Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 304



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Urteilskopf

138 III 304

46. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Swatch AG
gegen X. SA (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_589/2011 vom 5. April 2012

Regeste

Ist das auf einen Vertrag (Abgrenzungsvereinbarung) gestützte gerichtliche
Verbot an eine Partei, gegen Eintragungsgesuche einer bestimmten Marke
Widerspruch zu erheben, bzw. der Befehl, bereits erhobene Widersprüche
zurückzuziehen, ein Prozessführungsverbot ("anti-suit injunction")?
Begriff der "anti-suit injunction" und Anwendungsfälle. Zur Zulässigkeit des
Erlasses von Prozessführungsverboten durch schweizerische Gerichte (E. 5.3.1).
Die vorliegend ausgesprochenen Befehle und Verbote zielen auf die Durchsetzung
von materiellrechtlichen Unterlassungspflichten ab; damit wurde keine anti-suit
injunction erlassen (E. 5.3.2). Dem Gericht, das für den Entscheid über
Ansprüche aus der Abgrenzungsvereinbarung zuständig ist, steht der Erlass
solcher Anordnungen zu (E. 5.4).

Regeste

Markenabgrenzungsvereinbarung; Vertragsbeendigung aus wichtigen Gründen.
Umschreibung des Vertragstyps der Markenabgrenzungsvereinbarung. Zulässigkeit.
Abgrenzung zum Lizenzvertrag. Anwendbarkeit der Grundsätze über die
ausserordentliche Kündigung von Dauerschuldverhältnissen und Ausschluss einer
ordentlichen Kündigung (E. 6, 7 und 11).

Sachverhalt ab Seite 306

BGE 138 III 304 S. 306

A. Die Swatch SA (Beschwerdeführerin) ist eine schweizerische
Aktiengesellschaft, deren Zweck die Herstellung von und der Handel mit Uhren,
Bijouterieartikeln, elektronischen Geräten wie auch von Konsumgütern jeder Art
ist. Sie ist Inhaberin der als Gemeinschaftsmarke eingetragenen Wortmarke
"swatch" mit dem Prioritätsdatum vom 15. April 1996.
Die X. SA (Beschwerdegegnerin) ist eine Aktiengesellschaft aus Y., deren
Gesellschaftszweck sich über alle Tätigkeiten der Entwicklung, der Produktion
und des Ein- und Verkaufs von Gütern und Dienstleistungen an etwelche mögliche
nationale und internationale Abnehmer erstreckt. Im Handelsregister werden in
der Rubrik "Werbung" auch Wertgegenstände wie namentlich Schmuck und Uhren
genannt. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin der Gemeinschafts(wort)marke
"Icewatch" mit dem Prioritätsdatum vom 13. Dezember 2006 bzw. Inhaberin der
Wort-/Bildmarke "Ice-Watch". Nachdem sie im Jahre 2005 entschied, Uhren in ihr
Werbegeschenksortiment aufzunehmen, meldete sie am 13. Dezember 2006 beim
europäischen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Harmonisierungsamt, HABM)
die Wortmarke "icewatch" als Gemeinschaftsmarke in der Klasse 14 gemäss
Nizza-Klassifikation an. Am 20. August 2008 erhob die Beschwerdeführerin
dagegen Einspruch. Den betreffenden Streit legten die Parteien mit dem
Abschluss einer "Abgrenzungsvereinbarung" vom 15./20. Mai 2008 bei, die den
Eintrag der strittigen Marke erlaubte und wie folgt lautet:
"The following is concluded:
1. X. is the holder of CTM application n° AAA. for the word trademark ICEWATCH
in the international class 14.
2. SWATCH objected to the use and registration of the trademark ICEWATCH and
introduced an opposition procedure with OHIM against aforementioned application
(opposition n° BBB.).
3. X. acknowledges the prior trademark rights for SWATCH on the term SWATCH and
will never derive any rights against the use, registration or renewal by SWATCH
of the trademark SWATCH.
4. X. undertakes to use the trademark ICEWATCH only as a device trademark where
the term "ICE" and the term "WATCH" are represented on two separate text lines.
When referring to the product e.g. in commercial literature or in an article
the applicant will be entitled to refer to the trademark as "ICE-WATCH" or
"ice-watch", the two words always divided by a hyphen.
5. X. untertakes to file for new trademark applications only as device
trademark where the term "ICE" and the term "WATCH" are represented on two
separate text lines.
BGE 138 III 304 S. 307
6. With regard to points 4 and 5, SWATCH consents especially to the use and
registration of the trademark ICEWATCH as shown below:
[d]
7. According to point 4, X. undertakes to adapt its website www.ice-watch.com
and to delete all references to the term ICEWATCH, except for those references
in conformity with point 4 of the present agreement.
8. SWATCH declares having no objection against the use of the website
www.ice-watch.com and any mention of the term www.ice-watch.com.
9. At latest within 10 days from the moment X. executed point 7 of the present
agreement, SWATCH will withdraw the CTM opposition n° BBB.
10. (...)
11. The present agreement has world wide validity. It is granted for a duration
corresponding to the duration of preservation of the titles protecting the
tradmarks "ICEWATCH" and "SWATCH" and/or the use of the designation
"ICE-WATCH".
12. This agreement is governed by Swiss Law. Any dispute ensuing from the
present agreement and especially concerning its conclusion, its validity, its
interpretation, its execution, its violation or its cancellation, as well as
any extra contractual complaint, will be in the exclusive competence of the
courts of the Canton Bern, Switzerland.
13. (...)"
Die Beschwerdegegnerin bemühte sich in der Folge, die Konditionen aus der
Abgrenzungsvereinbarung auch ihren Detaillisten weiterzugeben und diese
vertraglich an die korrekte Verwendung der Marke "Ice-Watch" zu binden. Sie
erzielte mit ihrem Uhrenabsatz grosse Erfolge und ist mittlerweile an allen
grossen Ausstellungen und Messen präsent.
Mit Kündigungsschreiben vom 5. Juni 2009 erklärte die Beschwerdeführerin die
fristlose Auflösung der Abgrenzungsvereinbarung. Zur Begründung nannte sie
verschiedene, in Darstellungen der Marke "ICE-WATCH" auf einer Zeile bestehende
Verstösse gegen die Abgrenzungsvereinbarung.
BGE 138 III 304 S. 308
Vorgängig dem Kündigungsschreiben waren seitens der Beschwerdeführerin keine
Rügen oder Mahnungen gegenüber der Beschwerdegegnerin betreffend ihre
Markenverwendung erfolgt.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 bestritt die Beschwerdegegnerin die Kündigung
"förmlich". Die Beschwerdeführerin verwies mit Schreiben vom 10. Juli 2009 auf
die im Kündigungsschreiben vorgebrachten Gründe und bemerkte, dass die
Beschwerdegegnerin zwischenzeitlich die Verletzungen behoben habe, weshalb sie
sich ihrer Verstösse genau bewusst gewesen sei. Am 8. Januar 2010 erfuhr die
Beschwerdegegnerin davon, dass die Beschwerdeführerin gegen die Anmeldung ihrer
Wort-/Bildmarke "ICE-WATCH", gemäss Abgrenzungsvereinbarung auf zwei Zeilen
geschrieben, am 17. September 2008 in den USA Widerspruch erhoben hatte.
Seither erfolgten zahlreiche Widersprüche der Beschwerdeführerin gegen
Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin.

