Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 II 42



Urteilskopf

138 II 42

6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK) gegen Farnair Switzerland AG und Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL)
(Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_842/2010 vom 13. Januar 2012

Regeste

Art. 83 lit. t und Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; Art. 1 Abs. 2 und Art. 32 des
Luftverkehrsabkommens; Art. 4 lit. b und Art. 6 der Verordnung (EG) 1008/2008;
Verordnung (EWG) 3922/91 EU OPS 1.003 lit. a Ziff. 1 und EU OPS 1.175 lit. a
und i sowie Anlage 2 zu EU OPS 1.175; Zulässigkeit eines "Assessments" für
"Postholder".
Tragweite des Ausschlussgrunds von Art. 83 lit. t BGG sowie Verzicht auf die
Voraussetzung des aktuellen Interesses (E. 1). Verhältnis des schweizerischen
zum europäischen Luftrecht sowie Auslegung der europäischen Rechtsgrundlagen;
Abgrenzung von behördlichen "approval" und "acceptance actions" (E. 2 und 3).
Die Anforderungen, denen ein "Postholder Flight Operations" genügen muss,
ergeben sich aus dem europäischen Recht mit hinreichender Klarheit. Ein
"Assessment" ist zulässig, ohne dass es zusätzlicher Rechtsgrundlagen im
nationalen Recht bedürfte (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 43

BGE 138 II 42 S. 43
X. war von 2000 bis 2007 bei der Farnair Switzerland AG (im Weiteren: Farnair)
als Fachbereichsleiter Flugbetrieb ("Postholder Flight Operations") tätig. Nach
einem gesundheitlich bedingten Unterbruch nahm er diese Funktion am 5. Januar
2009 wieder auf, was die Farnair dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am 14.
Januar 2009 anzeigte. Am 19. Januar 2009 bestätigte das BAZL den Eingang des
entsprechenden Schreibens und wies darauf hin, dass X. für das erforderliche
"Assessment" kontaktiert werde. Dieses fand am 25. Mai 2009 statt und bestand
aus einer Analyse seines Dossiers, einem Interview und zwei schriftlichen
Prüfungen ("Postholder General Knowledge" und "Postholder Field Competence").
Am 3. Juni 2009 teilte das Bundesamt für Zivilluftfahrt der Farnair mit, dass
"das Gesuch um Zustimmung zur Nominierung von X. als Postholder Flight
Operations [...] zurzeit abgewiesen werde". X. habe anlässlich des
routinemässigen Assessments 68 Punkte erreicht; um als Postholder akzeptiert
werden zu können, seien mindestens 80 Punkte erforderlich; zwischen 70 und 80
Punkten sei eine provisorische Funktionsausübung unter strengen Auflagen
möglich. Aufgrund seines "derzeitigen Wissensstands" erfülle X. die
Anforderungen an die Funktion eines Postholders nicht.
Die Farnair gelangte hiergegen an das Bundesverwaltungsgericht, welches ihre
Beschwerde - soweit darauf einzutreten war - am
BGE 138 II 42 S. 44
29. September 2010 im Sinne der Erwägungen guthiess und feststellte, dass X.
Postholder innerhalb der Betriebsorganisation der Fairnair sei. Das
Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass der mit dem Assessment verbundene
Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit normhierarchisch den Anforderungen von Art.
36 Abs. 1 BV genüge, hingegen nicht bezüglich der Normdichte.
Das Bundesgericht heisst die vom Eidgenössischen Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) hiergegen eingereichte Beschwerde gut
und hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2010 auf.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Gegen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich des
Luftverkehrsrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
an das Bundesgericht zulässig, soweit es nicht um das Ergebnis von Prüfungen
und von anderen Fähigkeitsbewertungen geht (vgl. Art. 6 des Bundesgesetzes vom
21. Dezember 1948 über die Luftfahrt [Luftfahrtgesetz, LFG; SR 748.0] i.V.m.
Art. 82 ff. und 83 lit. t BGG). Unter den Ausschlussgrund von Art. 83 lit. t
BGG fallen Prüfungsergebnisse im eigentlichen Sinn, aber - genereller und
rügeunabhängig - auch alle anderen Entscheide, die sich auf eine Bewertung der
intellektuellen oder physischen Fähigkeiten oder die Eignung eines Kandidaten
beziehen (Urteile 2C_408/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2 und 2C_176/2007 vom 3. Mai
2007 E. 2 [Fluguntauglichkeitserklärung aus medizinischen Gründen]; 2C_438/2008
vom 16. Oktober 2008 E. 2.1 und 2.3 [Zulassung zum Revisionsexperten]; BGE 136
II 61 E. 1 [Kontrollfahrt]).

