Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 366



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Urteilskopf

138 III 366

53. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Z.
(Beschwerde in Zivilsachen)
5A_871/2011 vom 12. April 2012

Regeste

Art. 291 ZPO; Einigungsverhandlung.
Pflicht zur Durchführung der Einigungsverhandlung (E. 3.1). Zeitpunkt des
Schriftenwechsels (E. 3.2.2).

Sachverhalt ab Seite 367

BGE 138 III 366 S. 367

A. Z. (Ehemann) reichte am 28. Januar 2011 beim Kantonsgericht Zug eine
Scheidungsklage gegen X. (Ehefrau) ein. Er ersuchte darin um Vorladung zu einer
Einigungsverhandlung. Die Referentin am Kantonsgericht Zug stellte X. die Klage
am 1. Februar 2011 zur Einreichung einer Klageantwort zu. X. ersuchte am 7.
Februar 2011 darum, ihr die Frist zur Einreichung einer Klageantwort abzunehmen
und die Parteien gemäss Art. 291 ZPO zu einer Einigungsverhandlung vorzuladen.
Die Referentin teilte ihr daraufhin am 11. Februar 2011 mit, die
Scheidungsklage enthalte eine Kurzbegründung, weshalb kein Raum für eine
Einigungsverhandlung bestehe und an der angesetzten Frist festgehalten werde.
Dagegen erhob X. am 18. Februar 2011 Beschwerde an das Obergericht des Kantons
Zug. Das Obergericht trat mit Präsidialverfügung vom 21. Februar 2011 auf die
Beschwerde nicht ein. Hierauf gelangte X. mit Beschwerde vom 24. März 2011 an
das Bundesgericht. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde mit Urteil vom 5.
August 2011 teilweise gut, hob die angefochtene Präsidialverfügung auf und wies
die Angelegenheit zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurück (Urteil 5A_233
/2011, teilweise publ. in: BGE 137 III 380).
Das Obergericht nahm das Verfahren daraufhin wieder auf und wies mit Urteil vom
10. November 2011 die kantonale Beschwerde ab. Zugleich setzte es X. eine neue
Frist von zwanzig Tagen zur Einreichung einer Klageantwort.

B. Dagegen hat X. (Beschwerdeführerin) am 14. Dezember 2011 Beschwerde in
Zivilsachen erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils
vom 10. November 2011 und die Rückweisung der Angelegenheit an das
Kantonsgericht zur Vorladung der Parteien zur Einigungsverhandlung.
Das Obergericht beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten
werden könne. Z. (Beschwerdegegner) hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Zu klären ist, ob die Einigungsverhandlung (Art. 291 ZPO; SR 272)
durchgeführt werden muss und - wenn dies bejaht wird - ob der vom Obergericht
angeordnete Ablauf (Einholung einer Klageantwort vor Durchführung der
Einigungsverhandlung) zulässig ist.
BGE 138 III 366 S. 368

3.1 Die Einigungsverhandlung ist eine Besonderheit des durch Klage
eingeleiteten Scheidungsverfahrens (Art. 290-293 ZPO). Gemäss Art. 291 ZPO lädt
das Gericht die Ehegatten zu einer Verhandlung vor und klärt ab, ob der
Scheidungsgrund gegeben ist (Abs. 1). Steht der Scheidungsgrund fest, so
versucht das Gericht zwischen den Ehegatten eine Einigung über die
Scheidungsfolgen herbeizuführen (Abs. 2). Steht der Scheidungsgrund nicht fest
oder kommt keine Einigung zustande, so setzt das Gericht der klagenden Partei
Frist, eine schriftliche Klagebegründung nachzureichen. Bei Nichteinhalten der
Frist wird die Klage als gegenstandslos abgeschrieben (Abs. 3).

3.1.1 Zu beachten ist zunächst die systematische Stellung von Art. 291 ZPO: Die
Norm folgt auf Art. 290 ZPO, der die Einreichung der Scheidungsklage regelt
(vgl. dazu auch unten E. 3.2), und steht vor Art. 292 ZPO, der den Fortgang des
Verfahrens nach der Einigungsverhandlung insofern regelt, als er die
Voraussetzungen nennt, unter denen ein Wechsel zur Scheidung auf gemeinsames
Begehren stattfindet oder unterbleibt.