B.

B.a Die Beschwerdegegnerin erhob am 14. Juli 2010 beim Handelsgericht des
Kantons Bern Klage gegen die Beschwerdeführerin. Sie beantragte mit anlässlich
der Hauptverhandlung geänderten und ergänzten Rechtsbegehren u.a., es sei
festzustellen, dass die am 5. Juni 2009 ausgesprochene Kündigung der
Abgrenzungsvereinbarung wirkungslos sei (Ziff. 1) und dass die
Abgrenzungsvereinbarung betreffend die Marken ICE-WATCH und SWATCH gültig und
für die Parteien rechtsverbindlich sei (Ziff. 2). Ferner sei der
Beschwerdeführerin unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den
Widerhandlungsfall zu verbieten, Widerspruch zu erheben gegen sämtliche bereits
hängigen oder zukünftigen Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin für
die Wort-/Bildmarke oder dreidimensionale "Ice-Watch"-Marke, welche die Worte
"Ice" und "Watch" ausschliesslich in folgender Darstellung enthalten (Ziff. 3):
[d]
BGE 138 III 304 S. 309
In Ziffer 4 des Rechtsbegehrens beantragte die Beschwerdegegnerin weiter, die
Beschwerdeführerin sei unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für
den Widerhandlungsfall zu verurteilen, 18 im Begehren im Einzelnen bezeichnete,
in verschiedenen Ländern erhobene Widersprüche und jeden anderen Widerspruch
gegen die Markeneintragungen der Beschwerdegegnerin für ihre Wort-/Bildmarke
ICE-WATCH, der möglicherweise von der Beschwerdeführerin bereits eingereicht
sei oder bis zum Ergehen des Urteils im vorliegenden Verfahren eingereicht
werde, zurückzuziehen.

B.b Mit Entscheid vom 28. April 2011 stellte das Handelsgericht fest, dass die
Kündigung vom 5. Juni 2009 wirkungslos und die Abgrenzungsvereinbarung für die
Parteien rechtsverbindlich sei (Dispositiv Ziff. 1a/1b). Sodann verbot es der
Beschwerdeführerin unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den
Widerhandlungsfall, Widerspruch zu erheben gegen sämtliche bereits hängigen
oder zukünftigen Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin für die Wort-/
Bildmarke, welche die Worte "Ice" und "Watch" ausschliesslich in folgender
Darstellung enthalten (Dispositiv Ziff. 2a):
[d]
Weiter verurteilte das Handelsgericht die Beschwerdeführerin unter Androhung
von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall, 18 im
Einzelnen bezeichnete, in verschiedenen Ländern erhobene Widersprüche gegen die
Markeneintragungen der Beschwerdegegnerin für ihre Wort-/Bildmarke "Ice-Watch"
zurückzuziehen (Dispositiv Ziff. 2b).

C. Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen u.a., es
seien die Dispositiv Ziffern 1 und 2 des Urteils des Handelsgerichts aufzuheben
und es sei auf die Klage vom 14. Juli 2010 nicht einzutreten, eventuell sei sie
abzuweisen. Subeventuell sei die Streitsache zur Vervollständigung des
Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, weil die Vorinstanz in
einem Punkt (Verwendung des Domainnamens
BGE 138 III 304 S. 310
"www.ice-watch.com" auf einer Zeile im Layout ihrer Wort-/Bildmarke) eine
Verletzung der Abgrenzungsvereinbarung zu Unrecht verneint hatte. Es weist die
Sache an die Vorinstanz zurück zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen
in diesem Punkt und zur Neubeurteilung, ob sämtliche bejahten
Vertragsverletzungen einen wichtigen Grund für die Auflösung der
Abgrenzungsvereinbarung bilden (Ermessensfrage).
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Die Beschwerdeführerin rügt sodann, die Vorinstanz habe Bundesrecht sowie
Staatsvertragsrecht verletzt, indem sie auf die Rechtsbegehren Ziffern 3 und 4
eingetreten sei, mit denen die Beschwerdegegnerin beantragte, der
Beschwerdeführerin sei unter Straffolge zu verbieten, Widerspruch gegen
sämtliche hängigen und zukünftigen Markeneintragungsgesuche der
Beschwerdegegnerin bezüglich der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" (fig.) zu erheben,
und der Beschwerdeführerin sei zu befehlen, zahlreiche bereits eingereichte
Widersprüche zurückzuziehen. Bei der von der Vorinstanz angeordneten
Verpflichtung, Widersprüche gegen Markeneintragungsgesuche zurückzuziehen bzw.
nicht zu erheben, handle es sich um unzulässige Prozessführungsverbote
(anti-suit injunctions). Nach schweizerischem Recht dürfe ein Gericht generell
keine Prozessführungsverbote aussprechen, und zwar unabhängig davon, ob ein
Binnen- oder ein internationaler Sachverhalt vorliege. Ein
Prozessführungsverbot bedeute einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenz des
Zielgerichts, selber über seine Zuständigkeit entscheiden zu können (sog.
Kompetenz-Kompetenz). Namentlich soweit Widerspruchsverfahren im
Anwendungsbereich des LugÜ (SR 0.275.12) betroffen seien, sei zu beachten, dass
der vorliegend anwendbare Art. 16 Ziff. 4 LugÜ in der Fassung vom 16. September
1988 (aLugÜ; AS 1991 2436), gleich wie der Art. 22 Nr. 4 des revidierten LugÜ
vom 30. Oktober 2007 vorsehe, dass Bestandesklagen über Immaterialgüterrechte,
zu denen auch die Widerspruchsklagen zählten, von den Gerichten desjenigen
Mitgliedstaats zu behandeln seien, in dem die Hinterlegung des
Immaterialgüterrechts beantragt oder vorgenommen worden sei. Somit verstosse
namentlich die Verpflichtung, die Widersprüche für Markeneintragungsgesuche im
LugÜ-Raum zurückzuziehen bzw. in Mitgliedstaaten des LugÜ keine Widersprüche zu
erheben, gegen Art. 16 Ziff. 4 aLugÜ.
BGE 138 III 304 S. 311

