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
BGE 138 IV 92 S. 94
5. Es sei für die Dauer des Verfahrens die Untersuchungshaft anzuordnen.
6. (...)."
Mit Verfügung vom 20. Juli 2011 räumte der Präsident des Kantonsgerichts,
Abteilung Strafrecht, dem Zwangsmassnahmengericht und X. Frist ein bis zum 25.
Juli 2011 zur Stellungnahme zu den Anträgen 4 und 5 der Staatsanwaltschaft.
Nach Eingang der Stellungnahmen des Zwangsmassnahmengerichts und von X. wies
der Kantonsgerichtspräsident mit Verfügung vom 27. Juli 2011 die Anträge 4 und
5 der Staatsanwaltschaft ab.

B. Die Staatsanwaltschaft führt mit Eingabe vom 29. August 2011 Beschwerde in
Strafsachen mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass der
Kantonsgerichtspräsident mit Erlass der Verfügung vom 27. Juli 2011 eine
Rechtsverzögerung begangen habe. Die Verfügung des Kantonsgerichtspräsidenten
sei aufzuheben, soweit dieser den Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft
für die Dauer des Verfahrens abgewiesen habe, und die Sache zur neuerlichen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C. Das Kantonsgericht beantragt mit Eingabe vom 6. September 2011 die Abweisung
der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Es weist darauf hin, dass es die
Beschwerde der Staatsanwaltschaft in der Sache selber mit Beschluss vom
gleichen Tag abgewiesen hat. (...)
Das Bundesgericht schreibt die Beschwerde als gegenstandslos ab.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Gegen die angefochtene Verfügung ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die
Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur
Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Die
Staatsanwaltschaft ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. b Ziff. 3 BGG
zur Beschwerde befugt (BGE 137 IV 22 E. 1 S. 23 und BGE 137 IV 87).

1.2 Die angefochtene Verfügung stellt einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG
dar. Die Vorinstanz hat es abgelehnt, den Beschwerdegegner für die Dauer des
Beschwerdeverfahrens in Haft zu versetzen. Damit bestand die Gefahr der
Erschwerung oder gar Vereitelung des Strafverfahrens, da der Beschwerdegegner
die von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Flucht-, Kollusions- und
BGE 138 IV 92 S. 95
Wiederholungsgefahr verwirklichen konnte. Dies stellt für die
Staatsanwaltschaft einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG dar (BGE 137 IV 237 E. 1.1 S. 240). Die Beschwerde ist
auch insoweit zulässig.

1.3 Die Vorinstanz hat mit Beschluss vom 6. September 2011 die Beschwerde der
Staatsanwaltschaft in der Sache selber abgewiesen. Der Entscheid wurde nicht
weitergezogen. Das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren ist somit abgeschlossen,
weshalb über vorsorgliche Massnahmen für dessen Dauer nicht mehr zu befinden
ist. Die Beschwerdeführerin hat zufolge Gegenstandslosigkeit kein aktuelles
praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde in Strafsachen mehr.
Angesichts der Verfahrensumstände rechtfertigen sich jedoch die nachfolgenden
Ausführungen.

