Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 IV 232



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Urteilskopf

138 IV 232

35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich gegen Obergericht des Kantons Zürich,
Zwangsmassnahmengericht (Beschwerde in Strafsachen)
1B_563/2012 vom 6. November 2012

Regeste

Art. 197 Abs. 1 lit. c und Abs. 2, Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO; Überwachung
der Telefonanschlüsse von Drittpersonen.
Die Überwachung des Telefonanschlusses einer nicht beschuldigten Person kann
statthaft sein, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der
Beschuldigte die fragliche Drittperson anruft und sich daraus Hinweise auf die
Straftat oder den Aufenthalt des Beschuldigten ergeben. Die anordnende Behörde
hat geeignete Anweisungen zu treffen, damit die mit der Ermittlung befassten
Personen nicht Informationen erlangen, die mit dem Gegenstand der Untersuchung
nicht im Zusammenhang stehen. Die Abhörung des Drittanschlusses ist
abzubrechen, sobald der Anschluss, von dem aus der Beschuldigte die Gespräche
führt, bekannt ist und selber überwacht werden kann (E. 2-8).

Regeste

Art. 107 Abs. 2 BGG; Art. 274 Abs. 2 StPO; reformatorischer Entscheid des
Bundesgerichtes.
Angesichts des Beschleunigungsgebotes bei der richterlichen Genehmigung von
Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs entscheidet das Bundesgericht
(auf entsprechende Beschwerde gegen Nichtgenehmigungen hin) bei ausreichend
klarem Sachverhalt in der Regel selbst in der Sache (E. 7).

Sachverhalt ab Seite 233

BGE 138 IV 232 S. 233

A. Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung
gegen X. wegen strafbarer Vorbereitungshandlungen gemäss Art. 260^bis Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 140 Ziff. 1, 2 und 3 StGB, eventuell wegen versuchten
Raubs. Er wird verdächtigt, im Jahre 2010 Raubüberfälle geplant und konkrete
Vorbereitungshandlungen dazu getroffen zu haben.

B. Am 14. September 2012 ersuchte die Staatsanwaltschaft das Obergericht des
Kantons Zürich, Zwangsmassnahmengericht, die gleichentags für den Zeitraum vom
17. September bis 17. Dezember 2012 verfügte Überwachung des Telefonanschlusses
der Freundin des Beschuldigten zu genehmigen. Das Zwangsmassnahmengericht
verweigerte die Genehmigung der Überwachungsmassnahme mit Verfügung vom 17.
September 2012.

C. Gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts gelangte die
Staatsanwaltschaft mit Beschwerde vom 25. September 2012 an das Bundesgericht.
Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Genehmigung
der beantragten Überwachungsmassnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

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Aus den Erwägungen:

2. Der von der beantragten Überwachungsmassnahme direkt betroffenen Person
(Inhaberin des überwachten Telefonanschlusses) wird keine Beteiligung an den
untersuchten Straftaten zur Last gelegt. Ein Strafverfahren gegen sie ist denn
auch nicht eröffnet worden. Die Überwachungsmassnahme betrifft somit nicht den
Telefonanschluss eines Beschuldigten, sondern einer an den untersuchten
Straftaten nicht beteiligten Drittperson.

2.1 Nach Art. 270 lit. b StPO (SR 312.0) darf der Telefonanschluss von
Drittpersonen überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen
werden muss, dass entweder die beschuldigte Person den Anschluss der
Drittperson benutzt (Ziff. 1) oder die Drittperson für die beschuldigte Person
bestimmte Mitteilungen entgegennimmt oder von dieser stammende Mitteilungen an
eine weitere Person weiterleitet (Ziff. 2).

2.2 Die Vorinstanz erachtet eine Überwachung des Telefonanschlusses gemäss
dieser Bestimmung für unzulässig. Eine Benutzung eines Anschlusses liege nur
vor, wenn der Beschuldigte den auf einen Dritten lautenden Anschluss wie einen
eigenen gebrauche, hingegen nicht, wenn anzunehmen sei, dass er lediglich auf
einen solchen Drittanschluss anrufen werde. Die Staatsanwaltschaft macht
demgegenüber geltend, Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO lasse ebenfalls die
Überwachung von Telefonanschlüssen zu, auf die der Beschuldigte mit hoher
Wahrscheinlichkeit anrufe. Sie führt aus, es stehe fest, dass der Beschuldigte
mit seiner Freundin einen regen Telefonverkehr führe. Hingegen behauptet die
Staatsanwaltschaft nicht, dass der Beschuldigte den Anschluss seiner Freundin
wie seinen eigenen gebrauche.