5.2 Die Vorinstanz erwog dazu, die Antwort auf die Frage, ob ein
schweizerisches Gericht ein Urteil mit Wirkungen über die eigenen Landesgrenzen
hinaus fällen könne, sei in der Abgrenzungsvereinbarung zwischen den Parteien
zu suchen. Vorliegend könne die Vorinstanz gestützt auf schweizerisches Recht
ein Urteil über konkrete vertragliche Verpflichtungen fällen. Es könne und
müsse im Rahmen der gesetzlichen Schranken formell zulässige Rechtsbegehren,
wenn sie begründet seien, zusprechen, und zwar so wie unter den Parteien
vereinbart. Vorliegend hätten die Parteien die weltweite Gültigkeit der
Abgrenzungsvereinbarung vorgesehen, so dass sich die Beschwerdeführerin
verpflichtet habe, weltweit keine Widersprüche gegen die Wort-/Bildmarke der
Beschwerdegegnerin gemäss Abgrenzungsvereinbarung zu erheben. Gestützt darauf
könne die Beschwerdeführerin zum Rückzug der weltweiten Widersprüche verurteilt
werden.

5.3 Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Vorinstanz gegenüber der
Beschwerdeführerin ein Prozessführungsverbot der behaupteten Art (sog.
"anti-suit injunction") ausgesprochen hat.