2. Ausser der Gegenstandslosigkeit steht noch ein anderer Grund der materiellen
Behandlung der Beschwerde entgegen: Rekurriert die Staatsanwaltschaft nach
einem abschlägigen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts bei der
Beschwerdeinstanz und verlangt sie - superprovisorisch oder provisorisch - die
Inhaftierung des Beschuldigten, so kann sie einen (für sie) negativen
Massnahmenentscheid nach Art. 388 lit. b StPO (SR 312.0) - sei er
superprovisorisch oder provisorisch - nicht beim Bundesgericht anfechten. Denn
vor Bundesgericht würde diesfalls die gleiche Rechtsfrage anhängig gemacht, die
vor der Beschwerdeinstanz noch zum (definitiven) Entscheid ansteht, und dies
nicht während eines nicht absehbaren, unbestimmten Zeitraums, sondern nach den
verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben sofort, d.h. innert wenigen
Tagen. Bei dieser prozessualen Konstellation würde ein Weiterzug des
Massnahmenentscheids an das Bundesgericht zu einer doppelten, konkurrierenden
Zuständigkeit verschiedener Gerichtsinstanzen für die gleiche Streitfrage mit
der Gefahr unkoordinierter und widersprüchlicher Entscheide und von
Verfahrensverzögerungen führen. Dies verstiesse gegen das verfassungsrechtliche
Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit des Verfahrens (Art. 9 BV; BGE 117
Ib 35 E. 3e S. 39) sowie gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Art. 5
Abs. 2 StPO). Hinzu käme, dass das Bundesgericht auf diese Weise aufgerufen
würde, auf provisorischem Weg als erste gerichtliche Instanz die Inhaftierung
eines Beschuldigten anzuordnen, was mit seiner Rolle als höchstes Gericht des
Landes kaum vereinbar wäre und einer sinnvollen Gerichtsorganisation und
Aufgabenteilung zuwiderliefe. Überdies müsste die Beurteilung eines
BGE 138 IV 92 S. 96
Massnahmenentscheids durch das Bundesgericht auf der Grundlage bloss
rudimentärer Informationen erfolgen, da die knappe zur Verfügung stehende Zeit
zur Begründung des Massnahmenentscheids und zu seiner Anfechtung eine
vollständige Darlegung der massgebenden Umstände in der Regel nicht erlaubt.
Ausserdem wären praktische Schwierigkeiten bei der Verfahrensinstruktion
unausweichlich, zumal die Akten, insbesondere das Hauptdossier, gleichzeitig
anderweitig benötigt würden und rasch bearbeitet werden müssen (Art. 31 Abs. 4
BV). Mit Blick auf diese prozessualen Besonderheiten muss es der
Staatsanwaltschaft verwehrt bleiben, die Verweigerung einer vorsorglichen
Inhaftierung des Beschuldigten durch die Beschwerdeinstanz beim Bundesgericht
anzufechten. Sie muss den Sachentscheid der Beschwerdeinstanz abwarten und kann
nur gegen diesen Beschwerde beim Bundesgericht einlegen, sofern sie dannzumal
noch über ein aktuelles praktisches Rechtsschutzinteresse verfügt (vgl. dazu
BGE 137 IV 87).

3.

3.1 Die Staatsanwaltschaft hat argumentiert, nach einem die Inhaftierung
ablehnenden Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts müsse sie die Möglichkeit
haben, mit einer Beschwerde bei der Rechtsmittelinstanz umgehend einen Antrag
auf Anordnung von vorsorglicher Haft gemäss Art. 388 lit. b StPO zu stellen. In
Anbetracht der Dringlichkeit bei Haftverfahren sei darüber superprovisorisch,
d.h. ohne vorgängige Anhörung der beschuldigten Person, zu entscheiden. Das
habe die Vorinstanz nicht getan. Vielmehr habe sie dem Zwangsmassnahmengericht
und dem Beschwerdegegner eine Vernehmlassungsfrist von fünf Tagen eingeräumt
und die angefochtene Verfügung erst sieben Tage nach Eingang der Beschwerde
erlassen. Damit habe sie eine Rechtsverzögerung begangen.

3.2 Nach der Rechtsprechung ist die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 222
StPO i.V.m. Art. 80, 81 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG befugt, einen Entscheid
des Zwangsmassnahmengerichts bei der Beschwerdeinstanz anzufechten (BGE 137 IV
87 und BGE 137 IV 22). Dieses Beschwerderecht muss die Staatsanwaltschaft
wirksam wahrnehmen können.
Das Bundesgericht hat dazu festgehalten, dass eine beschuldigte Person gemäss
Art. 226 Abs. 5 StPO unverzüglich freizulassen ist, wenn das
Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft nicht anordnet. Dieses Recht auf
unverzügliche Freilassung ergibt sich aus dem Grundrecht der persönlichen
Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV),
BGE 138 IV 92 S. 97
welches gestützt auf die Art. 31 BV und Art. 5 EMRK in strafrechtlichen
Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden kann (s. auch
Art. 36 BV). Verfügt das Zwangsmassnahmengericht die sofortige Freilassung,
obwohl nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Haftgrund nach Art. 221 StPO
besteht, kann das die Fortführung des Strafverfahrens indessen erschweren oder
gar vereiteln. Um dies zu verhindern, besteht ein Interesse, dass die
Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Beschwerde an die Beschwerdeinstanz nach
Art. 393 StPO zumindest vorübergehend die Freilassung verhindern kann (BGE 137
IV 230 E. 2.1 S. 233, BGE 137 IV 237 E. 2.1 S. 241).
Strafprozessuale Rechtsmittel haben nach Art. 387 StPO keine aufschiebende
Wirkung. Vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen der StPO oder Anordnungen
der Verfahrensleitung der Rechtsmittelinstanz. Diese trifft in Anwendung von
Art. 388 StPO die notwendigen und unaufschiebbaren verfahrensleitenden und
vorsorglichen Massnahmen. Hierzu gehört nach ausdrücklicher Vorschrift von Art.
388 lit. b StPO die Anordnung von Haft. Diese Bestimmungen sind grundsätzlich
geeignet, die Untersuchungshaft während des Beschwerdeverfahrens betreffend die
Haftentlassung aufrechtzuerhalten. Gewiss steht die lückenlose Weiterführung
der Untersuchungshaft in einem gewissen Gegensatz zur Pflicht, die beschuldigte
Person unverzüglich freizulassen, wenn das Zwangsmassnahmengericht die
Untersuchungshaft nicht anordnet (Art. 226 Abs. 5 StPO; BGE 137 IV 237 E. 2.2
S. 241). Dennoch ist es zur Gewährleistung des Beschwerderechts der
Staatsanwaltschaft erforderlich, die Freilassung des Beschuldigten
aufzuschieben, bis die Beschwerdeinstanz über die Fortdauer der Haft während
des Beschwerdeverfahrens im Sinne von Art. 388 lit. b StPO wenigstens
superprovisorisch entscheiden kann (BGE 137 IV 237 E. 2.4 S. 244).

