Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 IV 130



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Urteilskopf

138 IV 130

19. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen X. und Mitb. (Beschwerde in
Strafsachen)
6B_571/2011 vom 24. Mai 2012

Regeste

Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung (inhaltlich unwahre Rechnungen).
Bestätigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Falschbeurkundung (E.
2.1 und 2.2).
Im Verhältnis zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger sind
Rechnungen nur unter besonderen Umständen Urkunden, da sie in der Regel blosse
Behauptungen des Ausstellers über die vom Empfänger geschuldete Leistung
enthalten (E. 2.4.2).
Der Rechnungsaussteller kann sich der Falschbeurkundung strafbar machen, wenn
die inhaltlich unwahre Rechnung nicht nur Rechnungsfunktion hat, sondern
objektiv und subjektiv in erster Linie als Beleg für die Buchhaltung der
Rechnungsempfängerin bestimmt ist, die damit verfälscht wird. Eine objektive
Zweckbestimmung als Buchhaltungsbeleg muss angenommen werden, wenn der
Rechnungsaussteller mit der buchführungspflichtigen Rechnungsempfängerin bzw.
deren Organen oder Angestellten zusammenwirkt und auf deren Geheiss oder
Anregung hin oder mit deren Zustimmung eine inhaltlich unwahre Rechnung
erstellt, die als Buchhaltungsbeleg dient (E. 2.4.3 und 3.1). In subjektiver
Hinsicht muss der Rechnungsaussteller zumindest für möglich halten und in Kauf
nehmen, dass die abgeänderte Rechnung als Beleg für die Buchhaltung der
Rechnungsempfängerin bestimmt ist und die Buchhaltung damit verfälscht werden
soll (E. 3.2.1-3.2.3). Die Bereicherungsabsicht ist zu bejahen, wenn der
Rechnungsaussteller in der Absicht handelt, der Rechnungsempfängerin oder deren
Organen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen (E. 3.2.4).

Sachverhalt ab Seite 131

BGE 138 IV 130 S. 131

A. F. war Geschäftsführer und Finanzverantwortlicher der G. AG, deren
Gesellschaftszweck in der Projektierung, Planung und Ausführung von
Industriebauten bestand. A., B., C., D. und E. erstellten auf Anregung von F.
in den Jahren 1998 und 1999 falsche Rechnungen für Lieferungen und Bau- bzw.
Handwerksarbeiten, die in Wahrheit zugunsten der Privatliegenschaft von F.
erfolgten. Die Rechnungen wurden zu Unrecht an die G. AG adressiert. Sie waren
inhaltlich unwahr, da darin anstelle der tatsächlich (an die Privatadresse von
F.) gelieferten Gegenstände andere Artikel aufgeführt wurden (beispielsweise
"Werkzeuge" anstatt "Besteck" oder "Ergänzung Werkstatteinrichtung" für die
Lieferung eines Briefkastens und eines Schlauchwagens für das Einfamilienhaus
von F.). Objekt der Bau- bzw. Handwerksarbeiten waren jeweils nicht die in den
BGE 138 IV 130 S. 132
Rechnungen erwähnten Projekte "H.", "I.", "J." bzw. "K. AG" der G. AG, sondern
das Einfamilienhaus von F. Zudem wurden in den Rechnungen teilweise andere als
die tatsächlich ausgeführten Arbeiten aufgeführt (beispielsweise
"Stahlkonstruktion streichen" anstatt "allgemeine Malerarbeiten"). F. erfasste
die in Rechnung gestellten Beträge in der Buchhaltung der G. AG als
erfolgswirksame Aufwände, wobei er den Verbuchungen die inhaltlich unwahren
Rechnungen als Belege zugrunde legte, dies in der Absicht, sich einen
unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, da er die Ausgaben nicht persönlich
bezahlen musste. A., B., C., D. und E. erstellten die Rechnungen jeweils mit
dem von F. verlangten unwahren Wortlaut. Sie leisteten dessen Aufforderung
Folge, da sie künftige Aufträge von diesem und der G. AG nicht verlieren
wollten.