5.3.1 Anti-suit injunctions sind Prozessführungsverbote, mit denen das Gericht,
das sich zur Entscheidung einer internationalen Streitigkeit als zuständig
ansieht, einer Partei eines bei ihm anhängigen Verfahrens untersagt, eine Klage
vor einem anderen (ausländischen) Gericht zu erheben, dessen Zuständigkeit es
als nicht gegeben oder zumindest weniger begründet als seine eigene betrachtet,
oder ein dortiges Verfahren weiterzubetreiben (DOMENICO ACOCELLA, in:
Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht,
Kommentar, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 29 zu Vorbem. Art. 2 LugÜ;
FAVALLI/AUGSBURGER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 50 zu
Art. 31 LugÜ; YVES DERAINS, L'abus des "anti-suit injunctions" en matière
d'arbitrage international et la convention de New York, in: De lege ferenda,
Études pour le Professeur Alain Hirsch, 2004, S. 105 f.; KAUFMANN-KOHLER/
RIGOZZI, Arbitrage international, 2. Aufl. 2010, Rz. 457a; EMMANUEL GAILLARD,
Introduction, in: Anti-suit injunctions in international arbitration, New York
2005, S. 1; OLIVIER LUC MOSIMANN, Anti-suit injunctions in international
commercial arbitration, Den Haag 2010, S. 7). Es geht dabei um Klagen mit einem
identischen oder konnexen Verfahrensgegenstand bzw. um "Parallelverfahren"
(FAVALLI/AUGSBURGER, a.a.O., N. 50 zu Art. 31 LugÜ; SCHNYDER/LIATOWITSCH,
Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 328;
MANUEL LIATOWITSCH,
BGE 138 III 304 S. 312
Schweizerische Schiedsgerichte und Parallelverfahren vor Staatsgerichten im In-
und Ausland, 2002, S. 146; LIATOWITSCH/BERNET, Probleme bei parallelen
Verfahren vor staatlichen Gerichten und vor Schiedsgerichten, in:
Internationales Zivilprozess- und Verfahrensrecht, Bd. IV, Karl Spühler
[Hrsg.], 2005, S. 162). Entsprechende Prozessführungsverbote sind dem
Zuständigkeitsrecht und damit dem Prozessrecht zuzuordnen; sie bilden eine
Erscheinungsform des Kampfes um den (vorteilhaften) Gerichtsstand (MARCO
STACHER, Prozessführungsverbote zur Vermeidung von sich widersprechenden
Entscheiden, ZZZ 2006 S. 61 ff., 62 Rz. 4; MICHAEL KÄHR, Der Kampf um den
Gerichtsstand - Forum Shopping im internationalen Verfahrensrecht der Schweiz,
2010, S. 11; LIATOWITSCH, a.a.O., S. 147 spricht von einer "prozessualen
Offensivwaffe"; ebenso LIATOWITSCH/BERNET, a.a.O., S. 162; vgl. dazu auch
ACOCELLA, a.a.O., N. 29 ff., 36 zu Vorbem. Art. 2 LugÜ; BERGER/KELLERHALS,
International and domestic arbitration in Switzerland, 2. Aufl. 2010, Rz. 616
f.; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, a.a.O., Rz. 457a). Insbesondere Gerichte aus dem
angelsächsischen Raum erlassen anti-suit injunctions denn auch, um ein
missbräuchliches forum-shopping zu verhindern. Als Anwendungsfälle zu nennen
sind insbesondere die drohende oder bereits eingeleitete missbräuchliche
Prozessführung vor ausländischen Gerichten oder die drohende oder bereits
erfolgte Verletzung von Gerichtstands- und Schiedsvereinbarungen oder in einem
Vergleich geschlossenen Vereinbarungen, über den verglichenen Streitgegenstand
nicht mehr zu prozessieren; weitere Fallgruppen bilden Konstellationen, in
denen mehrere alternative Gerichtsstände zur Verfügung stehen oder das
Prozessieren im Ausland als grob unbillig empfunden wird (GION JEGHER,
Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse, 2003, S. 93 ff.; KAUFMANN-KOHLER/
RIGOZZI, a.a.O., Rz. 457a/b; LIATOWITSCH, a.a.O., S. 147; LIATOWITSCH/BERNET,
a.a.O., S. 163).
Anti-suit injunctions bzw. Prozessführungsverbote wurden vom EuGH in einer
Vorabentscheidung aus dem Jahre 2004 als mit dem Brüsseler Übereinkommen
(Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen;
EuGVÜ) im Widerspruch stehend und damit unzulässig beurteilt, und zwar selbst
für den Fall, dass die Partei, gegen die das Prozessführungsverbot
ausgesprochen wird, mit der Prozesseinleitung beim anderen Gericht wider Treu
und Glauben zu dem Zweck handelt, das bereits anhängige Verfahren zu behindern
(Urteil des EuGH vom
BGE 138 III 304 S. 313
27. April 2004 C-159/02 Turner c. Grovit, Slg. 2004 I-03565; vgl. dazu
ACOCELLA, a.a.O., N. 30 ff. zu Vorbem. Art. 2 LugÜ; STACHER, a.a.O., S. 69 f.;
kritisch: FAVALLI/AUGSBURGER, a.a.O., N. 54 f. zu Art. 31 LugÜ sowie BERNHARD
BERGER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 58 zu Art. 23
LugÜ; s. ferner LAURENT KILLIAS, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Kommentar,
Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 155 zu Art. 23 LugÜ).Der
Gerichtshof erwog dazu, es sei wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes des
gegenseitigen Vertrauens zwischen den Vertragsstaaten, dass im
Anwendungsbereich des Übereinkommens dessen Zuständigkeitsregeln, die allen
Gerichten der Vertragsstaaten gemeinsam seien, von jedem dieser Gerichte mit
gleicher Sachkenntnis ausgelegt und angewandt werden könnten. Das Übereinkommen
gestatte - von begrenzten Ausnahmen abgesehen - die Prüfung der Zuständigkeit
eines Gerichts durch das Gericht eines anderen Vertragsstaats nicht. Das von
einem Gericht an eine Partei gerichtete Verbot, eine Klage bei einem
ausländischen Gericht zu erheben oder ein dortiges Verfahren weiterzubetreiben,
beeinträchtige dessen Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits
(Ziffer 24 ff. des zit. Entscheids).
Diese Rechtsprechung ist grundsätzlich auch von den schweizerischen Gerichten
zu beachten, soweit im LugÜ geregelte Zuständigkeiten im Raum stehen (BGE 135
III 185 E. 3.2; BGE 129 III 626 E. 5.2.1; je mit Hinweisen; zweifelnd: FAVALLI/
AUGSBURGER, a.a.O., N. 55 zu Art. 31 LugÜ). Zur Zulässigkeit des Erlasses von
Prozessführungsverboten durch Schweizer Gerichte ausserhalb des
Anwendungsbereichs des LugÜ hat sich das Bundesgericht noch nie geäussert.
Die schweizerische Lehre steht einer solchen wohl überwiegend ablehnend
gegenüber, da zivilrechtlichen und staatsrechtlichen Prinzipien widersprechend
(SCHNYDER/LIATOWITSCH, a.a.O., Rz. 328; BERGER/KELLERHALS, a.a.O., Rz. 616;
JEGHER, a.a.O., S. 103; STACHER, a.a.O., S. 77 f., inbesondere Rz. 56;
differenzierend aber: OLIVIER LUC MOSIMANN, anti-suit injunctions in
international arbitration, Den Haag 2010, S. 40 ff.; ANDREAS BUCHER, in:
Commentaire romand, Loi sur le droit international privé - Convention de
Lugano, 2011, N. 5 zu Art. 183 IPRG; vgl. auch das Urteil des Tribunal de
première instance des Kantons Genf vom 2. Mai 2004 E. C, in: Bulletin ASA 2005
S. 728 ff., in dem eine anti-suit injunction als mit der schweizerischen
Rechtsordnung im Widerspruch stehend beurteilt wurde). Es wird
BGE 138 III 304 S. 314
namentlich argumentiert, Prozessführungsverbote seien überflüssig, um dem
Problem widersprechender Entscheide beizukommen. Die Grundsätze über die
Litispendenz und die res iudicata sowie die Bestimmungen über die Anerkennung
und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen reichten dazu aus, so dass es an
einem Rechtsschutzinteresse für die Anordnung von Prozessführungsverboten
fehle, die dem Prinzip der Kompetenz-Kompetenz widersprächen; solche Massnahmen
seien unter dem Gesichtspunkt der internationalen Rücksichtnahme (comity)
problematisch und beinhalteten überdies ein Eskalationspotential. Es bestehe
die Gefahr, dass das Zielgericht in der Folge seinerseits ein
Wider-Prozessführungsverbot (anti-anti-suit injunction) ausspreche, womit den
Parteien der Zugang zu beiden angerufenen Gerichten abgeschnitten würde, mit
der Folge, dass nicht nur keine widersprechenden Urteile gesprochen würden,
sondern gar keine (STACHER, a.a.O., S. 74 ff. insb. Rz. 42, 51, 57; JEGHER,
a.a.O., S. 103; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, a.a.O., Rz. 458b; SCHYDER/LIATOWITSCH,
a.a.O., Rz. 328).

