Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 601



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Urteilskopf

138 III 601

89. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y.
Tbk und Z. Versicherungen (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_753/2011 vom 16. Juli 2012

Regeste

UN-Kaufrecht (CISG), Art. 51 CISG; teilweise Aufhebung des Vertrages;
Vertragswidrigkeit der Ware; Verjährung; Beweislast.
Das Recht des Käufers, den Vertrag gemäss Art. 51 Abs. 1 CISG hinsichtlich
eines Teils der gelieferten Waren aufzuheben, setzt voraus, dass dieser Teil
eine eigenständige wirtschaftliche Einheit bildet. Dies trifft bezüglich
funktionsnotwendiger Bestandteile einer als Einheit verkauften
Produktionsanlage nicht zu. Fehlen einer Anlage solche Bestandteile, ist sie
vertragswidrig (E. 7.1-7.4).
Untersteht die im CISG nicht geregelte Verjährung dem Schweizer Recht,
verjähren Ansprüche aus vertragswidriger Lieferung nach Art. 210 OR. Gemäss
Abs. 2 dieser Bestimmung kann der Käufer verjährte Ansprüche aus einer
Vertragswidrigkeit noch einredeweise geltend machen, wenn er diese dem
Verkäufer gemäss Art. 39 CISG angezeigt hat (E. 7.5-7.7).
Der Käufer hat nach der vorbehaltlosen Übernahme der Ware deren
Vertragswidrigkeit nachzuweisen, soweit er daraus Rechte ableitet. Diese
Beweislastverteilung gilt auch bezüglich der von ihm geltend gemachten
Unvollständigkeit einer Lieferung (E. 8.1-8.5).

Sachverhalt ab Seite 602

BGE 138 III 601 S. 602

A. Am 14. April 1997 schloss die X. AG (Verkäuferin) mit Sitz in A./ZG mit der
Y. Tbk (Käuferin), einer in Jakarta domizilierten
BGE 138 III 601 S. 603
Aktiengesellschaft indonesischen Rechts, einen Vertrag (nachstehend:
Agreement), der von J., Verwaltungsratspräsident der Verkäuferin, und von K.,
Verwaltungsratspräsident der Käuferin, unterzeichnet wurde. Das Agreement hatte
den Verkauf der kompletten Spinnerei Q., bestehend aus den im Schätzungsbericht
von L. vom 30. Juni 1995 aufgeführten Gegenständen, sowie den Ventilatoren und
dem Klimaanlagesystem, soweit es sich vernünftigerweise entfernen liess, und
deren Wiederaufbau in Indonesien zum Gegenstand. Der Kaufreis betrug Fr.
17'300'000.-, zahlbar in Raten von 5, 10, 75 und 10 %. Am gleichen Tag
unterzeichnete J. einen von ihm handschriftlich verfassten Zusatz zum
Agreement, der namentlich vorsah, dass vom offiziellen Kaufpreis von Fr.
17'300'000.- der Verkäuferin Fr. 10'300'000.- und der Käuferin Fr. 7'000'000.-
zustehen soll.
Nachdem die Käuferin die erste Kaufpreisrate von Fr. 865'000.- bezahlt hatte,
veranlasste die Verkäuferin gestützt auf den Zusatz zum Agreement am 24. April
1997 die Überweisung von Fr. 350'000.- auf das Konto von K. bei der Bank R. in
Frankfurt am Main. Nach Erhalt der zweiten Kaufpreisrate in der Höhe von Fr.
1'730'000.- schrieb sie K. am 10. Juni 1997 weitere Fr. 700'000.- gut.
Zur Tilgung der dritten Kaufpreisrate von Fr. 12'957'000.- hatte die Käuferin
bei der Bank S. Jakarta ein Akkreditiv eröffnen lassen, das von der Verkäuferin
am 10. Juni, 26. Juni und 13. Juli 1998 unter Vorlage der erforderlichen
Verschiffungsdokumente in Anspruch genommen wurde.
Mit Zessionsvereinbarung vom 5. Juni 1998 trat die Käuferin ihre Rechte und
Pflichten aus dem Agreement an die W. (Zessionarin) ab. Diese liess im August
1998 die Verkäuferin hinsichtlich der dritten Kaufpreiszahlung unter Berufung
auf die im Zusatz zum Agreement statuierte Rückzahlungsverpflichtung über Fr.
5'250'000.- nebst Zins betreiben, wogegen die Verkäuferin Rechtsvorschlag
erhob. Ein Gesuch der Zessionarin um provisorische Rechtsöffnung hat das
Kantonsgerichtspräsidium Zug am 24. Juni 1999 und auf Beschwerde hin die
Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug am 17. Dezember 1999
abgewiesen.

