Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 II 300



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Urteilskopf

138 II 300

23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X. und Steuerverwaltung des Kantons
Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_614/2011 vom 4. Mai 2012

Regeste

Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 DBG; Art. 24 Abs. 1 ZGB;
steuerrechtlicher Wohnsitz eines "Weltenbummlers".
Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Wohnsitzverlegung einer natürlichen
Person ins Ausland: Der einmal begründete Wohnsitz bleibt grundsätzlich bis zum
Erwerb eines neuen bestehen (E. 3.1-3.4).
Darstellung der Kritik an der bisherigen Praxis (E. 3.5 und 2.4.2).
Für die analoge Anwendung von Art. 24 Abs. 1 ZGB und damit die Bejahung des
Fortbestandes des Steuerdomizils eines "Weltenbummlers" sprechen der Grundsatz
der Einheit der Rechtsordnung, die Rechtssicherheit sowie das Verhindern von
Rechtsmissbräuchen (E. 3.6.1 und 3.6.2).
Solange der "Weltenbummler" nicht nachweisbar massgebliche Beziehungen - im
Sinne der Ansässigkeit - zu einem konkreten anderen Ort im Ausland begründet,
wird vom Weiterbestehen des schweizerischen Steuerdomizils ausgegangen (E.
3.6.3).

Sachverhalt ab Seite 301

BGE 138 II 300 S. 301

A. Die Eheleute X. und Y. wohnten gemeinsam in Münchenstein/BL. Der Ehemann
(Y.) meldete sich im Januar 2005 bei der Gemeinde auf den 15. März 2005 ab und
gab als neue Adresse "Weltenbummler" an, während die Ehefrau (X.) in
Münchenstein blieb. Im Herbst 2006 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons
Basel-Landschaft X. für die Staats- und die direkte Bundessteuer 2005. Dabei
rechnete sie ihr die Einkommens- und Vermögensanteile ihres Ehemannes auf. Das
bestätigte sie mit Einspracheentscheiden vom 13. März 2007. Das Steuergericht
des Kantons Basel-Landschaft hiess die dagegen von X. erhobenen Rekurse mit
Entscheiden vom 6. Juli 2007 teilweise gut. Sie wies die kantonale
Steuerverwaltung an, die Ehefrau neu zu veranlagen, indem die
Einkommensfaktoren des Ehemannes und bei der Staatssteuer zusätzlich dessen
Vermögensfaktoren "lediglich zur Satzbestimmung zu berücksichtigen" seien. Die
darauf von der kantonalen Steuerverwaltung beim Kantonsgericht Basel-Landschaft
eingereichte Beschwerde wurde am 9. April 2008 abgewiesen.

B. Gegen das Urteil des Kantonsgerichts vom 9. April 2008 erhob die
Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) am 4. Juni 2008 Beschwerde beim
Bundesgericht. Dieses trat darauf mit Entscheid vom 3. Februar 2009 (Verfahren
2C_420/2008) nicht ein mit der Begründung, das Urteil des Kantonsgerichts
stelle einen Zwischenentscheid dar, wobei die Voraussetzungen gemäss Art. 92 f.
BGG zur Anfechtung eines solchen Entscheids nicht erfüllt seien.

C. In Umsetzung des Urteils des Kantonsgerichts vom 9. April 2008 veranlagte
die kantonale Steuerverwaltung X. am 24. Juni 2008
BGE 138 II 300 S. 302
neu und bestätigte dies mit Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2009. Die von
der ESTV betreffend die direkte Bundessteuer erhobenen Rechtsmittel wurden vom
Steuergericht am 9. Juli 2010 und vom Kantonsgericht Basel-Landschaft am 20.
April 2011 abgewiesen.

D. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. August 2011
beantragt die ESTV dem Bundesgericht, den Einspracheentscheid der kantonalen
Steuerverwaltung vom 14. Dezember 2009 betreffend die direkte Bundessteuer 2005
"in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben" und das Einkommen von Y. und X. "für
die direkte Bundessteuer 2005 gemeinsam in der Schweiz in Münchenstein zu
besteuern". (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und bestätigt den
Einspracheentscheid der kantonalen Steuerverwaltung vom 13. März 2007
betreffend die direkte Bundessteuer.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Bei der direkten Bundessteuer gilt für verheiratete Personen grundsätzlich
die Ehegattenbesteuerung. Gemäss Art. 9 Abs. 1 DBG (SR 642.11) wird das
Einkommen der Eheleute, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe
leben, ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechnet, wobei die Steuer
auf der Summe aller Einkünfte zu entrichten ist (sog. Faktorenaddition). Daraus
wird umgekehrt gefolgert, dass bei rechtlicher oder tatsächlicher Trennung das
Einkommen der Ehegatten je selbständig besteuert wird (vgl. BGE 133 II 305 E.
4.1 S. 308; Urteile 2A.432/2004 vom 16. Dezember 2004 E. 3.2, in: StR 60/2005
S. 435; 2A.353/2006 vom 18. Januar 2007 E. 4.1 und 4.2, in: StR 62/2007 S. 352;
Botschaft vom 25. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 30 und
159; Kreisschreiben Nr. 14 der ESTV vom 29. Juli 1994 zur Familienbesteuerung
nach dem DBG, lit. A. 2a, ASA 63 S. 284 ff., insb. 285; Art. 5 Abs. 2 der
Verordnung vom 16. September 1992 über die zeitliche Bemessung der direkten
Bundessteuer bei natürlichen Personen [SR 642.117.1]).

2.2 Vorliegend hat sich der Ehemann der Beschwerdegegnerin in Münchenstein im
Laufe des Jahres 2005 abgemeldet, Letztere hingegen nicht. Selbst wenn die
Eheleute dadurch verschiedene Wohnsitze begründet hätten, bedeutet das allein
noch nicht, dass die Ehe rechtlich oder tatsächlich getrennt ist und deshalb
eine separate Besteuerung stattzufinden hat (vgl. BGE 121 I 14 E. 5c S. 19;
Urteil
BGE 138 II 300 S. 303
2P.2/2003 vom 7. Januar 2004 E. 2.4.1, in: ASA 73 S. 420). Für eine derartige
Besteuerung müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein; namentlich darf keine
eheliche Gemeinschaft mehr bestehen (vgl. Urteile 2A.433/2000 vom 12. Juli 2001
E. 2b, in: ASA 71 S. 558; 2A.432/2004 vom 16. Dezember 2004 E. 3.2, in: StR 60/
2005 S. 435; 2C_523/2007 vom 5. Februar 2008 E. 2.3, in: StR 63/2008 S. 364;
erwähntes Kreisschreiben Nr. 14, lit. A. 2b und c sowie B. 1b, ASA 63 S.
286-288).
Den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz zufolge halten die Eheleute an
der ehelichen Gemeinschaft weiterhin fest. Sie bestreiten sogar den
Lebensunterhalt aus den gemeinsamen Mitteln. Demnach ist nicht von einer
getrennten Ehe auszugehen, so dass grundsätzlich - wie von der ESTV verlangt -
eine Faktorenaddition bezüglich der Beschwerdegegnerin und ihrem Ehemann
stattzufinden hat (vgl. Art. 15 der erwähnten Verordnung vom 16. September 1992
[SR 642.117.1]). Die Beschwerdegegnerin macht allerdings geltend, ihr Ehemann
habe - im Gegensatz zu ihr - seit dem 16. März 2005 keinen steuerlichen
Wohnsitz mehr in der Schweiz.

2.3 Hat ein Ehegatte einen ausländischen Wohnsitz, ist trotz rechtlich und
tatsächlich ungetrennter Ehe lediglich der in der Schweiz wohnhafte Ehepartner
im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, wobei auch nur das Einkommen des
Letzteren besteuert wird. Das Einkommen des im Ausland wohnhaften Ehegatten ist
insoweit nur zur Satzbestimmung des Einkommens heranzuziehen (vgl. erwähntes
Urteil 2C_523/2007 E. 2.2, in: StR 63/2008 S. 364; erwähntes Kreisschreiben Nr.
14, lit. B. 1a und b, ASA 63 S. 287 f.; CHRISTINE JAQUES, in: Commentaire
romand, Impôt fédéral direct, Yersin/Noël [Hrsg.], 2008, N. 15 zu Art. 9 DBG;
PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 2001, N. 22 f. zu Art. 9 DBG; noch zur
Wehrsteuer: BGE 73 I 408 E. 2 S. 409 ff.; 75 I 385 E. 3 S. 388 f.).

