Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 193



Urteilskopf

138 III 193

30. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
(Beschwerde in Zivilsachen)
5A_636/2011 vom 10. Februar 2012

Regeste

Art. 212 ZGB; Bewertung eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Eigengut eines
Ehegatten; Ersatzforderungen der Errungenschaft auf Unternehmensertrag.
Das behördliche Schätzungsgutachten über den Ertragswert und den Nutzwert ist
für das Zivilgericht verbindlich (E. 3), während die Ermittlung des
Verkehrswertes der freien gerichtlichen Beweiswürdigung unterliegt (E. 4).
Aufwendungen zur Erhaltung und Erneuerung des Betriebsinventars vermindern den
Unternehmensertrag und damit die Errungenschaft (E. 5). Beweisthema bei
Investitionen ist der konkrete Zahlungsfluss (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 194

BGE 138 III 193 S. 194
X. (Ehefrau und Beschwerdeführerin), Jahrgang 1943, und Y. (Ehemann und
Beschwerdegegner), Jahrgang 1948, heirateten im Juni 1969. Sie wurden Eltern
dreier Kinder, geboren in den Jahren 1969, 1972 und 1973. Der Beschwerdegegner
führte den familieneigenen Weinbaubetrieb. Die Beschwerdeführerin besorgte den
Haushalt der Familie, betreute die Kinder und arbeitete zusätzlich im
Familienbetrieb mit. Die Ehegatten trennten sich Ende Februar 2003. Am 1. März
2007 reichte die Beschwerdeführerin die Scheidungsklage ein. Auf Veranlassung
der Beschwerdeführerin und des ältesten Sohnes der Parteien war dem
Beschwerdegegner im Rahmen vormundschaftlicher Anordnungen vom September 2004
bis Juni 2006 und aufgrund vorsorglicher Massnahmen vom Juni 2007 bis Mai 2010
die Führung des Weinbaubetriebes ganz oder teilweise entzogen. Die Geschäfte
besorgten während dieser Zeit die Beschwerdeführerin und der älteste Sohn der
Parteien, der selber als Winzer und Küfer ausgebildet ist.
Das Bezirksgericht schied die Ehe. Es verpflichtete den Beschwerdegegner, einen
Unterhaltsbeitrag und aus Güterrecht Fr. 845'554.- an die Beschwerdeführerin zu
bezahlen. Auf Berufungen beider Parteien hin verpflichtete das Kantonsgericht
den Beschwerdegegner, der Beschwerdeführerin einen Unterhaltsbeitrag und in
güterrechtlicher Hinsicht eine Ausgleichszahlung von Fr. 289'423.-
auszurichten.
Die Beschwerdeführerin beantragt vor Bundesgericht eine güterrechtliche
Ausgleichszahlung von Fr. 723'694.-. Der Beschwerdegegner schliesst auf
Abweisung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf
eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Das angefochtene Urteil betrifft die güterrechtliche Auseinandersetzung nach
den Vorschriften über die Errungenschaftsbeteiligung (Art. 120 i.V.m. Art. 196
ff. ZGB) und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer
vermögensrechtlichen Angelegenheit, deren Streitwert den gesetzlichen
Mindestbetrag von Fr. 30'000.- übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Es ist
kantonal letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG), lautet zum Nachteil der
Beschwerdeführerin (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das kantonale Verfahren
ab (Art. 90 BGG). Auf die - im weiteren rechtzeitig erhobene (Art. 100 Abs. 1
BGG) - Beschwerde kann eingetreten werden.
BGE 138 III 193 S. 195

2. Hauptgegenstand der güterrechtlichen Auseinandersetzung ist der
Weinbaubetrieb, den der Beschwerdegegner 1978 von seinem Vater übernommen und
als Einzelfirma ("Kellerei Y.") weitergeführt hat.

