Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 IV 197



Zurück zur Einstiegsseite Drucken

Urteilskopf

138 IV 197

29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Y. GmbH und Staatsanwaltschaft Basel- Landschaft (Beschwerde in Strafsachen)
1B_704/2011 vom 11. Juli 2012

Regeste

Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO; Parteientschädigung nach Einstellung des
Strafverfahrens.
Der Entschädigungsanspruch nach Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO setzt voraus, dass
sowohl der Beizug eines Anwalts als auch der von diesem betriebene Aufwand
angemessen sind (E. 2.3.4).
Der vom Verteidiger betriebene Aufwand hat sich in aus juristischer Sicht
einfachen Fällen auf ein Minimum zu beschränken; allenfalls muss es bei einer
einfachen Konsultation sein Bewenden haben. Nur in Ausnahmefällen jedoch wird
bei Verbrechen und Vergehen schon der Beizug eines Anwalts an sich als nicht
angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden können (E. 2.3.5).

Sachverhalt ab Seite 198

BGE 138 IV 197 S. 198

A. Am 23. März 2011 erstattete die Y. GmbH gegen X. Strafanzeige wegen
Sachbeschädigung. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft eröffnete ein
Strafverfahren, stellte dieses jedoch mit Verfügung vom 11. August 2011 wieder
ein. Zur Begründung führte sie aus, X. werde vorgeworfen, am 23. März 2011 um
16.15 Uhr an der A.strasse in Binningen den dort geparkten Personenwagen der Y.
GmbH an der Heckklappe mit einer Plastikauszugsleine zerkratzt zu haben. Dabei
sei ein Sachschaden in der Höhe von Fr. 1'142.30 (zzgl. 8 % MwSt) entstanden.
Zum erwähnten Zeitpunkt sei X. von einem Spaziergang nach Hause gekommen, wobei
er einen Hund an einer Plastikauszugsleine geführt habe. Er sei am Heck des
Personenwagens vorbeigegangen. Auf dessen Führersitz sei ein Angestellter der
Y. GmbH gesessen und habe einen Arbeitsrapport ausgefüllt. Der Angestellte habe
später ausgesagt, er habe ein metallisches Geräusch wahrgenommen, jedoch nichts
gesehen und sei erst rund zwei, drei Minuten später ausgestiegen. Er habe an
der Hecktüre einen Schaden bemerkt, von dem er angenommen habe, er stamme von
X. Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, da der Beschuldigte den Vorwurf
bestreite und dieser ihm nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden
könne, sei das Verfahren einzustellen. Die Verfahrenskosten seien auf die
Staatskasse zu nehmen (Ziff. 3 der Verfügung) und der beschuldigten Person sei
keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten (Ziff. 4 der Verfügung).
BGE 138 IV 197 S. 199
Am 22. August 2011 erhob X. Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft und
beantragte, es sei Ziff. 4 der Einstellungsverfügung aufzuheben und es sei ihm
eine Entschädigung von Fr. 2'880.45 auszurichten. Mit Beschluss vom 1. November
2011 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.

B. Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 13. Dezember 2011
beantragt X., der Beschluss des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Es sei ihm für
das Verfahren vor der Staatsanwaltschaft eine Entschädigung von Fr. 2'880.45
und für das Verfahren vor dem Kantonsgericht eine solche von Fr. 2'000.-
auszurichten. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurück.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Das Kantonsgericht führte aus, der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch
auf eine Entschädigung im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO (SR 312.0).
Weder erweise sich der Sachverhalt als komplex noch seien persönliche
Verhältnisse ersichtlich, welche den Beizug eines Anwalts gebieten würden. Dies
zeige sich auch an der geringen Schadenshöhe. Es sei davon auszugehen, dass
sich eine erwachsene Person gegen den Tatvorwurf, wie er hier erhoben worden
sei, in der Regel selber hinreichend zu verteidigen wisse. Wenn der
Beschwerdeführer behaupte, er habe zu Beginn des Verfahrens nicht einmal
gewusst, was ihm konkret vorgeworfen werde, so könne dem nicht gefolgt werden.
In der Einvernahme vom 29. März 2011, zu der er noch ohne anwaltliche
Vertretung erschienen sei, habe er vielmehr gesagt, er wisse, weshalb er
vorgeladen worden sei. Es werde ihm vorgeworfen, er habe einen Personenwagen
zerkratzt.