3.3 Vor dem Hintergrund des Anspruchs des Beschuldigten auf unverzügliche
Freilassung gemäss Art. 226 Abs. 5 StPO muss die Staatsanwaltschaft ihre
Beschwerde vor dem Zwangsmassnahmengericht unmittelbar nach Kenntnis des
Haftentlassungsentscheids ankündigen und im Anschluss daran schriftlich
einreichen. In der Beschwerde sind auch die notwendigen und unaufschiebbaren
verfahrensleitenden und vorsorglichen Massnahmen zu beantragen (Art. 388 StPO).
Aus diesen Erfordernissen ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft in Verfahren
nach Art. 225 Abs. 1 StPO persönlich vertreten sein muss und sich nicht mit
schriftlichen Anträgen begnügen kann
BGE 138 IV 92 S. 98
(vgl. Art. 225 Abs. 3 StPO). Ist für die Anordnung von Untersuchungshaft
ausnahmsweise keine mündliche Verhandlung vorgesehen (vgl. Art. 225 Abs. 5
StPO), so muss die Staatsanwaltschaft, wenn sie die Freilassung des
Beschuldigten gegebenenfalls auf dem Beschwerdeweg verhindern will, einen
Antrag auf mündliche Verhandlung stellen (was im Übrigen bereits im
schriftlichen Haftantrag gemäss Art. 224 Abs. 2 StPO geschehen kann). Nur bei
mündlicher Verhandlung eröffnet das Zwangsmassnahmengericht den Entscheid über
die Inhaftierung auch mündlich (Art. 226 Abs. 2 StPO), was die
Staatsanwaltschaft - wenn sie anwesend ist - in die Lage versetzt, die
Beschwerde am Schluss der Verhandlung anzukündigen (vgl. Urteil 1B_630/2011 vom
16. Dezember 2011 E. 1). Die Ankündigung hat zur Folge, dass die Haft nach dem
Freilassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts bis zur sofortigen
Beschwerdeerhebung durch die Staatsanwaltschaft fortbesteht (BGE 137 IV 237 E.
2.4 S. 244). Um dem Erfordernis der unverzüglichen Beschwerdeerhebung im
Anschluss an die Ankündigung nachzukommen, muss die Staatsanwaltschaft
spätestens drei Stunden nach der Ankündigung beim Zwangsmassnahmengericht eine
(wenigstens kurz) begründete Beschwerdeschrift einreichen und darin die
Aufrechterhaltung der Haft beantragen. Diesfalls ist das
Zwangsmassnahmengericht gehalten, den Beschuldigten weiter in Haft zu belassen
und die Beschwerde mit dem Dossier und seiner allfälligen Stellungnahme
verzugslos der Beschwerdeinstanz zu übermitteln.
Wie die Behörden bei der Beurteilung von Haftverlängerungsgesuchen (vgl. Art.
227 StPO) und Haftentlassungsbegehren (vgl. Art. 228 StPO) vorzugehen haben,
ist im vorstehenden Zusammenhang nicht zu erörtern.

