Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 II 23



Urteilskopf

138 II 23

4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. AQUA VIVA
gegen Kloster Einsiedeln, Gemeinderat Freienbach und Regierungsrat des Kantons
Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_231/2011 vom 16. Dezember 2011

Regeste

Art. 78 Abs. 5 BV, Art. 7 Abs. 2 und Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG; Bauen in
Moorlandschaften, obligatorische Begutachtung bei möglicher Beeinträchtigung
eines ISOS-Objekts.
Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG lässt in Moorlandschaften den Unterhalt und die
Erneuerung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen zu, grundsätzlich aber
nicht deren Erweiterung. Ausgenommen sind Anlagen oder Bauten, die dem Schutz
der Moorlandschaft dienen und damit schon nach Art. 78 Abs. 5 BV zulässig sind
(E. 3).
Voraussetzungen der obligatorischen Begutachtung nach Art. 7 Abs. 2 NHG bei
möglicher Beeinträchtigung eines ISOS-Objekts (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 24

BGE 138 II 23 S. 24

A. Das Kloster Einsiedeln ist Eigentümerin der Insel Ufenau. Die Insel liegt im
oberen Bereich des Zürichsees, auf dem Gebiet der Gemeinde Freienbach (Kat. Nr.
768), ausserhalb der Bauzone. Sie ist ca. 600 m lang und ca. 250 m breit. Es
finden sich darauf die ehemalige Pfarrkirche St. Peter und Paul, die Kapelle
St. Martin, das Haus "zu den zwei Raben" (ein Gutshof mit Gastwirtschaft), ein
Aussichtshäuschen und Schiffsstege. Das Kloster Einsiedeln reichte vier
inhaltlich zusammenhängende Baugesuche ein, welche im Amtsblatt vom 11.
September 2009 publiziert wurden:
1. Abbruch der Anbauten am Haus zu den zwei Raben, Umbau und Restaurierung des
Barockbaus, Aufbau einer Dachlukarne;
2. Ersatzbaute für den Gastwirtschaftsbetrieb (Sommerrestaurant);
3. Umbau und Erweiterung des Weidstalls mit teilweiser Umnutzung (Einbau einer
Kühlzelle);
4. Ver- und Entsorgungsanlage für die Bauvorhaben.
Zudem reichte das Kloster Einsiedeln beim kantonalen Umweltdepartement ein
Konzessionsgesuch für die Entnahme von Grundwasser ein (zum Betrieb einer
Wärmepumpenanlage). Sowohl gegen die Baugesuche als auch gegen das
Konzessionsgesuch wurden von verschiedenen Seiten Einsprachen erhoben. Mit
Entscheid vom 7. September 2010 trat der Regierungsrat des Kantons Schwyz im
Wesentlichen auf die Einsprache gegen das Konzessionsgesuch nicht ein und
erteilte die kantonale Baubewilligung für die vier Bauvorhaben unter Auflagen.
Der Gemeinderat Freienbach beschloss daraufhin am 23. September 2010, auf
gewisse Beschwerden nicht einzutreten und die andern abzuweisen. Er erteilte
die kommunale Baubewilligung für die vier Bauvorhaben ebenfalls unter Auflagen.
Der Beschluss des Regierungsrats und des Gemeinderats wurden gemeinsam
eröffnet. Dagegen reichten drei der Einsprecher (der Schwyzer Heimatschutz, der
Verein Ufenau ohne Neubau und die Organisation Aqua Viva) Beschwerde beim
Regierungsrat ein. Dieser überwies die Angelegenheit als Sprungbeschwerde an
das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz.
Mit Entscheid vom 14. April 2011 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde
gegen die Beschlüsse des Regierungsrats und des
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Gemeinderats teilweise gut. Es hob den Beschluss des Regierungsrats insoweit
auf, als damit auf die Einsprache gegen das Konzessionsgesuch mit
entsprechenden Kostenfolgen nicht eingetreten worden war. Auf eine Rückweisung
der Sache an den Regierungsrat verzichtete es jedoch, da sich der Regierungsrat
auch inhaltlich mit der Beschwerde auseinandergesetzt hatte. Es entschied in
der Folge über die gegen die Konzession gerichteten Rügen zusammen mit jenen
gegen das Bauvorhaben direkt selber. Im Ergebnis erachtete es die Rügen als
unbegründet und wies in dieser Hinsicht die Beschwerde ab.