B. Mit Urteil vom 29. April 2010 erkannte das Amtsgericht Olten-Gösgen D. und
C. der Urkundenfälschung und A., B. sowie E. der mehrfachen Urkundenfälschung
schuldig. Vom Vorwurf der Gehilfenschaft zum Steuerbetrug sprach es sie frei.
Es verurteilte sie je zu bedingten Geldstrafen zwischen 10 und 60 Tagessätzen.
Auf Beschwerden von A., B., C., D. und E. hin sprach das Obergericht des
Kantons Solothurn diese am 29. Juni 2011 von der angeklagten einfachen bzw.
mehrfachen Urkundenfälschung frei. Der erstinstanzliche Freispruch vom Vorwurf
der Gehilfenschaft zum Steuerbetrug erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

C. Die Staatsanwaltschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts vom 29. Juni 2011 aufzuheben und die Sache zur
Verurteilung wegen (mehrfacher) Urkundenfälschung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

D. Das Obergericht und die Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der
Beschwerde.

E. Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit am
24. Mai 2012 an einer öffentlichen Sitzung beraten und die Beschwerde
gutgeheissen.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 251 Ziff. 1 StGB.

1.1 Die Vorinstanz führt aus, die Rechnungen seien insofern falsch gewesen, als
die von den Beschwerdegegnern tatsächlich
BGE 138 IV 130 S. 133
erbrachten Leistungen falschen Projekten zugeordnet worden seien. Gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellten Rechnungen für sich allein keine
Urkunden dar. Sie hätten bei der G. AG im Rahmen eines schriftlichen
Kontrollsystems zu einer zusammengesetzten Urkunde werden können. Dass dies der
Fall war, sei nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Ein Schuldspruch würde
zudem am Anklagegrundsatz scheitern, da den Beschwerdegegnern in der Anklage
nicht vorgehalten werde, es sei zu zusammengesetzten Urkunden gekommen. Auch
wenn sich der Gedanke an eine mögliche Manipulation der Buchhaltung durch F.
aufgedrängt habe, hätten die Beschwerdegegner nicht gewusst, ob dies auch
geschehen würde. Sie seien teilweise von internen Verrechnungen zwischen F. und
der G. AG ausgegangen, eine Möglichkeit, die nicht von der Hand zu weisen sei.
Im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnungen sei deren Verwendung für die
Buchhaltung noch offen und auch später im alleinigen Entscheidbereich von F.
gewesen. Den Beschwerdegegnern könne auch nicht nachgewiesen werden, sie hätten
mit den falschen Rechnungen in erster Linie die Buchhaltung der G. AG fälschen
wollen. Die Rechnungen stellten schriftliche Lügen dar, welchen (für sich
allein) keine Beweiseignung zukomme.

1.2 Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, bei den inhaltlich unwahren
Rechnungen habe es sich um Buchhaltungsbelege gehandelt, da sie Eingang in die
Buchhaltung der G. AG gefunden hätten und klarerweise dazu bestimmt gewesen
seien. Buchhaltungsbelege seien als Urkunden zu qualifizieren, weil ihnen
aufgrund von Art. 957 OR erhöhte Glaubwürdigkeit zukomme.
Wenn eine Privatperson einer Aktiengesellschaft eine Rechnung stelle, müsse
einer im Geschäftsleben tätigen Person klar sein, dass die Rechnung als
Buchhaltungsbeleg diene. Alle Beschwerdegegner seien sich offensichtlich
bewusst gewesen, dass ihre Rechnungen für die Buchhaltung bestimmt gewesen
seien und mit den inhaltlich unwahren Rechnungen ein falscher Buchhaltungsbeleg
erstellt werden sollte. Dies sei der Grund für die verlangte Änderung des
Rechnungstextes durch F. gewesen. Nicht weiter führe die Erwägung der
Vorinstanz, die Beschwerdegegner hätten nicht gewusst, ob F. die Buchhaltung
der G. AG auch manipuliere. Eventualvorsatz reiche aus. Ein solcher sei
vorliegend naheliegend. Auch hätten die Rechnungen tatsächlich Eingang in die
Buchhaltung gefunden. Einem Buchhaltungsbeleg komme gemäss BGE 129 IV 130 nicht
erst mit der Verbuchung Urkundencharakter zu.
BGE 138 IV 130 S. 134
Anders als in BGE 131 IV 125 sowie in den Urteilen 6B_421/2008 vom 21. August
2009 und 6B_1019/2009 vom 11. März 2010 gehe es vorliegend nicht um
zusammengesetzte Urkunden. Rechnungsaussteller und Rechnungsadressat seien
Mittäter. Eine Beglaubigung der Richtigkeit der Rechnung mittels eines Visums
oder einer Kontierung erübrige sich daher. Eine Rechnung werde nicht erst zur
Urkunde, wenn sie einen Kontierungsstempel trage oder visiert worden sei. Art.
957 ff. OR würden dies nicht vorschreiben.