1.2 Bei der Verfügung des Bundesamts für Luftfahrt hat es sich ursprünglich um
einen Entscheid über das Ergebnis einer Prüfung im Sinne von Art. 83 lit. t BGG
gehandelt. Der Streitgegenstand hat sich in der Folge jedoch insofern
gewandelt, als das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit des umstrittenen
Assessments aufgrund des geltenden Rechts als solche verneint und das konkrete
Ergebnis gar nicht mehr geprüft hat. Das zur Behördenbeschwerde legitimierte
UVEK (vgl. Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 LFG; BGE 135 II 338
E. 1.2.1; BGE 136 II 359 E. 1.2) wirft die Frage auf, ob und wie das BAZL
gestützt auf die einschlägigen luftrechtlichen Bestimmungen die Eignung eines
Postholders überprüfen darf.
BGE 138 II 42 S. 45
Umstritten sind vor Bundesgericht damit neu die Voraussetzungen, unter denen
ein von einem Luftverkehrsunternehmen gemeldeter Postholder - unabhängig von
dessen konkreten Assessmentresultaten - zu anerkennen ist. Der Ausschlussgrund
von Art. 83 lit. t BGG ("Ergebnis von Prüfungen") steht der Beurteilung dieser
Problematik nicht entgegen. Es geht dabei um eine allgemeine organisatorische
Frage des Luftrechts und nicht eine solche der Fähigkeitsbewertung in einem
konkreten Einzelfall (vgl. BGE 136 I 229 E. 1; zu den Ausschlussgründen bei
Behördenbeschwerden s. auch BGE 130 II 137 E. 1.2).

1.3 Zwar ist der betroffene Kandidat inzwischen pensioniert worden, womit an
sich das aktuelle Interesse an der Beurteilung der vorliegenden Eingabe
nachträglich dahingefallen ist, doch sieht das Bundesgericht von diesem
Erfordernis ab, wenn sich - wie hier - die mit der Beschwerde aufgeworfenen
grundsätzlichen Fragen jeweils unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder
stellen können, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche
Prüfung möglich wäre (vgl. BGE 131 II 670 E. 1.2 S. 674 mit Hinweisen). Auf die
frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist deshalb einzutreten.

2.

2.1 Das schweizerische Luftrecht ist über das Abkommen vom 21. Juni 1999
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen
Gemeinschaft über den Luftverkehr in das europäische Regelungssystem
eingebunden (Luftverkehrsabkommen; SR 0.748.127.192.68 [im Folgenden: LVA];
vgl.REGULA DETTLING-OTT, Das bilaterale Luftverkehrsabkommen der Schweiz und
der EG, in: Bilaterale Verträge I & II Schweiz-EU, Thürer und andere [Hrsg.],
2007, S. 491 ff. Rz. 5, 8, 49; DETTLING-OTT/HALDIMANN, Luftverkehrsrecht, Teil
II: Betrieb der Luftfahrt, in: Verkehrsrecht, Georg Müller [Hrsg.], SBVR Bd.
IV, 2008, Rz. 26 ff. S. 412). Zudiesem Zweck gelten im Rahmen des Gegenstands
des Abkommens und der im Anhang genannten Verordnungen und Richtlinien die
europäischen Regeln auch in der Schweiz (Art. 1 Abs. 2 und Art. 32 LFA). Danach
wird einem Unternehmen eine Betriebsbewilligung für die gewerbsmässige
Beförderung von Personen oder Gütern nur erteilt, wenn es über ein
Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate: AOC) verfügt, das
insbesondere auch die Flugbetriebs- und Unterhaltsorganisation regelt (vgl.
Art. 103 lit. d LFV
BGE 138 II 42 S. 46
[SR 748.01]; Art. 4 lit. b und Art. 6 der Verordnung [EG] Nr. 1008/2008 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame
Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft
[ABl. L 293 vom 31. Oktober 2008 S. 3 ff.] i.V.m. Ziff. 1 des Anhangs zum
Luftverkehrsabkommen). Das AOC bescheinigt, dass der Luftverkehrsbetreiber die
fachliche Eignung und Organisation besitzt, um die Sicherheit des im Zeugnis
genannten Betriebs gemäss den einschlägigen Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts oder gegebenenfalls des einzelstaatlichen Rechts zu
gewährleisten (Art. 2 Ziff. 8 der Verordnung [EG] 1008/2008).

