Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 497



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Urteilskopf

138 III 497

72. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen
YA. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_68/2012 vom 16. Mai 2012

Regeste

Art. 578 ZGB; Art. 285 ff. SchKG; erbrechtliche und paulianische
Anfechtungsklagen im Zusammenhang mit einem Erbverzichtsvertrag zugunsten der
eigenen Nachkommen.
Anfechtbar gemäss Art. 578 ZGB ist nur die Ausschlagung, nicht auch ein
Erbverzichtsvertrag (E. 3). Frage des Rechtsmissbrauches (E. 4). Frage des
Herabsetzungsanspruches (E. 5). Der Erbverzichtsvertrag zugunsten der eigenen
Kinder ist weder Schenkung noch unentgeltliche Verfügung im Sinn von Art. 286
SchKG (E. 6). Ausführungen zur Absichtspauliana (E. 7).

Sachverhalt ab Seite 498

BGE 138 III 497 S. 498
YA. (Beschwerdegegner 1) ist der Vater von YB. und YC. (Beschwerdegegner 2 und
3).
Die X. AG (Beschwerdeführerin) gewährte dem Beschwerdegegner 1 im Jahr 1991 ein
verzinsliches Darlehen über Fr. 1'300'000.-. Dieser leistete 1992 bis 1994
Abzahlungen.
Am 7. Februar 2001 betrieb die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner 1. Auf
dessen Rechtsvorschlag hin machte sie eine Teilforderung gerichtlich geltend,
der ihr mit Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 6. Dezember 2005
zugesprochen wurde. Die gegen den Beschwerdegegner 1 eingeleitete Betreibung
führte am 13. Februar 2007 zu einem definitiven Verlustschein.
Am 18. Dezember 2002 schloss der Beschwerdegegner 1 mit seiner Mutter Z. einen
Erbverzichtsvertrag, in welchem er zugunsten seiner beiden Söhne auf sein Erbe
verzichtete. Am 2. Dezember 2007 verstarb Z. Sie hinterliess drei Kinder.
Am 6. August 2008 klagte die X. AG beim Bezirksgericht gegen die
Beschwerdegegner 1-3 mit dem Hauptbegehren, es seien die Zustimmung des
Beschwerdegegners 1 zum Erbverzichtsvertrag sowie dieser Vertrag gemäss Art.
578 ZGB aufzuheben, eventualiter sei deren Anfechtbarkeit im Sinn von Art. 578
ZGB festzustellen, und es sei die amtliche Liquidation des Nachlasses
anzuordnen; eventualiter verlangte sie, es seien die Beschwerdegegner unter
solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, ihr Fr. 508'246.55 zu bezahlen,
subeventualiter seien die Erbteile bzw. Zuwendungen an die Beschwerdegegner 2
und 3 im Sinn von Art. 522 ff. ZGB proportional auf jenen Bruchteil ihres
Wertes herabzusetzen, der dem Beschwerdegegner 1
BGE 138 III 497 S. 499
einen Wertanteil von Fr. 508'246.55, maximal jedoch seinen vollen Pflichtteil
von einem Viertel des Gesamtnachlasses verschaffe.
Mit Urteilen vom 12. Januar 2010 bzw. 5. Dezember 2011 wiesen sowohl das
Bezirksgericht als auch das Obergericht des Kantons Zürich die Klage ab.
Gegen das obergerichtliche Urteil hat die X. AG am 23. Januar 2012 eine
Beschwerde in Zivilsachen eingereicht, im Wesentlichen mit den Anträgen auf
dessen Aufhebung und Zuspruch der vorgenannten Klagebegehren, eventualiter um
Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Neubeurteilung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Wie bereits im kantonalen Verfahren macht die Beschwerdeführerin auch vor
Bundesgericht eine falsche Anwendung von Art. 578 ZGB (dazu E. 3) oder
jedenfalls ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beschwerdegegners 1
geltend, indem dieser mit dem Erbverzichtsvertrag die Anfechtungsmöglichkeit
des Gläubigers mit Bezug auf die Ausschlagung des Erbes habe umgehen wollen
(dazu E. 4). Im Eventualstandpunkt beruft sich die Beschwerdeführerin auf die
Bestimmungen über die Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 ff. ZGB (dazu E. 5).
Überdies macht sie weiterhin einen Anfechtungsanspruch im Sinn von Art. 286
oder 288 SchKG geltend (dazu E. 6 und 7).
Hinsichtlich der obergerichtlichen Erwägung, wonach Art. 578 ZGB einen
Ausgleich für die getäuschte Hoffnung der Gläubiger zum Zweck habe, nennt die
Beschwerdeführerin verschiedene Beweismittel (u.a. Zeugeneinvernahmen) mit
Bezug auf ihre angebliche Erwartung als Gläubigerin, dass der Beschwerdegegner
1 dereinst ein ansehnliches Vermögen erbe, und sie beruft sich dabei auf Art.
99 Abs. 1 BGG. Indes wird nicht dargetan, inwiefern die Voraussetzungen für ein
nachträgliches Einreichen von Beweismitteln gegeben sein sollen; Gründe sind
denn auch nicht ersichtlich, da die Beschwerdeführerin offensichtlich eine
umfassende Auslegung mit Blick auf Sinn und Zweck des von ihr als verletzt
angerufenen Art. 578 ZGB durch das Obergericht zu gewärtigen hatte.
BGE 138 III 497 S. 500
Unzulässig ist ferner das Nachschieben von Sachverhaltselementen, die im
angefochtenen Urteil nicht festgestellt sind, wie dies insbesondere in Rz. 92
ff. der Beschwerde geschieht.