2.

2.1 Den Tatbestand der Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 StGB erfüllt,
wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen
oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen (Abs.
1), eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte
Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder
eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt
(Abs. 2) oder eine Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht (Abs. 3).
Urkunden sind u.a. Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von
rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Abs. 4 StGB). Die Tatbestände des
Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer
Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird (BGE 137 IV 167 E. 2.3.1
mit Hinweisen).
Die Urkundenfälschung im engeren Sinne erfasst das Herstellen einer unechten
Urkunde, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Urheber
nicht identisch ist. Demgegenüber betrifft die Falschbeurkundung die Errichtung
einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der der wirkliche und der in der
Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Die Falschbeurkundung
erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche wird nur
angenommen, wenn dem Schriftstück eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der
Adressat ihm daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Das ist der Fall,
wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber
Dritten gewährleisten, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher
festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit
irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch
zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die
entsprechenden Angaben verlässt (BGE 132 IV 12 E. 8.1; BGE 131 IV 125 E. 4.1;
BGE 129 IV 130 E. 2.1; je mit Hinweisen).
BGE 138 IV 130 S. 135

2.2

2.2.1 Der Urkundencharakter eines Schriftstücks ist relativ. Es kann mit Bezug
auf bestimmte Aspekte Urkundenqualität haben, hinsichtlich anderer
Gesichtspunkte nicht. Nach der Gerichtspraxis kann sich unmittelbar aus dem
Gesetz oder aus der Verkehrsübung bzw. dem Sinn oder der Art des Schriftstücks
ergeben, ob dieses zum Beweis einer bestimmten Tatsache bestimmt und geeignet
ist (BGE 129 IV 130 E. 2.2).
Rechnungen sind nach ständiger Rechtsprechung in der Regel keine Urkunden (BGE
131 IV 125 E. 4.2; BGE 121 IV 131 E. 2c; BGE 117 IV 35; BGE 88 IV 33). Eine
erhöhte Glaubwürdigkeit und damit eine Urkundenqualität von Rechnungen kann
sich ausnahmsweise aus dem konkreten Verwendungszweck ergeben. Die
Rechtsprechung bejaht dies, wenn Rechnungen im Zollverkehr als Beleg für die
Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung verwendet werden (BGE 96 IV 150 E.
2a; Urteil 1A.253/2002 vom 28. Januar 2003 E. 2.2). Eine Urkunde liegt zudem
vor, wenn dem Aussteller eine garantenähnliche Stellung zukommt bzw. wenn
dieser in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Empfänger steht. Dies wurde
etwa bezüglich eines Arztes gegenüber der Krankenkasse angenommen (BGE 103 IV
178 E. IV).
Eine garantenähnliche Stellung hat nach der Rechtsprechung auch der bauleitende
Architekt, der die Pflicht zur ordnungsgemässen Prüfung der Schlussabrechnung
übernommen hat. Die von diesem visierte und als richtig bestätigte
Unternehmerrechnung ist eine Urkunde (BGE 119 IV 54 E. 2). Gleiches gilt, wenn
Rechnungen im Rahmen eines hierfür beim Rechnungsempfänger vorgesehenen
Rechnungskontrollverfahrens nach einer materiellen Prüfung mit einem
Prüfungsvermerk versehen werden (BGE 131 IV 125 E. 4.5; Urteil 6B_916/2008 vom
21. August 2009 E. 9, nicht publ. in: BGE 135 IV 198). Der schriftlich als
richtig bescheinigten Rechnung kommt nach der Rechtsprechung als sogenannte
zusammengesetzte Urkunde erhöhte Glaubwürdigkeit zu (BGE 131 IV 125 E. 4.2;
Urteil 6B_916/2008 vom 21. August 2009 E. 9.5 und 9.6).
Unabhängig davon werden Rechnungen zu Urkunden, wenn sie als Buchhaltungsbelege
Eingang in die kaufmännische Buchhaltung finden. Die kaufmännische Buchführung
und ihre Bestandteile (Belege, Bücher, Buchhaltungsauszüge über Einzelkonten,
Bilanzen oder Erfolgsrechnungen) sind kraft Gesetzes (Art. 957 OR) bestimmt und
BGE 138 IV 130 S. 136
geeignet, Tatsachen von rechtlich erheblicher Bedeutung zu beweisen. Für den
Urkundencharakter spielt der mit der Buchführung verfolgte Zweck keine Rolle (
BGE 132 IV 12 E. 8.1; BGE 129 IV 130 E. 2.2 mit Hinweisen). Ist ein
Schriftstück bereits bei der Erstellung objektiv und subjektiv dazu bestimmt,
Bestandteil der kaufmännischen Buchführung zu sein, kommt ihm nicht erst mit
der Verbuchung der darin enthaltenen Angaben, sondern bereits mit dessen
Ausfertigung Urkundencharakter zu (BGE 129 IV 130 E. 3.2 und 3.3 betreffend
einen zurückdatierten Kaufvertrag sowie eine Kaufrechtsvereinbarung).