2.2 Die Voraussetzungen zur Erteilung, Änderung und Aufrechterhaltung der
Gültigkeit des Luftverkehrsbetreiberzeugnisses bilden Gegenstand der Verordnung
(EWG) Nr. 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der
technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt
(Abschnitt C des Anhangs III [ABl. L 373 vom 31. Dezember 1991 S. 4 und
Änderungen gemäss ABl. L 254 vom 20. September 2008 S. 1]). NachEU OPS 1.175
lit. i (Allgemeine Vorschriften für die Erteilung des
Luftverkehrsbetreiberzeugnisses) muss der Luftfahrtunternehmer den behördlichen
Anforderungen genügende Fachbereichsleiter ernannt haben, die für die Leitung
und Überwachung der Bereiche (1.) Flugbetrieb, (2.) Instandhaltungssystem, (3.)
Schulung der Besatzungen und (4.) Bodenbetrieb verantwortlich sind. Ziel dieser
Regelung ist es, dass das Luftfahrtunternehmen über eine "verlässliche und
effektive Führungsstruktur" verfügt, "um die sichere Durchführung des
Flugbetriebs" zu gewährleisten. Die ernannten Fachbereichsleiter müssen "ihre
Führungsqualitäten sowie die entsprechenden technischen/betrieblichen
Befähigungen im Bereich der Luftfahrt nachgewiesen haben" (Anlage 2 zu EU OPS
1.175 lit. a [Allgemeines]). Nach EU OPS 1.003 lit. a Ziff. 1 bedeutet "den
behördlichen Anforderungen genügend", dass "seitens der Luftfahrtbehörde keine
Einwände gegen die Eignung für den beabsichtigtenZweck erhoben wurden".
Abgesehen von Ausnahmefällen muss der geplante Wechsel eines
Fachbereichsleiters der Luftfahrtbehörde mindestens zehn Tage im Voraus
angezeigt werden (EU OPS 1.185 lit. f).

3.