2.4 Vorliegend gehen allerdings sämtliche Verfahrensbeteiligten in nicht zu
beanstandender Weise davon aus, der Ehemann der Beschwerdegegnerin habe keinen
Wohnsitz im Ausland begründet und sei auch nicht in einem anderen Land
unbeschränkt steuerpflichtig geworden. Uneins sind sie sich indes über die
Konsequenzen.

2.4.1 Unter Berufung auf die bisherige bundesgerichtliche Praxis (s. Hinweise
in E. 3.3 hiernach) sind die ESTV und die kantonale Steuerverwaltung der
Ansicht, es sei auf Art. 24 Abs. 1 ZGB abzustellen. Gemäss dieser Bestimmung
bleibe der einmal begründete
BGE 138 II 300 S. 304
Wohnsitz einer Person bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes bestehen.
Demnach wäre der Ehemann der Beschwerdegegnerin so zu behandeln, als hätte er
weiterhin seinen Wohnsitz in der Schweiz in Münchenstein. Damit wäre auch die
erwähnte Faktorenaddition nach Art. 9 Abs. 1 DBG vorzunehmen.

2.4.2 Das Kantonsgericht, das kantonale Steuergericht sowie die
Beschwerdegegnerin vertreten hingegen die Auffassung, die Anknüpfung an einen
fiktiven Wohnsitz sei im Steuerrecht nicht vorgesehen. Die Aufrechterhaltung
der Steuerpflicht trotz Aufgabe des Wohnsitzes erfordere aufgrund des im
Steuerrecht streng gehandhabten Legalitätsprinzips eine Konkretisierung auf
steuergesetzlicher Stufe. Ohne ausdrücklichen Gesetzesverweis auf Art. 24 ZGB
sei eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung ausgeschlossen oder
zumindest fraglich. Der steuerrechtliche Wohnsitz nach Art. 3 Abs. 2 DBG sei
ein vom Zivilrecht losgelöster eigenständiger Begriff. Grundsätzlich sei allein
der faktische Wohnsitz massgebend bzw. darauf abzustellen, ob eine Verlagerung
des Mittelpunkts der persönlichen Lebensinteressen von der Schweiz ins Ausland
stattgefunden habe (ähnlich auch BAUER-BALMELLI/OMLIN, in: Kommentar zum
Schweizerischen Steuerrecht, Zweifel/Athanas [Hrsg.], Bd. I/2a, 2. Aufl. 2008,
N. 23 zu Art. 8 DBG; HÖHN/WALDBURGER, Steuerrecht, Bd. I, 9. Aufl. 2001, § 13
N. 24; ROBERT WALDBURGER, Aus der Rechtsprechung im Jahr 2010, IFF Forum für
Steuerrecht 2011 S. 297 ff.; PETER AGNER UND ANDERE, Kommentar zum Gesetz über
die direkte Bundessteuer, Ergänzungsband, 2000, N. 2a zu Art. 3 DBG; FELIX
RICHNER UND ANDERE, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 10 zu Art. 3 DBG;
FELIX RICHNER UND ANDERE, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2.
Aufl. 2006, N. 16 zu § 3 StG/ZH; FELIX RICHNER, Die steuergesetzliche
Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010 für natürliche Personen, ASA 80
S. 38 f.; MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 11 N. 18; JEAN-BLAISE
PASCHOUD, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, N. 17 zu Art. 8 DBG;
DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010,
N. 5 zu Art. 24 ZGB).
Laut Vorinstanz werde lediglich für Spezialfälle auf das Zivilrecht verwiesen,
indem der besondere gesetzliche Wohnsitz der nicht selbständigen Personen nach
Art. 25 ZGB auch als steuerrechtlicher Wohnsitz zu definieren sei. Hingegen sei
im Steuerbereich bei
BGE 138 II 300 S. 305
Anwendung der Wohnsitzvermutung im Sinne von Art. 24 ZGB jeweils zu prüfen, ob
sie dem Einzelfall gerecht werde. Das treffe vorliegend nicht zu. Bei Art. 24
ZGB werde davon ausgegangen, die betroffene Person habe die Absicht, einen
neuen Wohnsitz zu begründen. Der Ehemann der Beschwerdegegnerin beabsichtige
das jedoch in nächster Zeit nicht. Zudem weise er keine Zugehörigkeit zu einem
bestimmten Ort im Gebiet des schweizerischen Steuerhoheitsträgers auf. Er halte
sich im Ausland auf seinem Segelschiff auf. Aus den Akten ergäben sich keine
Hinweise, dass er in nächster Zeit in die Schweiz zurückkehren werde. Da ihn
seine Ehefrau regelmässig auf dem Boot besuche, sei vielmehr davon auszugehen,
dass er beabsichtige, sich weiterhin im Ausland aufzuhalten, und er die Schweiz
nicht nur vorübergehend verlassen habe. Es sei unzulässig zu schliessen, es
handle sich bloss um eine vorübergehende Unterbrechung des Aufenthaltes in der
Schweiz, weil kein neuer Wohnsitz im Ausland begründet worden sei. Deshalb
seien die Einkünfte des Ehemannes lediglich zur Satzbestimmung des Einkommens
der im Inland wohnhaften Ehefrau heranzuziehen.