3.4 Nach dem Eingang der Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz hat deren
Verfahrensleitung - wie das Bundesgericht bereits ausgeführt hat (BGE 137 IV
237 E. 2.4 f. S. 245) - die erforderlichen Anordnungen im Sinne von Art. 388
StPO zu erlassen. Solche Anordnungen müssen aus Gründen der Dringlichkeit meist
ohne Anhörung der betroffenen Person als superprovisorische Verfügung ergehen.
Sie sind anschliessend nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zu bestätigen oder
zu ändern. Eine von der Staatsanwaltschaft unmittelbar nach Kenntnis des
Haftentlassungsentscheids, aber vor der tatsächlichen Entlassung des
Beschuldigten eingereichte Beschwerde hat somit zur Folge, dass die
Untersuchungshaft vorläufig weiterbesteht, bis die zuständige Verfahrensleitung
der Beschwerdeinstanz
BGE 138 IV 92 S. 99
(superprovisorisch) über weitere Massnahmen im Sinne von Art. 388 StPO
entscheiden kann. Es handelt sich dabei in der Regel um eine Verlängerung der
Haft um einige Stunden, was im Interesse der Erreichung des Untersuchungszwecks
bei bestehenden Haftgründen und zur Gewährleistung eines wirksamen
Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft mit Art. 226 Abs. 5 StPO vereinbar
erscheint. Da dieser Aufschub der Freilassung zur Gewährleistung des vom Gesetz
vorausgesetzten wirksamen Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft unabdingbar
ist, steht ihm auch Art. 387 StPO nicht entgegen. In diesem Sinne ist die
genannte aufschiebende Wirkung Teil des Beschwerderechts der
Staatsanwaltschaft. Sie ist zeitlich eng begrenzt, bis die Verfahrensleitung
der Beschwerdeinstanz in der Lage ist, über Massnahmen nach Art. 388 StPO zu
entscheiden (BGE 137 IV 237 E. 2.4 f. S. 245 mit Hinweis).
Eine längere Fortdauer der Haft kann sich in begründeten Ausnahmefällen wie
beispielsweise an Wochenenden ergeben. Um solche Situationen zu vermeiden,
empfiehlt sich, dass das Zwangsmassnahmengericht Haftentlassungsentscheide an
Vortagen von arbeitsfreien Tagen möglichst am Vormittag trifft. Danach kann die
Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde noch rechtzeitig einreichen, damit die
Beschwerdeinstanz am selben Tag gestützt auf ein entsprechendes Gesuch der
Staatsanwaltschaft aufgrund der Akten über die Anordnung der Haft
superprovisorisch entscheiden kann (Art. 388 lit. b StPO).

3.5 Das Vorgehen der kantonalen Behörden hat diesen Leitlinien in verschiedener
Hinsicht nicht entsprochen.
Das Zwangsmassnahmengericht entschied am 18. Juli 2011 um 12.15 Uhr, der
Beschwerdegegner werde gleichentags spätestens um 12.30 Uhr entlassen, was dann
auch geschah. Die Staatsanwaltschaft war in der Verhandlung nicht vertreten und
damit auch nicht in der Lage, sofort eine Beschwerde anzukündigen und dadurch
eine einstweilige Haftverlängerung zu bewirken. Der Entscheid des
Zwangsmassnahmengerichts gelangte ihr erst um 14.21 Uhr des 18. Juli 2011 zur
Kenntnis. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdegegner bereits seit ca.
zwei Stunden in Freiheit. Erst am 19. Juli 2011 erhob die Staatsanwaltschaft
bei der Vorinstanz Beschwerde und beantragte die aufschiebende Wirkung. Damals
gab es aber bereits nichts mehr aufzuschieben; es hätte gegebenenfalls eine
neue Haftanordnung ergehen müssen. Über eine derartige Massnahme entschied die
Vorinstanz schliesslich auch nicht superprovisorisch,
BGE 138 IV 92 S. 100
sondern lud am 20. Juli 2011 das Zwangsmassnahmengericht und den
Beschwerdegegner zur Stellungnahme zu den Verfahrensanträgen der
Staatsanwaltschaft bis zum 25. Juli 2011 ein. Erst am 27. Juli 2011 erliess die
Vorinstanz die angefochtene Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt konnte eine
Inhaftierung des Beschuldigten wegen Flucht- und Kollusionsgefahr (Art. 221
Abs. 1 lit. a und b StPO) vernünftigerweise nicht mehr in Frage stehen. Nur die
(ebenfalls geltend gemachte) Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO)
konnte noch in Betracht fallen und ein Rechtsschutzinteresse der
Staatsanwaltschaft an der Beurteilung der Beschwerde fortbestehen lassen. Die
geschilderten Vorgehensweisen haben somit eine wirksame Beschwerdeerhebung
durch die Staatsanwaltschaft verhindert und auch dem Beschleunigungsgebot
gemäss Art. 5 StPO nicht hinreichend Rechnung getragen.