2.1 Ein landwirtschaftliches Gewerbe, das ein Ehegatte als Eigentümer selber
weiterbewirtschaftet, ist bei Berechnung des Mehrwertanteils und der
Beteiligungsforderung gemäss Art. 212 Abs. 1 ZGB zum Ertragswert einzusetzen.
Bereits vor Kantonsgericht ist unbestritten geblieben, dass der Weinbaubetrieb
als landwirtschaftliches Gewerbe zu gelten hat und der Beschwerdegegner als
Selbstbewirtschafter anzusehen ist. Massgebend für die güterrechtliche
Auseinandersetzung war damit im Grundsatz der Ertragswert des Weinbaubetriebs.

2.2 Das Kantonsgericht hat den Weinbaubetrieb als einen Vermögensgegenstand und
damit als eine rechtlich finanzielle Einheit erfasst und - zufolge
erbrechtlicher bzw. unentgeltlicher Übernahme (Art. 198 Ziff. 2 ZGB) - dem
Eigengut des Beschwerdegegners zugeordnet. Von dieser Zuweisung des
Weinbaubetriebs als Ganzes, d.h. mit allen Aktiven und Passiven, in das
Eigengut des Beschwerdegegners, geht auch die Beschwerdeführerin aus. Das
Kantonsgericht hat sodann die Finanzierungsanteile von Eigengut und
Errungenschaft am Weinbaubetrieb festgelegt und daraus die Forderung der
Errungenschaft des Beschwerdegegners gegen dessen Eigengut berechnet. Die
Beschwerdeführerin wendet gegen die vereinfachte Gesamtabrechnung nichts ein
und übernimmt die Berechnungsweise.

2.3 Auf die vorstehenden, in der Beschwerde unangefochten gebliebenen Schritte
in der Abwicklung des güterrechtlichen Verhältnisses zwischen den Parteien ist
heute nicht zurückzukommen. Das Bundesgericht hat keine güterrechtliche
Auseinandersetzung neu durchzuführen, sondern das angefochtene Urteil einzig
aufgrund der Beschwerdebegründung und in deren Rahmen zu beurteilen (vgl. BGE
135 III 397 E. 1.4 S. 400; BGE 137 III 241 E. 5 S. 243). Streitig und zu prüfen
sind die Fragen, wie die selbst produzierten Vorräte und das Inventar des
Weinbaubetriebs bewertet werden müssen und ob im Zusammenhang mit dem Erwerb
einzelner Rebparzellen für den Weinbaubetrieb Ersatzforderungen der
Errungenschaft des Beschwerdegegners gegen dessen Eigengut bestehen.

3. Für die Ermittlung des Ertragswertes eines landwirtschaftlichen Gewerbes
gelten gemäss Art. 212 Abs. 3 ZGB die erbrechtlichen Bestimmungen über die
Bewertung sinngemäss.
BGE 138 III 193 S. 196

3.1 Im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. Januar 1988 (AS 1986 122, 153)
betraf die Verweisung in Art. 212 Abs. 3 ZGB unter anderem die erbrechtlichen
Bestimmungen, wonach die Feststellung des Anrechnungswertes des
landwirtschaftlichen Gewerbes nach dem Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über
die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen (LEG; BS 9 80) erfolgt (aArt.
620 Abs. 3 ZGB von 1972/73) und der Übernehmer des landwirtschaftlichen
Gewerbes die Zuweisung der dem Betriebe dienenden Gerätschaften, Vorräte und
Viehbestände zu ihrem Nutzwerte beanspruchen kann (aArt. 620^bis ZGB von 1972/
73; AS 1973 93). Die Verweisung betrifft heute Art. 619 ZGB, der für die
Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken auf
das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR
211.412.11) weiterverweist. Danach kann der Erbe, der die Zuweisung des
landwirtschaftlichen Gewerbes zur Selbstbewirtschaftung geltend macht, zudem
verlangen, dass ihm das Betriebsinventar (Vieh, Gerätschaften, Vorräte usw.)
zugewiesen wird (Art. 15 Abs. 1 BGBB). Gemäss Art. 17 BGBB wird das
landwirtschaftliche Gewerbe dem selbstbewirtschaftenden Erben zum Ertragswert
an den Erbteil angerechnet (Abs. 1), während das Betriebsinventar zum Nutzwert
anzurechnen ist (Abs. 2).

