Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 82



Urteilskopf

138 III 82

12. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen A.
(Beschwerde in Zivilsachen)
4A_372/2011 vom 7. November 2011

Regeste

Altes und revidiertes Lugano-Übereinkommen; Übergangsrecht; Zustellungsnachweis
bei Säumnisurteil; Art. 63 LugÜ; Art. 327a ZPO; Art. 46 Nr. 2 aLugÜ.
Wurde vor dem Inkrafttreten des revidierten LugÜ für die Schweiz im Ausland ein
Entscheid erlassen, kommt bezüglich seiner Anerkennung und Vollstreckung in der
Schweiz gemäss Art. 63 LugÜ noch das alte LugÜ zur Anwendung (E. 2.1).
Art. 327a ZPO kommt nur auf Vollstreckungsverfahren zur Anwendung, welche sich
nach dem revidierten LugÜ richten (E. 2.2).
Zum Nachweis einer nicht grenzüberschreitenden Zustellung des den Rechtsstreit
einleitenden Schriftstücks gemäss Art. 46 Nr. 2 aLugÜ genügt die Bestätigung
des zustellenden Staates, wenn der Empfänger im Rechtsbehelfsverfahren nicht
bestreitet, im Zustellungszeitpunkt in diesem Staat Wohnsitz gehabt zu haben
(E. 3).

Sachverhalt ab Seite 83

BGE 138 III 82 S. 83

A. Mit Mahnbescheid vom 27. Mai 2010 (Aktenzeichen I Nc 120/10) verpflichtete
das Bezirksgericht Warschau, 1. Zivilabteilung, A. (Beschwerdegegner), der X.
(Beschwerdeführerin), einer polnischen GmbH mit Sitz in Y., den Betrag von PLN
665'765.05 zu bezahlen.

B. Die Beschwerdeführerin ersuchte den Einzelrichter am Kantonsgericht Zug am
16. September 2010, diesen Mahnbescheid zu anerkennen und für vollstreckbar zu
erklären. Als Beilage zu diesem Gesuch hat die Beschwerdeführerin dem
Einzelrichter namentlich eine Bescheinigung des Bezirksgerichts Warschau vom 4.
November 2010 samt Übersetzungen eingereicht. Darin bescheinigt das
Bezirksgericht Warschau, dass vor dem Bezirksgericht unter dem Aktenzeichen I
Nc 120/10 aufgrund der Klage der Beschwerdeführerin der Prozess gegen den
Beschwerdegegner auf Zahlung von PLZ 665'765.05 anhängig war, am 27. Mai 2010
der Mahnbescheid erlassen wurde und der Beschwerdegegner am 17. Juni 2010
BGE 138 III 82 S. 84
eine Abschrift des Mahnbescheides samt einer Abschrift der Klageschrift
erhalten hat.
Der Einzelrichter forderte die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 21.
Dezember 2010 auf, innert 10 Tagen die Urschrift oder eine beglaubigte
Abschrift jener Urkunde vorzulegen, aus welcher sich ergibt, dass das den
Rechtsstreit einleitende (...) Schriftstück dem Beschwerdegegner zugestellt
worden ist. Am 7. Januar 2011 nahm die Beschwerdeführerin dazu schriftlich
Stellung, ohne jedoch weitere Unterlagen nachzureichen. Der Einzelrichter wies
das Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsgesuch der Beschwerdeführerin mit
Verfügung vom 12. Januar 2011 (...) ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies
das Obergericht des Kantons Zug am 12. Mai 2011 ab.

C. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts vom 12. Mai 2011 aufzuheben und den
Mahnbescheid des Bezirksgerichts Warschau vom 27. Mai 2010 anzuerkennen und als
vollstreckbar zu erklären. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Das Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.
September 1988 (aLugÜ; AS 1991 2436) wurde durch das gleichnamige Übereinkommen
vom 30. Oktober 2007 (LugÜ; SR 0.275.12) revidiert. Die revidierte Fassung trat
für die Schweiz am 1. Januar 2011 in Kraft. Da die ausländische Entscheidung,
deren Anerkennung und Vollstreckung in der Schweiz verlangt wird, vor dem
Inkrafttreten des revidierten LugÜ für die Schweiz erlassen wurde, gelangt
dieses gemäss Art. 63 LugÜ auf die vorliegende Streitsache noch nicht zur
Anwendung, sondern es gelten weiterhin die Bestimmungen des aLugÜ (Urteil
4A_366/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 1; DASSER/FREY, Übergangsrechtliche
Stolpersteine des revidierten Lugano-Übereinkommens, Jusletter 11. April 2011,
Rz. 15 f.; vgl. auch TANJA DOMEJ, in: Lugano Übereinkommen, Kommentar, Dasser/
Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 11 zu Art. 63 LugÜ). Dies hat die
Vorinstanz zutreffend erkannt, was von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht
beanstandet wird.
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2.2 Daraus folgt, dass die Vorinstanz entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin keine Bundesrechtsverletzung begangen hat, wenn sie Art.
327a ZPO (SR 272) nicht angewendet hat. Diese Bestimmung unter der Marginalie
"Vollstreckbarerklärung nach Lugano-Übereinkommen" ist auf kantonale
Beschwerden abgestimmt, die sich ausdrücklich gegen Entscheide des
Vollstreckungsgerichts nach den Art. 38-52 des Lugano-Übereinkommens in der
revidierten Fassung vom 30. Oktober 2007 richten, nicht aber auf
Vollstreckbarkeitsentscheide, die noch nach der alten Version des
Lugano-Übereinkommens zu beurteilen sind. Demnach gelangte entsprechend der
Auffassung der Vorinstanz für das kantonale Beschwerdeverfahren Art. 326 ZPO
zur Anwendung, denn die Einzelheiten des Verfahrens betreffend den Rechtsbehelf
des Gläubigers gegen die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung richten sich
nach dem autonomen Recht des Vollstreckungsstaates (JAN KROPHOLLER,
Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Heidelberg 1998, N. 9 zu Art. 40
aEuGVÜ/aLugÜ; DANIEL STAEHELIN, in: Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/
Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 10 zu Art. 40 aLugÜ). Dass die Vorinstanz die neu
eingereichten Unterlagen ausser Acht liess, ist daher entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Soweit die Beschwerdeführerin aus
diesen Urkunden ableitet, der Beschwerdegegner habe sich auf das Verfahren vor
dem Bezirksgericht Warschau eingelassen, weshalb es eines Nachweises der
Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht bedurfte und die
Vorinstanz mit der betreffenden Anforderung gegen Art. 27 aLugÜ und Art. 5 Abs.
2 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung
gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und
Handelssachen (HZÜ; SR 0.274.131) verstossen habe, ist sie damit nicht zu
hören.

3.

3.1 Nach Art. 46 Nr. 2 aLugÜ hat die Partei, welche die Anerkennung einer
Entscheidung geltend macht oder die Zwangsvollstreckung betreiben will, bei
einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung die Unterschrift oder eine
beglaubigte Abschrift der Urkunde vorzulegen, aus der sich ergibt, dass das den
Rechtsstreit einleitende Schriftstück der säumigen Partei zugestellt worden
ist.

3.2 Die Vorinstanz stellte nicht in Frage, dass es sich bei dem der
Klageschrift beigelegten Mahnbescheid um das
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verfahrenseinleitende Schriftstück im Sinne von Art. 46 Nr. 2 aLugÜ handelt.
Dem ist beizupflichten, geht daraus doch einerseits hervor, dass dem
Beschwerdegegner eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides
gesetzt wurde, um entweder die verlangte Zahlung zu leisten oder Einsprache zu
erheben, wie auch andererseits, dass die Entscheidung am 2. Juli 2010
rechtskräftig wurde, nachdem die betreffende Zustellung (gemäss
Zustellungsbescheinigung) am 17. Juni 2010 erfolgt war. Damit ist die Analogie
zum "Mahnbescheid" nach deutschem Recht augenfällig. Wurde kein Einspruch
erhoben, ist daher davon auszugehen, der Mahnbescheid stelle dasjenige
Schriftstück dar, dessen ordnungsgemässe und rechtzeitige Zustellung den
Beklagten in die Lage versetzt, seine Rechte vor Erlass einer vollstreckbaren
Entscheidung im Urteilsstaat geltend zu machen (vgl. BGE 123 III 374 E. 3b S.
380 f.; KROPHOLLER, a.a.O., N. 24 zu Art. 27 aEuGVÜ/aLugÜ; GEORG NAEGELI, in:
Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 16 zu
Art. 46 aLugÜ).