B. Mit Klage vom 16. November 2001 stellte die Zessionarin dem Kantonsgericht
Zug in Ziff. 1 die Begehren, die Verkäuferin (Beklagte) auf Zahlung von
(a-d) Fr. 5'250'000.- nebst Zins als teilweise Rückerstattung der dritten
Kaufpreisrate gemäss dem Zusatz zum Agreement,
BGE 138 III 601 S. 604
(e) Fr. 2'319'148.20 nebst Zins als Ersatz der Summe von USD 1'345'862.-,
welche die Klägerin zur Ersatzbeschaffung der in einer Auflistung ("Details of
Shortages") genannten nicht gelieferten Vertragsgegenstände habe aufwenden
müssen,
(f) Fr. 10'340.20 nebst Zins als Entschädigung für den Arbeitsaufwand von 120
Stunden zur Beschaffung der nicht gelieferten Bestandteile,
(g) Fr. 5'629'544.95 nebst Zins als Verzögerungsschaden für die Zeit zwischen
November 1998 und Juni 1999 und
(h) Fr. 863'196.40 nebst Zins als Ersatz des Verzögerungsschadens für die Zeit
von Juli bis 31. Dezember 1999 zu verpflichten.
Die Verkäuferin (Beklagte) beantragte die Abweisung der Klage. Zur Begründung
brachte sie namentlich vor, die Forderung gemäss Ziff. 1 lit. a-d betreffe eine
rechtswidrige und damit verjährte Schwarzgeldzahlung an K. Die Forderungen
gemäss Ziff. 1 lit. e-h seien gemäss Art. 210 OR verjährt. Sodann stellte die
Beklagte den eingeklagten Forderungen verschiedene Gegenforderungen zur
Verrechnung gegenüber, namentlich die noch ausstehende Kaufpreisrate von Fr.
1'730'000.-.
Beide Parteien verkündeten den T. Versicherungen, nunmehr Z., den Streit, die
mit Verfügung des Referenten vom 23. Januar 2002 als Nebenintervenientin
zugelassen wurde.
Im Sommer 2003 gingen die Rechte und Pflichten der Zessionarin infolge ihrer
Fusion mit der Käuferin auf diese über, welche damit als Klägerin in den
Prozess eintrat.
Das Kantonsgericht kam zum Ergebnis, die Beklagte schulde der Klägerin aus dem
Zusatz zum Agreement die Rückerstattung des sich auf Fr. 5'250'000.-
belaufenden Anteils der dritten Kaufpreisrate nebst Zins. Da die Beklagte nicht
habe beweisen können, dass sie sämtliche geschuldeten Anlageteile geliefert
habe, sei davon auszugehen, die Lieferung sei gemäss den Angaben der Klägerin
unvollständig gewesen. Diese habe die von ihr behaupteten Dekungskäufe nicht
nachgewiesen, weshalb ihr Schadenersatzanspruch gemäss Art. 76 CISG nach dem
gutachtlich auf Fr. 655'146.- festgesetzten Marktpreis der nicht gelieferten
Teile zu bestimmen sei. Allerdings habe sich die Klägerin einen Zinsanspruch
der Beklagten von Fr. 64'208.35 sowie die noch ausstehende
Nettokaufpreisforderung von Fr. 1'030'000.- nebst Zins anrechnen zu lassen.
Entsprechend verpflichtete das Kantonsgericht die Beklagte mit Urteil vom
BGE 138 III 601 S. 605
14. Dezember 2009, der Klägerin Fr. 5'250'000.- nebst Zins zu 5 % auf Fr.
2'059'130.70 seit 10. Juni 1998, auf Fr. 1'458'831.65 seit 26. Juni 1998 und
auf Fr. 1'705'037.65 seit 13. Juli 1998, abzüglich Fr. 64'208.35 und abzüglich
Fr. 374'854.- (Fr. 1'030'000.- minus Fr. 655'146.-) nebst Zins zu 5 % seit 24.
Januar 2000 zu bezahlen. Das Obergericht des Kantons Zug wies eine dagegen
gerichtete Berufung am 8. November 2011 ab.