3.1.2 Die Vorladung zur Einigungsverhandlung ist in Abs. 1 von Art. 291 ZPO
geregelt. Diese Bestimmung stellt nach ihrem Wortlaut die Durchführung der
Einigungsverhandlung weder ins Ermessen des Gerichts noch sieht sie Ausnahmen
von der Durchführung vor. Die Durchführung der Einigungsverhandlung hängt nach
dem Wortlaut auch nicht davon ab, dass eine oder beide Parteien zuvor einen
entsprechenden Antrag gestellt haben.

3.1.3 Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich Folgendes: Art. 291 Abs. 1
ZPO entspricht wörtlich Art. 286 Abs. 1 des Entwurfs zur ZPO (BBl 2006 7481
[fortan: E-ZPO]). Die bundesrätliche Botschaft geht vom fakultativen Charakter
der Einigungsverhandlung aus. Zunächst spricht sie davon, dass das Gericht
"eine allfällige Einigungsverhandlung" anhand des Mindestinhalts einer
Scheidungsklage sinnvoll vorbereiten kann. Sodann umschreibt sie den Inhalt des
- später gestrichenen - Abs. 2 von Art. 285 E-ZPO (der damalige Abs. 1 von Art.
285 E-ZPO entspricht dem heutigen Art. 290 ZPO), wonach eine Partei in der
Klage verlangen kann, dass das Gericht über die Scheidungsfolgen eine
Einigungsverhandlung durchführt. Schliesslich - so die Botschaft weiter - könne
eine Einigungsverhandlung vom Gericht aber auch von Amtes wegen angeordnet
werden, insbesondere wenn die klagende Partei eine schriftlich begründete
Scheidungsklage eingereicht habe (Botschaft vom
BGE 138 III 366 S. 369
28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7365
Ziff. 5.20.2 zu Art. 285-288 des Entwurfs [fortan: Botschaft ZPO]).
Der Hinweis, dass die Einigungsverhandlung bloss "allfällig" stattfindet,
zeigt, dass sie nicht zwingend sein sollte. Den weiteren soeben dargestellten
Aussagen der Botschaft lässt sich das Konzept entnehmen, dass das Gericht zwar
von sich aus (d.h. von Amtes wegen) eine Einigungsverhandlung anordnen kann,
wenn ein Parteiantrag auf Durchführung einer Einigungsverhandlung fehlt. Dabei
sollte es sich aber offenbar um einen Ermessensentscheid handeln. Der damalige
Abs. 1 von Art. 286 E-ZPO, der wörtlich dem heutigen Art. 291 Abs. 1 ZPO
entspricht, scheint insoweit als "Kann"-Bestimmung gedeutet worden zu sein. Die
Aussagen der Botschaft sind allerdings im Zusammenhang mit dem gestrichenen
Abs. 2 von Art. 285 E-ZPO zu lesen, so dass sie für die Auslegung von Art. 291
ZPO in seinem heutigen systematischen Zusammenhang nicht entscheidend sein
können.
Wie sich dem Protokoll der nationalrätlichen Rechtskommission vom 15./16.
November 2007, S. 11, entnehmen lässt (vgl. dazu DANIEL BÄHLER, in:
Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N.
2 zu Art. 291 ZPO) wurde in einer späteren Gesetzgebungsphase ein Widerspruch
zwischen Art. 285 Abs. 2 E-ZPO und Art. 286 E-ZPO (d.h. dem heutigen Art. 291
ZPO) gesehen (ebenso MARIANNE HAMMER-FELDGES, Von der Geduld der
Scheidungsparteien, FamPra.ch 2007 S. 857), wobei die Wichtigkeit betont wurde,
eine Einigungsverhandlung durchzuführen. Abs. 2 von Art. 285 E-ZPO wurde
daraufhin gestrichen. BÄHLER (a.a.O., N. 2 zu Art. 291 ZPO) schliesst aus
dieser Änderung, dass die Einigungsverhandlung grundsätzlich immer
durchzuführen ist.