2.3 Zu prüfen ist demnach, ob nach Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO auch eine
Überwachung auf Drittpersonen lautender Telefonanschlüsse statthaft ist, auf
die der Beschuldigte sehr wahrscheinlich anrufen wird.

3. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet zunächst der Wortlaut der massgeblichen
Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen
möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei
alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei
kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden
Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem
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die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar
entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen.
Namentlich bei neueren Texten kommt ihr eine besondere Bedeutung zu, weil
veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung
weniger nahelegen. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe
dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind
mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten
entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre
Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 137 III 217
E. 2.4.1 S. 221 f.; BGE 135 II 195 E. 6.2 S. 198 f.; BGE 134 III 273 E. 4 S.
277; BGE 133 III 257 E. 2.4 S. 265 f., BGE 133 III 497 E. 4.1 S. 499; BGE 132
III 18 E. 4.1 S. 20 f.; BGE 131 I 394 E. 3.2 S. 396; BGE 131 II 697 E. 4.1 S.
702 f.; BGE 130 III 76 E. 4 S. 82; je mit Hinweisen).

4. Nach seinem Wortlaut ermöglicht Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO die Überwachung
von Drittpersonen, wenn der Beschuldigte deren Telefonanschluss benutzt. Eine
solche Benutzung liegt vor, wenn der Beschuldigte mit dem Apparat der
Drittperson Telefongespräche führt. So verhält es sich beispielsweise, wenn
sich ein Beschuldigter bei Verwandten oder Bekannten aufhält und von deren
Wohnung aus telefoniert. Dieses sprachliche Verständnis mag im Vordergrund
stehen. Doch kann ohne Weiteres auch der Anruf auf den Telefonanschluss einer
Drittperson als Benutzen dieses Anschlusses verstanden werden. Die Praxis hat
denn auch gleichlautende Bestimmungen des früheren Rechts in diesem Sinn
ausgelegt (vgl. die Hinweise bei Thomas HANSJAKOB, BÜPF/VÜPF, Kommentar zum
Bundesgesetz und zur Verordnung über die Überwachung des Post- und
Fernmeldeverkehrs [nachfolgend: Kommentar BÜPF/VÜPF], 2. Aufl. 2006, N. 6 zu
Art. 4 BÜPF, sowie bei PETER GOLDSCHMID, Der Einsatz technischer
Überwachungsgeräte im Strafprozess, 2001, S. 176 Anm. 574).
Aus dem Wortlaut allein ergeben sich mithin keine schlüssigen Anhaltspunkte für
die Beantwortung der aufgeworfenen Streitfrage.

5. Die Entstehungsgeschichte von Art. 270 StPO reicht in die Zeit vor dem
Erlass der Eidgenössischen Strafprozessordnung zurück. Der Gesetzgeber hat
nämlich in dieser Kodifikation die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs
nicht neu geregelt, sondern die strafprozessualen Bestimmungen des zuvor
geltenden Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des
Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) übernommen. Dies gilt auch für die
Norm zur Überwachung von Drittpersonen; Art. 270 StPO deckt sich
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im Wesentlichen mit dem früheren Art. 4 BÜPF (vgl. Botschaft zur
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1085
ff., 1248 [nachfolgend: Botschaft StPO]). Auch die zuletzt genannte Bestimmung
war indessen keine Neuschöpfung, sondern entsprach dem zuvor (im Bereich der
Bundesgerichtsbarkeit) geltenden Art. 66 Abs. 1^bis des Bundesgesetzes vom 15.
Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP; AS 1979 1171). Dieser wurde
1979 als Teil einer Vorlage zum Schutz der persönlichen Geheimsphäre erlassen
und lehnte sich eng an § 100a der Strafprozessordnung der Bundesrepublik
Deutschland an (vgl. den Bericht der Kommission des Nationalrats vom 31.
Oktober 1975 zur parlamentarischen Initiative über den Schutz der persönlichen
Geheimsphäre, BBl 1976 I 529 ff.). Auch manche Kantone kannten vor dem
Inkrafttreten gleich oder sehr ähnlich lautende Bestimmungen. Das Bundesgericht
überprüfte im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle im Jahr 1983 jene des
Kantons Basel-Stadt (§ 71a Abs. 2 der früheren kantonalen Strafprozessordnung)
und gelangte zum Schluss, dass sie keine verfassungsmässigen Rechte verletzte (
BGE 109 Ia 273 E. 8 S. 290 ff.).