2.2.2 Die Beschwerdeführerin weist zutreffend drauf hin, dass die von der
Rechtsprechung entwickelten Kriterien nicht kumulativ zur Anwendung gelangen.
Dient die Rechnung als Beleg für die kaufmännische Buchhaltung, liegt eine
Urkunde auch vor, wenn deren Aussteller keine garantenähnliche Stellung
innehatte. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Buchhaltungsbeleg vorgängig
im Rahmen eines schriftlichen Kontrollverfahrens als richtig visiert wurde. Ein
solcher Prüfungsvermerk ist nicht zwingend. Fehl geht der Hinweis der
Vorinstanz auf das Anklageprinzip. Dass die Anklageschrift nicht von einer
zusammengesetzten Urkunde ausgeht, steht einem Schuldspruch nicht entgegen.

2.3 Eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1
StGB setzt eine Tathandlung voraus, sei es, dass der Täter die inhaltlich
unwahre Rechnung als Urkunde erstellt, dass er diese schriftlich als richtig
bescheinigt (womit sie zur zusammengesetzten Urkunde wird) oder dass er sie als
Beleg für die Jahresrechnung oder anderweitig im Verkehr mit Dritten als
Schriftstück mit erhöhter Glaubwürdigkeit verwendet.
Ist die Rechnung objektiv und subjektiv als Beleg für die kaufmännische
Buchhaltung bestimmt, verfasst der Täter mit der inhaltlich unwahren Rechnung
auch einen inhaltlich unwahren Buchhaltungsbeleg (BGE 118 IV 35 E. 3b/cc; BGE
115 IV 225 E. 2e; vgl. oben E. 2.2.1). Eine Urkundenfälschung begeht
namentlich, wer als (Mit-)Verantwortlicher für die Buchhaltung der
rechnungsstellenden Gesellschaft eine inhaltlich unwahre Rechnung erstellt, die
als Bestandteil der eigenen Buchhaltung erscheint (BGE 118 IV 35 E. 3; BGE 117
IV 35 E. 2c; BGE 115 IV 225 E. 2; vgl. auch STRATENWERTH/BOMMER,
Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. II, 6. Aufl. 2008, N. 41 S.
169). Darüber hinaus wurde eine Zweckbestimmung von Rechnungen als
BGE 138 IV 130 S. 137
Buchhaltungsbelege in der bisherigen Rechtsprechung nur mit Zurückhaltung
angenommen. Dass die inhaltlich unwahre Rechnung später Eingang in die
Buchhaltung des Rechnungsempfängers (BGE 131 IV 125 E. 4.2; Urteil 6B_421/2008
vom 21. August 2009 E. 5.4 und 5.5) oder eines Dritten (vgl. BGE 117 IV 35)
fand, war für eine Verurteilung des Ausstellers wegen Urkundenfälschung nicht
ausreichend, auch nicht, wenn sowohl der Rechnungsaussteller als auch der
Rechnungsempfänger bzw. die bei diesem für die Prüfung der Rechnung
verantwortliche Person wussten, dass die Rechnung falsch war. In Betracht kam
höchstens eine Gehilfenschaft zur Urkundenfälschung (vgl. Urteile 6B_421/2008
vom 21. August 2009 E. 5.6; 6B_1019/2009 vom 11. März 2010 E. 2.4). Diese setzt
nach dem Grundsatz der Akzessorietät eine Haupttat voraus (BGE 130 IV 131 E.
2.4 mit Hinweis), welche tatbestandsmässig, rechtswidrig und zumindest ein
strafbarer Versuch sein muss (Urteil 6B_808/2010 vom 17. Mai 2011 E. 4.2 mit
Hinweisen).