3.2 Für die Ertragswertschätzung sieht Art. 10 Abs. 2 BGBB vor, dass der
Bundesrat die Art der Berechnung, die Bemessungsperiode und die Einzelheiten
der Schätzung regelt. Die behördliche Schätzung des Ertragswertes (Art. 87
BGBB) unterliegt der Beschwerde gemäss Art. 88 f. BGBB.

3.2.1 Die rechtskräftige Schätzung ist - wie bis anhin (vgl. Art. 7 LEG; BS 9
81 f.) - endgültig und für das Zivilgericht verbindlich, d.h. der freien
gerichtlichen Beweiswürdigung hier im Güterrechtsprozess entzogen (vgl. BGE 129
III 186 E. 2.2 S. 191; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, N. 46
und 81 zu Art. 212/213 ZGB; STEINAUER, in: Commentaire romand, Code civil, Bd.
I, 2010, N. 7, und STECK, Scheidung, in: FamKomm Bd. I, 2. Aufl. 2011, N. 4, je
zu Art. 212 ZGB). Leidet die Schätzung an groben Mängeln, hat das Zivilgericht
sie aufzuheben und die Sache zu neuer Schätzung zurückzuweisen. Eine
selbstständige Bestimmung des Anrechnungswertes durch das Zivilgericht ist
ausgeschlossen (vgl. BGE 58 II 406 S. 410 f.; ESCHER/ESCHER, Zürcher Kommentar,
1960, N. 3/4, und TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 1964, N. 7 zu aArt. 618
ZGB).
BGE 138 III 193 S. 197

3.2.2 Die behördliche Schätzung umfasst nach dem Gesetzeswortlaut den
Ertragswert (Art. 87 Abs. 1 BGBB) und seit der BGBB-Revision von 2003/04 auf
Antrag des Berechtigten auch den Nutzwert des Inventars (Art. 87 Abs. 1^bis
BGBB). Das geltende bäuerliche Bodenrecht kennt - im Gegensatz zum früheren
Recht - keine Vorschrift, die die Feststellung des Verkehrswertes der
kantonalen Schätzungsbehörde vorbehält und eine Verkehrswertermittlung durch
ein gewöhnliches Gutachten ausschliesst (vgl. THOMAS MEYER, Der Gewinnanspruch
der Miterben im bäuerlichen Bodenrecht [Art. 28 ff. BGBB], 2004, S. 140 N. 393;
zum früheren Recht: BGE 87 II 74 E. 3b S. 80 ff., mit Hinweis auf Art. 38 Abs.
2 der Verordnung vom 16. November 1945 über die Verhütung der Überschuldung
landwirtschaftlicher Liegenschaften, BS 9 145, 154).

3.2.3 Im Güterrechtsprozess hat das Zivilgericht somit den Ertragswert und den
Nutzwert durch die kantonale Schätzungsbehörde bestimmen zu lassen, ist
hingegen frei, die Schätzung des Verkehrswertes einem gewöhnlichen
Gerichtsgutachter oder aus Zweckmässigkeitsgründen ebenfalls der kantonalen
Schätzungsbehörde zu übertragen. Die Verkehrswertschätzung unterliegt im
Gegensatz zur Ertragswert- und Nutzwertschätzung der freien gerichtlichen
Beweiswürdigung.