5.1 Nach der Botschaft des Bundesrats zur Vereinheitlichung des
Strafprozessrechts erlaube Art. 270 StPO eine Überwachung eines
Drittanschlusses nur, wenn zu erwarten ist, dass der Beschuldigte diesen wie
seinen eigenen gebraucht; dagegen sei eine Überwachung nicht zulässig, wenn
lediglich mit einem Anruf des Beschuldigten auf den Drittanschluss zu rechnen
ist (Botschaft StPO, BBl 2006 1249). Eine Diskussion in den Eidgenössischen
Räten fand zu diesem Thema - abgesehen von einer nicht weiterführenden
Diskussion in einer nationalrätlichen Subkommission (vgl. HANSJAKOB , Kommentar
BÜPF/VÜPF, a.a.O., N. 6 Anm. 8 zu Art. 4 BÜPF) - nicht statt. Einzelne Autoren
übernehmen die in der Botschaft zur StPO vertretene Ansicht ohne nähere Prüfung
(vgl. etwa Marc JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 9 zu Art. 270 StPO; NIKLAUS SCHMID, Handbuch des
schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, Rz. 1145). Die Beschwerdeführerin
stellt sie jedoch in Frage und verweist darauf, dass in der Botschaft zum
früher geltenden - inhaltlich identischen - Art. 4 BÜPF die gegenteilige
Auffassung geäussert werde (im gleichen Sinn auch THOMAS HANSJAKOB, in:
Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [nachfolgend: Kommentar
StPO], Donatsch und andere [Hrsg.], 2010, N. 10 zu Art. 270 StPO). In der
Botschaft zum
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BÜPF findet sich zwar keine explizite Aussage zu diesem Punkt. Doch ergibt sich
aus den dort ausgeführten Beispielen, dass eine Überwachung von Drittpersonen,
die der Tatverdächtige anruft, ebenfalls zulässig sein soll. So wird erklärt,
eine Überwachung komme auch bei - nicht dem Berufsgeheimnis unterworfenen -
Personen in Betracht, bei denen sich der Beschuldigte melden und mit denen er
sich mit hoher Wahrscheinlichkeit über die Straftat unterhalten werde (vgl.
Botschaft vom 1. Juli 1998 zu den Bundesgesetzen betreffend die Überwachung des
Post- und Fernmeldeverkehrs und über die verdeckte Ermittlung, BBl 1998 4241
ff., 4264). Die frühere Praxis hat (wie in E. 4 bereits erwähnt) die
gleichlautenden Bestimmungen in den Kantonen ebenfalls in diesem weiteren Sinn
verstanden. Die Botschaft zur zuvor im Bereich der Bundesstrafrechtspflege
geltenden Norm (Art. 66 Abs. 1^bis BStP) erwähnt lediglich, dass die
Telefonabhörung gegenüber jedermann gestattet sei, der dem Beschuldigten seinen
Anschluss zur Verfügung stellt, ohne dazu Stellung zu nehmen, ob auch die
Anschlüsse von Personen überwacht werden dürfen, auf die der Beschuldigte
anruft (vgl. den oben, E. 5, zitierten Bericht der Kommission des Nationalrats,
BBl 1976 I 572).

5.2 Über das Dargelegte hinaus hat sich der Gesetzgeber mit der Tragweite von
Art. 270 StPO bzw. seiner inhaltlich identischen Vorgängernormen nicht
vertiefter auseinandergesetzt. Offenkundig stand stets im Vordergrund, die
Überwachung jener Drittanschlüsse zu ermöglichen, die der Beschuldigte selber
wie den eigenen benutzt. Allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass
der Gesetzgeber eine Überwachung jener Telefonapparate, auf die der
Beschuldigte anruft, ausschliessen wollte. Die Gesetzesmaterialien sind denn
auch knapp gehalten und äussern sich nicht zu allen Fragen, welche die
Anwendung des Gesetzes im Einzelfall stellt. Der Gesetzgeber ging
offensichtlich davon aus, dass konkrete Spezialfragen der Auslegung von der
Rechtsprechung zu klären seien. Unter diesen Umständen können auch der
Entstehungsgeschichte von Art. 270 StPO keine schlüssigen Anhaltspunkte für die
umstrittene Auslegungsfrage entnommen werden.