2.4

2.4.1 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Urkundenfälschung wurde im
Schrifttum verschiedentlich kritisiert. Für eine weitere Auslegung des
Tatbestands der Urkundenfälschung sprach sich namentlich NIKLAUS SCHMID aus,
der die Beweiseignung von Rechnungen bejaht, wenn diese beim Aussteller oder
Empfänger als Buchhaltungsbelege Bestandteil der Buchhaltung werden. Massgebend
ist nach SCHMID, ob der Aussteller der Rechnung mit dem Wissen handelt, dass
diese im Rahmen einer Buchführung Beweisfunktion erlangt und nicht, ob die
Rechnung tatsächlich in eine Buchhaltung integriert wird (vgl. NIKLAUS SCHMID,
Fragen der Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, ZStrR 95/1978 S. 306 f.).
Eine ähnliche Auffassung vertritt LUCREZIA GLANZMANN-TARNUTZER, wonach eine
strafbare Falschbeurkundung anzunehmen ist, wenn eine falsche Rechnung
Bestandteil der kaufmännischen Buchhaltung einer der beteiligten Parteien, d.h.
des Rechnungsausstellers oder des Rechnungsempfängers wird. Ausserhalb des
kaufmännischen Bereichs soll die Erstellung einer falschen Rechnung
demgegenüber grundsätzlich nicht als Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251
StGB zu ahnden sein (vgl. LUCREZIA GLANZMANN-TARNUTZER, Art. 251 StGB und die
Erstellung einer inhaltlich falschen Rechnung, AJP 2002 S. 770 und 773). Die
Beschwerdeführerin beruft sich massgeblich auf GLANZMANN-TARNUTZER. Die
bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach Rechnungen selbst im Verkehr mit
buchführungspflichtigen
BGE 138 IV 130 S. 138
Gesellschaften nur ausnahmsweise Urkunden sind, wurde auch von weiteren Autoren
kritisiert (vgl. etwa PIERRE GABUS, Le fraudeur, le faussair, l'escroc et
l'assureur, SJ 1999 II 28 ff.; REMUND/BOSSARD/THORMANN, Le faux intellectuel
dans le droit pénal économique, in: Droit pénal économique, 2011, S. 309 f.).
Nach einer anderen Lehrmeinung ist der Umstand, dass eine inhaltlich falsche
Rechnung möglicherweise als Beleg in die Buchhaltung des Adressaten eingeht,
demgegenüber kein taugliches Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung
zwischen Falschbeurkundung und straffreier schriftlicher Lüge (vgl. HANS VEST,
Probleme des Urkundenstrafrechts, AJP 2003 S. 886; HEINZ OTTIGER, Treten an Ort
bei der Falschbeurkundung, forumpoenale 1/2010 S. 46 ff.; MARKUS BOOG, in:
Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 56 zu Art. 251 StGB; in
diesem Sinne auch STRATENWERTH/BOMMER, a.a.O., N. 41 S. 169; BERNARD CORBOZ, Le
faux dans les titres, ZBJV 131/1995 S. 551 f.).

2.4.2 Im Verhältnis zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger bzw.
-adressat kann eine Rechnung höchstens unter besonderen Umständen erhöhte
Glaubwürdigkeit haben (so beispielsweise bei einer garantenähnlichen Stellung,
vgl. oben E. 2.2.1). Prüft der Rechnungsempfänger die Rechnung und hat er die
Möglichkeit, allfällige Fehler beim Aussteller zu beanstanden, hat diese keine
Beweisfunktion. Insoweit enthält eine Rechnung blosse Behauptungen des
Ausstellers über die vom Empfänger geschuldete Leistung. Die darin enthaltenen
Angaben können vom Rechnungsaussteller gegenüber dem Rechnungsempfänger nicht
als Beweis dafür angerufen werden, dass der in Rechnung gestellte Betrag
geschuldet ist, sondern wären von diesem im Rahmen einer zivilrechtlichen
Auseinandersetzung gerade zu beweisen. Vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt,
eine Urkundenqualität von Rechnungen generell alleine deshalb zu bejahen, weil
die Adressatin buchführungspflichtig ist. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass
eine Rechnung auch bei einer buchführungspflichtigen Adressatin in der Regel
erst nach erfolgter Prüfung zum Buchhaltungsbeleg erhoben wird. Dieser
Entscheid obliegt dem Rechnungsempfänger bzw. den beim Empfänger für die
Buchhaltung verantwortlichen Personen.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Urkundenfälschung bereits mit der Begründung
annimmt, die Beschwerdegegner hätten ihre Rechnungen an eine
buchführungspflichtige Gesellschaft adressiert, kann ihr nicht gefolgt werden.
BGE 138 IV 130 S. 139