3. Umstritten ist zunächst die Auslegung von Art. 578 ZGB, den die
Beschwerdeführerin auch auf den Erbverzichtsvertrag angewandt wissen möchte.

3.1 Im Zusammenhang mit dieser Norm verneinte das Obergericht die
Passivlegitimation der Beschwerdegegner 2 und 3. Die Beschwerdeführerin
kritisiert dies.
Die in der Literatur kontrovers diskutierte Frage (Passivlegitimation des
ausschlagenden Erben: TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1964, N. 12 zu
Art. 578 ZGB; SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4.
Aufl. 2011, N. 7 zu Art. 578 ZGB; HÄUPTLI, in: Erbrecht, Praxiskommentar, 2.
Aufl. 2011, N. 13 zu Art. 578 ZGB; Passivlegitimation der Begünstigten: ESCHER,
Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1960, N. 10 zu Art. 578 ZGB; PIOTET, Erbrecht, SPR
Bd. IV/2, 1981, S. 645; GÜBELI, Gläubigerschutz im Erbrecht, 1999, S. 107)
wurde bereits in BGE 55 II 18 E. 3 S. 19 dahingehend entschieden, dass die
Klage ausschliesslich gegen den ausschlagenden Erben zu richten ist. Es besteht
kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen, und zwar auch nicht unter
dem Gesichtspunkt, dass das Bundesgericht seinen Entscheid damit begründet hat,
dass es sich bei der Ausschlagung um ein einseitig vorgenommenes Rechtsgeschäft
handle: Vorliegend zielt die Beschwerdeführerin zwar auf den
Erbverzichtsvertrag, der im Unterschied zur Ausschlagung kein einseitiges
Rechtsgeschäft ist; indes waren die Beklagten 2 und 3 an diesem ebenso wenig
beteiligt. Sodann ist die Rechtsfolge nicht, dass die Begünstigten die
Vollstreckung ins betreffende Substrat zu dulden haben (Art. 285 Abs. 1 und
Art. 291 Abs. 1 SchKG; BGE 135 III 265 E. 3 S. 268), sondern die amtliche
Liquidation des Nachlasses (Art. 578 Abs. 2 ZGB).

3.2 In materieller Hinsicht befand das Obergericht, die Erbanwartschaft habe in
keiner Weise als Sicherheit für das gewährte Darlehen gedient und die
Beschwerdeführerin mache auch nicht geltend, sie habe darauf vertrauen dürfen,
dass die Rückforderung des Darlehens dereinst aus dem fraglichen Erbe gedeckt
werde. Genau darauf ziele aber Art. 578 ZGB, indem er die Ausschlagung in
fraudem creditorum als anfechtbar erkläre. Es handle sich dabei um den Schutz
der Gläubiger mit Bezug auf Vermögenswerte, die mit dem Erbgang
BGE 138 III 497 S. 501
bereits an den ausschlagenden Erben übergegangen seien. Ein Schutz im Hinblick
auf blosse Erbanwartschaften sei dagegen vom Gesetz nicht vorgesehen. Ebenso
wenig bestehe Schutz gegen eine aus der Annahme einer Erbschaft erwachsende
Benachteiligung der Erbengläubiger; der Gesetzgeber habe das in den Entwürfen
zum ZGB diesbezüglich vorgesehene Mittel der amtlichen Liquidation abgelehnt
mit der Begründung, dass es dem Schuldner freistehe, durch Eingehung neuer
Verbindlichkeiten die Lage der Gläubiger zu verschlechtern. Diesem Tatbestand
könne der (erbvertragliche) Verzicht auf Vermögenswerte oder das
Nichteintreiben von Ansprüchen gleichgesetzt werden. Sodann sehe das Gesetz
andere Schutzmöglichkeiten des Gläubigers vor (Art. 609 Abs. 1 sowie Art. 524
Abs. 1 und 2 ZGB). Umgekehrt werde bei Art. 480 ZGB die Familie des Erblassers
gegen eine Benachteiligung auf Kosten der Erbengläubiger geschützt. Im Ergebnis
sei davon auszugehen, dass die Gläubiger eines Erben vor dem Erbanfall keinen
geschützten Anspruch auf das Vermögen des Erblassers hätten; einerseits stehe
es diesem frei, sein Vermögen zu verbrauchen, und andererseits stehe es dem
Schuldner frei, auf die Erbanwartschaft zu verzichten, weshalb ein Gläubiger
grundsätzlich immer mit einer möglichen Verschlechterung des Haftungssubstrates
rechnen müsse.