5.3.2 Vorliegend erübrigt sich eine Stellungnahme zur Zulässigkeit von
Prozessführungsverboten der umschriebenen Art. Denn in den Klagebegehren
Ziffern 3 und 4 kann kein Antrag um Erlass eines solchen, dem Prozessrecht
zuzuordnenden Prozessführungsverbots erblickt werden und die Vorinstanz hat
kein solches Prozessführungsverbot erlassen, soweit sie diese Begehren
guthiess.
Es liegt vorliegend namentlich kein Fall vor, in dem sich für einen bestimmten
Streitgegenstand die Frage stellte, welches Gericht dafür die Zuständigkeit
beanspruchen könne, oder in dem eine missbräuchliche Klageerhebung im Raum
stand. Namentlich war und ist unumstritten, dass die Vorinstanz - gemäss der in
der Abgrenzungsvereinbarung enthaltenen und nach dem vorliegend anwendbaren
Art. 17 aLugÜ gültigen Gerichtsstandsklausel - ausschliesslich zur Beurteilung
von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Abgrenzungsvereinbarung zuständig
ist; es geht mit den ausgesprochenen Befehlen bzw. Verboten nicht darum, den
Gerichtsstand bei der Vorinstanz abzusichern. Selbstredend geht es ebenso wenig
um die Bestimmung von Zuständigkeiten für allfällige Widerspruchsverfahren.
In der Abgrenzungsvereinbarung stimmte die Beschwerdeführerin dem weltweiten
Gebrauch und weltweiten Registrierungen der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" in der
Form gemäss Abgrenzungsvereinbarung durch die Beschwerdegegnerin zu. Sie ging
mit anderen
BGE 138 III 304 S. 315
Worten, wie auch die Vorinstanz unwidersprochen festhielt, die Verpflichtung
ein, den Gebrauch und Registrierungen der Marke in der erwähnten Form zu dulden
bzw. nicht zu behindern, d.h. alles zu unterlassen, was ihren Gebrauch und ihre
Registrierung beeinträchtigen könnte, namentlich keine Einsprachen gegen
Registrierungen zu erheben. Damit ging die Beschwerdeführerin eine
vertragliche, dem materiellen Recht zuzuordnende Duldungs- bzw.
Unterlassungsverpflichtung ein und schloss nicht eine prozessrechtliche
Vereinbarung ab, über einen bestimmten Streitgegenstand, namentlich eine
individuell bestimmte Markeneintragung in einem bestimmten Land keinen Prozess
oder nur einen Prozess an einem bestimmten Ort einzuleiten. Es geht nicht um
die Regelung der Zuständigkeit zur Beurteilung eines konkreten
Markeneintragungsgesuchs, sondern um die generelle Verpflichtung der
Beschwerdeführerin, jeglichen zukünftigen Markeneintragungsgesuchen in
beliebigen Ländern, die je für sich einen eigenen Streitgegenstand bilden
könnten, nicht zu opponieren, mithin um eine Unterlassungsverpflichtung, die
dem materiellen Recht zuzuordnen ist (vgl. dazu CHRISTIAN KÖLZ, Die
Zwangsvollstreckung von Unterlassungspflichten im schweizerischen
Zivilprozessrecht, 2007, S. 11 Rz. 16; LUCAS DAVID, Markenschutzgesetz, Muster-
und Modellgesetz, [nachfolgend: MSchG] 1999, N. 53 zu Art. 3 MSchG). Damit
liegt namentlich auch nicht die in der Literatur als Anwendungsfall von
anti-suit injunctions genannte Konstellation vor, in der es um die Durchsetzung
einer in einem Vergleich geschlossenen Vereinbarung ginge, über den bestimmten,
verglichenen Streitgegenstand nicht mehr zu prozessieren (JEGHER, a.a.O., S.
93).
Daran ändert nichts, dass die Abgrenzungsvereinbarung aus Anlass eines von der
Beschwerdeführerin angestrengten Widerspruchsverfahrens abgeschlossen wurde,
geht sie doch in ihrem Gehalt weit über die vergleichsweise Einigung über den
konkreten Streitgegenstand bzw. den vereinbarten Rückzug des entsprechenden
Widerspruchs hinaus. Die Beschwerdeführerin verzichtete damit generell, nicht
bloss in einem bestimmten Verfahren, auf die Geltendmachung ihrer
Prioritätsrechte gegenüber der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" gemäss
Abgrenzungsvereinbarung. Überdies ist davon auszugehen, dass im Rahmen von
inländischen und wohl auch von ausländischen Widerspruchsverfahren nur
markenrechtliche, nicht aber vertragsrechtliche Ansprüche beurteilt werden
können, wie sie vorliegend strittig sind, mithin zur Durchsetzung von
vertraglichen Ansprüchen
BGE 138 III 304 S. 316
ausschliesslich der Zivilprozess in Frage kommt (DAVID, a.a.O., N. 53 zu Art. 3
und N. 5 zu Art. 31 MSchG; CHRISTOPH WILLI, MSchG, Kommentar, 2002, N. 15 zu
Art. 31 MSchG; GREGOR WILD, in: Markenschutzgesetz, Noth/Bühler/Thouvenin
[Hrsg.], 2009, N. 9 zu Art. 31 MSchG; vgl. auch BUTZ/GORDON, Die Übertragung
von Abwehrbefugnissen als wirksameres Sicherungsmittel im Rahmen einer
markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung?, sic! 2003 S. 485 ff., 489; für
Widerspruchsverfahren nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung beim
Harmonisierungsamt: HARTE-BAVENDAMM/VON BOMHARD, Abgrenzungsvereinbarungen und
Gemeinschaftsmarken, GRUR 1998 S. 530 ff., 537 f.), für den die Parteien
vorliegend den Gerichtsstand in Bern vereinbart haben. Eine Qualifikation der
von der Vorinstanz an diesem Gerichtsstand erlassenen Anordnungen als
(unzulässige) anti-suit injunctions würde demnach dazu führen, dass die
Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit Widerspruchsverfahren jeglichen Mittels
zur Durchsetzung ihrer Ansprüche aus der Abgrenzungsvereinbarung beraubt würde.

