Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 II 77



Urteilskopf

138 II 77

9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Flughafen
Zürich AG und Kanton Zürich gegen X. und Eidgenössische Schätzungskommission
Kreis 10 (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_100/2011 / 1C_102/2011 vom 9. Dezember 2011

Regeste

Enteignung nachbarlicher Ansprüche infolge Fluglärms; schematische Beurteilung
des fluglärmbedingten Minderwerts von Renditeliegenschaften
(Mehrfamilienhäusern).
Für die gebotene schematische Beurteilung des fluglärmbedingten Schadens bei
Mehrfamilienhäusern (vgl. BGE 134 II 160) darf die Eidgenössische
Schätzungskommission Kreis 10 (ESchK) das von einem ihrer Fachrichter
entwickelte hedonische Bewertungsmodell (Modell ESchK) anwenden, an Stelle des
im Auftrag der Enteigner entwickelten Modells MIFLU II.
Verfahrensrechtliche Anforderungen: Bei der Entwicklung eines Bewertungsmodells
durch ein Expertenteam unter der Leitung eines Fachrichters der ESchK finden
zwar die Bestimmungen über externe Sachverständigengutachten keine Anwendung,
jedoch müssen die Transparenz und die Verfahrensrechte der Parteien
gewährleistet werden (E. 3). Heilung der Verfahrensmängel im Verfahren vor
Bundesverwaltungsgericht (E. 4). Zur Doppelfunktion der Fachmitglieder der
Schätzungskommission als Richter und Sachverständige (E. 5).
Kognition des Bundesgerichts (E. 6).
Gegenüberstellung der Modelle ESchK und MIFLU II (E. 7.1 und 7.2); zur
hedonischen Methode (E. 7.3).
Zu den Einwänden der Enteigner, wonach das auf Transaktionspreise gestützte
hedonische Modell ESchK für die Bewertung von Ertragsliegenschaften
grundsätzlich ungeeignet sei (E. 8), auf einer ungenügenden Datenmenge beruhe
(E. 9), nur den Fluglärm des Flughafens Zürich berücksichtige (E. 10) und den
Strassenlärm nur rudimentär erfasse (E. 11).
Überprüfung des Modells ESchK anhand statistischer Gütekriterien (E. 12).

Sachverhalt ab Seite 79

BGE 138 II 77 S. 79

A. X. ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses in Glattbrugg, das sich im
Bereich der Abflüge von Piste 16 des Flughafens Zürich-Kloten befindet. Am 16.
November 1998 stellte X. ein Entschädigungsbegehren wegen übermässigen
Fluglärms. Dieses wurde am 22. Juni 1999 - zusammen mit einer Vielzahl weiterer
Forderungen aus der gleichen Gemeinde - der Eidgenössischen
Schätzungskommission, Kreis 10 (nachfolgend: Schätzungskommission bzw. ESchK)
überwiesen.
Am 29. November 2006 wies die Schätzungskommission die Minderwertforderung von
X. (im Folgenden: die Enteignete) ab, weil ein Ertragsausfall nicht
nachgewiesen worden sei. Das Bundesgericht hiess die dagegen erhobene
Beschwerde am 28. April 2008 im Sinne der Erwägungen gut, hob den Entscheid der
Schätzungskommission auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an diese zurück
(Urteil 1E.9/2007). Es ging davon aus, dass sich die Ertragslage bei
Mietobjekten, die Wohnzwecken dienen, bei Mehrlärm nur langsam verschlechtere.
Für solche Ertragsliegenschaften sei die Minderwertermittlung im Einzelfall
sehr schwierig, weshalb eine schematische Beurteilung des fluglärmbedingten
Schadens zu erfolgen habe (vgl. auch BGE 134 II 160 ff. zu einem anderen
Pilotfall).

B. Mit Entscheid vom 1. März 2010 sprach die Schätzungskommission der
Enteigneten eine Minderwertentschädigung in Höhe von Fr. 326'000.- zu. Sie ging
von einem Minderwert von 17,5 % des Verkehrswertes ohne Fluglärm aus (Fr.
388'216.-), von dem die Aufwendungen für Schallschutzmassnahmen (Fr. 62'241.-)
abzuziehen seien. Die sich daraus ergebende Entschädigung von (gerundet) Fr.
326'000.- sei seit dem 1. Januar 2002 zu verzinsen.
BGE 138 II 77 S. 80
Bei der Berechnung der Minderwertentschädigung verwendete die
Schätzungskommission ein hedonisches Berechnungsmodell, das von einem ihrer
Fachmitglieder, Prof. Donato Scognamiglio, und dessen Unternehmung, der IAZI AG
(Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien AG), entwickelt worden war
(im Folgenden: Modell ESchK). Dieses basiert auf den in der Datenbank der IAZI
AG erfassten Transaktionsdaten von Ertragsliegenschaften. Diese wurden
statistisch ausgewertet, um den Einfluss der verschiedenen Faktoren und
namentlich der Fluglärmbelastung zu ermitteln (vgl. dazu unten, E. 7.1).
Die Enteigner hatten ihrerseits von einem Expertengremium in Zusammenarbeit mit
der Zürcher Kantonalbank (ZKB) ein Bewertungsmodell "MIFLU II" entwickeln
lassen. Dieses ermittelt in einem ersten Schritt - ebenfalls mit einem
hedonischen Modell - den Einfluss des Fluglärms auf die Mieten für eine
Zeitdauer von 50 Jahren. Aus der so berechneten prozentualen Mietreduktion pro
dB Fluglärm wird in einem zweiten Schritt der Minderwert der
Ertragsliegenschaften infolge Fluglärms für das Jahr 1997 bestimmt (vgl. dazu
unten, E. 7.2). Nach diesem Modell beträgt der Minderwert der Liegenschaft der
Enteigneten nur 10,5 %. Die Enteigner gingen deshalb im Schätzungsverfahren
davon aus, es fehle an der notwendigen Schwere des Schadens, weshalb keine
Minderwertentschädigung geschuldet sei.

C. Gegen den Entscheid der Schätzungskommission erhoben sowohl die Enteigner
als auch die Enteignete am 19. bzw. 22. April 2010 Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde der Enteigneten am 19.
Januar 2011 im Kostenpunkt gut. Im Übrigen wies es beide Beschwerden ab: Die
Verwendung des hedonischen Modells ESchK sei nicht zu beanstanden und es seien
keine Gründe erkennbar, weshalb das Modell MIFLU II demjenigen der ESchK
vorzuziehen sei. Die Schätzungskommission habe den lärmbedingten Minderwert der
Liegenschaft der Enteigneten in sachgemässer Ausübung ihres Ermessens
ermittelt.

D. Gegen den bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheid haben sowohl die
Enteigner als auch die Enteignete am 25. bzw. 28. Februar 2011
öffentlich-rechtliche Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Die Enteigner
beanstanden das Modell ESchK und beantragen, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und zur Neubeurteilung an eine der Vorinstanzen zurückzuweisen. Die
Enteignete ficht einzig den Zinsentscheid der Schätzungskommission an.
BGE 138 II 77 S. 81
Das Bundesgericht weist beide Beschwerden ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:
Formelle Rügen
(...)

3. Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, inwieweit das rechtliche Gehör der
Enteigner in erster Instanz verletzt wurde (E. 3). In einem zweiten Schritt (E.
4) erfolgt die Prüfung, ob das Bundesverwaltungsgericht diese Verfahrensfehler
heilen konnte. Anschliessend ist die Rüge der Verletzung der Garantie des
verfassungsmässigen Richters zu behandeln (E. 5).

