Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 382



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Urteilskopf

138 III 382

56. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Z.
(Beschwerde in Zivilsachen)
5A_59/2012 vom 26. April 2012

Regeste

Art. 278 Abs. 3 SchKG; Art. 328 ZPO; Arresteinsprache und Revision.
Der Beschwerdeentscheid, mit dem die Gutheissung der Arresteinsprache bestätigt
wird, kann nicht wegen nachträglich entdeckter Tatsachen und Beweismittel in
Revision gezogen werden (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 383

BGE 138 III 382 S. 383

A.

A.a X. verlangte am 8. Dezember 2010 gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
die Arrestierung von Vermögenswerten der S. Holding Establishment, mit Sitz in
Liechtenstein, bei der Bank T. AG, mit Sitz in Zürich, bis zur Deckung der
Arrestforderung von (umgerechnet) Fr. 5'502'101.22 nebst Zinsen. Mit Verfügung
vom 9. Dezember 2010 hiess die Arrestrichterin am Bezirksgericht Zürich das
Begehren teilweise gut und erliess einen Arrestbefehl. Als Forderungsurkunde
wurde das Urteil des Court of Chancery of the State of Delaware/USA vom 12.
August 2010 aufgeführt. Als Arrestgegenstände wurden sämtliche Konten und
Vermögenswerte der Arrestschuldnerin bei der betreffenden Bank, inbegriffen das
Konto IBAN CH y bezeichnet.

A.b Am 10. Dezember 2010 vollzog das Betreibungsamt Zürich 1 den Arrestbefehl.
Gegen den Arrestbefehl erhob Z. Einsprache und beanspruchte das Eigentum am
erwähnten Bankkonto. Mit Verfügung vom 15. März 2011 hiess der Einzelrichter am
Bezirksgericht die Arresteinsprache gut und hob den Arrestbefehl bezüglich des
Bankkontos auf. Im Übrigen blieb der Arrestbefehl bestehen.

A.c Gegen den Entscheid über die Arresteinsprache erhob X. Beschwerde. Mit
Urteil vom 11. August 2011 wies das Obergericht des Kantons Zürich die
Beschwerde ab und bestätigte den Arresteinspracheentscheid vom 15. März 2011.
(...)

B. Am 14. September 2011 gelangte X. an das Obergericht. Er verlangte die
Revision des obergerichtlichen Urteils vom 11. August 2011 und die Durchführung
eines neuen Verfahrens. In der Sache sei der Arresteinspracheentscheid
aufzuheben und der Arrestbefehl zu bestätigen. Mit Urteil vom 19. Dezember 2011
wies das Obergericht das Revisionsbegehren ab.

C. Am 20. Januar 2012 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der
Beschwerdeführer beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 19. Dezember 2011
aufzuheben und das Revisionsgesuch vom 14. September 2011 sowie die
betreffenden Anträge in der Sache gutzuheissen. Eventuell sei die Sache zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Auszug)
BGE 138 III 382 S. 384

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Urteil des Obergerichts, mit
welchem die Revision (Art. 328 ff. ZPO [SR 272]) des Beschwerdeentscheides über
die Arresteinsprache (Art. 278 Abs. 3 SchKG i.V.m. Art. 319 ff. ZPO) abgelehnt
wurde. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe den Tatsachen
und Beweismitteln, mit welchen die Revision begründet werde, zu Unrecht (durch
Verletzung des Gehörsanspruchs und willkürliche Beweiswürdigung) die
Erheblichkeit abgesprochen.

3.1 Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer die Revision des
obergerichtlichen Urteils vom 11. August 2011 gestützt auf Art. 328 Abs. 1 lit.
a ZPO verlangt hat. Nach dieser Bestimmung kann eine Partei beim Gericht,
welches als letzte Instanz in der Sache entschieden hat, die Revision des
rechtskräftigen Entscheids verlangen, wenn sie nachträglich erhebliche
Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren
Verfahren nicht beibringen konnte; ausgeschlossen sind Tatsachen und
Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind.

3.2 Die Revision nach Art. 328 ff. ZPO erlaubt, einen rechtskräftigen Entscheid
("décision entrée en force", "decisione passata in giudicato") aus bestimmten
Gründen zu korrigieren, und stellt kein eigentliches Rechtsmittel dar (vgl.
Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBl
2006 7221, 7379, Ziff. 5.23.3; MARAZZI, Erranze alla scoperta del nuovo Codice
di procedura civile svizzero, ZSR 128/2009 II S. 423). Das Obergericht hat das
Urteil vom 11. August 2011, d.h. den Beschwerdeentscheid über die
Arresteinsprache, als revisionsfähigen Entscheid betrachtet, mit der einzigen
Begründung, dass dagegen (bzw. mit der Beschwerde in Zivilsachen an das
Bundesgericht) kein ordentliches Rechtsmittel mehr offenstehe. Diese Sicht
greift - wie sich aus dem Folgenden ergibt - zu kurz.

