Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 217



Urteilskopf

138 III 217

33. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Richteramt Dorneck-Thierstein und Obergericht des Kantons Solothurn (Beschwerde
in Zivilsachen)
5A_842/2011 vom 24. Februar 2012

Regeste

Art. 117 ff. ZPO; Art. 29 Abs. 3 BV; Rechtsgrundlage des Anspruchs auf
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Verhältnis von Art. 117 ff. ZPO und Art. 29 Abs. 3 BV; Bedeutung der vom
Bundesgericht zum Begriff der Aussichtslosigkeit gemäss Art. 29 Abs. 3 BV
entwickelten Praxis für die Auslegung von Art. 117 lit. b ZPO (E. 2.2).

Erwägungen ab Seite 217

BGE 138 III 217 S. 217
Aus den Erwägungen:

2.

2.2

2.2.1 Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht eine Verletzung von Art. 117
ZPO (SR 272) und Art. 29 Abs. 3 BV geltend.

2.2.2 Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a)
und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur
Wahrung der Rechte notwendig ist, besteht darüber hinaus ein Anspruch auf einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
BGE 138 III 217 S. 218

2.2.3 Mit Art. 117 ff. ZPO wird der als verfassungsrechtliche Minimalgarantie
in Art. 29 Abs. 3 BV verankerte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung auf Gesetzesstufe geregelt. Im Anwendungsbereich der
Zivilprozessordnung sind damit seit dem 1. Januar 2011 Art. 117 ff. ZPO
massgebend (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7301 Ziff. 5.8.4;
TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 4 zu Art. 117 ZPO;
STAEHELIN UND ANDERE, Zivilprozessrecht, 2008, § 16 N. 51; MEICHSSNER, Das
Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege, 2008, S. 25 ff., insb. Fn. 175).
Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand der Verletzung seines Anspruchs auf
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist demnach vorliegend im Lichte
von Art. 117 ff. ZPO zu behandeln.

2.2.4 Die vom Bundesgericht zum Begriff der Aussichtslosigkeit gemäss Art. 29
Abs. 3 BV entwickelte Praxis ist auch für die Auslegung von Art. 117 lit. b ZPO
zu berücksichtigen (vgl. Urteil 5A_711/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 3.1).
Als aussichtslos sind demnach Begehren anzusehen, bei denen die
Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die
deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren
nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr
die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist,
ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger
Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen
Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht
deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall
genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen
und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im
Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (BGE 133 III 614 E. 5 S.
616 mit Hinweisen).