3.3 Die Beschwerdeführerin ist zusammengefasst der Meinung, dass es keinen
Unterschied mache, ob der Erbe auf sein Erbe vertraglich verzichte oder ob er
dieses ausschlage, weshalb die Anfechtungsmöglichkeit im Sinn von Art. 578 ZGB
über den Gesetzeswortlaut hinaus in beiden Konstellationen greifen müsse, zumal
die Willensäusserung des Beschwerdegegners 1 beim Erbverzichtsvertrag letztlich
als antizipierte Ausschlagung interpretiert werden müsse. Es sei nicht
plausibel, weshalb die in Art. 578 ZGB verpönte Gläubigerschädigung plötzlich
zulässig sein soll, wenn sie in Form eines Erbverzichtsvertrages herbeigeführt
werde, gehe es doch in beiden Konstellationen darum, dass die Vergrösserung des
Vermögens verhindert werde.

3.4 Grundsätzlich haftet der Schuldner für eingegangene Verpflichtungen mit
seinem gesamten persönlichen Vermögen. Bei ausbleibender Tilgung fälliger
Schulden kann er vom Gläubiger betrieben und kann in sein Vermögen vollstreckt
werden, wobei alle ihm gehörenden verkehrsfähigen Vermögenswerte pfändbar sind.
Unpfändbar sind Anwartschaften oder Rechte mit ungewisser Entstehung und von
ungewissem Umfang (BGE 97 III 23 E. 2 S. 27; BGE 99 III 52
BGE 138 III 497 S. 502
E. 3 S. 55), wozu insbesondere auch die Erbanwartschaft gehört (BGE 73 III
149). Pfändbar ist hingegen der Liquidationsanteil an einer angefallenen, aber
noch nicht verteilten Erbschaft (vgl. BGE 130 III 652; BGE 135 III 179), weil
dieser einen zurechenbaren Vermögenswert des Erben darstellt; die Abwicklung
erfolgt hier nach der Verordnung vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und
Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG; SR 281.41).
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass eine Erbanwartschaft des Schuldners für den
Gläubiger keine gesicherte Kreditierungsbasis, sondern eine blosse Hoffnung auf
zukünftigen Anfall von Vollstreckungssubstrat darstellt. Der Erblasser kann bis
zum Todeszeitpunkt frei über sein Vermögen verfügen, so dass sich die Hoffnung
des Gläubigers selbst bei einem Pflichtteilserben zerschlagen kann. Ebenso
wenig hat er Möglichkeiten zur Beeinflussung der persönlichen Vermögenslage des
Schuldners; so kann dieser über vorhandene Vermögenswerte verfügen oder seine
Bonitätslage auch durch Eingehen weiterer Verpflichtungen verschlechtern. Will
der Gläubiger in seinem Glauben auf vertragskonforme Erfüllung auf keinen Fall
enttäuscht werden, muss er sich deshalb ausreichende persönliche oder dingliche
Sicherheiten stellen lassen.
Dies heisst aber nicht, dass der ungesicherte Gläubiger über keinerlei Mittel
gegen den unredlich handelnden Schuldner verfügen würde; vielmehr hat der
Gesetzgeber im Erb- wie auch im Zwangsvollstreckungsrecht verschiedene Behelfe
zur Verfügung gestellt. Vorliegend interessiert Art. 578 Abs. 1 ZGB, welcher
dem Gläubiger, der nicht anderweitig sichergestellt wird, eine
Anfechtungsmöglichkeit gibt, wenn ein überschuldeter Erbe die Erbschaft mit dem
Zweck ausgeschlagen hat, sie dem Gläubiger zu entziehen. Entgegen der Meinung
der Beschwerdeführerin lässt sich daraus aber keine Anfechtungsmöglichkeit mit
Bezug auf einen Erbvertrag ableiten.
Ein solches Ansinnen scheitert vorliegend bereits an der grammatikalischen
Auslegung von Art. 578 ZGB, weil das Bundesgericht an einen klaren und
unzweideutigen Gesetzeswortlaut gebunden ist, sofern dieser den wirklichen Sinn
der Norm wiedergibt. Zwar sind Abweichungen von einem klaren Wortlaut zulässig
oder sogar geboten, wenn triftige Gründe zur Annahme bestehen, dass dieser
nicht dem wahren Sinn der Bestimmung entspricht; solche Gründe können sich aus
der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem
Zusammenhang mit anderen Vorschriften
BGE 138 III 497 S. 503
ergeben (systematische, teleologische, historische und rechtsvergleichende
Auslegung, vgl. BGE 127 III 318 E. 2b S. 322 f.; BGE 130 III 76 E. 4 S. 82; BGE
133 III 257 E. 2.4 S. 265). Vorliegend ist indes aufgrund des vom Gesetzgeber
bloss punktuell gewährten Gläubigerschutzes, angesichts der systematischen
Einordnung der Regelung in den Bestimmungen über die Ausschlagung (Art. 566-579
ZGB) sowie vor dem Hintergrund der Materialien (vgl. namentlich die von EUGEN
HUBER verfassten Erläuterungen zum Vorentwurf eines schweizerische
Zivilgesetzbuches, Bd. I, 2. Aufl. 1914, S. 401, wo davon die Rede ist, dass
nicht der Lehrmeinung zu folgen sei, wonach der im negativen Erbvertrag
erklärte Erbverzicht als eine Verpflichtung zur Ausschlagung der Erbschaft oder
als Verzicht auf die Geltendmachung der Herabsetzungs- und Erbschaftsklage
aufzufassen sei, sondern dass das ZGB der Anschauung folge, wonach der
Erbverzicht eine Aufhebung der Erbenqualität bedeute) nicht ersichtlich,
inwiefern der klare Wortlaut der Norm nicht dem wirklichen Willen des
Gesetzgebers entsprechen und Art. 578 ZGB auf etwas anderes als die
Ausschlagung anwendbar sein soll. Insbesondere lässt sich solches auch nicht
aus BGE 128 III 314 oder BGE 131 III 49 ableiten; diese Entscheide betreffen
ganz andere Konstellationen und tragen nichts zur Auslegung von Art. 578 ZGB
bei.
Nach dem Gesagten kann der Beschwerdeführerin nicht durch Gesetzesauslegung im
Sinn von Art. 1 Abs. 1 ZGB, sondern könnte ihr höchstens durch richterliche
Lückenfüllung modo legislatoris im Sinn von Art. 1 Abs. 2 ZGB geholfen werden.
Indes enthält die Beschwerde keine entsprechenden Ausführungen und das
Bundesgericht prüft die Rechtsanwendung aufgrund von Art. 42 Abs. 2 BGG nur im
Rahmen begründeter Vorbringen, was umso mehr für eine Lückenfüllung zu gelten
hat, welche vor dem Hintergrund der Begründungspflicht nicht von Amtes wegen
vorzunehmen wäre. Ohnehin dürfte aber keine Gesetzeslücke vorliegen, weil
grundsätzlich der Kreditor das Kreditrisiko zu tragen hat und der Gesetzgeber
dem Gläubiger nur punktuell Behelfe zur Verfügung stellen wollte (z.B. Art.
497, 524, 578, 579, 594, 609 ZGB sowie Art. 285 ff. SchKG).
Eine andere Frage ist, ob der Beschwerdegegner allenfalls das Institut des Erb
(verzichts)vertrages missbraucht hat. Sie steht aber, obwohl in der Beschwerde
damit vermengt (indem der Verzicht unzutreffend als "antizipierte Ausschlagung"
charakterisiert wird), in keinem Zusammenhang mit der Auslegung bzw. Anwendung
von Art. 578 ZGB und ist deshalb im Folgenden eigenständig zu prüfen.
BGE 138 III 497 S. 504