3.1 Mit der Vorinstanz und der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass
diese europarechtlichen Bestimmungen nach dem
BGE 138 II 42 S. 47
Willen der Vertragspartner grundsätzlich auch in der Schweiz direkt angewendet
werden sollen: EU-Verordnungen sind im Gegensatz zu den Richtlinien
verbindliche, generell-abstrakte, in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltende
Regelungen. Es ist regelmässig weder nötig noch zulässig, sie in einem Erlass
des innerstaatlichen Rechts umzusetzen (vgl. Art. 288 Abs. 2 und 3 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV; ABl. C 83 vom 30. März 2010
S. 47]; TOBIAS JAAG, Europarecht, 3. Aufl. 2010, Rz. 2108 ff.; EPINEY/MOSTERS/
RIEDER, Europarecht, Bd. I, 2010, S. 70 f.; BIEBER/MAIANI, Précis de droit
européen, 2. Aufl. 2011, S. 41 f.). Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied hat die
entsprechenden Verpflichtungen staatsvertraglich übernommen. Die bilateralen
Abkommen und die darin als verbindlich erklärten Anhänge werden aufgrund des
monistischen Systems mit ihrer Ratifizierung automatisch Teil der
schweizerischen Rechtsordnung (THÜRER/HILLEMANNS, Allgemeine Prinzipien, in:
Bilaterale Verträge I & II Schweiz-EU, Thürer und andere [Hrsg.], 2007, S. 39
ff. Rz. 9). Das Luftverkehrsabkommen Schweiz-EU regelt auf der Grundlage der
Gegenseitigkeit den Zugang der schweizerischen Fluggesellschaften zum
europäischen Markt. Im Anhang zum Abkommen wird für den Luftverkehr der
gemeinschaftliche Besitzstand ("acquis communautaire") definiert; gleich wie in
den EU-Staaten sind alle entsprechenden einschlägigen europäischen
Verordnungsvorschriften für die Schweiz verbindlich (vgl. Art. 23 Ziff. 4 LVA;
DETTLING-OTT, a.a.O., Rz. 8 ff.; DETTLING-OTT/HALDIMANN, a.a.O., Rz. 39 ff.).
Sie bedürfen, falls sie hinreichend konkretisiert sind , um in einem Einzelfall
direkt angewendet werden zu können ("self-executing"; vgl. BGE 131 V 390 E. 5.2
S. 398), keiner besonderen Umsetzung mehr im nationalen Recht. An der
entsprechenden Bestimmtheit fehlt es, wenn Normen, die eine Materie nur in
Umrissen regeln, dem Vertragsstaat einen beträchtlichen Ermessens- und
Entscheidungsspielraum zubilligen oder blosse Leitgedanken enthalten, die sich
nicht an die Verwaltungs- und Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber
richten. In diesem Fall sind nationale Ausführungsregelungen denkbar (vgl.
THÜRER/HILLEMANNS, a.a.O., Rz. 14 f.); sie dürfen jedoch weder Sinn und Zweck
des Abkommens widersprechen noch dessen Wirksamkeit vereiteln oder
diskriminierend wirken (vgl. Art. 17 und 23 Abs. 3 und 4 LVA). Das
staatsvertraglich übernommene EU-Verordnungsrecht entspricht national einer
Regelung auf materieller bzw. formeller Gesetzesstufe (vgl. THÜRER/HILLEMANNS,
a.a.O., Rz. 10 f.;
BGE 138 II 42 S. 48
HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, Rz. 152)
und ist deshalb geeignet, die durch die Verfassung geschützte
Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV; Organisationsfreiheit) des
Luftfahrtunternehmens zum Schutz der Sicherheit des Flugbetriebs und der
grenzüberschreitenden, europaweiten Harmonisierung der luftrechtlichen Regeln
zu beschränken.

3.2

3.2.1 Im vorliegenden Kontext bedeutet dies, dass zwar das Luftfahrtunternehmen
den Postholder ernennt, dieser indessen mit Blick auf seine Stellung als für
den jeweiligen Bereich verantwortliche Person in der Geschäftsleitung den
entsprechenden behördlichen Anforderungen genügen muss (EU OPS 1.175 lit. i
i.V.m. EU OPS 1.003 lit. a Ziff. 1). Wird wie hier der "Postholder Flight
Operations", d.h. der Fachbereichsleiter Flugbetrieb, ersetzt, hat der
entsprechende Luftverkehrsbetreiber dies der Luftfahrtbehörde zehn Tage zuvor
anzuzeigen (EU OPS 1.185 lit. f) und die Behörde ihm innert dieser Frist
mitzuteilen (vgl. ICAO-Annex 6, Part 1, Attachement E. Air Operator
Certification and Validation, Ziff. 2.1.3), ob sie gegen die Eignung der
ernannten Person Einwände erheben will; äussert sie sich ihrerseits innert den
zehn Tagen nicht, ist davon auszugehen, dass die Führungsqualitäten und
technischen/betrieblichen Befähigungen der bezeichneten Person von ihr
anerkannt sind (EU OPS 1.003 lit. a Ziff. 1 i.V.m. lit. a der Anlage 2 zu EU
OPS 1.175).