B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht vom 26. Mai 2011 beantragt Aqua Viva, die Entscheide des
Verwaltungsgerichts, des Regierungsrats und des Gemeinderats seien aufzuheben.
Die Bewilligungen für das Sommerrestaurant und für die Änderungen am Haus zu
den zwei Raben seien zu verweigern und die andern beiden Bauvorhaben seien zur
Überarbeitung und Ergänzung an die Vorinstanzen zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt die
Baubewilligung für das Sommerrestaurant auf und weist die weiteren Baugesuche
zur neuen Beurteilung an den Regierungsrat zurück.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Insel Ufenau gehört zur Moorlandschaft "Frauenwinkel", welche unter Nr.
351 im Anhang 1 zur Verordnung vom 1. Mai 1996 über den Schutz der
Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung
(Moorlandschaftsverordnung; SR 451. 35) figuriert. Sie bildet weiter
Bestandteil des BLN-Objekts Nr. 1405 "Frauenwinkel-Ufenau-Lützelau" gemäss dem
Anhang zur Verordnung vom 10. August 1977 über das Bundesinventar der
Landschaften und Naturdenkmäler (VBLN; SR 451.11). Schliesslich wurde sie als
Spezialfall auch ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz
(ISOS) aufgenommen (siehe Anhang zur Verordnung vom 9. September 1981 über das
Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz [VISOS; SR 451.12]).

3.

3.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich primär gegen den geplanten Neubau des
Sommerrestaurants. Ein Neubau verletzt ihrer
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Ansicht nach Art. 23d des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und
Heimatschutz (NHG; SR 451), was sich insbesondere aus Abs. 2 lit. b dieser
Bestimmung ergebe. Dem Vorhaben könne zudem keine nationale Bedeutung
beigemessen werden. Daraus folge, dass ihm auch Art. 6 Abs. 2 NHG
entgegenstehe. Schliesslich widerspreche der Neubau Art. 37a RPG (SR 700) und
Art. 43 RPV (SR 700.1) sowie der kantonalen Verordnung vom 5. Mai 1980 zum
Schutze des Frauenwinkels (SRSZ 722.111).