4. Die Beschwerdeführerin begründet den Rechtsmissbrauch mit der tautologischen
Begründung, der Erbverzichtsvertrag diene nicht dazu, die Erbschaft den
Gläubigern des Erben zu entziehen, denn es gäbe Art. 578 ZGB nicht, wenn es ein
vom Gesetzgeber toleriertes Ziel wäre, die Gläubiger des Erben auf diese Art um
ihre Ansprüche zu bringen. Sie führt weiter an, dass der vom Beschwerdegegner 1
erklärte Erbverzicht zugunsten der eigenen Kinder gegen den
Redlichkeitsstandard von Treu und Glauben verstosse und ihr Vertrauen verletzt
habe; die bewusste Benachteiligung der Gläubiger müsse aber generell als
rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden.

4.1 Zunächst ist festzuhalten, dass das Eingehen eines Erbverzichtsvertrages im
Grundsatz keinen Verstoss gegen Treu und Glauben im Zusammenhang mit der viele
Jahre früher eingegangenen Darlehensverpflichtung bedeutet: Nach dem Gesagten
trägt prinzipiell der Kreditor das Kreditrisiko und steht es dem Schuldner
frei, seine Bonität durch das Eingehen weiterer Schulden, durch Erlass ihm
zustehender Forderungen oder durch Verzicht auf prozessuale Durchsetzung
derselben zu verschlechtern. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den in BGE
125 III 257 E. 2a S. 259 angesprochenen "Redlichkeitsstandard" ist deshalb für
die vorliegend zu beurteilende Fallkonstellation nicht topisch, zumal im
Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Eingehen des Darlehensvertrages und dem
Jahre danach abgeschlossenen Erbverzichtsvertrag auch kein venire contra factum
proprium ersichtlich ist. Davon könnte höchstens die Rede sein, wenn der
Erbverzicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des
Darlehensvertrages stünde oder darin vom Erbanfall als zukünftige Haftungsbasis
die Rede wäre.
Vorliegend steht vielmehr, wie die Beschwerdeführerin ebenfalls vorträgt, der
im Sinn von Art. 2 Abs. 2 ZGB verpönte Rechtsmissbrauch im Vordergrund, und
zwar in der Ausprägungsform des sog. Institutsmissbrauchs (dazu statt vieler:
HONSELL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 51 zu
Art. 2 ZGB). Nachfolgend zu prüfen ist mithin, ob der Beschwerdegegner 1 das
Institut des Erbverzichtsvertrages in einer derart anderen als der ihm vom
Gesetzgeber angedachten Form verwendet hat, dass von Rechtsmissbrauch im Sinn
eines Institutsmissbrauchs ausgegangen werden muss.