3.2.2 Die Beschwerdegegnerin zeigte dem BAZL am 14. Januar 2009 an, dass sie X.
seit dem 5. Januar 2009 wieder als Fachbereichsleiter Flugbetrieb beschäftigte;
damit kam sie den Vorgaben von EU OPS 1.185 lit. f nicht nach. Das BAZL
bestätigte am 19. Januar 2009 den Eingang der entsprechenden Mitteilung und
kündigte an, dass es X. zwecks Vereinbarung eines Prüfungstermins kontaktieren
werde; es erhob damit gegen dessen Bezeichnung als Postholder rechtzeitig
Einwände im Sinn von EU OPS 1.003. Entgegen der Kritik der Beschwerdegegnerin
regelt keine der genannten Normen, auf welcher Grundlage allfällige Einwände
der Aufsichtsbehörde beruhen müssen bzw. dass solche bloss wegen konkreter,
(bereits) begründeter Zweifel an der Eignung der bezeichneten Person erhoben
werden dürften. Es steht im pflichtgemässen Ermessen der Aufsichtsbehörde,
darüber zu befinden, unter welchen Bedingungen der vom Luftfahrtunternehmen
ernannte Fachbereichsleiter seine "Führungsqualitäten sowie die entsprechenden
technischen/betrieblichen
BGE 138 II 42 S. 49
Befähigungen im Bereich der Luftfahrt" nachgewiesen hat (Anlage 2 zu EU OPS
1.175 lit. a) und damit den luftrechtlichen Anforderungen an seine Funktion
genügt, sodass die organisatorischen Voraussetzungen für das AOC (weiterhin)
erfüllt sind. Die übernommenen europäischen Normen schliessen nicht aus, dass
die verantwortliche Behörde zu diesem Zweck ein Assessment durchführt. Es ist
nicht ersichtlich, inwiefern eine entsprechende (systematische) Evaluation
gegen das Abkommens- oder das damit übernommene europäische Verordnungsrecht
verstossen oder Sinn und Zweck der staatsvertraglichen Regelung vereiteln
würde, nachdem Anlage 2 zu EU OPS 1.175 - wie dargelegt - vorschreibt, dass die
ernannten Fachbereichsleiter ihre Führungsqualitäten sowie die entsprechenden
technischen/betrieblichen Befähigungen "nachgewiesen" haben müssen. Auch das
deutsche Luftfahrt-Bundesamt (LBA) sieht vor, dass es den Nachweis der
Kenntnisse "durch geeignete Massnahmen" feststellt und im Allgemeinen "ein
ergänzendes persönliches Gespräch" führt, "um Kenntnisstand und Qualifikation
abschliessend beurteilen zu können" (vgl. Ziff. 11 lit. c der Festlegungen zur
Qualifikation von Leitungspersonen in Luftunternehmen gemäss OPS 1 bzw. JAR-OPS
3 deutsch, der 1. DV LuftBO und in Unternehmen zur Führung der
Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit gemäss Teil-M, NfL II 18/11).

3.2.3 Der Beschwerdegegnerin ist zuzugestehen, dass die Grenzen zwischen
"approval actions" und "acceptance actions" fliessend sind: Nach OPS 1.003 lit.
a bedeutet - wie bereits dargelegt - den "behördlichen Anforderungen genügend",
"dass seitens der Luftfahrtbehörde keine Einwände gegen die Eignung für den
beabsichtigten Zweck erhoben wurden" (Ziff. 1), während (von der
Luftfahrtbehörde) genehmigt heisst, "dass die Eignung für den beabsichtigten
Zweck (durch die Luftfahrtbehörde) dokumentiert wurde" (Ziff. 2). Entgegen der
Auffassung der Beschwerdegegnerin kann hieraus indessen nicht abgeleitet
werden, dass sich das behördliche Zustimmungserfordernis im vorliegenden
Zusammenhang auf ein punktuelles Vetorecht des Staates beschränken würde. Zwar
ist es das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen seiner Wirtschaftsfreiheit die
Person bezeichnet, die es als Postholder in seinem Betrieb ernennen will, es
muss sie aber zehn Tage vor ihrem Einsatz der zuständigen Behörde melden. Die
staatliche Aufsichtsbehörde hat die Pflicht, bei mangelnder Eignung der
bezeichneten Person ihre Zustimmung zu verweigern. Um zu prüfen, ob der vom
Unternehmer
BGE 138 II 42 S. 50
bestimmte Postholder, der ihr nicht notwendigerweise bekannt sein muss und die
einzelnen Anforderungen im Umfeld des konkreten Betriebs zu erfüllen hat, den
erforderlichen Voraussetzungen genügt, setzt praktisch gewisse Abklärungen und
vor der "acceptance" allenfalls ein Assessment bzw. ein Gespräch mit dem
Betroffenen voraus. Ein solches Vorgehen ist durch OPS 1.175 lit. i abgedeckt,
geht es doch darum, die Luftsicherheit und die europaweite Anerkennung des
schweizerischen Luftverkehrsbetreiberzeugnisses sicherzustellen. Das vom BAZL
gewählte Vorgehen geht diesbezüglich zwar weit und kommt einer Genehmigung bzw.
Dokumentation der Eignung im Sinne von OPS 1.003 Ziff. 2 nahe, verletzt
indessen unter Berücksichtigung des der Fachbehörde einzuräumenden technischen
Ermessens kein Bundesrecht.