3.1 Grundsätzlich ist nicht zu beanstanden, dass die Schätzungskommission einen
ihrer Fachrichter mit der Entwicklung des Modells beauftragt hat. Als
Mitglieder der Schätzungskommission sind gemäss Art. 59 Abs. 2 des
Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG; SR 711) Personen zu
wählen, die verschiedenen Berufsgruppen angehören und die für die Schätzung
nötigen Fachkenntnisse besitzen. Art. 49 der Verordnung vom 24. April 1972 für
die eidgenössischen Schätzungskommissionen (VESchK; SR 711.1) bestimmt, dass
Gutachten von Seiten Dritter in der Regel nur einzuholen sind, wenn die
Kommission nicht über eigene sachverständige Mitglieder verfügt. Gesetz und
Verordnung gehen davon aus, dass die Schätzungskommission sich den notwendigen
Sachverstand in erster Linie bei ihren Fachmitgliedern holt. Dementsprechend
wies das Bundesgericht die Pilotfälle zur Entwicklung eines schematischen
Bewertungsmodells an die Schätzungskommission zurück, unter ausdrücklichem
Hinweis auf den Sachverstand der Fachrichter (Urteil 1E.9/2007 vom 28. April
2008 E. 13; BGE 134 II 160 E. 14 S. 163).
Die Entwicklung des hedonischen Bewertungsmodells ESchK erfolgte unter der
Verantwortung Prof. Scognamiglios, d.h. eines Fachrichters der
Schätzungskommission. (...) Allerdings erarbeitete dieser das Modell nicht
allein, sondern zog hierfür Experten der IAZI AG bei und verwendete deren
Transaktionsdaten. Entscheidend ist jedoch, dass die Leitung des Projekts bei
Prof. Scognamiglio verblieb, die IAZI AG also nicht als selbstständige, externe
Sachverständige gegenüber der Schätzungskommission und den Parteien auftrat.
Die Protokolle der Kommissionssitzungen (...) bestätigen,
BGE 138 II 77 S. 82
dass Prof. Scognamiglio mit den Abklärungen und der Verfassung des Berichts
beauftragt wurde. Dieser stellte das Bewertungsmodell auch den übrigen
Kommissionsmitglieder vor und beantwortete Fragen zum Modell.
Wie die Enteignete zutreffend darlegt, beauftragte die Schätzungskommission
Prof. Scognamiglio im Wissen darum, dass dieser (als CEO und Verwaltungsrat der
IAZI AG) über den für die Modellentwicklung unerlässlichen "Apparat" verfügte,
d.h. über das Team, die Daten und das statistische Know-how der IAZI AG. Die
eidgenössischen Schätzungskommissionen sind mit einer minimalen eigenen
Infrastruktur ausgestattet, weshalb sie grundsätzlich darauf angewiesen sind,
dass die Fachrichter ihre eigene berufliche Infrastruktur für die
Kommissionsarbeit einsetzen.
Die Schätzungskommission hat vor Bundesverwaltungsgericht dargelegt, dass es
sich bei der IAZI AG um ein privates Forschungsinstitut handelt, das
statutarisch vom Immobilienhandel, von der Vergabe von Hypotheken
(Finanzierung) und vom Portfolio Management von Immobilien ausgeschlossen ist,
d.h. weder Partikularinteressen von Banken noch von Liegenschaftseigentümern
vertritt; dies wurde von den Parteien nicht bestritten. Das hedonische Modell
ESchK ist Eigentum der Schätzungskommission und wird nur von dieser angewendet.
Insofern sind keine eigenen wirtschaftlichen Interessen der IAZI AG am
Bewertungsmodell ersichtlich, die zu einem Interessenkonflikt hätten führen
können.

3.2 Die Beauftragung eines Fachrichters unterliegt nicht den Regeln von Art. 57
ff. BZP (SR 273) über externe Sachverständigengutachten. Dennoch müssen, wie
das Bundesverwaltungsgericht zu Recht festgehalten hat, die Transparenz
gewährleistet und die allgemeinen, aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 29 ff. VwVG [SR 172.021]) abgeleiteten
Verfahrensrechte der Parteien gewährleistet werden (so schon Urteil des
Bundesgerichts 2A.587/2003 vom 1. Oktober 2004, E. 8.6 zum Beizug sachkundiger
Berater durch Verwaltungsbehörden). Insbesondere muss es den Beteiligten
möglich sein, allfällige Einwände gegen die vom Fachrichter beigezogenen
Personen oder die Art ihrer Mitwirkung rechtzeitig zu erheben. Zudem müssen sie
sich zu den Abklärungen äussern können, die unter Beizug von Dritten
vorgenommen wurden. Dies bedingt eine genügende und rechtzeitige Information
der Parteien.
BGE 138 II 77 S. 83

3.3 Vorliegend wurden den Parteien die Namen sämtlicher mit der
Modellentwicklung befassten Personen erst am 10. März 2010 bei der
Informationsveranstaltung der Schätzungskommission bekannt gegeben, d.h. nach
dem erstinstanzlichen Entscheid vom 1. März 2010. Zu diesem Zeitpunkt war es
nicht mehr möglich, allfällige Einwände gegen die beigezogenen Personen oder
die Art ihrer Mitwirkung rechtzeitig und verfahrensökonomisch zu erheben.
Allerdings ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass die Enteigner auch nachträglich
keine Ausstandsgründe gegen die am Projekt beteiligten Mitarbeiter der IAZI AG
geltend gemacht haben; derartige Gründe sind auch nicht ersichtlich. Unstreitig
ist zudem, dass weder Prof. Scognamiglio noch die IAZI AG enge Beziehungen zu
den Parteien der Pilotfälle haben, die zu einer unsachgemässen, parteilichen
Beeinflussung der Modellentwicklung hätten führen können (zur Doppelrolle von
Prof. Scognamiglio als Experte und Fachrichter vgl. unten E. 5).

3.4 Näher zu prüfen ist, wann die Parteien über die Entwicklung eines eigenen,
hedonischen Bewertungsmodells ESchK und dessen Ausgestaltung informiert wurden.
(...)

3.4.2 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Aushändigung des
Berichts am 12. Februar 2010 die Entscheidfällung unmittelbar bevorstand. Die
Parteien hatten somit keine Zeit mehr, sich seriös mit dem Modell zu befassen,
Einsicht in weitere Unterlagen zu verlangen und dazu Stellung zu nehmen.
Vielmehr war das Vorgehen der Schätzungskommission darauf angelegt, die
Diskussion um das Bewertungsmodell in das Rechtsmittelverfahren zu verlegen.
Dies widerspricht dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Auch wenn die Wahl des
Modells zur Bemessung des Minderwerts als Rechtsfrage zu qualifizieren ist
(vgl. dazu unten E. 6), musste den Parteien dazu das rechtliche Gehör gewährt
werden, da Art und Inhalt des Bewertungsmodells für sie nicht vorhersehbar
waren.

3.4.3 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung des
Bewertungsmodells aufgrund der Rückweisungsentscheide des Bundesgerichts in
vier Pilotfällen erfolgte, zu denen auch der vorliegende Streitfall gehört. Dem
Bewertungsmodell kam zentrale Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens zu.
Dessen Entwicklung und Auswahl waren daher (zumindest auch) Teil des
Schätzungsverfahrens i.S. X. gegen Flughafen Zürich. Die Parteien dieses
BGE 138 II 77 S. 84
Verfahrens hätten daher so rechtzeitig über das in Aussicht genommene Modell
informiert und angehört werden müssen, dass ihre Stellungnahmen noch effektiv
von der Schätzungskommission hätten berücksichtigt und in deren Entscheid
hätten einfliessen können. Zweckmässigerweise hätte die Information schon vor
dem Plenumsentscheid vom 3. November 2009 erfolgen müssen: Bei diesem Vorgehen
hätte das Fachwissen der Projektgruppe MIFLU II der ZKB und ihres
Expertengremiums schon frühzeitig in die Arbeiten der Schätzungskommission
einfliessen können. Jedenfalls aber hätte beiden Parteien geraume Zeit vor der
Zirkulation des Entscheidantrags unter den Fachrichtern die Möglichkeit zur
Akteneinsicht, zum Studium des Modells und zur Stellungnahme gewährt werden
müssen. (...)

4. Nach der Rechtsprechung kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs als
geheilt gelten, wenn der Mangel in der Rechtsmittelinstanz kompensiert wird
(vgl. dazu unten E. 4.1). Zudem muss die obere Instanz die von der
Gehörsverletzung betroffenen Aspekte mit derselben Kognition überprüfen können
wie die Vorinstanz (vgl. unten E. 4.2). Schliesslich ist zu prüfen, ob die
Heilung im vorliegenden Fall (Schwere der Gehörsverletzungen, Verfahrensdauer
etc.) bejaht werden durfte (unten, E. 4.3).

4.1 (Zusammenfassung: Gewährung des rechtlichen Gehörs im Verfahren vor
Bundesverwaltungsgericht)

4.2 Den Enteignern ist einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht
widersprüchliche Aussagen zu seiner Kognition getroffen hat (...).

4.2.1 Entscheidend ist aber nicht, welche Formel vom Bundesverwaltungsgericht
zur Umschreibung seiner Kognition verwendet wurde, sondern inwiefern es den
angefochtenen Entscheid im konkreten Fall überprüft hat. In den Erwägungen
12-21 prüfte das Bundesverwaltungsgericht alle Einwände der Enteigner gegen das
hedonische Bewertungsmodell ESchK frei und legte sich keine Zurückhaltung auf.
Ohnehin ging es in erster Linie um methodische/rechtliche Fragen (vgl. unten,
E. 6).