4.2 Der Erbvertrag ist kein in sich geschlossenes Institut. Er kann höchst
unterschiedliche Motive haben (namentlich auch steuerliche) und vielfältige
Ausprägung erfahren, sowohl in der Form des
BGE 138 III 497 S. 505
Erbeinsetzungs- (Art. 494 ZGB) als auch des Erbverzichtsvertrages (Art. 495
ZGB). Betroffen ist in der Regel nicht nur das Verhältnis zwischen Erblasser
und erklärendem Vertragspartner, sondern auch dasjenige der Erben untereinander
sowie dasjenige zwischen erklärendem Erben und dessen Umfeld. Dass diese
einzelnen Rechtsbeziehungen in einem Spannungsfeld stehen und teilweise
unbillige Folgen eintreten können, war dem Gesetzgeber durchaus bewusst,
weshalb er im Zusammenhang mit den Erbverträgen ebenfalls punktuelle
Korrekturmöglichkeiten vorgesehen hat (z.B. Art. 494 Abs. 3, Art. 514, 527, 535
f. und 626 Abs. 2 ZGB).
Vorliegend wurde ein Erbverzichtsvertrag abgeschlossen. Dieser kann entgeltlich
(sog. Erbauskauf) oder unentgeltlich erfolgen (statt vieler: BREITSCHMID, in:
Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 495
ZGB). Sodann stellt Art. 495 Abs. 3 ZGB klar, dass der Erbverzichtsvertrag
grundsätzlich auch gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden wirkt, indes eine
andere Parteivereinbarung möglich ist. Ermöglicht aber das Gesetz den
unentgeltlichen Verzicht zugunsten der Nachkommen, so ist die vorliegende, von
der Beschwerdeführerin als "Missbrauch" angesehene Situation geradezu im Gesetz
bzw. im gesetzlich zugelassenen Handlungsspielraum angelegt. Insofern ist nicht
zu sehen, inwiefern diesbezüglich von einer Zweckentfremdung des Institutes des
Erbverzichtsvertrages gesprochen werden könnte, zumal der Verzicht auf eine
Anwartschaft entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht mit der
Ausschlagung angefallener Vermögenswerte gleichgesetzt werden kann. So ist denn
auch die Lehre, soweit sie sich zum Problem äussert, der Ansicht, dass im
Zusammenhang mit Erbverzichtsverträgen kein Schutz der Gläubiger des
verzichtenden Erben besteht, selbst wenn der Verzicht ohne Gegenleistung
erfolgte (STEINAUER, Le droit des successions, 2006, Rz. 652; BREITSCHMID, op.
cit., N. 1 zu Art. 497 ZGB).

5. Im Eventualstandpunkt macht die Beschwerdeführerin einen
Herabsetzungsanspruch gemäss Art. 522 ff. ZGB geltend. Indes gehen die auf Art.
524 ZGB gestützten Rechte des über Verlustscheine verfügenden Erbengläubigers
nicht weiter als der Herabsetzungsanspruch, wie er im Rahmen von Art. 522 f.
ZGB dem Erben selbst zugestanden hätte. Derjenige, der im Rahmen eines
Erbvertrages auf sein Erbe verzichtet hat, wird aber gar nie Erbe, insbesondere
auch nicht "Erbe" im Sinn von Art. 522 Abs. 1 ZGB, da mit dem Verzicht auf die
Erbanwartschaft auch der Pflichtteilsschutz verloren
BGE 138 III 497 S. 506
gegangen ist (BÜTTIKOFER, Der Erbverzicht nach schweizerischem ZGB [...], 1942,
S. 88). Entsprechend kann auch sein Gläubiger nicht "Gläubiger des Erben" im
Sinn von Art. 524 ZGB sein und kraft Legalzession in den Genuss der
Herabsetzungsansprüche kommen. Einzig dem nicht verzichtenden Pflichtteilserben
- und folglich dessen Gläubiger - könnte mit Bezug auf die vom Verzichtenden
empfangene Gegenleistung ein Herabsetzungsanspruch zustehen (vgl. Art. 527
Ziff. 2 ZGB).

6. Die Beschwerdeführerin macht eine Schenkungspauliana geltend, in welcher
Hinsicht die doppelte Frist von Art. 286 Abs. 1 i.V.m. Art. 288a Ziff. 4 SchKG
einerseits und von Art. 292 Ziff. 1 SchKG andererseits unbestrittenermassen
eingehalten ist. Sodann können die paulianischen Anfechtungsklagen zusätzlich
zu den erbrechtlichen Anfechtungsansprüchen geltend gemacht werden, wie bereits
aus der Botschaft zum SchKG hervorgeht (dazu E. 6.3; vgl. sodann die
Zusammenstellung der die Frage kontrovers behandelnden Literatur bei GÜBELI,
a.a.O., S. 103 Fn. 3).

6.1 Die Anfechtungsklage richtet sich gegen die Personen, die mit dem Schuldner
die anfechtbaren Rechtsgeschäfte abgeschlossen haben oder von ihm in
anfechtbarer Weise begünstigt wurden. Pasivlegitimiert sind deshalb stets die
tatsächlich begünstigten Personen, also diejenigen, denen die fraglichen
Vermögenswerte aufgrund der anfechtbaren Rechtshandlung zugeflossen sind (BGE
135 III 265 E. 3 S. 268). Demzufolge ist der Beschwerdegegner 1 vorliegend
nicht passivlegitimiert.