3.3 Das Bezirksgericht hat die kantonale Schätzungsbehörde beauftragt, den
Ertragswert des Weinbaubetriebs festzustellen, das Betriebsinventar zu bewerten
und zusätzlich den Verkehrswert der Lagerbestände zu bestimmen. Das
Schätzungsgutachten vom 22. Dezember 2008 hat den Weinbaubetrieb in allen
Teilen insgesamt auf den 6. November 2008 bewertet. Die Einholung eines
weiteren Gutachtens (z.B. zur Bestimmung des aktuellen Wertes) wurde weder von
den Parteien verlangt noch gerichtlich angeordnet.

4. Streitig ist die Bewertung des Lagerbestandes an Wein und Schnaps. Die
Beschwerdeführerin macht geltend, das Kantonsgericht habe "selbst produzierte
Vorräte" mit Fr. 881'391.- zu den Aktiven des Weinbaubetriebs gezählt, obwohl
der Wert dieser Vorräte gemäss Schätzungsgutachten Fr. 1'762'800.- betrage. Sie
rügt ein unzulässiges Abweichen vom Gutachten. Die zum Verkauf bestimmten,
selbst produzierten Vorräte als Teil des Geschäftsvermögens seien zum
Verkehrswert einzusetzen.

4.1 Da der Weinbaubetrieb dem Eigengut des Beschwerdegegners zuzuordnen ist (E.
2.2), stellen die zum Betrieb gehörenden Vorräte an Wein und Schnaps rechtlich
Erträge des Eigenguts dar, die -
BGE 138 III 193 S. 198
mangels abweichender Vereinbarung (Art. 199 Abs. 2 ZGB) - in die Errungenschaft
des Beschwerdegegners fallen (Art. 197 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB). Vorräte sind Teil
des Betriebsinventars und zum Nutzwert anzurechnen (Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art.
17 Abs. 2 BGBB). Das Nutzwertprinzip erfasst allerdings nur selbst produzierte
Vorräte, die für eine normale Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Gewerbes
erforderlich sind, hingegen nicht die für den Verkauf bestimmten Vorräte, die
zum Verkehrswert einzusetzen sind (vgl. BENNO STUDER, in: Das bäuerliche
Bodenrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 15 BGBB; YVES DONZALLAZ,
Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier
rural, 1993, N. 219 zu Art. 17 LDFR).

4.2 Das Kantonsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die
Vorräte an Wein ganz oder zum Teil betriebsnotwendig, d.h. für den offenen
Ausschank an Degustationen, für die Präsentation an Weinmessen, als
Werbegeschenke oder für Ähnliches bestimmt sind. Es hat vielmehr angenommen,
die selbst produzierten Lagervorräte seien "zum Marktwert einzusetzen". Dass
das Kantonsgericht dabei einen Kommentar an unzutreffender Stelle zitiert haben
soll, wie die Beschwerdeführerin das bemängelt, ändert nichts am insoweit
zutreffenden Beurteilungsmassstab "Verkehrswert", d.h. dem Wert, der bei einem
Verkauf auf dem freien Markt realisierbar wäre (vgl. BGE 136 III 209 E. 6.2.1
S. 215) und den das Kantonsgericht seiner Bewertung der selbst produzierten
Vorräte zugrunde gelegt hat (vgl. zur Abgrenzung von Tat- und Rechtsfrage: BGE
121 III 152 E. 3c S. 155; BGE 132 III 489 E. 2.3 S. 491).