3.2.1 Zweck der Revision nach Art. 328 ff. ZPO ist es, Gerichtsentscheide, die
in materielle Rechtskraft erwachsen sind und deswegen nicht durch andere
Rechtsbehelfe (wie Rechtsmittel, Abänderung oder Ergänzung des Entscheides,
neue Klage) korrigiert werden können, bei Vorliegen bestimmter Revisionsgründe
einer erneuten Prüfung durch das erkennende Gericht zuzuführen (u.a. SCHWANDER,
in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011,
N. 3 zu Art. 328 ZPO). Der Revision
BGE 138 III 382 S. 385
nach Art. 328 ff. ZPO unterliegen nur Gerichtsentscheide, sofern der
angefochtene Entscheid Verbindlichkeit im Sinne der materiellen Rechtskraft
aufweist (SCHWEIZER, in: Code de procédure civile commenté, Bohnet u.a.
[Hrsg.], 2011, N. 10 zu Art. 328 ZPO; HERZOG, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 27 ff. zu Art. 328 ZPO). An einem
der Revision zugänglichen Entscheid fehlt es, wenn dieser zwar formell
rechtskräftig, aber nicht materiell rechtskräftig und jederzeit auf Begehren
überprüft und korrigiert werden kann, was z.B. bei vorsorglichen Massnahmen
grundsätzlich zutrifft (u.a. SCHWANDER, a.a.O., N. 14 zu Art. 328 ZPO; MEIER,
Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 471).

3.2.2 Der Arrestentscheid erwächst nicht in materielle Rechtskraft, sondern
stellt eine vorsorgliche Massnahme für die Zeit des Prosequierungsverfahrens
dar (BGE 133 III 589 E. 1 S. 591; vgl. STOFFEL/CHABLOZ, in: Commentaire romand,
Poursuite et faillite, 2005, N. 54 zu Art. 272 SchKG; GASSER, Das
Abwehrdispositiv der Arrestbetroffenen nach revidiertem SchKG, ZBJV 1994 S.
607). Es ist anerkannt, dass nach Abweisung oder Aufhebung eines Arrestes ein
Arrestbegehren neu eingereicht werden kann (vgl. bereits BGE 60 I 255 E. 2 S.
256), so mit einer veränderten, um neue Tatsachen und Beweismittel ergänzten
Begründung. Einem Arrestbegehren soll nur dann der Einwand der res iudicata
entgegenstehen, wenn es auf dem völlig gleichen Sachverhalt beruht wie ein
früheres Arrestbegehren, das zur Abweisung oder Aufhebung des Arrestes geführt
hat (JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 4. Aufl. 1997/99, N. 19 zu Art. 271, N. 3 zu Art. 278 SchKG; ARTHO VON
GUNTEN, Die Arresteinsprache, 2001, S. 20, 118; vgl. MEIER, Grundlagen des
vorsorglichen Rechtsschutzes, 1983, S. 164 Rz. 308: Wiederholung "jederzeit und
voraussetzungslos" zulässig).

3.2.3 Der Beschwerdeführer hat die Revision verlangt, weil er bestimmte neue
Tatsachen bzw. Beweismittel aus entschuldbaren Gründen nicht mehr vor der
Entscheidfällung am 11. August 2011 (nach Art. 278 Abs. 3 zweiter Satz SchKG)
in das Beschwerdeverfahren gegen die Arresteinsprache habe einbringen können.
Damit übergeht er, dass alle - aus irgendwelchen Gründen - bis anhin nicht
vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel nach Abweisung der Beschwerde gegen
die Arresteinsprache bzw. Aufhebung des Arrestbefehls in einem neuen
Arrestbegehren vorgebracht werden können. Das gilt für die Tatsachen und
Beweismittel, die bereits im
BGE 138 III 382 S. 386
Zeitpunkt der Entscheidfällung existierten oder erst in der Folge entstanden
sind. Um die Aufhebung des Arrestbefehls allenfalls zu korrigieren, bedarf es
des "Notrechtsmittels" der Revision nicht. Wenn das Obergericht auf das
Revisionsbegehren des Beschwerdeführers dennoch eingetreten ist, hat es
übergangen, dass das Urteil vom 11. August 2011 einen Entscheid darstellt,
welcher der Revision nicht zugänglich ist. Fehlt es an einem revisionsfähigen
Entscheid im Sinne von Art. 328 ZPO, ist über die Erheblichkeit der
nachträglich entdeckten Tatsachen und Beweismittel (Abs. 1 lit. a) nicht zu
befinden.

3.3 Nach dem Dargelegten stellt im Ergebnis keine Verletzung von
verfassungsmässigen Rechten dar, wenn dem Revisionsbegehren des
Beschwerdeführers vor dem Obergericht kein Erfolg beschieden war. Es erübrigt
sich, die Vorbringen des Beschwerdeführers weiter zu erörtern.