C. Die Beklagte (Beschwerdeführerin) erhebt Beschwerde in Zivilsachen mit den
Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 8. November 2011
aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Eventuell sei die Sache zu
neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Klägerin (Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei, eventuell auf Rückweisung der Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz. Das Obergericht beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin hat eine Replik und die Beschwerdegegnerin eine Duplik
eingereicht.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

7.

7.1 Gemäss Art. 49 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 11.
April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG; SR
0.221.211.1) kann der Käufer die Aufhebung des Vertrages erklären, (a) wenn die
Nichterfüllung einer dem Verkäufer nach dem Vertrag oder diesem Übereinkommen
obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt oder (b) wenn
im Falle der Nichtlieferung der Verkäufer die Ware nicht innerhalb der vom
Käufer nach Art. 47 Abs. 1 gesetzten Nachfrist liefert oder wenn er erklärt,
dass er nicht innerhalb der so gesetzten Frist liefern wird.
Art. 51 CISG mit dem Titel "Teilweise Nichterfüllung" lautet in der deutschen
Übersetzung:
"
^1
Liefert der Verkäufer nur einen Teil der Ware oder ist nur ein Teil der
gelieferten Ware vertragsgemäss, so gelten für den Teil, der fehlt oder der
nicht vertragsgemäss ist, die Artikel 46-50.
BGE 138 III 601 S. 606
^2
Der Käufer kann nur dann die Aufhebung des gesamten Vertrages erklären, wenn
die unvollständige oder nicht vertragsgemässe Lieferung eine wesentliche
Vertragsverletzung darstellt."
Art. 51 CISG soll klarstellen, dass sich bei teilweiser Nicht- oder teilweise
mangelhafter Erfüllung die allgemeinen Rechtsbehelfe des Käufers, darunter das
Recht auf Vertragsaufhebung gemäss Art. 49 CISG, grundsätzlich auf den
fehlenden oder nicht vertragsgemässen Teil beschränken und damit eine
Teilaufhebung des Vertrages möglich ist (PETER HUBER, in: Schuldrecht,
Besonderer Teil, Bd. III, 6. Aufl., München 2012, N. 1 zu Art. 51 CISG; ULRICH
MAGNUS, in: Wiener UN-Kaufrecht [CISG], Berlin 2005, N. 1 f. zu Art. 51 CISG;
MARKUS MÜLLER-CHEN, in: Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Ingeborg
Schwenzer [Hrsg.], 5. Aufl. 2008, N. 1 zu Art. 51 CISG). Die herrschende Lehre
geht davon aus, die Anwendung von Art. 51 CISG und damit die Möglichkeit der
Teilaufhebung setze voraus, dass ein Kaufvertrag mehrere Waren erfasse, die je
eine eigenständige wirtschaftliche Einheit bilden. Dies treffe nicht zu, wenn
eine Maschine oder eine Produktionsanlage als eine aus verschiedenen
Bestandteilen zusammengesetzte einheitliche Sachgesamtheit verkauft werde
(HUBER, a.a.O., N. 3 zu Art. 51 CISG; MÜLLER-CHEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 51
CISG; SCHNYDER/STRAUB, in: Kommentar zum UN-Kaufrecht, Heinrich Honsell
[Hrsg.], 1997, N. 9 f. zu Art. 51 CISG; MAGNUS, a.a.O., N. 4 zu Art. 51 CISG;
WILHELM-ALBRECHT ACHILLES, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen, Neuwied
2000, N. 1 zu Art. 51 CISG; vgl. auch LÜDERITZ/SCHÜSSLER-LANGEHEINE, in:
Bürgerliches Gesetzbuch, Stein/Soergel [Hrsg.], Bd. XIII, 13. Aufl., Stuttgart
2000, N. 2 zu Art. 51 CISG). Zum Teil wird jedoch unter Berufung auf den
Schiedsspruch Nr. 7660 der Internationalen Handelskammer vom 23. August 1994
(CISG-online Nr. 129) die Meinung vertreten, etwas anderes gelte, wenn der
fehlende Teil der Maschine oder Anlage ohne Weiteres austauschbar sei
(CHRISTOPH BRUNNER, UN-Kaufrecht-CISG, 2004, N. 5 Fn. 1178 zu Art. 51 CISG;
vgl. auch PETER SCHLECHTRIEM, Internationales UN-Kaufrecht, 4. Aufl., Tübingen
2007, S. 139 Rz. 192).