4.3 Mit Bezug auf die tatsächliche Wertermittlung ergibt sich was folgt:

4.3.1 Das Kantonsgericht hat nicht auf das Schätzungsgutachten abgestellt,
sondern die Wertermittlung anhand der Bilanzen und Steuererklärungen des
Weinbaubetriebs selber vorgenommen. Die Beschwerdeführerin wendet ein, das
Schätzungsgutachten sei verbindlich. Der Einwand ist unbegründet. Soweit das
behördliche Schätzungsgutachten den Verkehrswert der Lagerbestände betrifft,
ist es für die Zivilgerichte nicht verbindlich und unterliegt der freien
Beweiswürdigung (E. 3 hiervor), die das Bundesgericht auf Willkür hin überprüft
(vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 V 53 E. 4.3 S. 62; BGE 137 III 226 E. 4.2 S.
234). In Fachfragen darf das Gericht nur aus triftigen Gründen von einem
Gerichtsgutachten abweichen. Es hat zu prüfen, ob sich auf Grund der übrigen
Beweismittel und der Vorbringen der
BGE 138 III 193 S. 199
Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen
Darlegungen aufdrängen. Erscheint ihm die Schlüssigkeit eines Gutachtens in
wesentlichen Punkten als zweifelhaft, hat das Gericht nötigenfalls ergänzende
Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht
schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen
Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung verstossen
(vgl. BGE 136 II 539 E. 3.2 S. 547 f.).

4.3.2 An triftigen Gründen für sein Abweichen vom Gutachten hat das
Kantonsgericht angeführt, dass der Gutachter selber einen Vorbehalt angebracht
und darauf hingewiesen habe, dem Bewertungsdatum sei in Bezug auf die Werte der
Lagerbestände besondere Beachtung zu schenken, entstünden doch enorme
Wertunterschiede je nach dem, ob die Bewertung vor oder nach der Traubenlese
stattfinde. Wäre die Bewertung statt auf den 6. November 2008 im September 2008
und damit vor der Lese erfolgt, reduzierte sich der Lagerbestand um den Wert
der gepressten und in Fässer abgefüllten Trauben von rund Fr. 400'000.-. Das
Gutachten geht insoweit selbst von einem durch die Wahl des Stichtages
zufallsbedingten Schätzwert aus. Entscheidend kommt hinzu, dass die selbst
produzierten Vorräte nicht zum Weinbaubetrieb gehören, der zum Ertragswert
einzusetzen ist, sondern als gleichsam betriebsfremder, einzelner
Vermögensgegenstand separat zum Verkehrswert geschätzt werden mussten (vgl. E.
4.1 und 4.2 soeben). Für die selbst produzierten Vorräte gilt deshalb der
Grundsatz, dass nach Auflösung des Güterstandes, d.h. hier am 1. März 2007, dem
Tag der Einreichung des Scheidungsbegehrens (Art. 204 Abs. 2 ZGB), keine
Errungenschaft mehr entsteht, die unter den Ehegatten zu teilen wäre (vgl. BGE
136 III 209 E. 5.2 S. 211 f.). Das Schätzungsgutachten hätte deshalb den
Bestand der Vorräte am 1. März 2007 bewerten müssen und die Produktion der
Jahre 2007 und 2008 nicht miteinbeziehen dürfen. Schliesslich fällt auf, dass
der Gutachter im Lager einfach Flaschen und Fässer bzw. Tanks an Wein und
Schnaps gezählt und mit dem je nach Sorten und Jahrgängen massgebenden
Verkaufspreis ohne Mehrwertsteuer multipliziert hat. Davon wurden der Aufwand
für den Verkauf und Vertrieb sowie die Kosten für Arbeit und Material der
Etikettierung und Kapselung von Weinflaschen abgezogen und schliesslich der
erhaltene Betrag im Hinblick auf die länger andauernde Lagerung der Weine mit
3.5 % abgezinst. Nicht berücksichtigt sind im Schätzungsgutachten damit
Risiken, die zu einer Wertreduktion führen können
BGE 138 III 193 S. 200
wie Verderbnis des gelagerten Weins (Korkgeschmack usw.), Änderungen im
Konsumverhalten oder sonstige Absatzschwierigkeiten. Erkennbare Risiken aber
sind zu ermitteln und in der Warenlagerbewertung zu berücksichtigen (vgl.
ARNOLD H. LANZ, Die Finanzbuchhaltung, 2. Aufl. 2002, S. 125 f.; für die
Einzelheiten der Bewertung: KÄFER, Berner Kommentar, 1981, N. 216 ff. zu Art.
960 OR).