4.2.2 Zur Angemessenheitsprüfung gemäss Art. 49 lit. c VwVG gehört allerdings
die Prüfung, ob es eine zweckmässigere, angemessenere Lösung gibt (BGE 130 II
449 E. 4.1 S. 452). Vorliegend stellte sich die Frage, ob das von den
Enteignern entwickelte Modell
BGE 138 II 77 S. 85
MIFLU II demjenigen der Schätzungskommission vorzuziehen sei, auch wenn beide
Modelle aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht nicht zu beanstanden wären.
Es ist einzuräumen, dass diese Prüfung sehr knapp ausgefallen ist. Immerhin hat
sie stattgefunden (...).
(...)

4.3 Das Bundesverwaltungsgericht entschied sich für eine Heilung der formellen
Mängel im Beschwerdeverfahren, weil davon auszugehen sei, dass sich die
Schätzungskommission nicht für ein anderes Modell entscheiden würde, die
Rückweisung also einem formalistischen Leerlauf nahekäme. Die Rückweisung nach
einem derart langen Verfahren widerspräche auch dem grundrechtlichen Anspruch
auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV). Schliesslich
hätten die Enteigner noch die Möglichkeit, die streitigen Fragen zur Berechnung
des Minderwertes durch Ergreifen eines Rechtsmittels an das Bundesgericht
überprüfen zu lassen. Es entstehe ihnen daher kein Nachteil, der das Interesse
an einer raschen Beurteilung des Verfahrens überwiegen würde.
Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden:
Die Verfahrensfehler in erster Instanz wiegen zwar nicht leicht. Sie sind aber
auch nicht so schwerwiegend, dass eine Heilung ausgeschlossen wäre (...). Für
die Heilung sprechen die ausserordentlich lange Dauer des Verfahrens (seit
1998) und die Notwendigkeit, auch die übrigen, bis zum rechtskräftigen
Entscheid der Pilotfälle sistierten Enteignungsverfahren alsbald
abzuschliessen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es den
Enteignern nicht darum geht, ihre Argumente noch einmal der
Schätzungskommission vorlegen zu dürfen. Vielmehr zielen ihre Rügen darauf ab,
das Bewertungsmodell ESchK aus formellen Gründen zu eliminieren, um damit ihrem
eigenen Modell (MIFLU II) zum Durchbruch zu verhelfen. Ziel des Pilotfalls ist
es jedoch, eine schematische Bewertungsmethode zu finden, die den durch
Fluglärm bedingten Minderwert bei Ertragsliegenschaften nach anerkannten
wissenschaftlichen Grundsätzen möglichst zuverlässig ermittelt. Sollte die
hedonische Bewertungsmethode ESchK diesen Anforderungen entsprechen, darf sie
nicht einzig aus verfahrensrechtlichen Gründen definitiv verworfen werden. Das
Bundesverwaltungsgericht hat daher zu Recht, nach Heilung der formellen Mängel,
materiell über die Anwendbarkeit des Bewertungsmodells ESchK entschieden.
BGE 138 II 77 S. 86

5. Schliesslich rügen die Enteigner eine Verletzung des Anspruchs auf den
verfassungsmässigen Richter (Art. 30 Abs. 1 BV) durch die Doppelrolle von Prof.
Scognamiglio. Dieser habe in zentraler Funktion am Entscheid der
Schätzungskommission vom 1. März 2010 mitgewirkt, obwohl er im Rubrum nicht als
mitwirkender Richter aufgeführt worden sei. (...) Als Projektverantwortlicher
sei er jedoch zugunsten des von ihm bzw. seiner Firma erarbeiteten Modells
voreingenommen gewesen und habe das Konkurrenzmodell MIFLU II nicht mehr
neutral beurteilen können. (...)

5.1 Das Bundesverwaltungsgericht verwies auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung (BGE 96 I 292 E. 2 S. 295 f.), wonach die Mitglieder der
Schätzungskommissionen ihren Sachverstand nicht nur durch die Mitwirkung an
Schätzungsentscheiden, sondern auch durch die Vorprüfung von Fragen zuhanden
der Schätzungskommission einbringen. Es sei daher auch im vorliegenden Fall
zulässig gewesen, ein zweistufiges Verfahren anzuwenden, indem zunächst die
Gesamtkommission in abstrakter Weise einen Raster erstellte, der anschliessend
vom ordentlichen Spruchkörper auf den Einzelfall angewendet wurde. Die
Mitwirkung eines Fachrichters bei der Durchführung des Beweisverfahrens und die
Erstattung begutachtender Berichte zuhanden der Kommission stelle praxisgemäss
keinen Grund zum Ausstand wegen Befangenheit dar (BGE 96 I 292 E. 2 S. 296;
HESS/WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. 1, 1986, N. 7 zu Art. 60
EntG). Umso weniger bestehe Anlass, an der Unbefangenheit einer Behörde zu
zweifeln, wenn eines ihrer Mitglieder als Entscheidgrundlage einen Bericht oder
einen Bewertungsraster verfasst habe. Es gehöre zu den Aufgaben von Mitgliedern
einer Kollegialbehörde, sich mit den Anträgen und Ausführungen der übrigen
Mitglieder kritisch auseinanderzusetzen und gegebenenfalls eine abweichende
Meinung zu vertreten.

5.2 Diese Ausführungen lassen keine Verletzung von Bundesrecht erkennen.
Zwar ist den Enteignern einzuräumen, dass die Doppelfunktion der Fachmitglieder
der Schätzungskommission als Richter und Sachverständige nicht dem typischen
Bild eines Gerichts entsprechen. Es ist unter dem Blickwinkel von Art. 30 Abs.
1 BV auch nicht unproblematisch, wenn Fachmitglieder, die nicht zum
Spruchkörper gehören, zur Vorprüfung von Fragen herangezogen werden, die
entscheidende Bedeutung für den Ausgang hängiger Verfahren haben. Diese
Funktionsweise ist jedoch in Gesetz und Verordnung
BGE 138 II 77 S. 87
angelegt. Die Eidgenössischen Schätzungskommissionen wurden bewusst als
Fachkommissionen ausgestaltet, um den Rückgriff auf externe Sachverständige zu
erübrigen (Art. 59 Abs. 2 EntG und Art. 49 VESchK). Ergänzend kann auf Art. 81
EntG hingewiesen werden, wonach das Bundesverwaltungsgericht die
Oberschätzungskommission zur Beratung von allgemeinen Grundsätzen zu
Gesamtsitzungen unter dem Vorsitz eines seiner Richter einberufen kann. Analog
müssen auch die Eidgenössischen Schätzungskommissionen befugt sein,
Gesamtsitzungen zu grundsätzlichen Schätzungsfragen durchzuführen.
Davon zu unterscheiden ist die Beurteilung konkreter Einzelfälle, gestützt auf
die im Plenum angenommenen Grundsätze: An diesen Entscheiden wirken nur die
jeweiligen der Besetzung angehörenden Richter mit (Art. 60 EntG). Sie tragen
die Verantwortung für den Entscheid und müssen hierfür u.U. eine erneute
Beschlussfassung des Plenums beantragen oder von dessen Beschluss abweichen,
wenn sie - im Lichte der Vorbringen der Parteien - zur Überzeugung gelangen,
dieser sei falsch.
Sofern die gebotene Transparenz gewahrt wird (vgl. oben, E. 3.2), ist diese
Vorgehensweise mit den Verfahrensrechten der Parteien vereinbar, zumal diesen
nach der Schätzungskommission noch zwei weitere Gerichtsinstanzen offenstehen,
von denen eine (das Bundesverwaltungsgericht) über eine umfassende Kognition
verfügt. (...)

5.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die formellen Rügen der
Enteigner gegen den angefochtenen Entscheid als unbegründet erweisen.
Materielle Rügen zum Bewertungsmodell ESchK

6. Materiell ist zwischen den Parteien streitig, nach welchem Modell der
fluglärmbedingte Minderwert von Ertragsliegenschaften zu ermitteln ist. Während
die Schätzungskommission und die Enteignete das hedonische Bewertungsmodell
ESchK befürworten und davon ausgehen, das Modell MIFLU II entspreche nicht den
Vorgaben des Bundesgerichts, halten die Enteigner einzig das Modell MIFLU II
für richtig und massgeblich.
Vorab ist die Kognition des Bundesgerichts zu klären.