3.2.4 Dies gilt umso mehr, wenn bei der Auslegung auch den Definitionen gemäss
ICAO-Annex 6, Part 1, Attachement E. Air Operator certification and validation
(Supplemetary to Chapter 4, 4.2.1), Rechnung getragen wird: Danach
unterscheidet sich das "approval" seitens des Staates von der "acceptance"
dadurch, dass im ersten Fall eine aktive Antwort des Staates erforderlich ist,
welche sich in einem formellen Akt niederschlägt (Ziff. 2.1.2), während die
"acceptance" nicht notwendigerweise ein Handeln des Staates voraussetzt, ein
solches aber auch nicht ausschliesst (Ziff. 2.1.3). Im Übrigen sollte der Staat
- so die Empfehlung weiter - vor der Erteilung des "approval" oder der
"acceptance" eine technische Sicherheitsprüfung durchführen oder durchführen
lassen, welche gewissen (spezifizierten) Minimalanforderungen zu genügen hat
(Ziff. 2.1.5). Ziff. 4.1.2 weisst schliesslich darauf hin, dass verschiedene
Staaten das "acceptance"-Verfahren als formelle Methode verstehen, um
sicherzustellen, dass alle wesentlichen Aspekte der Zertifizierung vor der
Ausstellung des AOC durch den Staat geprüft werden. Die entsprechenden
Originaltexte lauten:
2.1.2 An approval is an active response by the State to a matter submitted for
its review. An approval constitutes a finding or determination of compliance
with the applicable standards. An approval will be evidenced by the signature
of the approving official, the issuance of a document or certificate, or some
other formal action taken by the State.
2.1.3 An acceptance does not necessarily require an active response by the
State to a matter submitted for its review. A State may accept a matter
submitted to it for review as being in compliance with the applicable standards
if the State does not specifially reject all or a portion of the matter under
review, usually after defined period of time after submission.
(...)
BGE 138 II 42 S. 51
2.1.5 The State should make or arrange for a technical safety evaluation before
issuing the approval or acceptance. The evaluation should:
a) be accomplished by a person with specific qualifications to make such a
technical evaluation;
b) be in accordance with written, standardized methodology; and
c) where necessary to safety, include a partical demonstration of the air
operator's actuel ability to conduct such an operation.
(...)
4.1.2 The concept of "acceptance" is used by some States as a formal method of
ensuring that all critical aspects of operator certification are reviewed by
the State prior to the formal issuance of the AOC. (...)

4.