3.

3.1 Gemäss Art. 3 Abs. 1 DBG sind natürliche Personen aufgrund persönlicher
Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder
Aufenthalt in der Schweiz haben. Einen solchen Wohnsitz hat eine Person, wenn
sie sich hier mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält oder wenn ihr das
Bundesrecht hier einen besonderen gesetzlichen Wohnsitz zuweist (Art. 3 Abs. 2
DBG). Einen steuerrechtlichen Aufenthalt in der Schweiz hat eine Person, wenn
sie ungeachtet vorübergehender Unterbrechung während mindestens 30 Tagen in der
Schweiz verweilt und eine Erwerbstätigkeit ausübt oder ohne Erwerbstätigkeit
während mindestens 90 Tagen hier verweilt (Art. 3 Abs. 3 DBG). Gemäss Art. 8
Abs. 2 DBG endet die Steuerpflicht in der Schweiz unter anderem mit dem Wegzug
des Steuerpflichtigen aus der Schweiz.

3.2 Das Bundesgericht hat bereits verschiedentlich festgehalten, dass als
Wohnsitz einer Person der Ort gilt, an dem sich faktisch der Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen befindet. Dieser bestimmt sich nach der Gesamtheit der
objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen,
nicht nach den bloss erklärten Wünschen der steuerpflichtigen Person. Der
steuerrechtliche Wohnsitz ist insofern nicht frei wählbar; eine bloss affektive
Bevorzugung des einen oder anderen Ortes fällt nicht ins Gewicht (BGE 132 I 29
BGE 138 II 300 S. 306
E. 4 S. 35 ff.; BGE 125 I 54 E. 2 S. 56; BGE 123 I 289 E. 2a und b S. 293 f.;
Urteile 2C_627/2011 vom 7. März 2012 E. 4.1; 2C_355/2010 vom 7. Dezember 2010
E. 4.1, in: StE 2011 B 11.1 Nr. 22).