6.1 Bis zum 31. Dezember 2006 beurteilte das Bundesgericht gemäss aArt. 77 EntG
i.V.m. Art. 104 OG (AS 1969 767) nicht nur die Rechtmässigkeit, sondern auch
die Angemessenheit öffentlich-rechtlicher Entschädigungen. Daraus folgerte das
Bundesgericht, dass es
BGE 138 II 77 S. 88
auch den Sachverhalt (trotz Art. 105 Abs. 2 OG) frei überprüfen könne (vgl. BGE
119 Ib 447 E. 1b S. 451 ff.; zuletzt bestätigt in BGE 132 II 427 E. 1.2 S.
432).
Dies hat sich mit Inkrafttreten des BGG geändert: Nunmehr obliegt es dem
Bundesverwaltungsgericht, Entscheide der Schätzungskommission frei zu
überprüfen; als zweite Rechtsmittelinstanz ist das Bundesgericht grundsätzlich
auf eine Rechtskontrolle beschränkt (Art. 95 BGG). Den Sachverhalt kann das
Bundesgericht gemäss Art. 97 und 105 BGG nur noch beschränkt, auf
offensichtliche Unrichtigkeit, prüfen.

6.2 In Literatur und Rechtsprechung wird die Frage, ob die Entschädigung bzw.
ihre Höhe methodisch richtig ermittelt und insoweit dem verfassungsrechtlichen
Anspruch auf volle Entschädigung (Art. 26 Abs. 2 BV) hinreichend Rechnung
getragen wurde, als Rechtsfrage erachtet, die vom Richter frei zu prüfen sei
(OTTO WIPFLI, Bemessung immissionsbedingter Minderwerte von Liegenschaften mit
besonderer Berücksichtigung des Fluglärms, 2007, S. 15-31; ROLAND GFELLER,
Immissions- und Überflugsenteignungen am Beispiel des Flughafens Zürich, 2006,
S. 97).
MARTINA FIERZ (Der Verkehrswert von Liegenschaften aus rechtlicher Sicht, 2001)
differenziert: Zwar sei die Frage, ob eine zulässige und nachvollziehbare
Bewertungsmethode herangezogen und in concreto richtig angewendet worden sei,
eine Rechtsfrage (S. 37); die Beurteilung, welche Methode in concreto
anzuwenden sei, setze aber oft umfassende und fachkundige Abklärungen voraus,
welche besser in die Hände eines Sachverständigen gelegt würden. Ihres
Erachtens sollte das Gericht deshalb den Entscheid über die anzuwendende
Bewertungsmethode dem Experten überlassen und bei der Prüfung des Gutachtens in
diesem Punkt Zurückhaltung üben (S. 40).

6.3 Für kantonalrechtliche Enteignungen hat das Bundesgericht in BGE 122 I 168
(E. 2c S. 173 mit Hinweisen) festgehalten, dass ihm eine freie Prüfung zustehe,
soweit es darum gehe, ob die Entschädigung bzw. ihre Höhe methodisch richtig
ermittelt und insoweit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf volle
Entschädigung (Art. 22^ter Abs. 3 aBV; heute: Art. 26 Abs. 2 BV) hinreichend
Rechnung getragen worden sei. Soweit sich die Kritik hingegen auf die bei der
Anwendung dieser Methoden getroffenen tatsächlichen Feststellungen oder
Annahmen beziehe, sei das angefochtene Urteil lediglich
BGE 138 II 77 S. 89
unter Willkürgesichtspunkten zu prüfen. Eine etwas andere Formulierung findet
sich in BGE 112 Ia 198 (E. 1b S. 201 mit Hinweisen): Danach überprüft das
Bundesgericht, ob die Regeln des kantonalen Rechts oder die von den kantonalen
Behörden zur Lückenfüllung angewendeten Regeln dem in Art. 26 BV verankerten
Prinzip der vollen Entschädigung genügen. Die Anwendung dieser Regeln wie die
Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen Instanzen könnten dagegen
grundsätzlich nur unter Willkürgesichtspunkten überprüft werden.

6.4 Vorliegend ist ein Modell für die schematische Beurteilung der
immissionsbedingten Entwertung von Mehrfamilienhäusern streitig, das in einer
Vielzahl von Fällen Anwendung finden soll. Insofern geht es um eine
abstrakt-generelle Erfassung des nach Art. 19 lit. b EntG zu entschädigenden
Minderwerts für Ertragsliegenschaften, unter Beachtung der Grundsätze der
Rechtsgleichheit und der Rechtsicherheit sowie der Vorgaben des Bundesgerichts
in seinen Rückweisungsentscheiden. Ob die von der ESchK verwendete
Bewertungsmethode zur Bemessung des Minderwerts diesen rechtlichen
Anforderungen genügt, ist eine Rechtsfrage (...), die vom Bundesgericht
grundsätzlich frei zu prüfen ist. Es übt allerdings eine gewisse Zurückhaltung
bei der Beurteilung von ausgesprochenen Fachfragen, wenn die verfügende Behörde
über ein besonderes Fachwissen verfügt (BGE 135 II 384 E. 2.2 S. 390 mit
Hinweisen). Dies gilt jedenfalls, soweit sie die für den Entscheid wesentlichen
Gesichtspunkte geprüft und die erforderlichen Abklärungen sorgfältig und
umfassend durchgeführt hat (BGE 131 II 680 E. 2.3.2 S. 683 f. mit Hinweisen).
Sollte sich das Bewertungsmodell ESchK als tauglich und gesetzeskonform
erweisen, so liegt dessen Anwendung im Ermessen der Schätzungskommission, auch
wenn das Modell MIFLU II ebenfalls geeignet wäre. Dieses ist daher (im Detail)
nur zu prüfen, sofern sich das Bewertungsmodell ESchK als unzulässig erweist.

7. Zur Berechnung des Einflusses des Fluglärms auf den Wert von
Ertragsliegenschaften wurden zwei Modelle entwickelt: Das Modell ESchK und das
Modell MIFLU II.

7.1 Das Modell ESchK basiert auf der Datenbank der IAZI AG, der umfassendsten
Transaktionsdatenbank von Renditeliegenschaften in der Schweiz. Davon konnten
insgesamt 1925 Daten über effektive Transaktionen von vermieteten
Liegenschaften im Zeitraum
BGE 138 II 77 S. 90
1997 bis 2008 (ohne Übergänge durch Erbschaft oder Schenkung) für die
Berechnung des hedonischen Modells verwendet werden. Jeder Transaktion wurden
nach einem standardisierten Modell rund 50 Faktoren zur Immobilie (wie
Grundstücksfläche, Servitute, Baujahr und Bauqualität, Wohnungsgrössen, Anzahl
Nasszellen etc.), zur Mikrolage (Lage innerhalb der Gemeinde bzw. des
Quartiers) und zur Makrolage (Lage der Gemeinde) zugewiesen. Die
Fluglärmbelastung wurde anhand der EMPA-Daten hektargenau ermittelt.
Mit der statistischen Methode der Regressionsanalyse wurde aus den erfassten
Daten der Einfluss der Fluglärmbelastung auf den Wert der Immobilie berechnet.
Dabei wurden sechs verschiedene Lärmspezifikationen getestet, die jeweils mit
12 verschiedenen Kombinationen von Objekt- und Lagevariablen berechnet wurden
(...).
Als statistisch signifikant erwiesen sich die Lärmspezifikationen
Grundbelastung 45 und Grundbelastung 50, bei denen die Wertminderung (in
Prozenten des Liegenschaftswerts) pro Dezibel Fluglärm (anhand des von 6 bis 22
Uhr gemittelten Dauerschallpegels Leq16) über der Grenze von 45 bzw. 50 dB
berechnet wird. Die Berechnungen ergaben Werte zwischen -0,9 % bis -1,6 % pro
dB über Grundbelastung 45 und von -1,2 % bis -2,4 % pro dB über Grundbelastung
50.
Die Schätzungskommission entschied sich für die Grundbelastung 45 dB und den
minimalen Minderwert von -0,9 % pro dB, weil dieser in der Grössenordnung den
mit dem Modell MIFLU I errechneten Minderwerten für Einfamilienhäuser und
Stockwerkeigentumseinheiten am nächsten komme. Dies ergab bei der Liegenschaft
der Enteigneten einen Minderwert von 17,5 % des Verkehrswertes ohne Fluglärm.