3.1.4 Die Einigungsverhandlung hat einen zweifachen Gegenstand, nämlich
Scheidungsgrund und Scheidungsfolgen. Demgemäss erfüllt sie mehrere Zwecke.
Einerseits tritt sie an die Stelle der im Scheidungsverfahren nicht
vorgesehenen Schlichtung (Art. 198 lit. c ZPO). Die Schlichtungsfunktion zeigt
sich in Art. 291 Abs. 2 ZPO. Demnach versucht das Gericht, eine Einigung
zwischen den Parteien über die Scheidungsfolgen herbeizuführen, sofern der
Scheidungsgrund feststeht. Zudem stellt die Einigungsverhandlung die Weichen
für die Weiterführung des Scheidungsprozesses (DANIEL STECK, Bemerkungen zu
Urteil 5A_233/2011, FamPra.ch 2011 S. 990 ff., spricht
BGE 138 III 366 S. 370
von Triagefunktion). Dafür ist entscheidend, ob der Scheidungsgrund
festgestellt werden kann oder nicht und im letzteren Fall, ob sich die Parteien
immerhin im Scheidungspunkt einig sind. Je nachdem ist ein Wechsel zur
Scheidung auf gemeinsames Begehren noch möglich oder nicht (Art. 292 ZPO; zum
Ganzen: Botschaft ZPO, a.a.O.).

3.1.5 Die Berücksichtigung all dieser Elemente führt zum Schluss, dass die
Einigungsverhandlung grundsätzlich immer durchzuführen ist. Dafür sprechen
zunächst der Wortlaut und die systematische Stellung von Art. 291 Abs. 1 ZPO.
Sie bilden einen Hinweis darauf, dass das Gericht nach Eingang einer
Scheidungsklage von sich aus, d.h. von Amtes wegen, und grundsätzlich in jedem
Fall zu einer Einigungsverhandlung vorladen soll, da sich im Gesetz keine
gegenteiligen Anhaltspunkte oder Vorbehalte finden. Die Entstehungsgeschichte
deckt diese Lesart, auch wenn die Botschaft zunächst von einem gegenteiligen
Konzept ausgegangen ist. Zwar sagt die parlamentarische Entscheidung, auf einen
Parteiantrag (Abs. 2 von Art. 285 E-ZPO) zu verzichten, nicht direkt etwas
darüber aus, ob das Gericht die Einigungsverhandlung in jedem Fall ansetzen
muss oder ob es darüber nach Belieben - aber eben ohne Rücksicht auf einen
Parteiantrag - befinden kann. Allerdings ergibt sich aus der Stossrichtung der
damaligen Diskussion, dass das Gericht die Verhandlung durchführen soll. Dafür
sprechen schliesslich auch die dargestellten Zwecke der Einigungsverhandlung.
Der Versuch, eine Einigung über die Scheidungsfolgen zu erzielen, geniesst auch
unter der ZPO hohen Stellenwert (vgl. DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure
civile commenté, 2011, N. 3 zu Art. 291 ZPO) und soll möglichst frühzeitig
unternommen werden. Schliesslich geht auch die Lehre zu grossen Teilen davon
aus, dass die Einigungsverhandlung grundsätzlich obligatorisch durchzuführen
ist (BÄHLER, a.a.O., N. 2 zu Art. 291 ZPO; FABIENNE HOHL, Procédure civile, Bd.
II, 2. Aufl. 2010, Rz. 2076; STECK, a.a.O., S. 990 ff.; TAPPY, a.a.O., N. 3 zu
Art. 291 ZPO; a.A. SUTTER-SOMM/LAZIC, in: Kommentar zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 5 f. zu
Art. 291 ZPO, die unter Hinweis auf die Botschaft namentlich bei begründeten
Scheidungsklagen auf das Ermessen des Gerichts verweisen). Ob und unter welchen
Umständen Ausnahmen zuzulassen sind und auf die Durchführung einer
Einigungsverhandlung allenfalls verzichtet werden kann (vgl. BÄHLER, a.a.O., N.
4 f. zu Art. 291 ZPO; STECK, a.a.O., S. 993), braucht vorliegend nicht
beurteilt zu werden. Entsprechende Umstände, die einen Verzicht
BGE 138 III 366 S. 371
nahelegen könnten, sind nicht dargetan und beide Parteien sind offenbar an der
Durchführung einer Einigungsverhandlung interessiert.