3.2 Das Verwaltungsgericht führt aus, gemäss Baugesuchsunterlagen bestehe das
Sommerrestaurant aus einem nicht sichtbaren Untergeschoss von 84 m^2 und einem
Erdgeschoss von 230 m^2. Die mittlere Höhe des Erdgeschosses, welches von einer
auskragenden Dachfläche in der Form eines Schiffsrumpfs oder Blatts (mit einer
Gesamtfläche von 438 m^2 ) bedeckt werde, betrage 4.7 m. Das Sommerrestaurant
solle rund 16 m nördlich hinter das Haus zu den zwei Raben zu stehen kommen.
Die maximale Länge des Dachs betrage 39 m, die maximale Breite 16 m.
Zum Charakter der Insel hält das Verwaltungsgericht fest, die Ufenau sei in
verschiedener Hinsicht als Spezialfall zu würdigen. Erstens habe die
Klostergemeinschaft den Tatbeweis erbracht, dass sie seit alters her den
Charakter dieser Insel bewahren wolle. Zweitens ergebe sich die
Schutzwürdigkeit nicht allein aus den landschaftlichen Aspekten und der
Vegetation, sondern auch aus den hohen architekturhistorischen Qualitäten als
alter römischer und christlicher Kultort. Drittens entspreche die Bewirtung von
Gästen auf der Insel einer langen Tradition.
Die Bestimmungen zum Moorschutz sehen laut Verwaltungsgericht kein
apodiktisches Veränderungsverbot für alle Fälle vor. So habe das Bundesgericht
im Urteil 1C_43/2010 vom 25. Oktober 2010 E. 3.2 im Zusammenhang mit Art. 23d
NHG ausgeführt, die Ausdehnung der Bauzonen für Wohnbauten sei in
Moorlandschaften, abgesehen von der Schliessung von Baulücken und der
Arrondierung der Bauzonengrenzen, grundsätzlich ausgeschlossen. Damit habe es
zum Ausdruck gebracht, dass im konkreten Einzelfall (bspw. bei einer Baulücke)
in zurückhaltender Weise ein Eingriff in eine Moorlandschaft noch vertretbar
sein könne. Es dränge sich die Schlussfolgerung auf, dass hier eine
objektspezifische Konkretisierung des Schutzziels nach Art. 23c Abs. 1 NHG eine
Ersatzlösung für den bisherigen Gastronomiebetrieb zulassen könne, sofern der
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Eingriff zurückhaltend ausfalle und schutzzielverträglich sei. Für eine solche
Annahme sprächen namentlich die Charakterisierung des Vorhabens als
Spezialfall, der Umstand, dass schützenswerte Arten und Biotope sowie das
Flachmoor im Osten nicht tangiert würden, und schliesslich die Platzierung
hinter dem Haus zu den zwei Raben. Hinzu komme, dass das Sommerrestaurant als
Ersatz für den Abbruch von Anbauten am Haus zu den zwei Raben diene. Der
Abbruch mache sicherlich 80 % der sichtbaren Kubatur des Sommerrestaurants aus.
Die Baugesuchstellerin habe zudem mit ihrem "Insel der Stille" genannten
Konzept sichergestellt, dass der Charakter der Insel als Ort der Rast und Ruhe,
der Demut und Bescheidenheit, nicht beeinträchtigt werde.
Im Licht all dieser Aspekte erachtete das Verwaltungsgericht eine auf Art. 23d
Abs. 1 und 2 NHG gestützte Baubewilligung für das Sommerrestaurant als
zulässig.