6.2 In der Sache selbst hat das Obergericht erwogen, dass der Erbverzicht
zugunsten der beiden Söhne keine Schenkung darstelle, weil diese nach der
Legaldefinition von Art. 239 Abs. 1 OR "aus seinem Vermögen" erfolgen müsste,
was beim Erbverzicht nicht der Fall sei. Sodann mache gemäss Art. 239 Abs. 2 OR
keine Schenkung, wer auf ein Recht verzichte, bevor er es erworben habe, oder
eine Erbschaft ausschlage; bewirke aber nicht einmal die Ausschlagung eine
Schenkung, so könne dies umso weniger beim Erbverzicht der Fall sein.
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt - die Erblasserin hätte die
Beschwerdegegner 2 und 3 ebenso gut per Testament einsetzen können, statt dass
der Beschwerdegegner 1 zu deren Gunsten verzichtet habe; aus diesem Grund habe
dieser faktisch verfügt und stellte der Erbverzichtsvertrag eine Schenkung
zugunsten seiner
BGE 138 III 497 S. 507
beiden Söhne dar -, überzeugt nicht. Der Erbverzicht verhindert die zukünftige
Entstehung des Erbrechts der verzichtenden Partei; er betrifft mithin nicht ein
gegenwärtiges, sondern ein zukünftiges Recht (HRUBESCH-MILLAUER, Der
Erbvertrag: Bindung und Sicherung des [letzten] Willens des Erblassers, 2008,
Rz. 619). Er bewirkt daher als solcher keine Vermögensverschiebung, weshalb die
Kriterien der Legaldefinition der Schenkung nicht erfüllt sind.