3.2 Es bleibt zu prüfen, ob das Gericht vor der Durchführung der
Einigungsverhandlung eine Klageantwort einholen darf. Dabei ist zu beachten,
dass Art. 290 ZPO erlaubt, eine Scheidungsklage ohne schriftliche Begründung
einzureichen. Sie muss einzig die in lit. a-f dieser Norm aufgeführten Elemente
(insbesondere Rechtsbegehren, Bezeichnung des Scheidungsgrundes, Belege)
enthalten. Die klagende Partei kann allerdings eine schriftliche Begründung
beifügen und sie kann einen Mittelweg wählen, und die Klage lediglich
summarisch oder teilweise begründen (ROLAND FANKHAUSER, in: Scheidung, FamKomm,
Bd. II: Anhänge, 2. Aufl. 2011, N. 5 zu Art. 290 ZPO; TAPPY, a.a.O., N. 17 f.
zu Art. 290 ZPO; a.A. SUTTER-SOMM/LAZIC, a.a.O., N. 32 zu Art. 290 ZPO, die
eine blosse Teilbegründung für unzulässig halten).

3.2.1 Die Lehre ist in der Frage gespalten, ob vor der Einigungsverhandlung
eine Klageantwort (im Sinne von Art. 222 ZPO) oder eine schriftliche
Stellungnahme eingeholt werden darf oder sogar muss oder ob dies nicht der Fall
ist. Während ein Teil - generell oder zumindest bei begründeter Klage - eine
Klageantwort bzw. eine Stellungnahme fordert oder den Entscheid darüber ins
Ermessen des Gerichts stellt (BÄHLER, a.a.O., N. 18 zu Art. 290 ZPO; GIORGIO A.
BERNASCONI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero
[CPC], Cocchi und andere [Hrsg.], 2011, S. 1299; SUTTER-SOMM/LAZIC, a.a.O., N.
32 zu Art. 290 ZPO und N. 5 zu Art. 291 ZPO), geht ein anderer Teil davon aus,
dass das Gericht keine Klageantwort oder Stellungnahme einholt bzw. keine
solche verlangen darf (SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht,
9. Aufl. 2010, 11. Kap. Rz. 367; STECK, a.a.O., S. 990 f.; TAPPY, a.a.O., N. 5
zu Art. 291 ZPO; FRANÇOIS VOUILLOZ, Les procédures du code de procédure civile
suisse relatives au droit de la famille [art. 271 à 307 CPC], Jusletter 8.
Februar 2010 Rz. 117).
Die Vorinstanz hat sich auf die Ansicht BÄHLERS (a.a.O., N. 18 zu Art. 290 ZPO)
gestützt. BÄHLER führt aus, bei Vorliegen einer Klagebegründung sei es
sinnvoll, der beklagten Partei analog zu Art. 245 Abs. 2 ZPO eine Frist zur
Stellungnahme anzusetzen. An der Einigungsverhandlung solle nämlich
Waffengleichheit herrschen und die Aussichten auf eine Einigung wären
beeinträchtigt, wenn das Gericht bei seiner Vorbereitung nur über Anträge und
Unterlagen einer
BGE 138 III 366 S. 372
Seite verfügen würde. Die Vorinstanz hat alsdann aber nicht eine schriftliche
Stellungnahme in Analogie zu Art. 245 Abs. 2 ZPO angeordnet, sondern eine
Klageantwort, ohne sich ausdrücklich zur umstrittenen Frage zu äussern, ob und
inwiefern unter diesen beiden Rechtsschriften dasselbe zu verstehen ist (vgl.
dazu STEPHAN MAZAN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung,
2010, N. 17 zu Art. 245 ZPO).