3.3 Gemäss Art. 78 Abs. 5 BV sind Moore und Moorlandschaften von besonderer
Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt. Es dürfen darin weder
Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden. Ausgenommen sind
Einrichtungen, die dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung
der Moore und Moorlandschaften dienen. Art. 78 Abs. 5 BV sieht demnach ein
absolutes Veränderungsverbot sowohl für Moore als auch für Moorlandschaften vor
und lässt Ausnahmen nur zu, wenn sie dem Schutz oder der bisherigen
landwirtschaftlichen Nutzung dienen. Dagegen treffen das NHG und das darauf
gestützte Verordnungsrecht eine Unterscheidung zwischen Mooren (d.h.
Moorbiotopen) und Moorlandschaften (siehe Art. 23b NHG). Während bei
Moorbiotopen neue landwirtschaftliche Nutzungen nur zulässig sind, wenn sie dem
Schutzziel dienen, ersetzt Art. 23d NHG für Moorlandschaften das Kriterium der
Schutzzieldienlichkeit durch dasjenige der Schutzzielverträglichkeit (BGE 124
II 19 E. 5c S. 27; BGE 123 II 248 E. 3a/cc S. 252; je mit Hinweisen). In diesem
Sinne lässt Art. 23d Abs. 1 NHG die Gestaltung und Nutzung von Moorlandschaften
zu, soweit dies der Erhaltung der für die Moorlandschaften typischen
Eigenheiten nicht widerspricht. Unter dieser Voraussetzung erklärt Abs. 2
derselben Bestimmung insbesondere für zulässig:
"a. die land- und forstwirtschaftliche Nutzung;
b. den Unterhalt und die Erneuerung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen;
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c. Massnahmen zum Schutz von Menschen vor Naturereignissen;
d. die für die Anwendung der Buchstaben a-c notwendigen Infrastrukturanlagen."
Die Art. 23a ff. NHG über Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit
und von nationaler Bedeutung sind für das Bundesgericht massgebend (Art. 190
BV). Sie sind jedoch in einem Sinn auszulegen, der sie möglichst wenig vom
absoluter formulierten Veränderungsverbot von Art. 78 Abs. 5 BV entfernt (BGE
123 II 248 E. 3a/cc S. 253).
Die Vorinstanz hält zu Recht fest, dass die Bestimmungen zum Moorschutz kein
apodiktisches Veränderungsverbot für alle Fälle vorsehen. Zu allgemein
formuliert ist jedoch die Aussage, das Bundesgericht habe im Urteil 1C_43/2010
vom 25. Oktober 2010 zum Ausdruck gebracht, dass im konkreten Einzelfall (bspw.
bei einer Baulücke) in zurückhaltender Weise ein Eingriff in eine
Moorlandschaft noch vertretbar sein könne. In jenem Fall ging es um eine
kompakte, für gut zwei Dutzend Häuser Platz bietende, weitgehend überbaute
Siedlung und es stellte sich die Frage, ob hinsichtlich einer Parzellenecke die
erstmalige Einzonung in eine den Anforderungen des RPG entsprechende Bauzone
zulässig sei. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Ausdehnung der Bauzone für
Wohnbauten in Moorlandschaften, abgesehen von der Schliessung von Baulücken und
der Arrondierung der Bauzonengrenze, grundsätzlich ausgeschlossen ist (a.a.O.,
E. 3.2 und 3.3).
Vorliegend geht es weder um die Schliessung einer Baulücke noch um die
Arrondierung der Bauzonengrenze. Es bleibt somit bei der insofern klaren
Vorgabe von Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG (die Tatbestände von lit. a, c und d
fallen offensichtlich ausser Betracht), wonach bei rechtmässig erstellten
Bauten und Anlagen der Unterhalt und die Erneuerung, nicht aber eine
Erweiterung zulässig ist (vgl. PETER M. KELLER, in: Kommentar NHG, 1997, N. 14
zu Art. 23d NHG). Die Zulassung von Erweiterungen würde den
verfassungsrechtlichen Rahmen sprengen. Ein entsprechender Antrag wurde im
Rahmen der Gesetzesberatungen im Ständerat abgelehnt (vgl. den Antrag Küchler
sowie die Voten Küchler, Bühler, Jagmetti und Cotti, AB 1992 S 619-621). Die
Unzulässigkeit von Erweiterungen schliesst a fortiori den Bau neuer Gebäude aus
(Urteile 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 4.3, in: URP 2003 S. 731; 1A.14/
1999 vom 7. März 2000 E. 3b, in: RDAF 2000 I S. 261; je mit Hinweisen).
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Vorbehalten bleiben Anlagen oder Bauten, die dem Schutz der Moorlandschaft -
direkt oder indirekt - dienen und damit schon nach Art. 78 Abs. 5 BV zulässig
sind (Urteil 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 4.4 mit Hinweis, in: URP
2003 S. 731).
Das geplante Sommerrestaurant ist ein Neubau. Es ist zu Recht von keiner Seite
behauptet worden, dieser Neubau diene dem Schutz der Moorlandschaft. Nach dem
Gesagten widerspricht somit dessen Bewilligung Art. 23d NHG. Die betreffende
Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich als begründet und es kann
offenbleiben, wie es sich in diesem Punkt mit den weiteren Rügen verhält.

4.

4.1 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Abbruch des Anbaus am Haus
zu den zwei Raben lasse sich nicht mit Art. 6 NHG vereinbaren. Das Gebäude sei
samt Anbau ins ISOS aufgenommen worden und geniesse somit auch gesamthaft den
Schutz von Art. 6 NHG. Ein gleich- oder höherwertiges Interesse von nationaler
Bedeutung, welches gemäss Art. 6 Abs. 2 NHG ein Abweichen von der
ungeschmälerten Erhaltung im Sinne des Inventars rechtfertigen könnte, bestehe
nicht. Die Beschwerdeführerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der
Anbau in seiner aktuellen Gestalt erst seit 1938/39 bestehe, dass es jedoch
immer einen Anbau gegeben habe. Der Abbruch würde somit eine Fassade freilegen,
die nie sichtbar gewesen sei. Nicht überzeugend sei sodann die Vermutung des
Verwaltungsgerichts, die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) habe
auf eine Stellungnahme verzichtet, weil sie keine grundsätzlichen Einwendungen
gegen den Rückbau habe.