4.1 Das Bundesverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der mit dem
Zustimmungserfordernis durch die Luftfahrtbehörde verbundene Eingriff in die
Wirtschaftsfreiheit zwar hinsichtlich der Normstufe durch die einschlägigen
europäischen Bestimmungen gedeckt sei, indessen nicht bezüglich der
erforderlichen Normdichte. Aus der Regelung, wonach der Postholder seine
Führungsqualitäten sowie die entsprechenden technisch/betrieblichen
Befähigungen nachgewiesen haben müsse, könne abgeleitet werden, dass es dem
BAZL gestattet sei, ein Prüf- und Kontrollprogramm für die
Postholder-Kandidaten zu entwerfen. Es ergebe sich daraus jedoch nicht, wie
dies zu geschehen habe und um welche technischen und betrieblichen Befähigungen
es im Einzelnen gehe. Die fraglichen EU OPS-1-Bestimmungen räumten dem BAZL ein
erhebliches Ermessen ein, da die konkreten Voraussetzungen, unter denen ein
Postholder von ihm akzeptiert werde, sehr vage formuliert seien. Es handle sich
um Leitideen, die sich landesintern an die gesetz- bzw. verordnungsgebenden
Behörden richteten und nicht geeignet erschienen, konkrete Grundlage eines
Einzelfallentscheids zu bilden, weshalb wegen des damit verbundenen Eingriffs
in die Wirtschaftsfreiheit des Luftfahrtunternehmens eine Umsetzung im
nationalen Recht erforderlich sei.

4.2 Zu Recht macht das beschwerdeführende Departement geltend, die Vorinstanz
stelle damit - im vorliegenden technischen Kontext - zu hohe Anforderungen an
das Legalitätsprinzip und insbesondere an das Bestimmtheitsgebot:

4.2.1 Das Einspracherecht und die entsprechende Einsprachepflicht des
Bundesamts ergibt sich aus dem unmittelbar anwendbaren
BGE 138 II 42 S. 52
EU-Verordnungsrecht. Dieses basiert materiell auf den entsprechenden
Bestimmungen der Joint Aviation Authorities (JAA) und insbesondere den JAR-OPS
bzw. den Materialien dazu. Die Europäische Kommission und die EASA ("European
Aviation Safety Agency"), welche die JAA abgelöst hat, gehen in einer Note vom
10. März 2009 an die beteiligten Aufsichtsbehörden davon aus, dass die
jeweiligen Voraussetzungen bis zu weiteren bzw. allenfalls abweichenden
Standardisierungen seitens der EASA gestützt auf die Joint Aviation
Requirements (JARs) in ihrer letzten durch die JAA publizierten Fassung gelten.
In diesem Rahmen darf zur Harmonisierung als Auslegungshilfe auch auf die von
den JAA erlassenen Administrative & Guidance Materials zu JAR OPS, Section
Four: Operations, Part Three: Temporary Guidance Leaflet (JAR-OPS)
herausgegebenen Leaflet No 44 (TGL 44) vom 1. Juni 2008 abgestellt werden. Die
entsprechenden Bestimmungen des europäischen Rechts sind im Lichte der damit
verbundenen Empfehlungen und Auslegungshilfen zu lesen; diese sollen
sicherstellen, dass europaweit analoge Minimalstandards angewendet werden,
welche die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der jeweiligen
Erhebung ermöglichen. Entscheidend ist, dass der mit dem Erfordernis der
Zustimmung der Aufsichtsbehörde verbundene Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit
als solcher auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und die von der Behörde
erwarteten Kenntnisse und Voraussetzungen des Postholders absehbar sind. Deren
Spezifizierung kann im Rahmen des Luftverkehrsabkommens auch auf allgemein
anerkannten Empfehlungen und fachtechnischen Richtlinien beruhen, ohne dass
diese separat und ausdrücklich jedesmal gesondert in das nationale Recht
übernommen werden müssten, da und soweit sie Basis grenzüberschreitender, rein
technischer Anerkennungen und Harmonisierungen bilden.