3.2.2 Die Ansicht der Vorinstanz und derjeniger Autoren, die eine Klageantwort
bzw. eine Stellungnahme vorsehen, findet im Gesetz keine Stütze. Sie führt zu
einer Umkehr der vom Gesetz vorgesehenen Reihenfolge von Einigungsverhandlung
und Schriftenwechsel. Nicht nur sehen Art. 290 und 291 ZPO im Vorfeld der
Einigungsverhandlung keine Klageantwort oder eine sonstige Form eines
obligatorischen Schriftenwechsels vor. Aus Art. 291 Abs. 3 ZPO lässt sich
vielmehr ableiten, dass der eigentliche Schriftenwechsel erst nach der
Einigungsverhandlung stattfinden soll. Gemäss dieser Bestimmung setzt das
Gericht der klagenden Partei eine Frist zur schriftlichen Klagebegründung,
sofern in der Einigungsverhandlung der Scheidungsgrund nicht festgestellt
werden kann oder keine Einigung zustande kommt. Dies gilt grundsätzlich auch
dann, wenn die Scheidungsklage bereits eine Begründung enthält, denn es kann
sein, dass die klagende Partei diese als nicht abschliessend verstanden hat und
sie diese - gerade auch im Lichte des in der Einigungsverhandlung Diskutierten
- ergänzen möchte (BEATRICE VAN DE GRAAF, in: ZPO, Kurzkommentar, Paul
Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 291 ZPO; TAPPY, a.a.O., N. 18 zu Art.
290 ZPO und N. 25 f. zu Art. 291 ZPO). Es ist zwar zuzugeben, dass es für das
Gericht zur Vorbereitung der Einigungsverhandlung nützlich ist, den Standpunkt
der beklagten Partei zu kennen. Auch die beklagte Partei kann ein Interesse
daran haben, dass das Gericht bereits in dieser Phase ihre Auffassung kennt und
in der Vorbereitung berücksichtigen kann. Es kann ihr denn auch nicht verwehrt
sein, vor der Einigungsverhandlung durch eine schriftliche Eingabe von sich aus
zur Klage Stellung zu nehmen, eigene Unterlagen einzureichen und Anträge zu
stellen. Das Gericht muss eine solche Eingabe in der Einigungsverhandlung
berücksichtigen (TAPPY, a.a.O., N. 5 zu Art. 291 ZPO). Das Gericht darf die
Klage der beklagten Partei - z.B. zusammen mit der Ansetzung des Termins zur
Einigungsverhandlung - auch mit dem Hinweis zustellen, dass ihr die
Stellungnahme zur Klage freigestellt ist. Hingegen darf die beklagte Partei
nicht zur
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Abgabe einer solchen Stellungnahme gezwungen oder die Durchführung der
Einigungsverhandlung von ihrer Einreichung abhängig gemacht werden. Die
zwingende bzw. vom Gericht durch entsprechende Anordnung erzwungene
Durchführung eines Schriftenwechsels wäre nicht im Interesse der
Verfahrensbeschleunigung und der möglichst raschen Durchführung der
Einigungsverhandlung. Die vorgängige Einholung einer Klageantwort oder einer
Stellungnahme zöge die Ansetzung entsprechender Fristen und allenfalls Gesuche
um Fristerstreckung nach sich, bevor nach Eingang der Antwort ein Termin für
die Einigungsverhandlung angesetzt werden kann. Ist die Klage - wie vorliegend
- nur mit einer Kurzbegründung versehen, entstünde für die beklagte Partei
zudem die Schwierigkeit zu bestimmen, wie detailliert sie darauf antworten will
oder muss. Der Verzicht auf die Einholung einer Antwort nach Klageeinleitung
ist der ZPO schliesslich auch in anderem Zusammenhang bekannt. So wird in der
Schlichtung, an deren Stelle die Einigungsverhandlung funktionell tritt, keine
Antwort eingeholt (Art. 202 Abs. 3 ZPO). Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen
gemäss Art. 202 Abs. 4 ZPO, wobei auch dort die Durchführung des
Schriftenwechsels im Ermessen der Schlichtungsbehörde liegt. Im vereinfachten
Verfahren differenziert das Gesetz für die Einholung einer Stellungnahme
danach, ob die Klage eine Begründung enthält oder nicht (Art. 245 ZPO). Es
stellen sich demnach keine unüberwindbaren, vom Gesetzgeber offensichtlich
nicht gewollten Schwierigkeiten, wenn die Einigungsverhandlung angesetzt wird,
bevor die beklagte Partei eine Klageantwort oder eine Stellungnahme eingereicht
hat. Die Vorinstanz durfte folglich weder die Einholung einer Klageantwort
anordnen noch durfte sie hiefür Frist ansetzen.

3.3 Daraus ergibt sich, dass das angefochtene Urteil aufzuheben ist. Das
Verfahren ist an das Kantonsgericht zur weiteren Behandlung im Sinne der
Erwägungen zurückzuweisen.