7.2 Das von den Enteignern in Auftrag gegebene Modell MIFLU II beruht auf der
Annahme, dass die Bewertung von Ertragsliegenschaften von den erzielten
Erträgen auszugehen habe und dass für eine direkte hedonische Ermittlung des
Fluglärmeinflusses zu wenig relevante Transaktionsdaten zur Verfügung stehen.
Als Datengrundlage wurden daher die Angebotsmieten von 86'000 Inseraten von
Mietwohnungen im Raum Zürich aus der Datenbank von homegate.ch verwendet. Diese
wurden geokodiert und mit Daten des geografischen Informationssystems (GIS) der
ZKB zur Mikro- und Makrolage angereichert (z.B. Hangneigung und Besonnung,
Aussicht, Erreichbarkeit der Zentren Zürich und Winterthur, Strassen und
Bahnlärm). Die Fluglärmbelastung wurde anhand der EMPA-Daten
BGE 138 II 77 S. 91
erfasst, wobei neben der Grundbelastung (Leq16 über 50 dB) auch der Spitzen-
sowie der Morgen- und Abendlärm berücksichtigt wurden. Anhand dieser Daten
wurden die Auswirkungen des Fluglärms auf die Mieten nach Altersklassen
eruiert.
Aus den so berechneten Mindermieteinnahmen wird in einem zweiten Schritt, in
Anlehnung an die Discounted Cash Flow-Methode (DCF), der Minderwert der
Liegenschaft bestimmt. Hierfür muss zunächst die Restnutzungsdauer des Gebäudes
und der erwartete Sanierungszeitpunkt (für die seit 1997 noch nicht sanierten
Objekte) geschätzt werden. Anschliessend wird die nachhaltig erzielbare
Bruttomiete vor und nach der tatsächlichen oder erwarteten Sanierung mit und
ohne Fluglärm für alle Jahre der Nutzungsdauer bestimmt, wobei eine
Mietteuerung von 1 % zugrunde gelegt wird. Die so kalkulierten Mindermieten
werden mit einem Diskontsatz von 5,5 % für alle Jahre auf den
Bewertungszeitpunkt 1997 abgezinst, um die geschätzte Preisminderung der
Ertragsliegenschaft für das Jahr 1997 zu berechnen.

7.3 Beide Modelle verwenden somit die hedonische Methode (oder Methode der
multiplen Regression), mit dem Unterschied, dass im Modell ESchK der Einfluss
des Fluglärms auf den Liegenschaftswert ausgehend von effektiven
Transaktionspreisen ermittelt wird, während im Modell MIFLU II der
fluglärmbedingte Minderwert von Mieten gesucht wird, um anschliessend mit einem
DCF-Ansatz den Minderwert der Ertragsliegenschaft zu berechnen.
Das Bundesgericht hat sich in BGE 134 II 49 (E. 16.4 S. 82 f.) im Zusammenhang
mit dem Modell MIFLU I für selbstgenutzte Wohnliegenschaften mit der
hedonischen Methode auseinandergesetzt. Es hielt fest, dass es sich bei der
Bewertung nach hedonischem Modell um eine Art Vergleichsverfahren handle.
Verglichen würden jedoch nicht die Liegenschaften selbst, sondern deren
preisbestimmende Eigenschaften, was den Kreis der möglichen Vergleichsobjekte,
die nicht in der gleichen Gegend liegen müssten, beträchtlich erweitere. Die
einzelnen Eigenschaften eines Grundstücks würden definiert, aber nicht von
einem Schätzer benotet, sondern aufgrund der erfassten und ausgewerteten
Vergleichsdaten, die auf effektiven Marktdaten beruhen, preislich bestimmt. Die
hedonische Methode erlaube mithin als einzige der heute bekannten
Schätzungsmethoden, auf einer weitgehend objektivierten Basis das Vorhandensein
oder Fehlen eines bestimmten Liegenschaftsmerkmals direkt mit einem
entsprechenden Preisaufschlag oder -abzug zu verbinden. Sie
BGE 138 II 77 S. 92
ermögliche damit auch eine gleichmässige Bewertung in einer Grosszahl von
Fällen. Die Methode dürfe heute als in den schweizerischen Immobilienkreisen
weit verbreitet gelten. Genüge ein Modell den wissenschaftlichen Anforderungen,
so bestehe kein Grund, die Anwendung der hedonischen Methode bei Bewertungen im
Rahmen von bundesrechtlichen Enteignungsverfahren abzulehnen.
Das Bundesverwaltungsgericht ergänzte im angefochtenen Entscheid, dass der
Preis der einzelnen Eigenschaften mithilfe einer multiplen Regression geschätzt
werde. Die Regressionsrechnung ermittle qualitative Zusammenhänge zwischen
erklärenden bzw. unabhängigen Variablen und einer zu erklärenden bzw.
abhängigen Variablen. Gesucht werde eine mathematische Funktion, die diese
Zusammenhänge beschreibe. Bei einer einzigen unabhängigen Variablen spreche man
von einfacher Regression, bei mehreren unabhängigen Variablen liege eine
multiple Regression vor. Bei einer einfachen linearen Regression werde ein
Streudiagramm erstellt, d.h. die Daten würden - bildlich gesprochen - in ein
Koordinatensystem eingetragen (x-Achse = unabhängige Variable; y-Achse =
abhängige Variable); anschliessend werde eine Gerade bestimmt, welche diesen
Punkten möglichst entspreche. In der einfachsten Variante der Regression werde
dazu die Summe der Quadrate der Abweichungen der Punkte von der
Regressionsfunktion minimiert. Bei einer multiplen Regression würden die Werte
in einem drei- oder mehrdimensionalen Koordinatensystem eingetragen und
anstelle einer Geraden werde eine Ebene bzw. eine entsprechend mehrdimensionale
Funktion gesucht, welche die Werte annähernd abbilde. Die Regression sei ein
etabliertes statistisches Verfahren. Dagegen bestimme der hedonische Ansatz
nicht, welche Eigenschaften das Güterbündel "Immobilie" ausmachen; dies müsse
empirisch festgelegt werden.

8. Die Enteigner kritisieren in erster Linie, das auf Transaktionspreise
gestützte hedonische Modell ESchK sei für die Bewertung von
Ertragsliegenschaften ungeeignet; insbesondere entbehre es einer theoretischen
Grundlage.

8.1 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass hedonische Methoden in
der Literatur auch im Zusammenhang mit der Bewertung von Ertragsliegenschaften
genannt würden. Zwar stünden beim Entscheid eines Investors über den Kauf einer
Ertragsliegenschaft der Ertrag und die Kosten im Vordergrund. Auch bei einer am
Ertrag orientierten Bewertung könne sich jedoch die Fluglärmbelastung in Form
von reduzierten Mieterträgen oder Potentialmieten,
BGE 138 II 77 S. 93
höheren Kosten oder Leerstandsrisiken auf den Liegenschaftswert auswirken. Sei
dieser Effekt empirisch feststellbar, sei nicht zu beanstanden, wenn er mit
geeigneten statistischen Methoden beziffert werde. Ziel des hedonischen Modells
ESchK sei nicht zu erklären, wie und weshalb sich Fluglärm auf den
Liegenschaftswert auswirke. Mit dem Modell solle dieser Effekt lediglich
beschrieben und beziffert werden. Eine ökonomisch theoretische Begründung sei
dazu nicht unerlässlich. (...)
Das Bundesverwaltungsgericht verwarf auch den Einwand der Enteigner, wonach die
Mieterträge im Modell zwingend hätten berücksichtigt werden müssen. (...)

8.2 Die Enteigner halten dagegen - gestützt auf Gutachten von Prof. Philippe
Thalmann vom 14. April 2010 sowie der Wüest & Partner AG Zürich vom 23. Februar
2011 - eine theoretische Grundlage für unerlässlich, um falsche Ergebnisse zu
erkennen und Scheinkorrelationen auszuschliessen. (...)
Kerngedanke der hedonischen Theorie sei, dass nicht vordergründig das Gut
(Wohnung oder Haus) erworben werde, sondern der damit verbundene Nutzen bzw.
die nutzenstiftenden Eigenschaften. Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien
würden zur Erzielung von Mieterträgen und/oder zum Zwecke der Wertsteigerung
erworben. Darin unterschieden sie sich von Wohneigentum, das selbst genutzt
werde und das Grundbedürfnis Wohnen befriedige. Der direkte hedonische Ansatz,
der den Transaktionspreis mit Qualitätsmerkmalen des Gebäudes korreliere, sei
deshalb zur Bewertung von selbstgenutzten Wohnliegenschaften geeignet, nicht
aber für Ertragsliegenschaften, weil es bei diesen nicht um den persönlichen
Nutzen, sondern um die Erzielung von Ertrag gehe. (...)
Dies würde für die Berücksichtigung der Mieteinnahmen im hedonischen Modell
sprechen. Diese seien allerdings ihrerseits von verschiedenen im hedonischen
Modell ESchK verwendeten Faktoren abhängig, womit das Problem der
Multikollinearität bei der Regressionsanalyse auftrete. Multikollinearität
liege vor, wenn zwei oder mehr erklärende Variablen eine sehr starke
Korrelation miteinander haben, und könne zu Über- oder Unterschätzungen der
hedonischen Preise sowie zu Vorzeichenfehlern führen. Hier offenbare sich der
Zielkonflikt des Modells ESchK: Die Modellspezifikation ohne die Mieterträge
stehe im Widerspruch zur hedonischen Theorie; der Einbezug der Mieteinnahmen
sei dagegen aufgrund des Problems der Multikollinearität nicht ohne weiteres
möglich. (...)
BGE 138 II 77 S. 94
Offensichtlich unrichtig sei die Aussage der Vorinstanz, wonach direkte
hedonische Modelle zur Bewertung von Renditeliegenschaften etabliert seien
(...). Das Modell ESchK sei in der Schweiz einzigartig und geniesse
"Exotenstatus". (...)
(...)