4.2.2 Die ACJ OPS 1.175 (i) sieht im vorliegenden Zusammenhang ("Postholder
Flight Operations") vor:
1. General. Nominated Postholders should, in the normal way, be expected to
satisfy the Authority that they possess the appropriate experience and
licensing requirements which are listed in paragraph 2 to 6 below. In
particular cases, and exceptionally, the Authority may accept a nomination
which does not meet the requirements in full but, in this circumstance, the
nominee should be able to demonstrate experience which the Authority will
accept as being comparable and also the ability to perform effectively the
functions associated with the post and with the scale of the operation.
BGE 138 II 42 S. 53
2. Nominated postholders should have:
2.1. Practical experience and expertise in the application of aviation safety
standards and safe operating practices;
2.2. Comprehensive knowledge of:
a. JAR-OPS and any associated requirements and procedures;
b. The AOC holder's Operations Specifications;
c. The need for, and content of, the relevant parts of the AOC holder's
Operations Manual;
2.3. Familiarity with Quality Systems;
2.4. Appropriate management experience in a comparable organisation; and
2.5. Five years relevant work experience of which at least two years should be
from the aeronautical industry in an appropriate position.
3. Flight operations.
The nominated postholder or his deputy should hold a valid Flight Crew Licence
appropriate to the type of operation conducted under the AOC in accordance with
the following:
3.1. If the AOC includes aeroplanes certificated for a minimum crew of 2 pilots
- An Airline Transport Pilot's Licence issued or valitated by a JAA Member
State;
3.2. If the AOC is limited to aeroplanes certificated for a minimum crew of 1
pilot - A Commercial Pilot's Licence, and if appropriated to the operation, an
Instrument Rating issued or validated by a JAA Member State.
Etwa die gleichen Anforderungen stellt die EASA in ihrer Notice of proposed
Amendment (NPA) No 2009-02c (GM2 OR.OPS.210. AOC [a]):
1. Nominated post holders should be expected to possess the experience and
licensing provisions which are listed in paragraphs 2 to 7 below. In particular
cases, and exceptionally, the competent authority may accept a nomination which
does not meet these provisions in full. In that circumstance, the nominee
should have comparable experience and also the ability to perform effectively
the functions associated with the post and with the scale of the operation.
2. Nominated post holders should have:
a. Practical experience and expertise in the application of aviation safety
standards and safe operating practices;
b. Comprehensive knowledge of:
i. Community regulations and any associated requirements and procedures;
ii. The operator certificate holder's operations specifications;
BGE 138 II 42 S. 54
iii. The need for, and content of, the relevant parts of the operator
certificate holder's operations manual;
c. Familiarity with management systems;
d. Appropriate management experience in a comparable organisation; and
e. Five years of relevant work experience of which at least two years should be
from the aeronautical industry in an appropriate position.
3. Flight Operations. The nominated post holder or his deputy should hold a
valid Flight Crew Licence appropriate to the type of operation conducted under
the Operator Certificate.

4.2.3 Gestützt auf diese Präzisierungen ist es für das Luftfahrtunternehmen
hinreichend vorhersehbar, welchen Bedingungen und welchem Anforderungsprofil
der von ihm ernannte Postholder zu genügen hat, damit das BAZL im Rahmen seines
Assessments auf Einwendungen verzichtet. Es rechtfertigt sich nicht, das
Bestimmtheitsgebot in einer stark technischen Materie so streng zu handhaben,
wie das die Vorinstanz tut, zumal das einzelne Assessment-Resultat Gegenstand
richterlicher Überprüfung bilden kann. Das übernommene europäische
Sekundärrecht deckt mit dessen mitübernommener Auslegung im Sinne der JAR-OPS
der JAA im vorliegenden Zusammenhang die vom Bundesamt vorgenommenen
Abklärungen, zumal deren Inhalt und Verfahren auch durch den ICAO-Annex 6, Part
I, Attachement F. und durch ICAO Doc 8335-AN Manual of Procedures for
Operations Inspection, Certification and Continued Surveillance, Chapiter 5
Operational Inspection prior to certification (Ziff. 5.2.2) präzisiert wird.
Eine zusätzliche, das Verfahren regelnde Gesetzgebung mag wünschbar erscheinen,
ist indessen nicht Voraussetzung zur Durchführung des Assessments. Unter diesen
Umständen braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob - wie das
beschwerdeführende Departement weiter geltend macht - die Vorinstanz mit ihrem
Entscheid auch die zwingende und direkte Wirkung von im Rahmen des Chicagoer
Übereinkommens (SR 0.748.0) vorgesehenen Regeln missachtet hat (vgl. hierzu:
DETTLING-OTT/HALDIMANN, a.a.O., Rz. 14 ff.; BVGE 2009/62; BGE 125 I 182 E. 3c).