2.4.3 Der Urkundenfälschung kann sich allerdings auch der Rechnungsaussteller
strafbar machen, wenn die inhaltlich unwahre Rechnung nicht mehr nur
Rechnungsfunktion hat, sondern in erster Linie auch als Beleg für die
Buchhaltung der Rechnungsempfängerin bestimmt ist. Die bisherige Rechtsprechung
ist insofern weiterzuführen, dass eine objektive Zweckbestimmung von Rechnungen
als Buchhaltungsbelege auch angenommen werden muss, wenn der
Rechnungsaussteller mit der buchführungspflichtigen Rechnungsempfängerin bzw.
deren Organen oder Angestellten zusammenwirkt und auf deren Geheiss oder
Anregung hin oder mit deren Zustimmung eine inhaltlich unwahre Rechnung
erstellt. Darunter können sogenannte Gefälligkeitsrechnungen fallen.
Buchhaltungsbelege sind Urkunden. Dies rechtfertigt, auch einen Dritten in die
Pflicht zu nehmen, der im Einvernehmen mit einer buchführungspflichtigen
Rechnungsempfängerin inhaltlich unwahre Rechnungen anfertigt, mit welchen deren
Buchhaltung verfälscht werden soll. Dieses Verhalten ist gleichermassen
strafwürdig wie dasjenige von Organen oder Angestellten der
buchführungspflichtigen Gesellschaft, die Buchhaltungsbelege fälschen.
Steht ein solches Zusammenwirken des Rechnungsausstellers mit dem
Rechnungsempfänger fest, ist die inhaltlich unwahre Rechnung aufgrund ihrer
Zweckbestimmung als Buchhaltungsbeleg eine Urkunde. Täter (und nicht bloss
Gehilfe) im Sinne von Art. 251 StGB kann daher auch sein, wer einen falschen
Buchhaltungsbeleg erstellt, ohne selber für die Buchhaltung verantwortlich zu
sein. Ist die Zweckbestimmung einer Rechnung als Buchhaltungsbeleg zu bejahen,
entsteht die inhaltlich unwahre Urkunde bereits mit deren Erstellung und nicht
erst mit der Verbuchung in der Buchhaltung der Rechnungsempfängerin (vgl. BGE
129 IV 130 E. 3.2 und 3.3).

3.

3.1 Die Beschwerdegegner verfassten auf Geheiss von F. inhaltlich unwahre
Rechnungen, welche dieser der Geschäftsbuchhaltung der G. AG zugrunde legte.
Die Beschwerdegegner erstellten nicht nur Rechnungen, sondern auch
Buchhaltungsbelege. Diese waren inhaltlich unwahr, da darin andere als die
tatsächlich erfolgten Leistungen in Rechnung gestellt wurden. Damit wurde der
Eindruck erweckt, es handle sich um geschäftliche Auslagen der G. AG. Mit den
inhaltlich unwahren Rechnungen wurde die Buchhaltung der G. AG verfälscht, da
private Auslagen als geschäftsbedingt ausgewiesen wurden und der Gewinn der G.
AG damit geschmälert wurde. Durch die
BGE 138 IV 130 S. 140
Erstellung der inhaltlich unwahren Rechnungen als Buchhaltungsbelege erfüllten
die Beschwerdegegner den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung.
Anzufügen bleibt, dass den Beschwerdegegnern grundsätzlich nicht zum Vorwurf
gemacht werden kann, dass sie die Rechnungen an die G. AG anstatt an F.
persönlich adressierten. Die Rechnungen geben diesbezüglich die Erklärung von
F. wieder. Tritt dieser gegenüber den Beschwerdegegnern nicht persönlich,
sondern als Organ der G. AG auf, erscheint darin die Gesellschaft als
Vertragspartnerin. Vorliegend waren die Rechnungen jedoch unwahr, da
geschäftliche Auslagen der G. AG vorgetäuscht wurden.