4.3.3 Insgesamt durfte das Kantonsgericht willkürfrei vom eingeholten Gutachten
abweichen und den Wert der Lagerbestände anhand der im Recht liegenden
Beweisurkunden wie der Jahresrechnung und der Steuererklärung 2006 des
Weinbaubetriebs selbstständig ermitteln. Darin sind die selbst produzierten
Vorräte mit einem Wert von Fr. 548'000.- verzeichnet. Diesen Wert hat das
Kantonsgericht um 33.36 % erhöht, d.h. um die sog. privilegierte
Warenlagerreserve (vgl. LANZ, a.a.O., S. 125) bzw. um die nach der Steuerpraxis
zulässige Unterbewertung (vgl. KÄFER, a.a.O., N. 225 f. zu Art. 960 OR). Der so
errechnete Wert von Fr. 822'340.- hat mit der nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen erfolgten Bewertung in der Tabelle über die Wein- und
Schnapsvorräte per 31. Dezember 2006 übereingestimmt. In die güterrechtliche
Auseinandersetzung eingesetzt hat das Kantonsgericht für die selbst
produzierten Vorräte schliesslich den Wert von Fr. 881'391.-, den der
Beschwerdegegner in seinem Vortrag an der 2. Hauptverhandlung vor
Bezirksgericht am 20. Mai 2009 zugestanden hatte.

4.3.4 Stichhaltiges vermag die Beschwerdeführerin gegen die obergerichtliche
Beweiswürdigung nicht einzuwenden. Es trifft nach dem Gesagten nicht zu, dass
keine triftigen Gründe für ein Abweichen vom Gutachten bestanden haben, dass
der Beschwerdegegner die Bewertung im Schätzungsgutachten nicht bestritten hat
und dass auf blosse Steuerwerte abgestellt worden ist. Es wird durch nichts
belegt, dass der Beschwerdegegner die Weinvorräte in der Jahresrechnung und in
der Steuerklärung 2006 angeblich zu tief angegeben hat. Dem Beschwerdegegner
war damals die Leitung des Weinbaubetriebes offenkundig entzogen. Auch die
Besichtigung und Inventaraufnahme im Betrieb hat der Gutachter mit dem Sohn der
Parteien und nicht mit dem Beschwerdegegner durchgeführt. Das
Schätzungsgutachten und die erwähnten Beweisurkunden, die im Übrigen die
Beschwerdeführerin eingereicht hat, belegen ferner, dass das Kantonsgericht
weder auf eine blosse Behauptung des Beschwerdegegners abgestellt noch ohne
eigenes Fachwissen die selbst produzierten Vorräte bewertet hat, wie die
Beschwerdeführerin das heute behauptet.
BGE 138 III 193 S. 201

4.3.5 Aus den dargelegten Gründen kann die Ermittlung des tatsächlichen Wertes
der selbst produzierten Vorräte - jedenfalls aufgrund der Willkürrügen der
Beschwerdeführerin (Art. 106 Abs. 2 BGG) - nicht beanstandet werden (Art. 9 BV;
vgl. zum Begriff: BGE 136 III 552 E. 4.2 S. 560).

5. Die Beschwerdeführerin wendet ein, das Kantonsgericht habe ohne Begründung
nicht berücksichtigt, dass auch das Betriebsinventar, das nach der
Geschäftsübernahme sukzessive aus den Betriebserträgen erneuert worden sei,
ebenfalls eine Investition aus der Errungenschaft darstelle und demzufolge
gemäss dem Gutachten mit Fr. 339'800.- anzurechnen sei.