6.3 Zu prüfen ist weiter die Frage, ob der Erbverzicht zugunsten der beiden
Söhne als "unentgeltliche Verfügung" im Sinn von Art. 286 SchKG anzusehen ist.
Das Obergericht hat befunden, dass es bei Art. 285 ff. SchKG um die
Entäusserung bereits zustehenden Haftungssubstrates gehe. Es sei dem Schuldner
grundsätzlich möglich, den Erwerb neuen Vermögens zu unterlassen oder auf die
Anfechtung einer Enterbung zu verzichten. Die geltende Rechtsordnung sehe in
diesem Zusammenhang keinen Schutz der Gläubiger des präsumtiven Erben vor,
soweit nicht der Anspruch des Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben
oder gepfändet worden sei (Art. 609 ZGB) oder die Erbschaft durch einen
überschuldeten Erben mit dem Zweck ausgeschlagen werde, dass sie seinen
Gläubigern entzogen bleibe (Art. 578 ZGB).
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass der Begriff der unentgeltlichen
Verfügung wesentlich über denjenigen der Schenkung hinausgehe und nach dem
Willen des Gesetzgebers insbesondere auch der Erbverzicht anfechtbar sei. Sie
verweist dazu auf die Botschaft zum Entwurf für ein SchKG, wonach auch der
Verzicht auf zustehende Ansprüche sowie "Erbschaftsentsagungen" unentgeltliche
Verfügungen seien.
Der Entwurf des SchKG sah in Art. 41 ff. verschiedene Bestimmungen über die
Anfechtungsklage vor, wobei gemäss Art. 45 Abs. 1 "Schenkungen und anderweitige
unentgeltliche Verfügungen" anfechtbar sein sollten (BBl 1886 II 92). Die
Botschaft des Bundesrates hatte in diesem Zusammenhang nebst dem Verzicht auf
zustehende Rechte auch "Erbschaftsentsagungen" als Beispiel für eine
unentgeltliche Verfügung angeführt (BBl 1886 II 58). Damit war aber nicht der
Erbverzicht, sondern die Ausschlagung der Erbschaft gemeint. Dies wird vollends
klar aus der französischen Fassung der Botschaft, wo von "répudiations
d'héritage" die Rede ist (FF 1886 II 55). Im Sinn des später erlassenen ZGB
kann deshalb nur die "répudiation" gemäss Art. 566 ff. und nicht die
"renonciation à
BGE 138 III 497 S. 508
succession" im Sinn von Art. 495 Abs. 1 gemeint sein. In der Tat ist denn die
Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft, nicht aber der Verzicht auf die
Erbenstellung als unentgeltliche Verfügung im Sinn von Art. 286 SchKG
anzusehen, wie die folgenden Ausführungen zeigen.
Die Lehre ist sich nicht ganz einig darüber, ob die "unentgeltliche Verfügung"
begrifflich wesentlich über die "Schenkung" hinausgehe oder ob einfach auch
entsprechende einseitige Rechtsgeschäfte erfasst sein sollen. Für den
vorliegend zu beurteilenden Fall ist aber nicht zu sehen, inwiefern dies eine
Rolle spielen könnte; aus der Gesetzessystematik ergibt sich vielmehr, dass es
bei beiden Spielarten um gläubigerschädigende Liberalität des Schuldners geht.
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung fusst deshalb auf der Prämisse, dass eine
unentgeltliche Verfügung im Sinn von Art. 286 ZGB vorliegt, wenn der Schuldner
eine Leistung erbringt oder eine Verpflichtung eingeht, mithin eine Beschwerung
seines Vermögens vollzieht, ohne dass er hierzu rechtlich verpflichtet wäre und
ohne dass er hierfür eine Gegenleistung erhielte (ausführlich BGE 31 II 350 E.
3 S. 351 f.; sodann BGE 95 III 47 E. 2 S. 51 f.). Angesprochen ist damit die
sog. Zuwendung, also die Rechtshandlung, durch welche jemand einem anderen
einen Vorteil verschafft, der in einer Vergrösserung des Vermögens oder in der
Abwendung einer drohenden Vermögensverminderung besteht (vgl. dazu VON TUHR/
PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 1979, S.
198 ff.). Es geht bei Art. 286 SchKG mithin um Leistungen oder Verpflichtungen,
die zu einer Verminderung der Aktiven oder der Vermehrung der Passiven führen
(STAEHELIN, Die Anfechtungsklagen, BlSchK 1997 S. 83). Solche
Vermögensdispositionen sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
beispielsweise gegeben beim Eingehen einer Bürgschaft, weil die
Regressforderung jedenfalls wirtschaftlich keine adäquate Gegenleistung
darstellt (BGE 31 II 350 E. 4 S. 352 f.), bei der Pfandbestellung für eine
fremde Schuld (BGE 49 III 27), bei der Zahlung oder Sicherstellung einer
fremden Schuld (BGE 95 III 47) sowie gegebenenfalls bei der unwiderruflichen
Begünstigung eines Dritten aus einer Personenversicherung (BGE 34 II 394 E. 5
S. 400; 64 III 85 E. 1 S. 88; vgl. auch Art. 82 VVG).
Der Verzicht auf die Erbenstellung ist keine solche Leistung oder
Verpflichtung. Zwar lässt sich eine Literaturstelle ausfindig machen, wonach
der Erbverzicht zugunsten Dritter eine unentgeltliche Verfügung im Sinn von
Art. 286 SchKG darstelle (BÜTTIKOFER, a.a.O.,
BGE 138 III 497 S. 509
S. 141). Diese nicht weiter begründete Auffassung übergeht aber das
Kernelement, dass der präsumtive Erbe beim Erbverzicht weder in rechtlicher
noch in wirtschaftlicher Hinsicht über einen Vermögenswert disponiert, dies im
Unterschied zur Ausschlagung, die in der Literatur zu Recht als Beispiel einer
unentgeltlichen Verfügung aufgeführt wird (z.B. BLUMENSTEIN, Handbuch des
Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, 1911, S. 877; SCHÜPBACH, Droit et
action révocatoires, 1997, N. 38 zu Art. 286 SchKG). Die Ausschlagung einer
(werthaltigen) Erbschaft bedeutet nämlich insofern eine unentgeltliche
Verfügung zugunsten Dritter, als eine kraft Universalsukzession eo ipso
angefallene Vermögensposition (vgl. Art. 560 Abs. 1 ZGB) aufgegeben wird und
bei den anderen Erben zu einem entsprechenden Vermögenszuwachs führt. Hier
lässt sich ohne weiteres von einer Zuwendung sprechen, die jedenfalls
wirtschaftlich aus dem Vermögen des Ausschlagenden erfolgt, und sie führt
gleichzeitig gegenüber dem Gläubiger des ausschlagenden Erben zu einem im Sinn
von Art. 285 Abs. 1 SchKG verpönten "Entzug von Vermögenswerten". Der Verzicht
auf die Erbenstellung, selbst wenn er in Abweichung zur Vermutung von Art. 495
Abs. 3 ZGB zugunsten der Nachkommen erfolgt, bedeutet aber nicht nur juristisch
keine Disposition über das eigene Vermögen (vgl. E. 3.3), sondern führt auch
wirtschaftlich zu keiner Vermögensverschiebung vom Präsumtiverben zu seinen
Nachkommen, da weder auf ein Aktivum verzichtet noch ein solches verschafft
wird; die Grosskinder erhalten einzig ein Erbrecht und damit die Anwartschaft,
dereinst direkt in das erblasserische Vermögen zu sukzedieren.

7. Die Beschwerdeführerin macht weiter eine Absichtspauliana geltend. Auch in
dieser Hinsicht ist die doppelte Frist eingehalten, kann indes der
Beschwerdegegner 1 nicht als passivlegitimiert angesehen werden.

7.1 Im angefochtenen Entscheid wurde festgehalten, dass die Absichtspauliana
erst vor Obergericht geltend gemacht worden sei und es an einem rechtzeitig
vorgebrachten Sachverhalt fehle, der auf eine Anwendung von Art. 288 SchKG
schliessen lasse bzw. für eine entsprechende Prüfung überhaupt Anlass geben
könnte, müsste doch die Schädigungs- bzw. Benachteiligungsabsicht des
Schuldners für die Begünstigten erkennbar gewesen sein, und zwar zur Zeit der
Vornahme der anfechtbaren Handlung. Solche Vorbringen seien vor erster Instanz
nicht gemacht worden, und den entsprechenden obergerichtlichen Behauptungen
stünden diejenigen der
BGE 138 III 497 S. 510
Beschwerdegegner 2 und 3 gegenüber, dass sie am Erbverzicht nicht beteiligt
gewesen seien und davon keine Kenntnis gehabt hätten.