2.2 Der Beschwerdeführer erblickt im Beschluss des Kantonsgerichts eine
Verletzung von Art. 429 Abs. 1 StPO, von Art. 9 und Art. 32 Abs. 1 BV sowie von
Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK. Es sei jeder beschuldigten Person zuzugestehen,
nach Einleitung einer Strafuntersuchung, die ein Verbrechen oder ein Vergehen
zum Gegenstand habe und welche nach einer ersten Einvernahme nicht eingestellt,
sondern weitergeführt werde, einen Anwalt beizuziehen. Er sei der
Sachbeschädigung, also eines Vergehens, beschuldigt worden. Zu diesem Vorwurf
sei er anlässlich der ersten Einvernahme vom 29. März
BGE 138 IV 197 S. 200
2011 von der Polizei Basel-Landschaft befragt worden, jedoch nur als
Auskunftsperson. Erst als die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft am 13. April
2011 die Eröffnung des Vorverfahrens verfügte, habe er sich gezwungen gesehen,
einen Anwalt zu beauftragen. Nach der Eröffnung des Vorverfahrens habe am 27.
April 2011 die Befragung einer Auskunftsperson und am 9. Juni 2011 erneut eine
Einvernahme von ihm selber stattgefunden. Sein Anwalt habe an beiden
Einvernahmen teilgenommen und vom Fragerecht Gebrauch gemacht. Erst am 11.
August 2011, nach insgesamt drei Einvernahmen, sei das Verfahren gegen ihn
eingestellt worden.

2.3

2.3.1 Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird
das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a
StPO Anspruch auf Einschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung
ihrer Verfahrensrechte. Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Mandatierung
eines Anwalts als angemessene Ausübung der Verfahrensrechte qualifiziert werden
kann.
Laut der Botschaft des Bundesrats setzt Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO die
Rechtsprechung um, wonach der Staat die entsprechenden Kosten nur übernimmt,
wenn der Beistand angesichts der tatsächlichen oder der rechtlichen Komplexität
notwendig war und wenn der Arbeitsaufwand und somit das Honorar des Anwalts
gerechtfertigt waren (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des
Strafprozessrechts, BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Dieser Hinweis in der
bundesrätlichen Botschaft ist für die Interpretation von Art. 429 Abs. 1 lit. a
StPO insofern wenig hilfreich, als sich das Bundesgericht in seiner bisherigen
Rechtsprechung zur Frage der Entschädigung zum einen im Wesentlichen auf eine
Willkürprüfung der Anwendung von kantonalem Strafprozessrecht beschränkte und
zum andern die kantonalen Regelungen durchaus nicht identisch waren, wie sich
anhand folgender Beispiele aufzeigen lässt: Nach § 43 Abs. 2 der
Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH; LS 321) hatte
ein Angeschuldigter, dem wesentliche Kosten und Umtriebe entstanden sind,
Anspruch auf Entschädigung. Das Bundesgericht hielt dazu fest, die Zürcher
Praxis, wonach Kosten der privaten Verteidigung in Übertretungsstrafsachen nur
dann als "wesentliche Kosten und Umtriebe" im Sinne von § 43 Abs. 2 StPO/ZH zu
qualifizieren sind, wenn tatsächliche oder rechtliche
BGE 138 IV 197 S. 201
Schwierigkeiten den Beizug eines Anwaltes als sachlich geboten erscheinen
lassen, sei nicht schlechterdings unhaltbar bzw. willkürlich (Urteil 1P.482/
1996 vom 11. November 1996 E. 1c). Andere kantonale Strafprozessordnungen
regelten den Anspruch auf Entschädigung in Form einer Kann-Bestimmung (so etwa
das Gesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Juni 1999 betreffend die
Strafprozessordnung [StPO/BL; SGS 251] in § 33 Abs. 1: "Wird die angeschuldigte
Person freigesprochen, wird das Verfahren eingestellt oder wird ihm keine Folge
gegeben, kann ihr die mit der Beendigung des Verfahrens befasste Behörde auf
Antrag eine angemessene Entschädigung für ungerechtfertigte Haft, für
Anwaltskosten sowie für anderweitige Nachteile zusprechen."). Zum früheren
sankt-gallischen Recht führt OBERHOLZER aus, dass ein Anspruch auf Ersatz der
Vertretungskosten unabhängig davon gewährleistet gewesen sei, ob der Beizug
eines Verteidigers im Untersuchungs- oder Gerichtsverfahren aufgrund der
tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten notwendig war oder nicht (NIKLAUS
OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, Rz. 1839).
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO, der mit Inkrafttreten der Schweizerischen
Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 die kantonalen Entschädigungsregelungen
ablöste, wurde in den parlamentarischen Beratungen diskussionslos angenommen
(AB 2006 S 1059; AB 2007 N 1032). Insgesamt ist deshalb festzuhalten, dass die
Materialien der Gesetzgebung nur in beschränktem Masse Anhaltspunkte für die
Auslegung bieten. Von einer Rechtsprechung, an die eins zu eins angeknüpft
werden könnte, kann nach dem Gesagten kaum die Rede sein. Immerhin geht aus der
Botschaft hervor, dass nach Ansicht des Bundesrats die tatsächliche und
rechtliche Komplexität des Falls eine Rolle spielen soll.