3.3 Die Vorinstanz hält demgegenüber sinngemäss dafür, die Zustellbescheinigung
des Bezirksgerichts Warschau vom 4. November 2010 könne nicht als Urkunde
angesehen werden, aus der sich die Zustellung des den Rechtsstreit einleitenden
Schriftstücks an den Beschwerdegegner ergebe. Aus dieser Bescheinigung lasse
sich nicht entnehmen, wie die Zustellung an den Beschwerdegegner erfolgt sei.
Es lägen auch keine Belege vor, nach welchen dieser im Mai 2010 - rund
eineinhalb Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages - immer noch an der im
Darlehensvertrag vom 15. September 2008 angegebenen Adresse in Warschau
Wohnsitz gehabt habe, weshalb dies nicht erstellt sei. Insbesondere fehle eine
entsprechende Erklärung der Einwohnerkontrolle von Warschau. Das Kantonsgericht
habe daher zu Recht festgestellt, es fehle ein Nachweis dafür, dass der
Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids Wohnsitz in
Polen gehabt habe. Da der Beschwerdegegner heute unbestrittenermassen Wohnsitz
in der Schweiz habe, gehe es vorliegend entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin nicht um die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids nach
polnischem Recht, sondern um die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks
im Ausland nach dem Haager Zustellungsübereinkommen. Nach Art. 6 HZÜ habe die
zentrale Behörde des ersuchten Staates oder jede hierzu bestimmte Behörde einen
Zustellungsnachweis auszustellen. Auf dem Gebiet des Kantons Zug sei dies das
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Obergericht. Einen derartigen Zustellnachweis habe die Beschwerdeführerin dem
Kantonsgericht nicht eingereicht, auch nicht, nachdem ihr Frist gesetzt worden
war, um die Unterschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde
vorzulegen, aus der sich ergebe, dass das den Rechtsstreit einleitende
Schriftstück dem Beschwerdegegner zugestellt worden sei. Weil ein
Zustellnachweis des Kantons Zug fehle, sei das Gesuch um Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung abzuweisen.

3.4 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Vorinstanz habe Art. 46 Nr. 2 aLugÜ
verletzt, indem sie die Zustellungsbescheinigung des Warschauer Gerichts nicht
als Zustellungsnachweis im Sinne dieser Bestimmung qualifiziert und die
Anerkennung des ausländischen Urteils mangels eines Zustellungsnachweises des
Obergerichts Zug verweigert habe.

3.5

3.5.1 Die in Art. 46 Nr. 2 aLugÜ verlangte Vorlage der Urkunde, aus der sich
ergibt, dass das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück der säumigen Partei
zugestellt worden ist, soll die Nachprüfung der Gewährung des rechtlichen
Gehörs ermöglichen und ist daher diesem Zweck entsprechend auszulegen. Demnach
muss die vorgelegte Urkunde dem Richter des Vollstreckungsstaates erlauben, die
Ordnungsmässigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes zu
überprüfen (Urteil 5P.471/2002 vom 12. Februar 2003 E. 3.2.1 mit Hinweisen, in:
Pra 2003 Nr. 142 S. 767). Diese Ordnungsmässigkeit richtet sich bei nicht
grenzüberschreitenden Zustellungen unter Vorbehalt des Ordre public
ausschliesslich nach dem Recht des Urteilsstaates (FRIDOLIN WALTHER, in:
Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 47 zu
Art. 27 aLugÜ). Danach bestimmt sich namentlich, wie die Zustellungsurkunde
auszusehen hat. Zumindest die Tatsache der Zustellung muss sich jedoch direkt
daraus ergeben (NAEGELI, a.a.O., N. 20 f. zu Art. 46 aLugÜ; Urteil 5P.471/2002
vom 12. Februar 2003 E. 3.2.2, in: Pra 2003 Nr. 142 S. 767).

3.5.2 Einzig wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück in einem anderen
Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens zuzustellen ist, hat dies gemäss Art.
IV Abs. 1 des Protokolls Nr. 1 zum LugÜ nach den zwischen den Vertragsstaaten
geltenden Übereinkommen oder Vereinbarungen zu geschehen. Diesfalls ist
namentlich die Ausgestaltung der nach Art. 46 Nr. 2 aLugÜ vorzulegenden
BGE 138 III 82 S. 88
Zustellurkunde ausschliesslich nach diesem Abkommen zu überprüfen (NAEGELI,
a.a.O., N. 26 zu Art. 46 aLugÜ). Das Bundesgericht hatte bei einer Zustellung
eines österreichischen Gerichts in die Schweiz zu prüfen, ob der Nachweis der
Zustellung im Lichte der für Österreich und die Schweiz gültigen Haager
Übereinkunft vom 1. März 1954 betreffend Zivilprozessrecht (SR 0.274.12)
erbracht war. Es kam zum Schluss, die vom Landesgericht Innsbruck als
Urteilsgericht erteilte Amtsauskunft, welche eine Zustellung in die Schweiz
bestätigte, vermöge nicht als Urkunde im Sinne von Art. 46 Nr. 2 aLugÜ zu
gelten, weil sie nicht von der Behörde des ersuchten, sondern von jener des
ersuchenden Staates ausgestellt worden sei und ebenso wenig einen beglaubigten
Empfangsschein des Empfängers darstelle und damit den Anforderungen von Artikel
5 der anwendbaren Übereinkunft nicht entspreche (Urteil 5P.471/2002 vom 12.
Juni 1997 E. 3.2.2, in: Pra 2003 Nr. 142 S. 767 f.). Hervorzuheben ist, dass in
diesem Fall der Schuldner nicht nur bestritten hatte, das verfahrenseinleitende
Schriftstück erhalten zu haben, sondern dass er auch die betreffende
Amtsbestätigung des Landesgerichts Innsbruck in Zweifel gezogen hatte (E. 3.4).