3.3 Das Bundesgericht hat weiter in konstanter Praxis ausgeführt, dass für eine
Wohnsitzverlegung ins Ausland nicht genügt, die Verbindungen zum bisherigen
Wohnsitz zu lösen; entscheidend ist vielmehr, dass nach den gesamten Umständen
ein neuer Wohnsitz begründet worden ist. Obschon das Bundesgesetz über die
direkte Bundessteuer - anders als noch Art. 4 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses
vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; BS 6
350; in Kraft bis 31. Dezember 1994) - zur Umschreibung des steuerlichen
Wohnsitzes nicht mehr ausdrücklich auf das Zivilgesetzbuch (Art. 23-26 ZGB)
verweist, hat sich der rechtliche Gehalt dieses Begriffs nicht verändert und
lehnt sich weitgehend an den Wohnsitzbegriff des ZGB an (vgl. dazu Botschaft
vom 25. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 86 und 155): Nach
wie vor gilt grundsätzlich, dass niemand an mehreren Orten zugleich Wohnsitz
haben kann. Gleichermassen bleibt - wie nach altem Recht - der einmal
begründete Wohnsitz grundsätzlich bis zum Erwerb eines neuen bestehen (sog.
"rémanence du domicile"). Nicht entscheidend ist deshalb, wann sich der
Steuerpflichtige am bisherigen Wohnort abgemeldet oder diesen verlassen hat.
Begibt er sich ins Ausland, so hat er die direkte Bundessteuer zu entrichten,
bis er nachweisbar im Ausland einen neuen Wohnsitz begründet. Eine andere
Sichtweise würde eine zu grosse Missbrauchsgefahr nach sich ziehen (Urteile
2A.475/2003 vom 26. Juli 2004 E. 2.1 und 2.2, in: RDAF 2005 II 103; 2A.337/2000
vom 6. Februar 2001 E. 2b und c; 2A.388/1998 vom 3. Mai 2000 E. 5a, in: StR 55/
2000 S. 509; seither in konstanter Praxis bestätigt mit Urteilen 2C_627/2011
vom 7. März 2012 E. 4.1; 2C_472/2010 vom 18. Januar 2011 E. 2.2, in: StE 2011 A
32 Nr. 17; 2C_355/2010 vom 7. Dezember 2010 E. 4.1, in: StE 2011 B 11.1 Nr. 22;
2C_484/2009 vom 30. September 2010 E. 3.4, in: RtiD 2011 I pag. 538; ebenso
bzw. ähnlich: ARNOLD/MEIER/SPINNLER, Steuerpflicht bei Auslandbezug, ASA 70 S.
8; ARNOLD/BERGER, Steuerpflicht bei Auslandbezug, in: Ausländerrecht, Peter
Uebersax und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, Rz. 20.18 ff.;DANIEL DE VRIES
REILINGH, Le droit fiscal intercantonal et le droit fiscal international de la
Suisse, 2011, S. 252; ders., Le domicile des personnes physiques en droit
fiscal intercantonal et international, ASA 70 S. 282-284; AGNER/JUNG/STEINMANN,
Kommentar zum Gesetz über
BGE 138 II 300 S. 307
die direkte Bundessteuer, 1995, N. 2 zu Art. 3 DBG; PETER LOCHER, Einführung in
das internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. 2005, S. 229; Art. 24 Abs.
1 ZGB im Sinne einer Vermutung, die durch Gegenbeweis zerstört werden kann:
PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 2001, N. 9, 13 und 61 zu Art. 3 DBG).

3.4 Die Steuerbehörden haben die den Steuerwohnsitz konstituierenden
Sachverhaltselemente zwar von Amtes wegen abzuklären (Art. 123 Abs. 1 DBG). Der
Steuerwohnsitz ist als steuerbegründende Tatsache grundsätzlich von den
Steuerbehörden nachzuweisen. Der Steuerpflichtige ist jedoch zur Mitwirkung und
namentlich zu umfassender Auskunftserteilung über die für die Besteuerung
massgebenden Umstände verpflichtet (vgl. Art. 124 ff. DBG). Dass eine
Wohnsitzverlegung stattgefunden hat, ist somit vom Steuerpflichtigen
darzulegen. Dazu gehört nicht nur die endgültige Lösung der Verbindungen zum
bisherigen Wohnsitz, sondern auch die Darstellung der Umstände, welche zur
Begründung des neuen Wohnsitzes geführt haben (Urteile 2C_355/2010 vom 7.
Dezember 2010 E. 4.1, in: StE 2011 B 11.1 Nr. 22; 2A.350/1990 vom 15. März 1991
E. 3a, in: ASA 60 S. 499; 2P.145/1998 vom 29. September 1999 E. 3c, in: Pra
2000 Nr. 7 S. 29; vgl. auch erwähntes Urteil 2A.475/2003 E. 2.3).

3.5 Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung ist in der Lehre teilweise
auf Kritik gestossen (vgl. Literaturhinweise in E. 2.4.2 hievor). Unter anderem
wird eingewandt, die insoweit zitierte Botschaft zur Steuerharmonisierung falle
nicht so klar aus, als dass die unter dem erwähnten Bundesratsbeschluss (BdBSt)
bestehende Rechtslage betreffend Art. 24 ZGB im aktuellen Recht (DBG)
weiterzugelten habe. Darüber hinaus wird - so auch die Vorinstanz - auf einen
Entscheid des Bundesgerichts Bezug genommen, in welchem zum damaligen Thurgauer
Steuergesetz festgehalten wurde, dieses verweise weder ausdrücklich noch dem
Sinn nach auf Art. 24 Abs. 1 ZGB; daher sei es willkürlich auf diese Bestimmung
abzustellen (Urteil P.1535/1980 vom 24. Juni 1983, publ. in: ASA 54 S. 225).
Das gleiche Ergebnis müsse auch für Art. 3 Abs. 2 DBG gelten.