8.4 An der Instruktionsverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte
Prof. Scognamiglio auf die Frage von Prof. Thalmann, ob die hedonische Methode
auf Ertragsliegenschaften anwendbar sei, Folgendes aus: Das hedonische
Verfahren basiere auf der multiplen Regression, einem weltweit bekannten
statistischen Standardverfahren. Damit könne, basierend auf rund 2000 Fällen,
der Einfluss von Fluglärm bestimmt werden. Die Rendite einer Liegenschaft hänge
direkt von der erzielbaren Miete ab, welche wiederum direkt das Resultat der
Eigenschaften der Immobilie und ihrer Lage sei. In der Praxis bewährten sich
hedonische Modelle zur Bewertung von Mehrfamilienhäusern. Viele institutionelle
Kunden (Banken, Versicherungen, Pensionskassen) wendeten diese in der Schweiz
seit Jahren an. Die DCF-Methode werde insbesondere im Büro- und Gewerbebereich
verwendet, wo nicht genügend Vergleichsdaten verfügbar seien. Die Erfahrung mit
der DCF-Methode zeige, dass je nach getroffenen Annahmen zu den Parametern
zwischen einzelnen Bewertern auf Ebene Einzelobjekte Abweichungen in der
Grössenordnung von bis zu 20 % auftreten könnten.
Auf die Frage Prof. Thalmanns, warum die für den Investor entscheidenden
Elemente (Kosten, Erträge, Risiken) ausgeklammert worden seien, erwiderte Prof.
Scognamiglio, dass die Mieten die Gebäude- und Lagefaktoren widerspiegelten;
das Modell habe daher statt den Mieten die mietpreisbestimmenden Faktoren
verwendet. Die Kosten korrelierten mit dem Gebäudezustand. Die Zinsen würden
durch die Timedummies berücksichtigt.

8.5 Unstreitig ist, dass die hedonischen Indizes der IAZI AG in der Praxis
weitverbreitet und anerkannt sind, und zwar nicht nur für Einfamilienhäuser und
Eigentumswohnungen, sondern auch für Renditeliegenschaften (...). Dagegen
erfolgt die Bewertung von Einzelobjekten bei Ertragsliegenschaften überwiegend
gestützt auf die DCF-Methode. Immerhin bietet die IAZI AG auch für
Mehrfamilienhäuser die Bewertung nach hedonischem Modell als preiswertere
Alternative an. In seiner Dissertation (Methoden zur Immobilienbewertung im
Vergleich, 1999, S. 196 ff., Zusammenfassung S. 205; vgl. auch LODERER/JÖRG/
PICHLER/ROTH/ZGRAGGEN, Handbuch
BGE 138 II 77 S. 95
der Bewertung, 3. Aufl. 2005, Ziff. 26.7 S. 1066 f.) hat Prof. Scognamiglio ein
hedonisches Modell für die Bewertung von Mehrfamilienhäusern entwickelt, das
sich jedenfalls als genauer erwies als die traditionellen Bewertungsverfahren
(Ertragswert- bzw. Realwertmethode).
Im Schweizerischen Schätzerhandbuch (Bewertung von Immobilien, Ausgabe 2005,
Schweizerische Vereinigung kantonaler Grundstücksbewertungsexperten SVKG und
Schweizerische Schätzungsexpertenkammer/Schweizerischer Verband der
Immobilienwirtschaft SEK/SVIT [Hrsg.], Ziff. 3.5 S. 93 f.) wird ausgeführt, die
hedonische Bewertungsmethode ermögliche einfach und schnell taugliche
Rückschlüsse auf den Verkehrswert, wenn das zu bewertende Vergleichsobjekt im
Wesentlichen gleiche Haupteigenschaften aufweise wie die in der Statistik
enthaltenen Objektarten. Dies treffe bei den am häufigsten gehandelten
Objektarten wie Ein-und Mehrfamilienhäusern (Hervorhebung des Bundesgerichts)
zu. Stünden dagegen bei dem zu bewertenden Objekt besondere Eigenschaften im
Vordergrund (z.B. Seeanstoss, luxuriöse Villa in abgelegener Lage, gemischtes
Objekt Wohnen/Gewerbe), so stehe erfahrungsgemäss nicht genügend statistisches
Vergleichsmaterial zur Verfügung. In diesen Fällen seien brauchbare
Rückschlüsse auf den Verkehrswert des Vergleichsobjekts mit Hilfe der
hedonischen Methode nur sehr beschränkt möglich und mit entsprechender Vorsicht
zu handhaben.

8.5.1 Vorliegend ist zu beachten, dass der Auftrag im Rückweisungsentscheid des
Bundesgerichts lautete, Kriterien für die schematische Beurteilung der
immissionsbedingten Entwertung von Mehr familienhäusern (und nicht für
Ertragsliegenschaften anderer Art) zu entwickeln (Urteil 1E.9/2007 E. 13).
Zudem soll nicht deren Verkehrswert bzw. der Einfluss des Fluglärms auf diesen
im Einzelfall ermittelt werden, sondern es geht um eine schematische Ermittlung
der fluglärmbedingten Werteinbusse . Für diese Betrachtungsweise erscheint die
hedonische Methode grundsätzlich geeignet, sofern genügend Datensätze vorhanden
sind und das Modell den für statistische Modelle dieser Art geforderten
Gütekriterien genügt (vgl. dazu im Folgenden, E. 9 und 12).

8.5.2 Bereits aufgrund des verbindlichen Rückweisungsentscheids des
Bundesgerichts ist davon auszugehen, dass sich übermässiger Fluglärm
wertmindernd auf Mehrfamilienhäuser auswirkt, weshalb die im Modell ESchK
festgestellte negative Korrelation zwischen Fluglärmbelastung und
Transaktionspreis keine blosse Scheinkorrelation darstellt. (...)
BGE 138 II 77 S. 96

8.5.3 (Zusammenfassung: Die Nichtberücksichtigung der Mieteinnahmen als
erklärende Variable im Modell ESchK ist nicht zu beanstanden, wenn die im
Modell verwendeten mietzins- und kostenbestimmenden Faktoren wie Lage, Gebäude
etc. die Transaktionspreise genügend genau erklären; vgl. dazu unten, E. 12).

9. Die Enteigner rügen weiter, das Modell ESchK basiere mit insgesamt nur 143
Liegenschaften mit Fluglärmeinfluss auf einer viel zu kleinen Datenbasis.
Ungenügend sei insbesondere die Anzahl stark belärmter Liegenschaften: Im
entschädigungsrelevanten Bereich von mehr als 60 dB habe der Fluglärmeinfluss
nur mit 13 Beobachtungen geschätzt werden können. Dies genüge nicht, da der
Fluglärmeinfluss auch nach Auffassung der Vorinstanz nicht linear verlaufe.
(...) Problematisch sei schliesslich, dass der überwiegende Teil der
Transaktionsdaten nicht aus der Region Zürich stamme. Die Auffassung der
Vorinstanz, es bestehe in der ganzen Schweiz ein einheitlicher Markt für
Renditeliegenschaften, sei offensichtlich unrichtig.