3.5.3 Das Vollstreckungsgericht hat zwar die Voraussetzungen der
Vollstreckbarkeit von Amtes wegen zu prüfen. Es hat sich dabei jedoch vom
Grundsatz leiten zu lassen, dass das Übereinkommen von einer "automatischen"
Anerkennung ausländischer Entscheidungen ausgeht, weshalb die Beweislast für
das Vorliegen von Verweigerungsgründen diejenige Partei trifft, welche sich der
Anerkennung widersetzt (WALTHER, a.a.O., N. 1 zu Art. 26 aLugÜ). Das bedeutet,
dass im erstinstanzlichen Anerkennungsverfahren, das auf einseitigen Antrag
durchgeführt wird (Art. 34 Abs. 1 aLugÜ), das Gericht im Wesentlichen die
generelle Anwendbarkeit des Übereinkommens zu klären und die Vollständigkeit
sowie Aussagekraft der vom Gesuchsteller unabdingbar beizubringenden Urkunden
im Sinne von Art. 46 und 47 aLugÜ zu überprüfen hat. Tatbestandsermittlungen
von Amtes wegen haben dagegen nicht zu erfolgen (DANIEL STAEHELIN, in:
Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2008, N. 10 zu
Art. 34 aLugÜ mit Hinweisen). Eine einlässliche Prüfung der
Anerkennungsversagungsgründe kann ohnehin erst im Rechtsbehelfsverfahren
stattfinden, nachdem auch der Gesuchsgegner zu Wort gekommen ist (LEUCH/MARBACH
/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl.
2000, N. 2 zu Art. 400a aZPO/BE mit Hinweisen). Dabei
BGE 138 III 82 S. 89
ist zu beachten, dass der Wortlaut von Art. 326 Abs. 1 ZPO im
Beschwerdeverfahren neue Anträge, Tatsachenbehauptungen und Beweismittel
ausschliesst. Da jedoch das Rechtsbehelfsverfahren für den Schuldner die erste
Möglichkeit darstellt, sich überhaupt zur Vollstreckbarerklärung zu äussern,
muss er in der Lage sein, vor der Rechtsbehelfsinstanz "neue" Anträge zu
stellen und diese mit den entsprechenden Tatsachenbehauptungen und den dazu
gehörenden Beweismitteln zu untermauern (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar,
LugÜ, 2011, N. 56 zu Art. 43 LugÜ mit Hinweisen). Das Novenverbot im
Beschwerdeverfahren im Sinne von Art. 326 Abs. 1 ZPO, welches der
Prozessbeschleunigung dient (ALEXANDER BRUNNER, in: ZPO, Kurzkommentar, Paul
Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 1 zu Art. 326 ZPO), muss insoweit eine Ausnahme
erfahren. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche wegen der besonderen Natur
des Exequaturverfahrens nach dem Lugano-Übereinkommen auf den in Art. 326 Abs.
2 ZPO genannten Vorbehalt besonderer Gesetzesbestimmungen abgestützt werden
könnte, da ohne diese Ausnahme der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art.
29 Abs. 2 BV und damit übergeordnetes Recht verletzt würde, was der Gesetzgeber
mit der Einführung von Art. 326 Abs. 1 ZPO nicht beabsichtigt haben konnte.

3.6 Vorliegend steht eine Auslandzustellung gerade nicht zur Debatte. Vielmehr
bescheinigt das Warschauer Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, dass der
Beschwerdegegner am 17. Juni 2010 eine Abschrift davon mit einer Abschrift der
Klageschrift in Polen erhalten hat. Dieser Bescheinigung lässt sich die
erfolgreiche Zustellung der Urkunden an einem bestimmten Tag an den
Beschwerdegegner "direkt" entnehmen. Dieser hat vor der Vorinstanz den Erhalt
der genannten Dokumente nicht bestritten, und er hat auch nicht geltend
gemacht, er habe im Zustellungszeitpunkt im Kanton Zug Wohnsitz gehabt, obwohl
ihm dies möglich gewesen wäre (vgl. E. 3.5.3 hiervor). Wenn die Vorinstanz
trotz fehlender Bestreitung des Wohnsitzes in Polen durch den Beschwerdegegner
die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Zustellungsbescheinigung nicht
genügen liess und einzig aus dem Umstand, dass der Beschwerdegegner im
Zeitpunkt des Eingangs des Gesuchs um Vollstreckbarkeitserklärung im Kanton Zug
wohnte, die Rechtsgültigkeit der Bescheinigung in Zweifel zog, hat sie die
Anforderungen an den Nachweis der korrekten Zustellung des prozesseinleitenden
Schriftstücks im Sinne von Art. 46 Nr. 2 aLugÜ überspannt und insoweit gegen
Bundesrecht verstossen.