5.4 Die Vorinstanz ist unbestrittenermassen international zuständig, über
Ansprüche aus der Abgrenzungsvereinbarung, der die Parteien weltweite Geltung
verliehen haben, zu entscheiden. Damit steht ihr nach einem allgemeinen
Grundsatz des Bundesprivatrechts auch zu, Befehle und Verbote zu erlassen, die
zur grenzüberschreitenden Durchsetzung von als zu Recht bestehend erkannten
Unterlassungsansprüchen erforderlich sind, und für den Fall der Nichtbeachtung
derselben strafrechtliche Sanktionen anzudrohen (vgl. dazu KÖLZ, a.a.O., S. 12
Rz. 16, S. 122 Rz. 142; vgl. ferner DAVID, a.a.O., N. 5 zu Art. 31 MSchG und
HARTE-BAVENDAMM/VON BOMHARD, a.a.O., S. 538, wo von der Zulässigkeit einer
entsprechenden Leistungsklage ausgegangen wird), soweit Letzteres in der
anwendbaren Prozessordnung vorgesehen ist, was vorliegend nicht bestritten ist
(vgl. dazu nunmehr Art. 236 Abs. 2, Art. 337 Abs. 1 und Art. 343 Abs. 1 lit. a
der Schweizerischen ZPO [SR 272]). Würde dies verneint, drohte der
Unterlassungsanspruch seines Inhalts entleert zu werden und müsste sich die
Beschwerdegegnerin auf die Geltendmachung ihrer vertraglichen Rechte in
unzähligen Verfahren in verschiedenen Ländern (soweit überhaupt zulässig [vgl.
vorstehende E. 5.3.2 in fine]), und allenfalls auf die Erhebung von
Schadenersatzansprüchen wegen Vertragsverletzung beschränken.
Der Vorinstanz ist damit weder ein Verstoss gegen Bundesrecht noch gegen
Staatsvertragsrecht vorzuwerfen, weil sie auf die Rechtsbegehren Ziffern 3 und
4 eintrat. Die Rüge ist unbegründet.
BGE 138 III 304 S. 317

6. Mit dem streitbetroffenen Vertrag verpflichtete sich die Beschwerdegegnerin
u.a., ihre Marke "Ice-Watch" nur in bestimmter Form bzw. grafischer
Ausgestaltung, d.h. mittels Darstellung der Worte "Ice" und "Watch" auf zwei
separaten Zeilen, in Registern eintragen zu lassen (Ziff. 5) und abgesehen von
im Einzelnen umschriebenen Ausnahmen in entsprechender Form bzw. Ausgestaltung
zu benutzen (Ziff. 4 und 8). Daraufhin gab die Beschwerdeführerin ihre
Zustimmung zum entsprechenden Gebrauch und entsprechenden Registrierungen der
Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" (Ziff. 6). Es ist unbestritten und zutreffend, dass
die Parteien damit eine sog. Abgrenzungsvereinbarung getroffen haben, mit der
typischerweise der Inhaber der älteren Marke auf eine vollumfängliche
Durchsetzung seines Ausschliesslichkeitsanspruchs verzichtet und der Inhaber
der jüngeren Marke ihm im Gegenzug garantiert, dass er dieselbe nie ausserhalb
des vereinbarten Einsatzbereichs bzw. ausschliesslich auf die vereinbarte Art
und Weise verwenden wird, regelmässig verbunden mit der Zusicherung, gestützt
auf das jüngere Zeichen keine Abwandlungen oder Neuanmeldungen der älteren
Marke anzugreifen (sog. Vorrechtserklärung; vgl. Ziffer 3 der vorliegend
strittigen Vereinbarung). Ausgangssituation für eine solche Vereinbarung ist
ein rechtlicher Konflikt zwischen markenrechtlichen Schutz beanspruchenden
Kennzeichen, die identisch oder zumindest verwechslungsfähig sind (vgl. Art. 3
Abs. 1 MSchG [SR 232.11]). Die Parteien grenzen damit die Einsatzbereiche ihrer
Marken ab und verpflichten sich regelmässig, die Marke des Vertragspartners in
deren vertraglich festgelegtem Einsatzbereich nicht zu behindern. Damit ist
regelmässig beiden Parteien gedient. Der Inhaber des jüngeren Zeichens kann
sein Zeichen zumindest wie vereinbart benützen, während der Inhaber der älteren
Marke den Kernbereich seines Zeichens frei halten kann, ohne sich in eine
vielleicht unsichere Auseinandersetzung einlassen zu müssen. Es handelt sich
bei solchen Verträgen um synallagmatische Innominatkontrakte, die durch eine
stark vergleichs- und verzichtsähnliche Struktur charakterisiert sind. Sie sind
auf eine endgültige und dauerhafte Beilegung eines bestehenden oder zumindest
nicht auszuschliessenden Konflikts ausgerichtet und müssen, um diesen Zweck zu
erfüllen, grundsätzlich unkündbar sein; nur so kann das Wiederaufflammen des
Konflikts verhindert werden (EUGEN MARBACH, Markenrecht, SIWR Bd. III/1, 2.
Aufl. 2009, Rz. 714 ff. mit Hinweis auf ein Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 19. Juni 1980, in: SMI 1980 S. 139 ff., 150;
BGE 138 III 304 S. 318
GALLUS JOLLER, in: Markenschutzgesetz, Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2009, N.
358 ff. zu Art. 3 MSchG; YVAN CHERPILLOD, Le droit suisse des marques
[nachfolgend: Droit], 2007, S. 142; LUCAS DAVID, Lexikon des
Immaterialgüterrechts [nachfolgend: Lexikon], SIWR Bd. I/3, 2005, S. 2 f.;
WILLI, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 55 MSchG; CLAUDIA MARADAN, Les accords de
coexistence en matière de marques, 1994, S. 46 ff.; HANS NEUBAUER,
Markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung aus rechtsvergleichender Sicht, Berlin
1983, S. 7 ff., 75 ff.; BUTZ/GORDON, a.a.O., S. 486; KARL-HEINZ FEZER,
Markenrecht, 4. Aufl., München 2009, N. 1088 ff. zu § 14 MarkenG).
Die Zulässigkeit von Abgrenzungsvereinbarungen unter dem geltenden MSchG vom
28. August 1992 wird in der schweizerischen Lehre einhellig bejaht, namentlich
auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 27 ZGB (s. die vorstehend zitierten
Autoren; vgl. aber BGE 99 II 104 E. 5d S. 114, der unter dem nicht mehr
geltenden Bundesgesetz vom 26. September 1890 betreffend den Schutz der Fabrik-
und Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnungen von Waren und der gewerblichen
Auszeichnungen [aMSchG] erging; vgl. auch JOLLER, a.a.O., N. 362 zu Art. 3
MSchG, DAVID, Lexikon, a.a.O., S. 3 und CHERPILLOD, Droit, a.a.O., S. 143 f.,
die darauf hinweisen, dass Abgrenzungsvereinbarungen wettbewerbsrechtlich
problematisch sein können).
Mit einer Abgrenzungsvereinbarung werden nach dem Ausgeführten im Wesentlichen
dauernde Unterlassungspflichten statuiert, die sich immerhin im Bereich des
Inhabers des jüngeren Zeichens insoweit als Pflicht zu einem Tun auswirken, als
dieser innerhalb seiner Organisation dauerhaft zu überwachen hat, dass der
Gebrauch seiner Marke sich innerhalb der Grenzen der Vereinbarung hält.
Vorliegend kann offenbleiben, ob es sich dabei um ein eigentliches
Dauerschuldverhältnis handelt, in dem sich die typische Hauptleistungspflicht
des Vertrags als Dauerschuld qualifiziert (BGE 128 III 428 E. 3b S. 430), die
ein fortdauerndes oder wiederholtes Leistungsverhalten verlangt, solange die
Schuld besteht (4A_141/2007 vom 20. August 2007 E. 4.1; PETER GAUCH, System der
Beendigung von Dauerverträgen [nachfolgend: Beendigung], 1968, S. 5 ff.; GAUCH/
SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9.
Aufl. 2008, Nr. 94 und 263; vgl. auch IVAN CHERPILLOD, La fin des contrats de
durée [nachfolgend: Contrats], 1988, S. 11 ff.), oder bloss um ein
Schuldverhältnis, das wie ein Dauerschuldverhältnis wirkt, wie die Vorinstanz
mit Hinweis auf CHERPILLOD
BGE 138 III 304 S. 319
(Droit, a.a.O., S. 142) und MARADAN (a.a.O., S. 59 ff.) angenommen hat. Die
Vorinstanz hat jedenfalls zutreffend erkannt und es ist unbestritten, dass auf
einen entsprechenden Vertrag mit dauerhafter Wirkung die allgemeinen Regeln
über die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen anzuwenden sind (vgl. dazu
CHERPILLOD, Contrats, a.a.O., S. 13 Rz. 6), mithin auch die Regeln über die
Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund (vgl. dazu
MARADAN, a.a.O., S. 139 ff.; CHERPILLOD, Droit, a.a.O., S. 143; NEUBAUER,
a.a.O., S. 209 Fn. 1000 m.H. auf Handelsgericht des Kantons Zürich, a.a.O., in:
SMI 1980 S. 149).

7. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse von
einer Partei bei Vorliegen von wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung
für sie unzumutbar machen, vorzeitig gekündigt werden können (BGE 128 III 428
E. 3 S. 429 f.; BGE 122 III 262 E. 2a/aa S. 265 f.). Ein wichtiger Grund zur
Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses liegt nach der Rechtsprechung vor,
wenn die Bindung an den Vertrag für die Partei wegen veränderter Umstände ganz
allgemein unzumutbar geworden ist, also nicht nur unter wirtschaftlichen,
sondern auch unter anderen die Persönlichkeit berührenden Gesichtspunkten (BGE
128 III 428 E. 3c S. 432). Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, nach dem
einer Partei eine Weiterführung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann,
besteht ohne weiteres ein Recht dieser Partei auf eine sofortige Auflösung
eines Dauervertrages. Es muss ihr unter dieser Voraussetzung möglich sein, sich
vom Vertrag zu lösen (Urteil 4A_148/2011 vom 8. September 2011 E. 4.3.1). Bei
besonders schweren Vertragsverletzungen ist ein wichtiger Grund regelmässig zu
bejahen. Auch weniger gravierende Vertragsverletzungen können aber eine
Fortsetzung des Vertrags für die Gegenpartei unzumutbar machen, wenn sie trotz
Verwarnung oder Abmahnung immer wieder vorgekommen sind, so dass nicht zu
erwarten ist, weitere Verwarnungen würden den Vertragspartner von neuen
Vertragsverletzungen abhalten (vgl. z.B. BGE 127 III 153 E. 1a S. 155; BGE 117
II 560 E. 3b S. 562).
Im vorliegenden Fall ist der strittigen Kündigung keine Verwarnung
vorangegangen, so dass nur zu prüfen ist, ob der von der Vorinstanz
festgestellte Gebrauch des Zeichens "ice-watch" durch die Beschwerdegegnerin
bis zur Kündigung, soweit er der Abgrenzungsvereinbarung widerspricht, so
schwer wiegt, dass der Beschwerdeführerin die Weiterführung des Vertrags
objektiv nicht mehr zumutbar war und sie zur Vertragsbeendigung mit sofortiger
Wirkung berechtigt war.
BGE 138 III 304 S. 320
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz, welche die Beschwerdeführerin zu Recht
rügt, darf das Recht auf Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht
von der weiteren Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass die kündigende
Partei zuvor eine Frist zur Behebung des vertragswidrigen Zustands bzw. zur
Vertragserfüllung im Sinne von Art. 107 OR ansetzt. Bei Vorliegen eines
wichtigen Grundes besteht die Möglichkeit zu einer sofortigen Vertragsauflösung
vielmehr unabhängig von einem - im vorliegenden Fall nicht erfolgten - Vorgehen
nach Art. 107 ff. OR, und nicht bloss als subsidiäre Möglichkeit, wie die
Vorinstanz zu Unrecht angenommen hat (BGE 92 II 299 E. 3b S. 300; Urteil 4C.35/
1988 vom 11. April 1989 E. 3, nicht publ. in: BGE 115 II 1; MARIE-NOËLLE
VENTURI-ZEN-RUFFINEN, La résiliation pour justes motifs des contrats de durée,
2007, S. 85 Rz. 243 mit Hinweisen; GAUCH, Beendigung, a.a.O., S. 150, 195 f.;
CHERPILLOD, Contrats, S. 140 Rz. 269 f.).
Allerdings trifft es nicht zu, dass die Vorinstanz aufgrund ihrer
unzutreffenden Annahme, es wäre ein Vorgehen nach Art. 107 ff. OR erforderlich
gewesen, überhöhte Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes
gestellt hätte, wie die Beschwerdeführerin weiter geltend macht. So prüfte die
Vorinstanz im angefochtenen Entscheid selbständig, ob die von ihr (zu Recht)
für eine sofortige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund aufgestellte (erste)
Voraussetzung gegeben sei, d.h. ob Vertragsverletzungen vorliegen, die so
schwerwiegend sind, dass der Beschwerdeführerin eine Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses unzumutbar ist, und die mithin eine Auflösung aus
wichtigem Grund (ohne vorherige Abmahnung bzw. Fristansetzung zur
Vertragserfüllung) rechtfertigen. Dies verneinte sie nach eingehender Würdigung
der zu berücksichtigenden Vertragsverletzungen. Allein gestützt darauf durfte
sie die Wirksamkeit der strittigen Kündigung verneinen, vorausgesetzt, ihre
Würdigung sei bundesrechtskonform, was nachfolgend zu prüfen ist.
(...)

11. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die Vorinstanz habe
Bundesrecht verletzt, indem sie die Kündigung für den Fall des Fehlens von
wichtigen Gründen nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet und eine
angemessene Frist von sechs bis zwölf Monaten festgelegt habe, nach der die
Abgrenzungsvereinbarung als aufgelöst hätte betrachtet werden müssen. Eine
markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung sei nicht unkündbar; die in der Lehre
BGE 138 III 304 S. 321
vertretene gegenteilige Meinung trage der Rechtsnatur einer solchen
Vereinbarung nicht genügend Rechnung. Auch diese Rüge verfängt nicht:
Zunächst kann eine unwirksame ausserordentliche Kündigung nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht in eine ordentliche Kündigung
konvertiert werden, es sei denn, die Kündigung sei bloss irrtümlich als
ausserordentliche Kündigung bezeichnet worden (Art. 18 OR), was hier indessen
nicht geltend gemacht wird (vgl. BGE 135 III 441 E. 3.1. S. 442 und E. 3.3 S.
444 f.).
Unabhängig davon ist eine Abgrenzungsvereinbarung, wie bereits dargelegt wurde
(E. 6 vorne), ihrem Wesen nach unkündbar, andernfalls sie ihren Zweck einer
endgültigen und dauernden Beilegung eines bestehenden oder zumindest nicht
auszuschliessenden Konflikts nicht erreichen könnte. Dies entspricht der
einhelligen Lehre und wird namentlich auch unter dem Gesichtswinkel einer
übermässigen Bindung im Sinne von Art. 27 ZGB als unproblematisch betrachtet
(vgl. WILLI, a.a.O., N. 16 zu Art. 55 MSchG; MARBACH, a.a.O., Rz. 717; JOLLER,
a.a.O., N. 361 zu Art. 3 MSchG; CHERPILLOD, Droit, a.a.O., S. 143; MARADAN,
a.a.O., S. 124; vgl. auch Handelsgericht des Kantons Zürich, in: SMI 1980 S.
150). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gilt die Unkündbarkeit
dabei umfassend und beschränkt sich nicht bloss auf den Teil des Vertrags, mit
dem ein bereits entstandener Kennzeichenkonflikt beigelegt wird. Dem steht der
Vergleichscharakter einer Abgrenzungsvereinbarung nicht entgegen, kann ein
Vergleich doch nicht nur einen bestehenden oder unmittelbar bevorstehenden
Konflikt beilegen, sondern auch dazu dienen, eine Ungewissheit über ein
bestehendes Rechtsverhältnis durch gegenseitige Zugeständnisse vertraglich zu
beseitigen (BGE 95 II 419 E. 2b S. 423 f.; SCHLUEP, Innominatverträge, in: SPR
Bd. VII/2, 1979, S. 945). Auch geht die Beschwerdeführerin fehl, wenn sie den
Teil einer Abgrenzungsvereinbarung, mit dem über eine bestehende Streitigkeit
hinaus der zukünftige Gebrauch des jüngeren Kennzeichens geregelt wird, als
Lizenzvertrag qualifizieren will, in dem der Inhaber des älteren Zeichens dem
Inhaber des jüngeren Zeichens ohne Gegenleistung die Befugnis einräume, dieses
zu gebrauchen, und gestützt darauf die Regeln über die ordentliche Auflösung
von Lizenzverträgen zur Anwendung gebracht sehen will. Eine
Markenabgrenzungsvereinbarung unterscheidet sich grundlegend von einem
Markenlizenzvertrag, indem im Rahmen einer solchen Vereinbarung jede Partei ihr
eigenes Markenrecht behält und ihre eigene Marke führt. Ein Lizenzvertrag hat
die
BGE 138 III 304 S. 322
Befugnis zur Nutzung einer einzigen Marke, derjenigen des Lizenzgebers zum
Gegenstand, während eine Abgrenzungsvereinbarung eine Verwechslungsgefahr und
daraus erwachsende Konflikte zwischen zwei unterschiedlichen und voneinander
unabhängigen Markenrechten bannen bzw. beseitigen will; der Inhaber der älteren
Marke räumt damit dem Inhaber der jüngeren Marke nicht das Recht ein, seine,
die ältere Marke zu nutzen, sondern verpflichtet sich bloss, die jüngere Marke
nicht gestützt auf sein Prioritätsrecht anzufechten, d.h. seine Abwehrrechte
gegenüber dieser geltend zu machen (MARBACH, a.a.O., Rz. 716; DAVID, Lexikon,
a.a.O., S. 208; MARADAN, a.a.O., S. 48 ff.; BUTZ/GORDON, a.a.O., S. 489; vgl.
auch FEZER, a.a.O., N. 1090 zu § 14 MarkenG; NEUBAUER, a.a.O., S. 11 ff.). Wie
bereits ausgeführt (E. 6.1), ist eine Markenabgrenzungsvereinbarung sodann ein
synallagmatischer Vertrag, der regelmässig beiden Parteien dient. Auch dem
Argument, die Beschwerdeführerin müsse sich vom Vertrag lösen können, da sie
der Beschwerdegegnerin ohne Gegenleistung eine Befugnis eingeräumt habe, kann
daher nicht gefolgt werden.