7.2 Die Vorinstanz folgte der letztgenannten Lehrmeinung und nahm an, die
gemäss der Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht gelieferten Teile seien ohne
Weiteres ersetzbar gewesen, da ihr Marktpreis gestützt auf ein Gutachten habe
bestimmt werden können. Die Beschwerdegegnerin habe daher den Vertrag
hinsichtlich der nicht gelieferten Teile gemäss Art. 51 CISG aufheben und
Schadenersatz
BGE 138 III 601 S. 607
verlangen dürfen. Dieser Anspruch entspreche Art. 190 OR, der dem Käufer bei
Verzug des Verkäufers erlaube, auf die Lieferung zu verzichten und
Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Ein solcher Anspruch
unterstehe gemäss Art. 127 OR der zehnjährigen Verjährungsfrist.

7.3 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Vorinstanz sei zu Unrecht von einer
teilbaren Leistung im Sinne von Art. 51 CISG ausgegangen. Die Nutzung der
verkauften Spinnerei als Produktionsanlage sei ohne die angeblich fehlenden
Teile nicht möglich gewesen. Somit sei eine einheitliche Sache verkauft worden.
Fehle ein Bestandteil einer solchen Sache, liege ein Sachmangel bezüglich der
Sachgesamtheit vor, weshalb bezüglich der Verjährung Art. 210 OR massgebend
sei. Die darin vorgesehene einjährige Verjährungsfrist ab Ablieferung der Ware
sei zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Vermeidung eines
Widerspruchs zur zweijährigen Anzeigefrist gemäss Art. 39 CISG anzupassen. Ob
nun die Einjahresfrist erst mit der Mängelrüge zu laufen beginne oder ob sie
auf zwei Jahre seit Ablieferung der Ware auszudehnen sei, könne offenbleiben.
In beiden Fällen sei nach den Mängelrügen vom Juli/August 1998 die Verjährung
eingetreten, da die vorliegende Klage am 16. November 2001 eingereicht worden
sei und der Weisungsschein vom 19. September 2001 datiere.

7.4 Die Spinnerei Q. wurde als einheitliche Produktionsanlage und damit als
Sachgesamtheit verkauft, zumal ein Einheitspreis und nicht ein Preis für die
einzelnen Komponenten vereinbart war und die Anlage als Ganzes zu funktionieren
hatte. Demnach stellten die einzelnen funktionsnotwendigen Bestandteile der
Anlage für die Parteien keine eigenständige wirtschaftliche Einheit dar,
weshalb insoweit gemäss der herrschenden Lehre die Anwendung von Art. 51 CISG
und damit ein Teilrücktritt ausgeschlossen ist. Daran vermag entgegen der
Minderheitsmeinung der mögliche Ersatz der fehlenden oder mangelhaften
Bestandteile einer einheitlichen Sachgesamtheit nichts zu ändern, weil damit
deren Vertragswidrigkeit durch eine Nachbesserung behoben wird (vgl.
MÜLLER-CHEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 51 CISG).