5.1 Gemäss den Feststellungen des Kantonsgerichts gehören zum Betriebsinventar
namentlich Zugkräfte, Maschinen, Geräte, Büroinventar, spezielle Rebmaschinen
und -geräte sowie Tanks für die Lagerung von Wein. Es handelt sich damit um
betriebsnotwendige Maschinen und Gerätschaften, die zum Nutzwert anzurechnen
sind (vgl. Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 Abs. 2 BGBB). Der Gutachter hat den
Wert des Betriebsinventars anhand des Ankaufspreises abzüglich einer der
Nutzungsdauer entsprechenden Abschreibung bestimmt und dabei die Nutzungsdauer
aufgrund des Maschinentyps, der Auslastung sowie des Unterhalts festgelegt und
wertvermehrende Reparaturen angemessen berücksichtigt. Im Schätzungsgutachten
wird damit von einem zutreffenden Begriff des Nutzwertes als Zeitwert unter
Berücksichtigung des tatsächlichen Zustandes der Maschinen und Gerätschaften
ausgegangen (vgl. STUDER, a.a.O., N. 9 zu Art. 17 BGBB; HAUSHEER/REUSSER/
GEISER, a.a.O., N. 47 zu Art. 212/213 ZGB).

5.2 Das Kantonsgericht hat das behördliche Schätzungsgutachten in diesem Punkt
als verbindlich angesehen und das Betriebsinventar zum gutachterlich
geschätzten Wert von Fr. 339'800.- zu den Aktiven des Weinbaubetriebs
gerechnet. Es hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass der
Beschwerdegegner von seinem Vater 1978 mit dem Weinbaubetrieb auch das
Betriebsinventar im Wert von Fr. 58'109.- übernommen hat, das ebenfalls zu
seinem Eigengut gehört. Wie die Beschwerdeführerin einräumt, wurde das gesamte
Betriebsinventar nach der Geschäftsübernahme aus Betriebserträgen sukzessive
"erneuert". Dem Schätzungsgutachten lässt sich denn auch entnehmen, dass kein
Gegenstand des Betriebsinventars aus der Zeit der tatsächlichen Übernahme
stammt. Unter diesen Umständen besteht zu Gunsten der Errungenschaft des
Beschwerdegegners keine
BGE 138 III 193 S. 202
Forderung gegen das Eigengut unter dem Titel "Eigengutsertrag". Als "Erträge
seines Eigengutes" (Art. 197 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB) erfasst das Gesetz zwar
grundsätzlich den Bruttoertrag, d.h. alles, was die Substanz an Ertrag abwirft.
Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass der Ertrag produktiver
Vermögenswerte des Eigenguts nicht auch für deren Substanzerhaltung bzw.
Substanzerneuerung, wie sie insbesondere das wirtschaftliche Unternehmen
kennzeichnet, herangezogen werden dürfte. Vielmehr stehen die Erträge des
Eigenguts nur insoweit der Errungenschaft zu, als sie nicht der Erhaltung und
Erneuerung von betriebsnotwenigen Vermögenswerten dienen, die der Alterung und
Abnutzung unterliegen. Der Errungenschaft verbleibt unter dieser Voraussetzung
der Nettoertrag des wirtschaftlichen Unternehmens (vgl. HAUSHEER/REUSSER/
GEISER, a.a.O., N. 99 ff., STECK, a.a.O., N. 38, und STEINAUER, a.a.O., N. 16,
je zu Art. 197 ZGB, mit Hinweisen).

5.3 Im Ergebnis kann somit nicht beanstandet werden, dass das Kantonsgericht
die aus dem Betriebsertrag bestrittenen Aufwendungen für die Erneuerung des
Betriebsinventars nicht zur Errungenschaft gerechnet hat.

6. Die Beschwerdeführerin macht Investitionen aus der Errungenschaft des
Beschwerdegegners im Zusammenhang mit Liegenschaften des Weinbaubetriebs
geltend.

