Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 94



Urteilskopf

138 III 94

14. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Handelsgericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_168/2011 vom 16. Januar 2012

Regeste

Anfechtung eines Zwischenentscheides über die Zuständigkeit ausschliesslich im
Kostenpunkt (Art. 92 und 93 BGG).
Beanstandet eine Partei einen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit
ausschliesslich im Kostenpunkt, findet die Ausnahmeregelung nach Art. 92 BGG
keine Anwendung. Die Anfechtbarkeit richtet sich vielmehr nach Art. 93 BGG (E.
2).
Ausnahmsweiser Verzicht auf die Erhebung von Kosten (E. 3).

Erwägungen ab Seite 94

BGE 138 III 94 S. 94
Aus den Erwägungen:

2. Die Vorinstanz hat die Unzuständigkeitseinrede der Beschwerdeführerin
verworfen und damit einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über die
Zuständigkeit im Sinne von Art. 92 BGG gefällt (zum Begriff vgl. BGE 135 III
566 E. 1.1 S. 568 f. mit Hinweisen).

2.1 Vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit wenn
möglich nur einmal befassen soll (BGE 134 III 188 E. 2.2 S. 191; BGE 133 III
629 E. 2.1 S. 631), sieht das Gesetz Ausnahmen vor, namentlich mit Bezug auf
Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand, die als solche
angefochten werden können und müssen, da im Rahmen der Anfechtung des
Endentscheids nicht mehr darauf zurückgekommen werden kann (Art. 92 BGG). Dem
liegt der Gedanke zugrunde, dass prozessökonomische Gründe und
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die Parteiinteressen erheischen, über gewisse im Zwischenentscheid behandelte
gerichtsorganisatorische Fragen endgültig zu entscheiden, bevor das Verfahren
weiter geführt wird. Es soll einer Partei nicht die volle Prozessführung
einschliesslich der Beweisführung bis zum Endentscheid zugemutet werden mit dem
Risiko, dass die Gegenpartei das instanzabschliessende Urteil mit Aussicht auf
Erfolg wegen Unzuständigkeit anficht und das gesamte Verfahren wiederholt
werden müsste (UHLMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 13 zu Art. 92 BGG; VON WERDT, in: Bundesgerichtsgesetz, 2007, Seiler/
von Werdt/Güngerich [Hrsg.], N. 6 zu Art. 92 BGG; DONZALLAZ, Loi sur le
Tribunal fédéral, 2008, N. 3283 zu Art. 92 und 93 BGG).

2.2 Mit Bezug auf die Frage der Zuständigkeit hat die Beschwerdeführerin den
Zwischenentscheid des Handelsgerichts aber gerade nicht angefochten. Die in
einem kantonalen Entscheid in einer Zivilsache ergangene Kosten- und
Entschädigungsregelung kann zwar selbstständig mit Beschwerde in Zivilsachen
angefochten werden, wenn, wie im zu beurteilenden Fall, bezüglich der
Hauptsache die Beschwerde in Zivilsachen offensteht und dafür keine besonderen
Verfahrenswege vorgeschrieben sind (BGE 134 I 159 E. 1.1 S. 160 mit Hinweisen).
Die Gründe, die rechtfertigen, dass Zwischenentscheide über die Zuständigkeit
nach Art. 92 BGG ausnahmsweise sofort anzufechten sind, entfallen aber, wenn
die beschwerdeführende Partei die Zuständigkeit vor Bundesgericht nicht
anficht. Für die Statuierung einer Ausnahme vom Grundsatz, wonach sich das
Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 134 III 188
E. 2.2 S. 191; BGE 133 III 629 E. 2.1 S. 631), besteht unter diesen Umständen
kein Anlass, zumal die Ausnahme restriktiv zu handhaben ist.

2.3 Werden einzig die Kostenfolgen beanstandet, erscheint es nicht
gerechtfertigt, Zwischenentscheide über die Zuständigkeit anders als andere
Zwischenentscheide zu behandeln, in denen die Kostenverlegung auch erst
angefochten werden kann, nachdem der Endentscheid ergangen ist (BGE 135 III 329
). Der Anwendungsbereich von Art. 92 BGG ist teleologisch auf diejenige Fälle
einzuschränken, in denen vor Bundesgericht Fragen der Zuständigkeit oder des
Ausstandes thematisiert werden. Die blosse Anfechtung der Nebenfolgen der
Abweisung einer Unzuständigkeitseinrede richtet sich daher nicht nach Art. 92
BGG, sondern wie bei jedem anderen Zwischenentscheid im Sinne des BGG nach Art.
93 BGG. Wird die Zuständigkeit nicht
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in Frage gestellt, können mithin, wenn keine Ausnahme nach Art. 93 Abs. 1 BGG
gegeben ist, die Kostenfolgen des Zwischenentscheides über die Zuständigkeit
beim Bundesgericht nur im Rahmen von Art. 93 Abs. 3 BGG mit Beschwerde gegen
den Endentscheid angefochten werden (BGE 135 III 329 E. 1 S. 331 ff.; Urteil
des Bundesgerichts 4A_128/2009 vom 1. Juli 2009 E. 1).

2.4 Dass der Beschwerdeführerin aufgrund der festgesetzten Höhe der Kosten des
Zwischenentscheides ein nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehen könnte
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), ist namentlich mit Blick auf die spätere
Anfechtbarkeit des Endentscheides nicht ersichtlich. Etwas anderes legt die
Beschwerdeführerin auch nicht dar.

3. Damit erweist sich die Beschwerde als unzulässig, weshalb nicht darauf
einzutreten ist. Da Art. 92 BGG nach seinem Wortlaut die sofortige Anfechtung
der Zwischenentscheide über die Zuständigkeit verlangt und das Bundesgericht
sich zu dessen Tragweite bis anhin nicht geäussert hat, erscheint angemessen,
ausnahmsweise von der Auferlegung von Kosten für das Verfahren vor
Bundesgericht abzusehen.