7.5 Da das CISG die Verjährung nicht regelt, richtet sich diese vorliegend nach
Schweizer Recht (nicht publ. E. 2.2.; vgl. auch Urteil 4A_68/2009 vom 18. Mai
2009 E. 10), das für die Verjährung von Ansprüchen wegen mangelhafter bzw.
nicht vertragsgemässer Warenlieferung eine Verjährungsfrist von einem Jahr ab
Ablieferung der Sache an den Käufer vorsieht (Art. 210 Abs. 1 OR) und bestimmt,
BGE 138 III 601 S. 608
dass die Einrede des Käufers wegen vorhandener Mängel bestehen bleibt, wenn
innerhalb eines Jahres nach Ablieferung die vorgeschriebene Anzeige an den
Verkäufer gemacht worden ist (Art. 210 Abs. 2 OR). Nach dieser Regelung kann
der Käufer bei der Anwendbarkeit des CISG verjährte Ansprüche aus einer
Vertragsverletzung noch einredeweise geltend machen, wenn er diese dem
Verkäufer gemäss Art. 39 CISG angezeigt hat (BRUNNER, a.a.O., N. 31 zu Art. 4
CISG).

7.6 Nach Art. 39 Abs. 1 CISG verliert der Käufer das Recht, sich auf eine
Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht
innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie
festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der
Vertragswidrigkeit genau bezeichnet.

7.7 Die Vorinstanz hat sich nicht zur Frage geäussert, ob die
Beschwerdegegnerin hinsichtlich der von ihr geltend gemachten nicht gelieferten
Bestandteile ihrer Anzeigepflicht im Sinne von Art. 39 CISG nachgekommen ist.
Gemäss den unangefochten gebliebenen Feststellungen der ersten Instanz steht
jedoch fest, dass die Beschwerdegegnerin mit Faxschreiben vom 16., 23. und 28.
Juli sowie vom 11. August 1998 der Beschwerdeführerin Listen zu den
Fehlbeständen betreffend die drei Schiffsladungen übermittelt hat. Insoweit
kann der Sachverhalt ergänzt werden (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
Beschwerdeführerin beruft sich auf diese Mängelrügen vom Juli/August 1998,
welche die Art der geltend gemachten Vertragswidrigkeit hinreichend genau
bezeichnen (vgl. BGE 130 III 258 E. 4.3 S. 281 f.), ohne geltend zu machen,
dass die Rügen verspätet erhoben worden seien, weshalb die Rechtzeitigkeit als
anerkannt gelten und von einer Anzeige gemäss Art. 39 CISG ausgegangen werden
kann. Demnach konnte sich die Beschwerdegegnerin gegenüber der von den
kantonalen Gerichten im Umfang von Fr. 1'030'000.- gutgeheissenen Forderung auf
Zahlung des restlichen Kaufpreises einredeweise auf Forderungen aus der von ihr
behaupteten unvollständigen und damit vertragswidrigen Lieferung berufen,
weshalb offenbleiben kann, ob diese Forderungen verjährt waren.

8.

8.1 Die Verteilung der Beweislast gehört zu den im UN-Kaufrecht geregelten
Gegenständen. Fehlt eine ausdrückliche Beweislastregel, so kommen die
allgemeinen Grundsätze zur Anwendung, welche dem UN-Kaufrecht zu Grunde liegen.
Nach diesen Grundsätzen ist insbesondere die Beweisnähe zu beachten, weshalb
der Käufer, der die Ware vorbehaltlos übernommen und daran die Sachherrschaft
BGE 138 III 601 S. 609
erlangt hat, deren Vertragswidrigkeit zu beweisen hat, soweit er daraus Rechte
ableitet (BGE 130 III 258 E. 5.3 S. 264 ff. mit Hinweisen; vgl. auch Urteil
4C.245/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.1). Dieser Grundsatz gilt auch bezüglich
einer von der Käuferin nach der vorbehaltlosen Übernahme der Waren geltend
gemachten Unvollständigkeit der Lieferung (Urteil 4C.144/2004 vom 7. Juli 2004
E. 3.3 und 3.4; vgl. auch: TOBIAS MALTE MÜLLER, Ausgewählte Fragen der
Beweislastverteilung im UN-Kaufrecht im Lichte der aktuellen Rechtsprechung,
München 2005, S. 90 f.).