7.2 Diesen Ausführungen versucht die Beschwerdeführerin zu begegnen mit dem
Vorbringen, im Vater-Sohn-Verhältnis müsse eine natürliche Vermutung gelten,
dass der Begünstigte die effektiv vorhandene schlechte Vermögenslage des
Schuldners gekannt habe, zumal diese Vermutung im deutschen Recht für die
Begünstigung naher Angehöriger im Gesetz sogar ausdrücklich geregelt sei.

7.3 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 288 SchKG ist in
Würdigung sämtlicher Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls zu beurteilen, ob
der Begünstigte die Schädigungsabsicht des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme
der anfechtbaren Handlung wirklich erkannt hat oder bei pflichtgemässer
Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass als natürliche Folge der
angefochtenen Handlung möglicherweise eine Gläubigerschädigung eintritt.
Hiermit wird aber keine unbeschränkte Erkundigungspflicht aufgestellt; nur wenn
deutliche Anzeichen für eine Gläubigerbegünstigung bzw. -benachteiligung
bestehen, darf vom Begünstigten eine sorgfältige Prüfung verlangt werden (BGE
134 III 4 E. 4.2 S. 456; BGE 135 III 265 E. 2 S. 267). Indes gilt unter nahen
Verwandten und Ehegatten eine natürliche Vermutung, dass der Begünstigte die
wirklich vorhandene schlechte Vermögenslage des Schuldners kannte (vgl. BGE 40
III 293 E. 2 S. 298; Urteil 5A_747/2010 vom 23. Februar 2011 E. 4.3). Als Folge
der Vermutung muss der Anfechtungsgläubiger lediglich den Abschluss eines
Vertrages mit dem nahen Angehörigen beweisen (STAEHELIN, in: Basler Kommentar,
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 20 zu
Art. 288 SchKG).
Die in der vorstehend aufgeführten bundesgerichtlichen Rechtsprechung
aufgestellte Vermutung bezog sich stets auf Rechtsgeschäfte, an denen der
Begünstigte direkt beteiligt war und ihn deshalb der Vorwurf traf, dass er im
Zusammenhang mit dem Abschluss des Rechtsgeschäftes jedenfalls nähere
Erkundigungen hätte tätigen müssen. So ging es bei BGE 40 III 293 um eine
Forderungszession, bei welcher der insolvente Schuldner seinem Bruder, mit dem
er in engstem Verhältnis stand und detaillierte Korrespondenz führte, einen
Titel abgetreten hatte, und beim Urteil 5A_747/2010 ging es um einen
Schenkungsvertrag, mit welchem der bedrängte Schuldner zwei in seinem
Alleineigentum stehende Liegenschaften
BGE 138 III 497 S. 511
(Wohnhäuser mit Garagengebäuden) durch unentgeltliche Übertragung auf seine
Ehefrau dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen suchte. Demgegenüber waren die
Söhne vorliegend am angefochtenen Rechtsgeschäft, durch welches sie potenziell
begünstigt wurden, gerade nicht beteiligt. Während sich bei Ehegatten aufgrund
der tatsächlichen Lebensgemeinschaft und der ökonomischen Verbundenheit
allenfalls der Standpunkt vertreten liesse, der Abschluss eines
Erbverzichtsvertrages habe dem anderen Ehegatten trotz der Tatsache, dass er am
betreffenden Geschäft nicht beteiligt war, ebenso wenig verborgen bleiben
können wie die desolate Finanzlage, weil hierüber zwischen Ehegatten
naturgemäss Gespräche geführt würden, lässt sich solches mit Bezug auf
erwachsene Söhne nicht behaupten. Damit die vorerwähnte Vermutung im
Vater-Sohn-Verhältnis auch mit Bezug auf Rechtsgeschäfte, an welchen diese
nicht beteiligt waren, greifen könnte, müsste die Beschwerdeführerin zumindest
konkrete Anhaltspunkte liefern, die Anlass zur Annahme geben könnten, dass die
Begünstigten um die betreffenden Sachumstände wussten oder bei pflichtgemässer
Sorgfalt hätten wissen müssen, denn grundsätzlich ist der Anfechtungsgläubiger
für alle drei Tatbestandsmerkmale der Absichtspauliana beweispflichtig (BGE 134
III 452 E. 2 S. 454; BGE 136 III 247 E. 3 S. 250; BGE 137 III 268 E. 3 und 4 S.
282). Solche Anhaltspunkte - wie sie im Übrigen auch bei BGE 40 III 293 und
beim Urteil 5A_747/2010 vom Anfechtungsgläubiger geliefert worden waren - hat
die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren nach den Feststellungen des
Obergerichts nicht bzw. nicht rechtzeitig vorgebracht; zum Verhältnis zwischen
Vater und Söhnen ist aus dem angefochtenen Urteil nicht das Geringste bekannt.
Eine Verletzung von Art. 8 ZGB, wie die Beschwerdeführerin sie moniert, ist
deshalb in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht ersichtlich. Vor
dem Hintergrund der unbewiesenen Erkennbarkeit kann im Übrigen offenbleiben, ob
die übrigen Tatbestandsmerkmale von Art. 288 SchKG erfüllt wären.