2.3.2 Eine Durchsicht der Fachliteratur ergibt folgendes Bild: KÜNG, RIKLIN und
SCHMID verweisen im Wesentlichen auf die in der Botschaft dargelegte
Interpretation (HANSPETER KÜNG, in: Kommentierte Textausgabe zur
schweizerischen Strafprozessordnung [StPO] vom 5. Oktober 2007, Peter
Goldschmied und andere [Hrsg.], 2008, Art. 429 StPO; FRANZ RIKLIN,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2010, N. 3 zu Art. 429 StPO; NIKLAUS
SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, 2009, N. 7 zu Art. 429 StPO).
GRIESSER geht ebenfalls vom Ansatz der Botschaft aus und fügt bei, nach
heutigem Verständnis werde man - abgesehen von Bagatellfällen - jeder
beschuldigten Person zubilligen, dass sie nach Einleitung einer
BGE 138 IV 197 S. 202
Strafuntersuchung, die Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand habe und die
nach einer ersten Einvernahme nicht eingestellt worden sei, einen Anwalt
beiziehe. Diese Grundsätze sollten zudem auch für Übertretungen gelten
(jedenfalls wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren komme), wobei die Frage
der Angemessenheit nach der Schwere der Anschuldigung in persönlicher und
sachlicher Hinsicht zu beurteilen sei (YVONA GRIESSER, in: Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 4 zu Art. 429 StPO).
Ähnlich ist die Auffassung von MIZEL und RÉTORNAZ, wonach sich die anwaltliche
Vertretung bei Verbrechen und Vergehen prinzipiell und bei Übertretungen dann
rechtfertigt, wenn für den Beschuldigten einiges auf dem Spiel steht (MIZEL/
RÉTORNAZ, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 31
zu Art. 429 StPO). Nach WEHRENBERG und BERNHARD ist es ebenfalls
gerechtfertigt, jedem Beschuldigten zuzugestehen, nach Einleitung einer
Strafuntersuchung, die ein Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand hat und die
nach einer ersten Einvernahme nicht eingestellt, sondern weitergeführt wird,
einen Anwalt beizuziehen. Da es immer schwieriger und gleichzeitig immer
wichtiger werde, nicht nur das Gesetz, sondern auch die Rechtsprechung dazu zu
kennen und dies in der Regel einem Laien nicht zugemutet werden könne, könne
von diesem auch nicht verlangt werden, sich selbst zu verteidigen. Vielmehr sei
es in Nachachtung des Anspruchs auf Waffengleichheit der beschuldigten Person
zu ermöglichen, einen Verteidiger beizuziehen. Ausserdem könne zu Beginn eines
Verfahrens nur schwer abgeschätzt werden, ob Komplikationen entstehen werden.
Für eine wirksame Verteidigung sei es zudem in der Regel wesentlich, möglichst
früh im Verfahren damit beginnen zu können (WEHRENBERG/BERNHARD, in: Basler
Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 14 zu Art. 429 StPO).

2.3.3 Der Anspruch aus Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO ist von der notwendigen und
der amtlichen Verteidigung abzugrenzen. Ein Anspruch auf Entschädigung für
Verteidigungskosten im Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs
gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO besteht nicht nur in den Fällen der
notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 130 StPO. Ein Anspruch besteht auch
nicht nur in den Fällen, in denen bei Mittellosigkeit der beschuldigten Person
gestützt auf Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO eine amtliche Verteidigung hätte
angeordnet werden müssen, weil dies zur Wahrung der Interessen der
beschuldigten Person geboten gewesen wäre. Der
BGE 138 IV 197 S. 203
Beizug eines Wahlverteidigers kann sich mit anderen Worten als angemessene
Ausübung der Verfahrensrechte erweisen, auch wenn er nicht als geradezu geboten
erscheint.

2.3.4 Die Botschaft weist auf zwei kumulative Voraussetzungen hin: Sowohl der
Beizug eines Verteidigers als auch der von diesem betriebene Aufwand müssen
sich als angemessen erweisen (BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Diese
Differenzierung kommt zwar im Wortlaut von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO, wo
global von "angemessener Ausübung ihrer Verfahrensrechte" die Rede ist, nicht
direkt zum Ausdruck; sie steht indessen im Einklang mit der herrschenden Lehre
und der Praxis zum früheren Recht. Daran ist weiterhin festzuhalten. Es ist
somit nicht auszuschliessen, dass im Einzelfall schon der Beizug eines Anwalts
an sich als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden
könnte.