6.1 Das Kantonsgericht hat festgestellt, im Jahre 1997 habe der
Beschwerdegegner die Liegenschaft "A." für Fr. 910'000.- verkauft und den Erlös
zur Tilgung weiterer Hypothekardarlehen verwendet, was mit dem Rückgang der
Passiven im Vergleich zu den Vorjahren in der Jahresrechnung 1998 des
Weinbaubetriebs bestätigt werde. Da das Kantonsgericht die entsprechende
Behauptung des Beschwerdegegners als durch Beweisurkunden belegt anerkannt hat
und insoweit zu einem Beweisergebnis gelangt ist, erweist sich die von der
Beschwerdeführerin angerufene Beweislastverteilung gemäss Art. 8 ZGB als
gegenstandslos (vgl. BGE 137 III 226 E. 4.3 S. 235 und 268 E. 3 S. 282).
Inwiefern das kantonsgerichtliche Beweisergebnis willkürlich sein könnte, legt
die Beschwerdeführerin nicht dar (Art. 106 Abs. 2 BGG). Entgegen ihrer Ansicht
sind dem Betrieb wertmässig sowohl die Beiträge anzurechnen, die die Aktiven
vermehren, als auch die Beiträge, die die Passiven vermindern und damit
ebenfalls der Erhaltung des Betriebs dienen (vgl. zur Schuldentilgung: Urteil
5P.82/2004 vom 7. Oktober 2004 E. 2.5.2, in: FamPra.
BGE 138 III 193 S. 203
ch 2005 S. 319 f.). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das
Kantonsgericht die Eigengutsliegenschaft "A." mit ihrem späteren Verkaufserlös
(abzüglich der darauf lastenden Hypothek) als Eigengutsanteil in die Bewertung
des Weinbaubetriebs einbezogen hat.

6.2 Ersatzforderungen der Errungenschaft bestehen nach Ansicht der
Beschwerdeführerin aufgrund des Kaufs der Grundstücke "B." und des
Miteigentumsanteils am Grundstück "C.". Was die Parzellen "B." betreffe, so hat
das Kantonsgericht ausgeführt, gehe aus dem entsprechenden Kaufvertrag hervor,
dass der Beschwerdegegner diese am 23. November 2000 zu einem Preis von Fr.
200'000.- erworben habe. Die Finanzierung sei hier über einen
Kontokorrent-Kredit, errichtet am 19. Januar 2001, erfolgt. Des Weiteren habe
der Beschwerdegegner am 15. November 2001 einen weiteren Miteigentumsanteil von
einem Drittel an der Parzelle "C." erworben und den Erwerb ausschliesslich
mittels Hypotheken finanziert. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass der
Kaufpreis in beiden Fällen vollständig fremdfinanziert worden sei, zumal der
Beschwerdegegner im Jahre 2000 aufgrund der vorhandenen Mittel zur Finanzierung
gar kein Fremdkapital benötigt habe. Die Investition in die Parzellen sei
ebenfalls aus der Errungenschaft erfolgt und der Errungenschaft als
Ersatzforderung anzurechnen. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung vermag
die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen nicht zu belegen. Die blosse
Tatsache, dass angeblich auch andere Finanzierungsmittel vorhanden gewesen
sind, lässt die gegenteilige Annahme, die Finanzierung sei ausschliesslich
durch Fremdkapital erfolgt, nicht als willkürlich erscheinen. Zu beweisen sind
nicht Finanzierungsmöglichkeiten, sondern der konkrete Zahlungsfluss (vgl.
Urteil 5A_605/2008 vom 28. Januar 2009 E. 6.5, nicht publ. in: BGE 135 III 241
mit Hinweis auf BÄHLER, Zur Führung von Prozessen über das Güterrecht, in dubio
2006, S. 236 ff., 242).

6.3 Insgesamt vermag die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen weder Willkür
in der kantonsgerichtlichen Beweiswürdigung (Art. 9 BV; vgl. BGE 135 II 356 E.
4.2.1 S. 362) noch eine Verletzung von Bundesrecht darzutun (vgl. BGE 134 II
244 E. 2.1 S. 245 f.).