8.2 Die Vorinstanz erwog, die Nichtlieferung verschiedener Teile stelle eine
negative Tatsache dar, deren Beweis nicht möglich sei. Selbst wenn die
unvollständige Lieferung in den Herrschaftsbereich der Beschwerdeführerin
gelangt sei, sei sie damit nicht in der Lage, den Bestand der
Vertragswidrigkeit zu beweisen. Demgegenüber habe es die Beschwerdeführerin in
der Hand gehabt, den Nachweis der vollständigen Lieferung durch die Einreichung
von Packlisten, Frachtbriefen und ähnlichen Dokumenten zu erbringen. Da die
Beschwerdeführerin vorliegend die Vollständigkeit der Lieferung leichter
beweisen könne als die Beschwerdegegnerin deren Unvollständigkeit, sei der
Beschwerdeführerin die Beweislast hinsichtlich der vollständigen Lieferung
aufzuerlegen. Diesen Beweis habe die Beschwerdeführerin nicht erbringen können.

8.3 Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoss gegen die anerkannten Grundsätze
der Beweislastverteilung des CISG. Die Ware habe sich nach der Übernahme durch
die Beschwerdegegnerin in deren alleinigem Herrschaftsbereich befunden. Diese
sei daher entgegen der Meinung der Vorinstanz besser in der Lage gewesen, den
Bestand einer Vertragswidrigkeit nachzuweisen als die Beschwerdeführerin deren
Abwesenheit.

8.4 Aus dem angefochtenen Urteil geht nicht hervor, dass die Beschwerdegegnerin
bereits bei der Übernahme der Waren in Indonesien Vorbehalte angebracht hätte,
so dass von vorbehaltloser Übernahme auszugehen ist. Die Parteien stimmen darin
überein, dass die Beschwerdegegnerin die ihr gelieferten Waren ohne Beizug der
Beschwerdeführerin auspackte. Entsprechend nahm die Vorinstanz an, die
Lieferungen seien mit der Übernahme durch die Beschwerdegegnerin in deren
alleinigen Herrschaftsbereich gelangt. Danach war einzig diese in der Lage, die
Vollständigkeit der umfangreichen Lieferung zu prüfen und die entsprechenden
Beweise zu sichern, weshalb sie gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts
für die von
BGE 138 III 601 S. 610
ihr nachträglich geltend gemachte Unvollständigkeit der Lieferungen
beweispflichtig ist. Weshalb ihr diese Beweisführung unzumutbar sein soll, ist
nicht ersichtlich, zumal das Fehlen bestimmter Bestandteile, anders als zum
Beispiel die unterlassene Verletzung eines Konkurrenzverbots, nicht zu den so
genannten unbestimmten Negativa zu zählen ist (vgl. HANS PETER WALTER, Berner
Kommentar, 2012, N. 340 f. zu Art. 8 ZGB; Urteil 4C.344/2006 vom 8 Januar 2007
E. 2.1.2, nicht publ. in: BGE 133 III 189). Die Vorinstanz hat daher die
Grundsätze des CISG zur Beweislastverteilung verletzt, indem sie die Beweislast
hinsichtlich der vollständigen Lieferung der Beschwerdeführerin auferlegte und
mangels dieses Beweises auf Unvollständigkeit der Lieferung gemäss den
Behauptungen der Beschwerdegegnerin schloss.

8.5 Da die Vorinstanz aufgrund der unzutreffenden Beweislastverteilung nicht
prüfte, ob die Beschwerdegegnerin die von ihr geltend gemachte unvollständige
Lieferung beweisen konnte, ist das angefochtene Urteil bezüglich der daraus
abgeleiteten Forderungen der Beschwerdegegnerin aufzuheben und zur
Sachverhaltsergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Rügen gegenstandslos,
soweit sie sich gegen die Erwägung des Vorinstanz richten, nach welcher die
Beschwerdeführerin die Vollständigkeit der Lieferung nicht nachgewiesen habe
(vgl. BGE 135 I 187 E. 2.3 S. 191).