3.2

3.2.1 In subjektiver Hinsicht erfordert Art. 251 Ziff. 1 StGB Vorsatz bezüglich
aller objektiven Tatbestandsmerkmale, wobei Eventualvorsatz genügt.
Eventualvorsätzlich handelt, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält
und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Das für den Vorsatz notwendige
Wissen verlangt, soweit es sich auf Tatbestandsmerkmale bezieht, deren
Verständnis eine rechtliche Wertung voraussetzt, nicht die juristisch exakte
Erfassung des gesetzlichen Begriffs. Vielmehr genügt es, wenn der Täter den
Tatbestand so verstanden hat, wie es der landläufigen Anschauung eines Laien
entspricht (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre). Versteht der Täter in
laienhafter Anschauung die soziale Bedeutung des von ihm verwirklichten
Sachverhalts, so handelt er mit Vorsatz, auch wenn er über die genaue
rechtliche Qualifikation irrt (BGE 135 IV 12 E. 2.2; BGE 129 IV 238 E. 3.2.2
mit Hinweisen).

3.2.2 Die Vorinstanz geht zu Unrecht davon aus, die Beschwerdegegner hätten
sich nur strafbar gemacht, wenn sie sicher darum gewusst hätten, dass die
Rechnungen als Urkunden Eingang in die Buchhaltung der G. AG finden werden.
Strafbar ist auch die eventualvorsätzliche Tatbegehung. Eventualvorsatz in
Bezug auf die Urkundenqualität muss angenommen werden, wenn der
Rechnungsaussteller mit der Möglichkeit rechnete, dass die auf Wunsch oder im
Einvernehmen mit der Rechnungsempfängerin abgeänderte Rechnung für deren
Buchhaltung bestimmt war. Dies liegt nahe, wenn Rechnungen auf Verlangen der
Rechnungsempfängerin verfälscht und darin geschäftliche Auslagen vorgetäuscht
werden. Davon geht auch die Vorinstanz aus, wenn sie darauf hinweist, der
Gedanke an eine mögliche Manipulation der Buchhaltung durch F. habe sich
aufgedrängt.
BGE 138 IV 130 S. 141

3.2.3 Die Beschwerdegegner können sich nicht damit entlasten, sie seien von
internen Verrechnungen zwischen F. und der G. AG ausgegangen. Dies vermöchte
allenfalls zu erklären, weshalb sie die Rechnungen an die G. AG und nicht an F.
persönlich adressierten, nicht jedoch, dass darin andere als die tatsächlich
erbrachten Leistungen aufgeführt wurden. Die Beschwerdegegner waren gemäss der
Feststellung des Amtsgerichts erfahrene Geschäftsmänner bzw. verfügten über
fundamentale buchhalterische Kenntnisse. Dies wird von der Vorinstanz nicht
infrage gestellt.

3.2.4 Im Weiteren verlangt der Tatbestand der Urkundenfälschung ein Handeln in
der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder
sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Der Täter
braucht nicht zu wissen, worin dieser Vorteil liegt (BGE 135 IV 12 E. 2.2 mit
Hinweis). Er muss die Urkunde im Rechtsverkehr als wahr verwenden (lassen)
wollen, was eine Täuschungsabsicht voraussetzt. Der erstrebte Vorteil bzw. die
Schädigung muss sich gerade aus dem Gebrauch der unechten bzw. unwahren Urkunde
ergeben (BGE 135 IV 12 E. 2.2; Urteil 6P.51/2005 vom 30. November 2005 E. 4.2,
nicht publ. in: BGE 132 IV 12). Eine Täuschung Dritter wird bei der Erstellung
einer unwahren Buchhaltung in der Regel in Kauf genommen (BGE 133 IV 303 E.
4.6-4.9). Die Bereicherungsabsicht ist zu bejahen, wenn die Beschwerdegegner in
der Absicht handelten, F. oder der G. AG einen unrechtmässigen Vorteil zu
verschaffen. Davon ist grundsätzlich auszugehen. Im Gegenzug erhofften sich die
Beschwerdegegner von diesem und der G. AG weitere Aufträge.

3.3 Die Angelegenheit ist in diesem Sinne zur erneuten Prüfung und Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.