9.1 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, es bestehe keine fixe Grenze
für die bei einer Regressionsanalyse benötigte Anzahl Datensätze; diese hänge
von den konkreten Umständen und verschiedenen Faktoren ab (z.B. Anzahl der
Variablen, angestrebter p-Wert). Als Faustregel für eine grobe Schätzung der
notwendigen Stichprobengrösse gelte, dass pro erklärender Variable mindestens
zehn Elemente benötigt werden. Auch bei Annahme einer Mindeststichprobe von 20
Elementen pro Variable erweise sich die zur Verfügung stehende Datenmenge als
bei weitem genügend. (...)
Zwar treffe es zu, dass sich Objekte in der Stadt Zürich erheblich von solchen
beispielsweise im Jura unterscheiden könnten. Gerade im Bereich von
Renditeliegenschaften könne aber deswegen noch nicht von verschiedenen Märkten
gesprochen werden. Regionale Effekte würden im Modell berücksichtigt, so dass
die geografische Heterogenität der Transaktionen nicht problematisch erscheine.
Im Übrigen werde mit dem Modell nicht eine Liegenschaftsbewertung vorgenommen,
sondern der Einfluss des Fluglärms ermittelt. Die Liegenschaftsbewertung sei
bereits mittels anderer Schätzmethoden erfolgt. Vor diesem Hintergrund
erscheine es nicht problematisch, wenn der Wert eines Parkplatzes in Delémont
überbewertet, derjenige eines Parkplatzes in der Stadt Zürich unterbewertet und
von einem Durchschnittswert ausgegangen werde. (...)
(...)
BGE 138 II 77 S. 97

9.3 Zwar besteht Einigkeit darüber, dass der Fluglärmeinfluss - zumindest in
tieferen Bereichen - nicht linear verläuft, sondern einer Kurve mit zunehmendem
Gefälle folgt. Die Vorinstanz erachtete es auch als wahrscheinlich, dass der
Einfluss des Fluglärms ab einem bestimmten Wert wieder abnimmt, da ab einem
bestimmten Schwellenwert eine vollständige Entwertung zu erwarten sei. Dennoch
ging sie - zu Recht - davon aus, dass eine lineare Entwertung zumindest im
Bereich der für einen Grossteil der betroffenen Liegenschaften zu erwartenden
Lärmbelastung eine vertretbare Schematisierung darstelle. Auch die von den
Enteignern erarbeiteten Modelle MIFLU I und MIFLU II gehen von linearen
Entwertungen aus.
Die Berechnung der (linearen) Wertminderung stützt sich auf die Gesamtheit der
Transaktionen über der gewählten Grundbelastung. Von den insgesamt verwendeten
1925 Transaktionsdaten wiesen immerhin 421 im Zeitpunkt der Transaktion eine
Grundbelastung (Leq16) über 45 dB auf (...); bei 143 Transaktionen lag der
Leq16 über 50 dB. Damit waren genügend Stichproben vorhanden, unabhängig davon,
ob man die Grenze bei 10 bis 20 Datensätzen je Variable oder noch höher
ansetzt.

9.4 Das Modell ESchK beruht auf Transaktionen aus der gesamten Schweiz, d.h.
aus Regionen mit sehr unterschiedlichen Immobilienpreisen. Die regionalen
Unterschiede werden jedoch durch die Variable MACRO berücksichtigt: In diese
fliessen eine Vielzahl von geografischen und sozioökonomischen Faktoren der
jeweiligen Gemeinde ein, die erfahrungsgemäss das Preisniveau für Immobilien
beeinflussen, wie beispielsweise die Zentralität der Gemeinde oder deren
Steuererträge (vgl. dazu SCOGNAMIGLIO, a.a.O., S. 149 ff.). Die einzelnen
Faktoren wurden den Parteien (...) offengelegt und werden von den Enteignern
und ihren Experten nicht substanziiert kritisiert.

9.5 (Zusammenfassung: Zu den Einwänden der Enteigner zur Repräsentativität der
Daten)

10. Die Enteigner rügen weiter, der Fluglärm sei bei den Vergleichsobjekten im
Einzugsgebiet der Flughäfen Genf, Lugano, Basel und Bern nicht berücksichtigt
worden.

10.1 Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass für die Ermittlung des
Fluglärmeffekts nur die Liegenschaften im Einflussbereich des Zürcher
Flughafens herangezogen worden seien; die Grundstücke im Einzugsbereich anderer
Flughäfen seien somit nur zur Bewertung der übrigen Objekteigenschaften
verwendet worden.
BGE 138 II 77 S. 98
Dennoch sei die Kritik der Enteigner in diesem Punkt grundsätzlich berechtigt:
Die Nichtberücksichtigung des Fluglärms bei den übrigen Liegenschaften könne
dazu führen, dass einzelne davon als nicht fluglärmbelastet erscheinen, obwohl
sie ebenfalls eine fluglärmbedingte Wertminderung erlitten haben. Dies könne
dazu führen, dass die übrigen Eigenschaften dieser Liegenschaften zu tief
bewertet und dadurch der Wert der übrigen Eigenschaften im Modell insgesamt
vermindert werde. Dies wiederum könne zu einer Unterschätzung des Fluglärms im
Modell führen.
Allerdings ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass nur ein sehr
kleiner Teil der Liegenschaften im Einflussbereich anderer Flughäfen liege und
die Fluglärmbelastung aufgrund der Lage und der Grösse der übrigen Flughäfen
deutlich geringer sein dürfte als im Bereich des Flughafens Zürich. Der Effekt
sei somit vernachlässigbar; jedenfalls erscheine es vertretbar, ihn im Rahmen
der unvermeidlichen Schematisierung eines solchen Modells nicht zu
berücksichtigen.

10.2 Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Zwar ist nicht bekannt, ob und
wie viele der im Modell ESchK berücksichtigten Objekte dem Lärm anderer
Flughäfen ausgesetzt waren. Die Überlegung der Vorinstanz erscheint jedoch
plausibel, da die Flughäfen Genf, Basel-Mulhouse und Bern-Belp lediglich über
eine Piste verfügen und ein geringeres Verkehrsaufkommen haben als der
Flughafen Zürich. Beim Flughafen Basel-Mulhouse liegen überdies die
lärmbelasteten Liegenschaften ganz überwiegend in Frankreich; für das Modell
ESchK wurden aber nur Transaktionen in der Schweiz berücksichtigt. Schliesslich
ist zu bedenken, dass eine allfällige Verzerrung - wie die Vorinstanz dargelegt
hat - zu einer Unter schätzung der fluglärmbedingten Wertminderung geführt,
sich also zugunsten der Enteigner ausgewirkt hätte.
(...)

11. Weiter bemängeln die Enteigner, im Modell ESchK werde der Strassenlärm
ungenügend berücksichtigt. Während das Modell MIFLU II die geokodierten
Strassenlärmdaten des Kantons Zürich verwende, begnüge sich das Modell ESchK
mit einer rudimentären Berücksichtigung des Strassenlärms als Teil der Benotung
der Mikrolage. Die Lagebenotung sei subjektiv und vermische den Strassenlärm
mit anderen Lagefaktoren (Distanz zu Schulen, Einkaufsmöglichkeiten etc.).
(...)
(...)
BGE 138 II 77 S. 99

11.3 Auch wenn die Verwendung geokodierter Strassenverkehrslärmdaten vom
Bundesgericht im Rückweisungsentscheid nicht vorgeschrieben wurde, erscheint es
sinnvoll, diese objektiven und präzisen Daten zu verwenden, sofern dies möglich
ist. Allerdings machen die Enteigner selbst geltend, dass nicht für alle
Kantone geokodierte Strassenlärmdaten in genügender Qualität zur Verfügung
stehen. Im Modell ESchK - mit Transaktionsdaten aus der ganzen Schweiz -
konnten deshalb geokodierte Strassenlärmdaten nicht verwendet werden. Zu prüfen
ist daher, ob dies die Plausibilität und Zuverlässigkeit des Modells ESchK
beeinträchtigt.
Im Modell ESchK wurde die Lage im Ort (MICRO) durch einen Schätzer mit einer
Note zwischen 1 und 4 (sehr gut, gut, mittel und schlecht) beurteilt. Als sehr
gut gilt eine bevorzugte ruhige Wohnlage mit Aussicht und guter Besonnung, in
direkter Zentrumsnähe, mit kurzen Distanzen zu öffentlichen Verkehrsmitteln,
Einkaufsmöglichkeiten und Schulen sowie zu Naherholungsgebieten. Als schlecht
wird eine Lage in gemischter Bauzone ohne Aussicht oder genügende Besonnung
bewertet, mit mässiger bis starker Lärmbelastung (Verkehr, Gewerbe) oder
Geruchsimmissionen, in eher dezentraler Lage mit wenig Einkaufsmöglichkeiten
oder längeren Wegen zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulen. Prof.
Scognamiglio führte dazu an der Instruktionsverhandlung der Vorinstanz aus,
Analysen hätten gezeigt, dass die Modelle nicht genauer würden, wenn weitere
GIS-Faktoren berücksichtigt würden. Er wies darauf hin, dass auch potentielle
Käufer lediglich eine qualitative Beurteilung der Grundstückslage vornehmen
würden.
Dieses Argument leuchtet grundsätzlich ein. Allerdings ist nicht
auszuschliessen, dass der Einfluss des Fluglärms auf den Wert einer
Liegenschaft mit schlechter Lagenote unterschiedlich ausfallen kann, je
nachdem, ob die Note auf den starken Strassenverkehrslärm zurückzuführen ist
(der den Fluglärm überlagern kann) oder auf Nichtlärmfaktoren wie z.B. die
dezentrale Lage.
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Lage im Ort nur
eine Untervariable der Variablen BUILD ist. Um einen möglichen Einfluss der
Wahl der Faktoren zum Gebäude und zur Lage auf die Signifikanz der
Fluglärmgrössen auszuschalten, wurden im Modell ESchK für jede der sechs
getesteten Lärmspezifikationen jeweils 12 verschiedene Modelle berechnet, mit
jeweils unterschiedlichen Kombinationen von Objekt- und Lagevariablen (Bericht
Hedonisches Bewertungsmodell für fluglärmbelastete
BGE 138 II 77 S. 100
Renditeliegenschaften vom 24. September 2009, Ziff. 4.1.2 S. 19). Für ihren
Entscheid legte die Schätzungskommission von allen - statistisch gleichermassen
signifikanten - Ergebnissen für die Grundbelastung45 dasjenige mit der tiefsten
Preissensitivität pro dB (0,9 %) zugrunde. Sollte es daher in einem oder
mehreren berechneten Modellen zu einer Überschätzung des Fluglärmeinflusses
wegen überlagerndem Strassenverkehrslärm gekommen sein, hätte sich dies im
Ergebnis nicht ausgewirkt.