4.2 Das Verwaltungsgericht führt aus, der Holzanbau von 1938/39 habe frühere,
kleinere Holzanbauten abgelöst, die insbesondere für Abortanlagen und
Brennholzlager dienten. Neben dieser Anbaute bestehe noch eine zweite auf der
Ostseite, welche ebenfalls aus dem 20. Jahrhundert stamme. Der Bauherr
beabsichtige im Wesentlichen, das der Pächterfamilie als Wohnhaus dienende
Gebäude auf seine barocke Gestalt zurückzuführen und sämtliche Holzanbauten aus
dem 20. Jahrhundert zu entfernen. Das Baugesuch beinhalte des Weiteren
Nebenräume für den Gastronomiebetrieb (WCs für das Personal und für
Rollstuhlfahrer etc.) und auf der Nordseite eine Dachlukarne.
Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) habe in ihrem
Gutachten vom 29. Januar 2010 festgehalten, dass die
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geplanten Massnahmen zu den landschaftlichen Schutzzielen nicht in Konflikt
stünden. Angesichts der grundsätzlich negativen Beurteilung des
Sommerrestaurants habe die ENHK in Absprache mit dem Präsidium der EKD auf
deren Einbezug verzichtet. Eine Beurteilung der Bauvorhaben am Haus zu den zwei
Raben habe jedoch die kantonale Denkmalpflege vorgenommen. Sie habe erwogen,
dass nicht zwingend irgendein Holzvorbau bestehen müsse, auch wenn es zu
verschiedenen Zeiten auf der Nordseite etwelche Holzanbauten gegeben habe. Der
aktuelle Anbau besitze zudem keine architektonischen Qualitäten. Er wäre wegen
seiner Dimensionen aus denkmalpflegerischer Sicht gar nicht bewilligungsfähig
und es sei zu begrüssen, dass er abgebrochen werde.
Der Stellungnahme der kantonalen Denkmalpflege folgend gelangte das
Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Abbruch den Schutzzwecken förderlich
ist. Im ISOS werde der Anbau von 1938/39 mit keinem Wort thematisiert. Auch auf
den im ISOS abgedruckten Fotos trete er kaum in Erscheinung. Aus dem Verzicht
der EKD auf eine Stellungnahme lasse sich zudem die Vermutung ableiten, dass
diese keine grundsätzlichen Einwände gegen den Rückbau habe. Da somit nicht von
einem Abweichen von den Schutzzielen im Sinne von Art. 6 NHG gesprochen werden
könne, spiele es keine Rolle, ob das konkrete Bauvorhaben nationale Bedeutung
aufweise oder nicht.

4.3 Die ENHK hielt in ihrem Gutachten vom 29. Januar 2010 zu den geplanten
Veränderungen am Haus zu den zwei Raben fest, hinsichtlich der landschaftlichen
Schutzziele bestünden keine Konflikte. Sie müssten jedoch in erster Linie aus
denkmalpflegerischer Sicht und hinsichtlich des Schutzziels der Erhaltung der
historischen Bausubstanz beurteilt werden. Zuständig für diese Beurteilung sei
die EKD. Angesichts der grundsätzlich negativen Beurteilung des geplanten
Sommerrestaurants habe die ENHK jedoch, in Absprache mit dem Präsidium der EKD,
auf deren Einbezug verzichtet.