3.6 Was die Vorinstanz bzw. die in E. 2.4.2 zitierten Lehrmeinungen vorbringen,
ist nicht geeignet, von der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung
abzuweichen:

3.6.1 Zum einen ist für die Anwendung von Art. 24 Abs. 1 ZGB entgegen der
Ansicht der Vorinstanz nicht erforderlich, dass die betroffene Person die
Absicht hat, einen neuen Wohnsitz zu
BGE 138 II 300 S. 308
begründen. Vielmehr ist Art. 24 ZGB die positivrechtliche Verankerung des
Grundsatzes der Notwendigkeit eines Wohnsitzes einer natürlichen Person. Jede
Person soll prinzipiell einem Wohnsitz zugeordnet werden. Niemand soll sich
einer Rechtswirkung durch die Einrede entziehen, er habe nirgends Wohnsitz
(EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1976, N. 1 f. und 15 zu Art. 24 ZGB;
vgl. auch schon AUGUST EGGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1930, N. 1 zu Art. 24
ZGB). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Vorinstanz in diesem
Zusammenhang zitierten Basler Kommentar zum ZGB (3. Aufl. 2006). Dort (in N. 5
zu Art. 24 ZGB, ebenso in der 4. Aufl. 2010) wird unter alleinigem Hinweis auf
einen Entscheid eines kantonalen Gerichts ausgeführt, der fiktive Wohnsitz nach
Art. 24 ZGB finde im Steuerrecht keine Anwendung; dies wird indes nicht damit
begründet, die Anwendung von Art. 24 Abs. 1 ZGB setze voraus, dass der
Betreffende einen neuen Wohnsitz begründen wolle.
Zum anderen mag zutreffen, dass das Einkommenssteuerrecht zunächst
grundsätzlich auf den tatsächlichen Wohnsitz abstellt (vgl. E. 3.2 hiervor).
Dementsprechend weist die erste Variante von Art. 3 Abs. 2 DBG darauf hin, dass
ein steuerrechtlicher Wohnsitz in der Schweiz besteht, wenn sich der
Betreffende hier mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Nach der
zweiten Variante dieser Bestimmung kann aber auch das Bundesrecht einer Person
einen Wohnsitz zuweisen und damit vom faktischen Wohnort abweichen (z.B. nach
Art. 25 ZGB für Kinder unter elterlicher Sorge oder bevormundete Personen; vgl.
LOCHER, Kommentar zum DBG, N. 21 ff. zu Art. 3 DBG). Daraus erhellt zunächst,
dass im Einkommenssteuerrecht nicht allein der faktische Wohnsitz massgebend
ist. Mit Blick auf den ausdrücklichen Verweis auf das Bundesrecht ist entgegen
der Auffassung der Vorinstanz (vgl. angefochtener Entscheid E. 5.5.1) im
Übrigen das im Steuerrecht geltende Legalitätsprinzip (vgl. Art. 127 Abs. 1 BV;
BGE 131 II 562 E. 3.1 S. 565) gewahrt.

3.6.2 Für die analoge Anwendung des Art. 24 Abs. 1 ZGB im internationalen
Verhältnis spricht der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Zwar mag im
Steuerrecht - beim Vorliegen besonderer Gründe - in Ausnahmefällen vom
zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff abgewichen werden. Solche Gründe sind für die
vorliegende Sach- und Rechtslage jedoch nicht ersichtlich; der blosse Umstand,
dass das DBG im Gegensatz zum BdBSt nicht mehr ausdrücklich auf Art. 23-26 ZGB
verweist, genügt auf jeden Fall nicht, zumal sich
BGE 138 II 300 S. 309
auch aus den Materialien nicht ergibt, dass der Gesetzgeber mit der Streichung
des Verweises eine materielle Änderung anstreben wollte. Solange kein neuer
Wohnsitz wirksam begründet wird, können zudem berechtigte Zweifel fortbestehen,
ob der alte Wohnsitz wirklich definitiv aufgegeben worden ist. Für die hier
vertretene Lösung spricht mithin die Rechtssicherheit. Durch das Abstellen auf
die zivilrechtliche Regelung des Art. 24 Abs. 1 ZGB ist namentlich eine
einfache und voraussehbare Regelung gegeben. Wie im bereits zitierten
Bundesgerichtsurteil 2A.475/2003 erwähnt (dort E. 2.2), erlaubt diese Regelung
ausserdem, wirksam Rechtsmissbräuchen entgegenzuwirken.
Soweit sich die Vorinstanz auf das Urteil P.1535/1980 vom 24. Juni 1983
bezieht, übersieht sie, dass Art. 3 Abs. 2 DBG - im Gegensatz zum damaligen
Thurgauer Steuergesetz - explizit von einem vom "Bundesrecht" zugewiesenen
"gesetzlichen Wohnsitz" spricht. Zudem hat hier der Ehemann der
Beschwerdeführerin in verschiedener Hinsicht einen Bezug zu seiner Heimat
behalten. Insbesondere konnte er jederzeit in die eheliche Wohnung, in welcher
seine Ehefrau lebt, zurückkehren. Namentlich darin unterscheidet sich der
vorliegende Sachverhalt von der Konstellation im Fall P.1535/1980, in welchem
der Betroffene ledig war und sich zudem als Arbeitnehmer in einem bestimmten
Land aufhielt und dort tätig war, weshalb vermutet wurde, er weise die engsten
Verbindungen zu seinem ausländischen Arbeitsort auf (vgl. auch BGE 125 I 54 E.
2b/bb S. 57).