12. Aufgabe der Schätzungskommission war es, ein schematisches Modell für die
Bewertung des fluglärmbedingten Minderwerts bei vermieteten Mehrfamilienhäusern
zu erstellen, das praktikabel ist und die Gleichbehandlung der Enteigneten
garantiert (zitiertes Urteil 1E.9/2007 E. 12 in fine). Ein derartiges Modell
kann nicht auf die Besonderheiten des konkreten Falles zugeschnitten sein, muss
aber die fluglärmbedingte Wertminderung von Ertragsliegenschaften genügend
plausibel und zuverlässig berechnen, um als Basis für die künftigen Entscheide
der Schätzungskommission dienen zu können. Die Vorinstanzen überprüften die
Genauigkeit des Modells anhand von statistischen Gütekriterien. Dies erscheint
grundsätzlich richtig, handelt es sich doch beim hedonischen Bewertungsmodell
ESchK um ein statistisches Analyseverfahren.

12.1 Die Vorinstanzen stellten zunächst auf das Bestimmtheitsmass R^2 (bzw.
adjustiertes R^2 ) ab: Dieser Quotient zwischen der durch die Regression
erklärten Streuung und der Gesamtstreuung diene als einfache Masszahl zur
Beurteilung der Güte eines Regressionssatzes (FAHRMEIR/KÜNSTLER/PIGEOT/TUTZ,
Statistik, Der Weg zur Datenanalyse, 7. Aufl., S. 498). Das hedonische Modell
ESchK weise ein sehr hohes R^2 von über 0,95 auf, d.h. die berechneten Modelle
erklärten über 95 % der Varianz der beobachteten Transaktionspreise, bzw. nur 5
% der analysierten Transaktionspreise der 1925 Renditeliegenschaften könnten
nicht durch die gewählten Faktoren erklärt werden. (...)
Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat, darf allerdings nicht
einseitig auf das Bestimmtheitsmass abgestellt werden; anzustreben ist vielmehr
ein ausbalanciertes Modell mit durchwegs guten Gütewerten; unerlässlich ist
insbesondere die Angabe der Signifikanz des Gesamtmodells, d.h. der
Wahrscheinlichkeit, dass die Zusammenhänge - gesamthaft betrachtet - nur
zufällig sind (ROMAN GÜNTER, Entwicklungsprozess, Methoden und Gütekriterien
BGE 138 II 77 S. 101
ökonometrischer Modelle, in: Kaspar Fierz, Der Schweizer Immobilienwert, 5.
Aufl. 2005, Anh. XI S. 748). Die Vorinstanzen haben deshalbzu Recht zusätzlich
auf den t-Wert und den p-Wert zur Beurteilung der Signifikanz der einzelnen
Faktoren abgestellt.

12.2 Die Schätzungskommission führte hierzu im ergänzenden Bericht vom 14.
Dezember 2010 aus, die Kolonnen t-value und p-value seien aus technischer Sicht
sehr wichtig: Sie geben an, wie signifikant die einzelnen Faktoren für die
Bestimmung des Preises seien. Eine Variable sei sehr signifikant, wenn eine
kleine Änderung davon eine signifikante Änderung des Schätzpreises verursache.
Die Signifikanz lasse sich mit dem t-value quantifizieren, der die Anzahl
Standardabweichungen angebe, die den Regressionsparameter von der
Null-Hypothese (die Variable erklärt den Preis nicht) unterscheide. Je grösser
der absolute t-Wert, desto signifikanter die Variable. Wenig signifikante
Variablen würden mit dem sogenannten Backward-Elimination-Standardverfahren aus
dem Modell eliminiert. Das Vorzeichen des t-Werts gebe an, ob eine Zunahme der
transformierten Variable eine Zunahme (+) oder Abnahme (-) des Preises
verursache. Die signifikanteste transformierte Variable im Modell ESchK sei die
Variable "IVol", die ein Mass für das Volumen der Liegenschaft darstelle, mit t
= 48,47. Basierend auf dem t-Wert und der Anzahl Freiheitsgrade lasse sich der
p-Wert (probability value) oder Signifikanzwert bestimmen. Dieser Wert sei eine
Kennzahl zur Auswertung statistischer Tests. Ein p-Wert kleiner als 0,05
bedeute, dass die Variable mit einer Wahrscheinlichkeit von grösser als 95 %
signifikant sei.
Die Schätzungskommission stellte anhand der t- und p-Werte des Modells eine
hohe Signifikanz der erklärenden Variablen des Modells fest. Der Einfluss des
Fluglärms auf den Wert der Immobilien werde äusserst genau gemessen: Mit
durchschnittlichen t-Werten von 3,5 und p-Werten von 0,001 betrage das
statistische Vertrauensniveau 99,9 %. Dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht
bestätigt: Es hielt im angefochtenen Entscheid fest, die Schätzungskommission
habe die Qualität des Modells anhand sachgerechter und bewährter Kriterien
beurteilt.
Diese Erwägungen werden von den Enteignern nicht (substanziiert) kritisiert und
sind nicht zu beanstanden.

12.3 Schliesslich berücksichtigte die Schätzungskommission bei ihrem Entscheid,
im Sinne eines Vergleichsmassstabs, den
BGE 138 II 77 S. 102
Entwertungssatz, der sich für die Pilotfälle gemäss dem Modell MIFLU I für
selbstgenutztes Wohneigentum ergeben würde. Sie wählte, innerhalb der im Modell
ESchK berechneten Bandbreite für die Grundbelastung 45, den geringsten
Entwertungssatz (0,9 % pro dB), der leicht unter demjenigen liegt, der sich
gemäss MIFLU I ergeben hätte. Dies entspricht den Erwägungen des Bundesgerichts
im Rückweisungsentscheid (Urteil 1E.9/2007 E. 13.1): Danach ist grundsätzlich
davon auszugehen, dass selbstgenutztes Wohneigentum und Mehrfamilienhäuser
durch Fluglärm in ähnlicher Weise beeinträchtigt werden.

12.4 Nach dem Gesagten durften die Schätzungskommission und das
Bundesverwaltungsgericht das hedonische Modell als hinreichend plausibel und
zuverlässig einstufen, ohne Bundesrecht zu verletzen.

12.5 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, im Detail auf die Kritik der
Enteigneten und der Vorinstanzen am Modell MIFLU II einzugehen. (...)
Den Enteignern ist einzuräumen, dass MIFLU II auf einer weit grösseren
Datenmenge (86'000 Inserate von Mietwohnungen) beruht und wichtige
Lagefaktoren, wie namentlich den Strassenverkehrs- und Bahnlärm, aufgrund von
GIS-Daten präziser ermittelt als das Modell ESchK. Diesen Vorteilen stehen
dagegen erhebliche Unsicherheiten bei der Festsetzung des Diskontierungssatzes
gegenüber. Dieser hat einen erheblichen Einfluss auf das Resultat, d.h. auf die
fluglärmbedingte Wertminderung der Liegenschaft.
(Zusammenfassung : Kritik der Enteigneten an dem im Modell MIFLU II gewählten
starren Diskontierungssatz und an dessen Höhe)
Da sich das Modell ESchK als bundesrechtskonform erweist, kann auf eine
Auseinandersetzung mit diesen Fragen verzichtet werden.