Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 138 III 11



Urteilskopf

138 III 11

2. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und C.
gegen D. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_221/2011 vom 31. Oktober 2011

Regeste

Internationale Zuständigkeit zur Anordnung einer Schuldneranweisung nach Art.
291 ZGB; Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das
anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen; altes
Lugano-Übereinkommen.
Die Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB, die sich auf ein im Ausland gefälltes
und in der Schweiz anerkanntes und vollstreckbar erklärtes Unterhaltsurteil
stützt, fällt nicht in den Anwendungsbereich des Haager
Minderjährigenschutzabkommens (E. 5). Das Verfahren um Anordnung einer solchen
Schuldneranweisung ist ein Zwangsvollstreckungsverfahren im Sinne von Art. 16
Nr. 5 aLugÜ (E. 7).

Sachverhalt ab Seite 12

BGE 138 III 11 S. 12

A. D. und B. sind die geschiedenen Eltern von A. (geb. 1996) und C. (geb.
1997). Mutter und Söhne leben in E. (Deutschland). Der Vater wohnt in F.

B. Mit Urteil vom 5. August 2008 verpflichtete das Amtsgericht Ravensburg
(Deutschland) D. unter anderem, B. für A. und C. ab 1. März 2008 monatliche
Unterhaltsbeiträge (zzgl. Anteil Kindergeld) zu bezahlen. Der Vater ist seinen
Pflichten nicht nachgekommen. Darauf leitete B. die Betreibung ein. Im
Rechtsöffnungsverfahren erklärte der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land
das deutsche Urteil in der Schweiz als vollstreckbar (Entscheid vom 4. Juni
2009). Die Betreibung führte zu einem Verlustschein.

C. Mit Gesuch vom 14. April 2010 beantragte B. beim Amtsgericht Luzern-Land,
der jeweilige Arbeitgeber von D. sei anzuweisen, von dessen Lohn monatlich den
Betrag von Fr. 1'482.95 abzuziehen und auf ihr Konto zu überweisen. Das
Amtsgericht trat mit Entscheid vom 19. August 2010 mangels örtlicher
Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das
Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 8. Februar 2011 ab.

D. Mit Beschwerde vom 24. März 2011 wenden sich A. und C. (nachfolgend
Beschwerdeführer), gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, an das
Bundesgericht. Sie beantragen, die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Kriens
(vormals Amtsgericht Luzern-Land) für ihr Gesuch um Schuldneranweisung
festzustellen und die Sache zur materiellen Entscheidung an das Bezirksgericht
Kriens zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer liess sich zur Beschwerde nicht
vernehmen. Das Obergericht beantragte, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5. Das Obergericht des Kantons Luzern anerkennt, dass die Schuldneranweisung
nach Art. 291 ZGB weder die Feststellung noch die Festsetzung, sondern die
Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs betrifft. Aus dieser Erkenntnis folgert
das Obergericht, die Schuldneranweisung sei eine Massnahme zum Schutze des
Vermögens des Minderjährigen im Sinne von Art. 1 des Haager Übereinkommens vom
5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht
auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA; SR 0.211.231.01). Daher
sei dieses Abkommen "im
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Zusammenhang mit einer Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB anwendbar".
Gestützt auf die im Minderjährigenschutzabkommen enthaltenen Vorschriften kommt
das Obergericht zum Schluss, mangels eines Aufenthaltsortes der Kinder in der
Schweiz bzw. mangels Vorliegens eines dringenden Falles im Sinne von Art. 9 MSA
seien die Schweizer Gerichte örtlich nicht zuständig. Diese Auffassung geht
fehl:

5.1 Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in
dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unter Vorbehalt von
Art. 3, 4 und 5 Abs. 3 MSA zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder
des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. Was als Schutzmassnahme im Sinne
der zitierten Bestimmung zu gelten hat, ist nach der herrschenden Auffassung
durch eine vertragsautonome, das heisst von den nationalen Rechtsordnungen
losgelöste Auslegung zu ermitteln (s. nicht publ. E. 3). Die Lehre spricht sich
für ein weites Verständnis der Schutzmassnahme aus, das sich am Zweck der Norm
orientiert: Schutzmassnahmen im Sinne des Abkommens sollen alle
Einzelmassnahmen sein, die hoheitlich von Behörden oder Gerichten getroffen
werden, um die Person oder das Vermögen eines Minderjährigen zu schützen
(SIEHR, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 23 zu Art. 85 IPRG;
ders., in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 10:
Einführungsgesetz [...], 3. Aufl. 1998, N. 41 f. zu Art. 19 EGBGB Anh. I;
BUCHER, L'enfant en droit international privé, 2003, S. 116 f.; JAMETTI
GREINER, in: FamKomm Scheidung, 2005, Anh. IPR, N. 96; KROPHOLLER, in:
Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und
Nebengesetzen, EGBGB/IPR [nachfolgend: Kommentar], 2003, Vorbem. zu Art. 19
EGBGB, N. 39 ff.; OBERLOSKAMP, Haager Minderjährigenschutzabkommen, 1983, N. 5
zu Art. 1 MSA). Unter die vom Abkommen beherrschten Schutzmassnahmen fallen
namentlich die Zuteilung der elterlichen Gewalt sowie die Regelung des
persönlichen Verkehrs zwischen Eltern und Kindern (BGE 132 III 586 E. 2.2.1 S.
590; BGE 126 III 298 E. 2a/bb S. 392; BGE 124 III 176 E. 4 S. 179; BGE 123 III
411 E. 2a/bb S. 413).
Vom Anwendungsbereich des MSA ausgeschlossen ist nach der bundesgerichtlichen
Praxis hingegen die Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen (BGE 126 III 298 E. 2a/
bb S. 302; BGE 124 III 176 E. 4 S. 179 mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung
steht im Einklang mit der im Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach
Unterhaltsleistungen vom
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Minderjährigenschutzabkommen nicht erfasst sind, weil es sich hierbei um eine
Materie handelt, die in speziellen Haager Übereinkommen geregelt wurde (SIEHR,
in: Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 25 zu Art. 85 IPRG; ders., in: Münchener
Kommentar [...], a.a.O., N. 92 zu Art. 19 EGBGB Anh. I; JAMETTI GREINER,
a.a.O., Anh. IPR, N. 97; KROPHOLLER, Kommentar, a.a.O., Vorbem. zu Art. 19
EGBGB, N. 109 und 118; vgl. auch SCHWANDER, in: Basler Kommentar,
Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 25 zu Art. 85 IPRG). Mit diesen
Übereinkommen sind das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf
Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (SR
0.211.221.431), das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf
Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01), das Haager
Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (SR
0.211.221.432) und das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die
Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (SR 0.211.213.02)
gemeint (PAUL VOLKEN, Die internationale Vermögenssorge für Minderjährige
[nachfolgend: Vermögenssorge], in: Familie und Recht, Festschrift Schnyder,
1995, S. 824).

5.2 Ist das Minderjährigenschutzabkommen nach der Rechtsprechung auf die
"Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen", das heisst auf die Prüfung der
Begründetheit von Unterhaltsansprüchen nicht anwendbar, so stellt sich die
Frage, ob damit auch eine Massnahme wie die Schuldneranweisung nach Art. 291
ZGB, die nach schweizerischem Verständnis der Zwangsvollstreckung rechtskräftig
festgesetzter Unterhaltsleistungen dient (nicht publ. E. 4), vom
Anwendungsbereich des MSA ausgeschlossen ist.

5.2.1 Ausdrücklich bejaht wird diese Frage von BUCHER (a.a.O., S. 117): Nach
der Ansicht dieses Autors fällt nur die Erhaltung und die Verwaltung des
Vermögens unter den Vermögensschutz im Sinne von Art. 1 MSA. Die elterliche
Unterhaltspflicht hingegen sei keine Rechtsbeziehung, deren wesentliche
Funktion im Schutz des Vermögens des Minderjährigen besteht; aus diesem Grund
unterstünden Anordnungen und Entscheidungen betreffend den Unterhalt auch nicht
dem Minderjährigenschutzabkommen. Da Unterhaltsleistungen vom Abkommen nicht
erfasst seien, müsse dies auch für "akzessorische Entscheidungen" gelten, die
dazu dienen, die Bezahlung von Alimenten zu sichern (ähnlich der Beschluss der
I. Zivilkammer
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des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Mai 2010, in: ZR 109/2010 S. 304;
vgl. auch Art. 3 lit. g des Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die
Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen
zum Schutz von Kindern [SR 0.211.231.011], das im Verhältnis zu Deutschland
erst am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist und deshalb im vorliegenden Fall
nicht zur Anwendung kommt).