6. Die Möglichkeit, den Post- und Fernmeldeverkehr zu überwachen, wurde
eingeführt, damit eine wirksame Strafverfolgung auch in Zeiten gewährleistet
ist, in denen sich Straftäter zur Vorbereitung und Durchführung ihrer Delikte
moderner Kommunikationsmittel bedienen. Dabei lässt der Gesetzgeber
nötigenfalls auch die Überwachung von Drittanschlüssen zu, da sich andernfalls
mutmassliche
BGE 138 IV 232 S. 238
Kriminelle einer drohenden Überwachung leicht entziehen könnten. Das
Bundesgericht hat in seiner bisherigen Praxis hervorgehoben, die Bestimmungen
über die Überwachung seien so auszulegen, dass diese die ihr zugedachte
Funktion auch tatsächlich erfüllen könne (vgl. BGE 109 Ia 273 E. 8 S. 292). Es
liess deshalb beispielsweise auch eine Überwachung eines Telefonanschlusses zu,
dessen Inhaber sich in Untersuchungshaft befand. Denn es gehe nicht nur darum,
Informationen über strafbares Verhalten zu erlangen, die vom Beschuldigten
selber ausgingen, sondern auch solche, die für ihn bestimmt seien, aber von ihm
wegen Abwesenheit nicht entgegengenommen werden könnten (BGE 125 I 96 E. 2c S.
99 f.). Umgekehrt betont die Rechtsprechung, dass die Überwachung von
Drittpersonen besonders restriktiv zu handhaben sei, weil sie sich regelmässig
auch auf Gespräche von Personen erstrecke, die nicht in das strafbare Verhalten
involviert sind (BGE 109 Ia 273 E. 8 S. 291).

6.1 Die Abhörung von Drittanschlüssen dient dazu, mit Fernmeldegeräten
verbreitete Informationen über Straftaten auch dann zu erlangen, wenn sie nicht
durch Überwachung des Telefonanschlusses des Beschuldigten beschafft werden
können. Im Vordergrund steht die Konstellation, dass der Beschuldigte anstatt
seines Anschlusses denjenigen einer Drittperson benutzt. Art. 270 lit. b StPO
erlaubt in diesem Fall die Überwachung (Ziff. 1), geht jedoch noch weiter und
gestattet sie ebenfalls, wenn der Beschuldigte selber die Fernmeldegeräte gar
nicht benutzt, sondern Dritte damit beauftragt, für ihn Mitteilungen
entgegenzunehmen oder an andere Personen weiterzuleiten (Ziff. 2). Allerdings
ist es auch denkbar, dass der Beschuldigte zwar von einem eigenen Anschluss aus
Gespräche führt, dieser aber - etwa wegen dessen ständigen Wechsels - nicht
ermittelt und daher nicht überwacht werden kann. Informationen über die
Straftat oder den Aufenthaltsort des Täters lassen sich diesfalls nur durch
Überwachung des Drittanschlusses erlangen, auf den der Beschuldigte anruft. Es
rechtfertigt sich, in Anlehnung an die erwähnte frühere Praxis auch eine solche
Benutzung eines Drittanschlusses zum Empfang von Gesprächen mit dem
Beschuldigten unter Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO zu subsumieren. Denn es geht
lediglich darum, Erkenntnisse zu gewinnen, die an sich auch durch Überwachung
des Anschlusses des Beschuldigten erlangt werden könnten, wenn eine solche
technisch möglich wäre. Es sollte jedenfalls nicht zugelassen werden, dass sich
mutmassliche Straftäter durch ständigen Wechsel der verwendeten Geräte einer
Überwachung entziehen können.
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6.2 Der gegen diese Auslegung erhobene Einwand, es werde dadurch die Regelung
von Art. 270 lit. b Ziff. 2 StPO umgangen (Botschaft StPO, BBl 2006 1249; vgl.
auch GOLDSCHMID , a.a.O., S. 177), überzeugt nicht. In der zitierten Norm wird
die Überwachung zugelassen, wenn eine Drittperson eine vom Beschuldigten
stammende Mitteilung mittels Post- oder Fernmeldeverkehr einer anderen Person
weiterleitet. Diesfalls erhält die Drittperson die Mitteilung nicht durch die
Post oder auf dem Weg des Fernmeldeverkehrs, weshalb die Überwachung dieses
ersten Vorgangs nicht möglich ist und diese deshalb bei der Weiterleitung an
eine andere Person zugelassen wird. Die in Art. 270 lit. b Ziff. 2 StPO
vorgesehene Überwachung regelt damit einen anderen Sachverhalt als jener, der
hier zu beurteilen ist. Die Überwachung eines vom Beschuldigten angerufenen
Anschlusses bewirkt auch keinen weiterreichenden Eingriff in die
verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre (Art. 13 BV) der betroffenen
Drittperson als die bereits erwähnten anderen Formen der Überwachung von
Drittanschlüssen. Insbesondere ist zu betonen, dass eine Überwachung nur in
Frage kommt, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der
Beschuldigte die fragliche Drittperson anruft und sich daraus Hinweise auf die
Straftat oder den Aufenthalt des Beschuldigten ergeben (vgl. Hansjakob ,
Kommentar BÜPF/VÜPF, a.a.O., N. 6-9 zu Art. 4 BÜPF). Weiter hat die anordnende
Behörde geeignete Anweisungen zu treffen, damit die mit der Ermittlung
befassten Personen nicht Informationen erlangen, die mit dem Gegenstand der
Untersuchung nicht im Zusammenhang stehen. Diese Pflicht besteht weiterhin,
auch wenn sie nicht mehr - wie zuvor in Art. 4 Abs. 5 BÜPF - ausdrücklich
normiert wird (vgl. HANSJAKOB , Kommentar StPO, a.a.O., N. 8 zu Art. 270 StPO;
NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 7
zu Art. 270).