4.4 Im ISOS werden unter dem Titel "Qualifikation" (auf dem sogenannten
"O-Blatt") die hohen architekturhistorischen Qualitäten der Ufenau als alter
römischer und christlicher Kultort mit zwei überdurchschnittlich gut erhaltenen
romanischen Kirchen hervorgehoben. Der Holzanbau von 1938/39 wird nicht eigens
erwähnt. Nicht eigens erwähnt wird indessen auch das Haus zu den zwei Raben
selbst, woraus ersichtlich wird, dass dies für die Schutzwürdigkeit nicht
ausschlaggebend ist. Das Haus zu den zwei Raben wird
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denn auch auf dem "L-Blatt" in seiner Gesamtheit aufgeführt; störende Elemente
sind nicht verzeichnet. Das Erhaltungsziel wird mit "A" angegeben, wobei dies
das Erhalten der Substanz (d.h. das integrale Erhalten aller Bauten,
Anlageteile und Freiräume sowie die Beseitigung störender Eingriffe) bedeutet.
Vor diesem Hintergrund geht es nicht an, wenn die Vorinstanz den Abbruch der
Anbaute als Beseitigung eines störenden Eingriffs und als begrüssenswert
bezeichnet.
Gemäss Art. 7 NHG obliegt die Beurteilung, ob ein Gutachten einer
eidgenössischen Kommission i.S.v. Art. 25 Abs. 1 NHG einzuholen ist, der
kantonalen Fachstelle, wenn für die Erfüllung einer Bundesaufgabe der Kanton
zuständig ist (Abs. 1). Die Begutachtung ist obligatorisch, wenn bei der
Erfüllung der Bundesaufgabe ein Objekt, das in einem Inventar des Bundes nach
Art. 5 NHG aufgeführt ist, erheblich beeinträchtigt werden kann oder sich in
diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen stellen. In diesem Fall verfasst die
Kommission zuhanden der Entscheidbehörde ein Gutachten, in dem sie angibt, ob
das Objekt ungeschmälert zu erhalten oder wie es zu schonen ist (Abs. 2).
Das Ortsbild "Ufenau" kann durch den geplanten Abbruch der gross
dimensionierten Anbaute erheblich beeinträchtigt werden. Da es dabei zudem um
eine Bundesaufgabe geht (vgl. nicht publ. E. 1), ist die Begutachtung gemäss
Art. 7 Abs. 2 NHG obligatorisch. Aufgrund der in E. 4.3 hiervor wiedergegebenen
Ausführungen der ENHK kann nicht gesagt werden, dass die EKD implizit ein
Attest der Unbedenklichkeit abgegeben hätte. Es trifft mit anderen Worten nicht
zu, dass die ENHK auf den Einbezug der EKD verzichtete, weil die EKD keine
grundsätzlichen Einwände gegen den Rückbau erhoben hatte. Vielmehr ging die
ENHK - wie im Übrigen auch das Verwaltungsgericht - von einem engen
Zusammenhang der verschiedenen Bauvorhaben aus und sah deshalb von einem Beizug
der EKD ab.
Sollte die Baugesuchstellerin trotz der Unmöglichkeit der Realisierung des
Sommerrestaurants am Abbruch der Anbaute am Haus zu den zwei Raben festhalten
oder sollte sie ihr Projekt vor diesem Hintergrund modifizieren wollen, so wäre
deshalb ein Gutachten gemäss Art. 7 Abs. 2 NHG einzuholen. Während die ENHK aus
Sicht des Landschaftsschutzes bereits Stellung bezogen hat, ist die beim
Abbruch der Anbaute im Vordergrund stehende
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denkmalpflegerische Beurteilung bisher unterblieben. Dafür zuständig ist die
EKD (Art. 23 Abs. 1 lit. b und 4 sowie Art. 25 Abs. 1 lit. d der Verordnung vom
16. Januar 1991 über den Natur- und Heimatschutz [NHV;SR 451.1]; Urteil 1C_409/
2008 vom 8. April 2009 E. 4.4, nicht publ.in: BGE 135 II 238). Aufgrund der
fehlenden Bewilligungsfähigkeit des Sommerrestaurants und der damit
zusammenhängenden Unsicherheit über das gesamte Bauvorhaben ist davon
abzusehen, die Stellungnahme der EKD im bundesgerichtlichen Verfahren
einzuholen. Dies wird gegebenenfalls im weiteren Verfahren notwendig sein (vgl.
zum Ganzen: Urteil 1C_361/2008 vom 27. April 2009 E. 7,in: URP 2009 S. 877).
Der Antrag der Beschwerdeführerin ist in diesem Umfang gutzuheissen. Soweit sie
über eine Rückweisung derAngelegenheit hinaus bereits im jetzigen Zeitpunkt die
Verweigerung der Baubewilligung verlangt, ist ihr Antrag dagegen
abzuweisen.Eine Auseinandersetzung mit der weiteren Kritik der
Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Abbruch der Anbaute erübrigt sich
somit.