2.3.5 Die in der Literatur erkennbare Stossrichtung, einem Beschuldigten in der
Regel den Beizug eines Anwalts zuzubilligen, jedenfalls von einer bestimmten
Schwere des Deliktsvorwurfs an, erscheint sachlich gerechtfertigt. Es darf
nicht vergessen werden, dass es im Rahmen von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO um
die Verteidigung einer vom Staat zu Unrecht beschuldigten und gegen ihren
Willen in ein Strafverfahren einbezogenen Person geht (hat die beschuldigte
Person die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt, so
kann die Entschädigung gemäss Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO trotz vermuteter
Unschuld herabgesetzt oder verweigert werden). Das materielle Strafrecht und
das Strafprozessrecht sind zudem komplex und stellen insbesondere für Personen,
die das Prozessieren nicht gewohnt sind, eine Belastung und grosse
Herausforderung dar. Wer sich selbst verteidigt, dürfte deshalb prinzipiell
schlechter gestellt sein. Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der Schwere
des Deliktsvorwurfs. Auch bei blossen Übertretungen darf deshalb nicht generell
davon ausgegangen werden, dass die beschuldigte Person ihre Verteidigerkosten
als Ausfluss einer Art von Sozialpflichtigkeit selbst zu tragen hat. Im Übrigen
sind beim Entscheid über die Angemessenheit des Beizugs eines Anwalts neben der
Schwere des Tatvorwurfs und der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des
Falls insbesondere auch die Dauer des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf
die persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu
berücksichtigen.
Was die Angemessenheit des vom Anwalt betriebenen Aufwands betrifft, so wird
sich dieser in aus juristischer Sicht einfachen Fällen
BGE 138 IV 197 S. 204
auf ein Minimum beschränken; allenfalls muss es gar bei einer einfachen
Konsultation sein Bewenden haben. Nur in Ausnahmefällen wird bei Verbrechen und
Vergehen schon der Beizug eines Anwalts an sich als nicht angemessene Ausübung
der Verfahrensrechte bezeichnet werden können. Diesbezüglich sei auf den in der
Literatur erwähnten Fall hingewiesen, wo das Verfahren bereits nach einer
ersten Einvernahme eingestellt wird. Wann konkret von einem derartigen
Ausnahmefall auszugehen ist, braucht indessen vorliegend nicht abschliessend
erörtert zu werden.

2.3.6 Die Frage, ob der Beizug eines Verteidigers und der von diesem betriebene
Aufwand eine angemessene Ausübung der Verfahrensrechte darstellen, ist
bundesrechtlicher Natur. Das Bundesgericht prüft deren Beantwortung und mithin
die Auslegung von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO frei. Es auferlegt sich indessen
eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der vorinstanzlichen Einschätzung,
insbesondere hinsichtlich der Frage, welcher Aufwand des Verteidigers im
konkreten Fall noch als angemessen zu bezeichnen ist.

2.3.7 Aus den Akten ergeben sich folgende Eckdaten: Am 29. März 2011 wurde der
Beschwerdeführer von der Polizei als Auskunftsperson einvernommen. Am 13. April
2011 eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung
(Art. 144 Abs. 1 StGB). Dabei handelt es sich um ein Vergehen (Art. 10 Abs. 3
StGB). Auch wenn der konkrete Vorwurf persönlich und materiell am unteren Rand
der Schwelle liegt, die den Beizug eines Anwalts rechtfertigen kann, wurde das
Verfahren von den Strafverfolgungsbehörden doch mit einiger Hartnäckigkeit
weiterverfolgt. Mit Schreiben vom 19. April 2011 teilte der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers der Staatsanwaltschaft mit, von diesem mit der Wahrung seiner
Interessen beauftragt worden zu sein. Am 27. April 2011 wurde der Angestellte
der Y. GmbH in Anwesenheit des Verteidigers des Beschwerdeführers als
Auskunftsperson befragt. Am 7. Juni 2011 wurde der Beschwerdeführer erneut
einvernommen, diesmal von der Staatsanwaltschaft und als beschuldigte Person.
Zunächst erfolgte die Einvernahme zur Sache, bei welcher der Verteidiger des
Beschwerdeführers anwesend war. Im Anschluss wurde der Beschwerdeführer noch zu
seiner Person befragt, wobei der Verteidiger diesem Teil nicht mehr beiwohnte.
Das Strafverfahren wurde am 11. August 2011 eingestellt.
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen gebietet Art. 429 Abs. 1 lit. a
StPO in einer solchen Situation, dass dem
BGE 138 IV 197 S. 205
Beschwerdeführer eine Entschädigung zugesprochen wird. Die Rüge des
Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe diese Bestimmung verletzt, erweist sich
deshalb als begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, und es kann
offenbleiben, wie es sich mit den weiteren erwähnten Rügen verhält.