3.6.3 Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Steuerpflichtigen um einen
62-jährigen "Weltenbummler". Zwar bestreitet er heute, irgendwelche
Rückkehrabsichten zu haben. Falls sich aber beispielsweise sein
Gesundheitszustand verschlechtern oder er in ernsthafte finanzielle Engpässe
geraten sollte, wird er wohl kaum "auf Reisen" oder "auf hoher See" verbleiben
können oder wollen. Solange er nicht im Ausland einen permanenten, festen
Standort hat, fehlt es mithin an einem Bezugspunkt, an dem sich seine
Lebensbeziehungen neu konzentrieren könnten. Unter diesen Umständen ist nicht
zu beanstanden, wenn vom Weiterbestehen des schweizerischen Steuerdomizils
ausgegangen wird, solange er nicht nachweisbar massgebliche Beziehungen - im
Sinne der Ansässigkeit - zu einem konkreten anderen Ort im Ausland begründet.
Solche werden etwa anerkannt, wenn der Steuerpflichtige im Ausland besteuert
wird bzw. den Nachweis erbringt, dass er von der Steuerpflicht befreit ist
(vgl. erwähntes Urteil 2C_484/2009 vom 30. September 2010 E. 3.4).
BGE 138 II 300 S. 310

3.6.4 Die analoge Anwendung von Art. 24 Abs. 1 ZGB und damit die Bejahung des
Fortbestandes des Steuerdomizils in der Schweiz erscheint auch sachgerecht, da
hier berechtigte Zweifel bestehen, ob der Ehemann der Beschwerdegegnerin in der
Steuerperiode 2005 seinen Wohnsitz in Münchenstein tatsächlich aufgegeben hat:
Zwar will dieser nach eigenen Angaben im Jahre 2005 nach seiner Abmeldung nicht
mehr nach Münchenstein zurückgekehrt sein. Seine Ehe besteht jedoch weiterhin
nicht nur rechtlich, sondern wird auch tatsächlich gelebt. Wie erwähnt,
bestreiten die Eheleute ihren Lebensunterhalt aus den gemeinsamen Mitteln.
Darüber hinaus hat der Ehemann der Beschwerdegegnerin in der Schweiz eine
Krankenversicherung beibehalten. Auch wickelt er über die Heimat verschiedene,
in Anspruch genommene Dienstleistungen ab (wie Kreditkarte, Bank, Telefon).
Hier haben die Eheleute zudem Grundbesitz. Ausserdem hat der Ehemann der
Schweiz auch in persönlicher Hinsicht nicht definitiv den Rücken gekehrt, da er
der Beschwerdegegnerin zufolge "Verwandten und Bekannten von Zeit zu Zeit"
Besuche abstattet.

4. Besteht nach dem oben Ausgeführten ein Steuerdomizil des Ehemannes im Jahr
2005 in Münchenstein fort, so ist das Einkommen der Eheleute für diese
Steuerperiode zusammen zu besteuern, wie es die kantonale Steuerverwaltung
ursprünglich vorgenommen hatte. Demzufolge erweist sich der angefochtene
Entscheid des Kantonsgerichts, der eine getrennte Besteuerung des Einkommens
vorsieht, als bundesrechtswidrig. Er ist daher aufzuheben; der
Einspracheentscheid der kantonalen Steuerverwaltung vom 13. März 2007 ist
hingegen zu bestätigen.