6.3 Aus diesen Erwägungen erlaubt Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO ebenfalls die
Überwachung von Drittanschlüssen, auf die der Beschuldigte anruft, soweit für
einen solchen Anruf hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Die
Verhältnismässigkeit einer entsprechenden Massnahme bedarf indessen stets der
besonders genauen Prüfung aufgrund der konkreten Verhältnisse (vgl. Art. 197
Abs. 1 lit. c und Abs. 2 StPO). Überdies ist die Abhörung des Drittanschlusses
abzubrechen, sobald der Anschluss, von dem aus der Beschuldigte die Gespräche
führt, bekannt ist und selber überwacht werden kann. Wie die Staatsanwaltschaft
erklärt, sollte dies in der Regel bereits nach kurzer Zeit möglich sein.
BGE 138 IV 232 S. 240

7. Der angefochtene Entscheid beruht demnach auf einer unzutreffenden Auslegung
von Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO und ist aufzuheben. Angesichts des Umstands,
dass das Genehmigungsverfahren möglichst rasch durchzuführen ist (vgl. Art. 274
Abs. 2 StPO) und der massgebliche Sachverhalt feststeht, rechtfertigt es sich,
dass das Bundesgericht von einer Rückweisung an die Vorinstanz absieht und
selber über die Genehmigung entscheidet (Art. 107 Abs. 2 BGG).

8. Die beantragte Überwachungsmassnahme bildet Teil einer grösseren
polizeilichen Operation. Die bisherigen Ermittlungen erlaubten nicht, den als
Schlüsselfigur agierenden Beschuldigten festzunehmen. Um seinen Aufenthalt zu
erkunden, hat die Staatsanwaltschaft am 14. September 2012 die Überwachung des
Telefonanschlusses seiner Freundin angeordnet.
Wie bereits die Vorinstanz festhält, ist der dringende Verdacht gemäss Art. 269
Abs. 1 lit. a StPO gegeben, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat,
die im Katalog von Art. 269 Abs. 2 StPO figuriert und eine Überwachung
grundsätzlich rechtfertigt. Die Staatsanwaltschaft legt überdies dar, dass die
bekannten Rufnummern des Beschuldigten nicht mehr in Betrieb sind und deshalb
kein auf seinen Namen lautender Anschluss abgehört werden kann. Die Überwachung
des Anschlusses seiner Freundin erscheint daher als einziges Mittel, um
Aufschluss über den Aufenthalt des Beschuldigten zu erlangen. Es bestehen
aufgrund der engen persönlichen Beziehung zu ihr genügende Anhaltspunkte, dass
der Beschuldigte auf ihren Anschluss anrufen wird und sich aus den Gesprächen
Hinweise auf seinen Aufenthaltsort ergeben, welche zu seiner Verhaftung führen
können. Aus den bei den Akten liegenden früheren Abhörprotokollen geht hervor,
dass die Freundin bei der Planung und Durchführung der Reisen des Beschuldigten
eine aktive Rolle zu übernehmen pflegt und sich die beiden über Einzelheiten am
Telefon unterhalten. Schliesslich hat die Staatsanwaltschaft besondere
Schutzvorkehrungen angeordnet. Sämtliche Gespräche, an denen der Beschuldigte
nicht beteiligt ist, dürfen weder aufgezeichnet noch an die ermittelnden
Personen weitergeleitet werden.
Unter diesen Umständen sind die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllt, nach
denen gemäss Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO ein Drittanschluss überwacht werden
darf. Die angeordnete Überwachung des genannten Anschlusses ist daher zu
genehmigen.