5.2.2 Demgegenüber führt SCHWANDER (a.a.O., N. 24 zu Art. 85 IPRG) die
Schuldneranweisung explizit als Schutzmassnahme im Sinne von Art. 1 MSA auf.
Art. 291 ZGB diene dazu, die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der Kinder
mit individuellen Verfügungen und Entscheidungen zu erleichtern, und könne
daher als besondere Schutzmassnahme angesehen werden. Dem Minderjährigen soll
eine allfällig günstigere internationale Durchsetzung nach den Regeln des MSA
nicht verweigert werden, zumal die Sicherung des laufenden Unterhalts für das
Gedeihen des Minderjährigen im Allgemeinen ungleich wichtiger sei als der vom
MSA klarerweise erfasste Vermögensschutz (SCHWANDER, a.a.O., N. 57 zu Art. 85
IPRG; vgl. auch TRACHSEL, Konkurrierende Zuständigkeiten in internationalen
Familienrechtsfällen - einige praktische Hinweise, AJP 2003 S. 445). Auch für
VOLKEN zählt der Unterhaltsanspruch des Minderjährigen zu den Vermögenswerten,
die nach dem Minderjährigenschutzabkommen zu schützen sind. Als Massnahmen, die
dem Minderjährigen zu Gebote stehen, erwähnt dieser Autor aber nur die
unentgeltliche behördliche Hilfe bei der Vollstreckung des Unterhaltsanspruches
(Art. 290 ZGB) und die Alimentenbevorschussung, bezüglich derer das Gesetz in
Art. 293 Abs. 2 ZGB auf das öffentliche Recht verweist, nicht jedoch die
Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB (VOLKEN, Vermögenssorge, a.a.O., S. 826
f.).

5.2.3 Die bereits zitierten Autoren JAMETTI GREINER und SIEHR begnügen sich im
Wesentlichen mit dem Hinweis, das MSA sei auf Unterhaltspflichten nicht
anwendbar, weil für diese Materie andere Staatsverträge massgebend seien (s. E.
5.1). SIEHR führt allerdings aus, die Schuldneranweisung nach Art. 177 ZGB
beziehe sich auf den Unterhalt, weshalb sich die Zuständigkeit nach dem
Lugano-Übereinkommen (in dessen bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung
[aLugÜ; AS 1991 2436]) richte (SIEHR, in: Basler Kommentar, Internationales
Privatrecht, 1. Aufl. 1996, N. 6 zu Art. 46 IPRG).
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Im Anschluss daran mutmasst NAEGELI (in: Gerichtsstandsgesetz, Müller/Wirth
[Hrsg.], 2001, N. 23 zu Art. 17 GestG), wenn die Schuldneranweisung als
Unterhaltssache im Sinne des aLugÜ anzusehen sei, schliesse dies eine
Qualifikation als Schutzmassnahme im Sinne des MSA aus. Ohne sich für eine
Lösung zu entscheiden, weist NAEGELI darauf hin, je nach Qualifikation richte
sich die internationale Zuständigkeit für eine Schuldneranweisung nach dem
aLugÜ oder nach dem MSA. Der genannte Autor gibt zu bedenken, dass auch auf die
Vollstreckbarkeit in der Schweiz zu achten sei und sich die Frage stelle, ob
internationales Vollstreckungsrecht zur Anwendung kommt (NAEGELI, a.a.O., N. 24
zu Art. 17 und N. 85 zu Art. 15 GestG). Er stützt sich hierbei auf HAUSHEER/
REUSSER/GEISER. Diese Autoren verweisen auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung, wonach die Schuldneranweisung eine besondere Art der
Vollstreckung ist (vgl. nicht publ. E. 4). Daher könne ein Gerichtsstand in der
Schweiz nur gegeben sein, wenn die Schweiz auch für die Vollstreckung zuständig
ist (Berner Kommentar, 4. Aufl. 1999, N. 30 zu Art. 180 ZGB). Mit Blick auf die
internationale Vollstreckung führen HAUSHEER/REUSSER/GEISER aus, es sei nicht
einzusehen, warum eine Anweisung nicht möglich sein sollte, wenn der Schuldner,
an den sich die Anweisung richten soll, in der Schweiz wohnt, während sich der
abzusichernde Unterhaltsanspruch nach ausländischem Recht richtet, weil der
Unterhaltsgläubiger seinen Wohnsitz im Ausland hat (HAUSHEER/REUSSER/GEISER,
a.a.O., N. 26 zu Art. 177 ZGB).

5.3 Das Minderjährigenschutzabkommen legt als hauptsächliche Zuständigkeit
diejenige der Behörden und Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des
Minderjährigen fest (Art. 1 MSA). Wie sich dem Schrifttum entnehmen lässt,
fusst diese Zuständigkeitsregelung auf der Annahme, die Instanzen am
Aufenthaltsort seien wegen ihrer Nähe zum Sachverhalt am besten in der Lage,
den Minderjährigen in seiner Person zu schützen. Daher sollen diese Behörden in
Anwendung ihres eigenen Rechts (Art. 2 MSA) auch die erforderlichen
Schutzmassnahmen ergreifen (SIEHR, in: Zürcher Kommentar, a.a.O., N. 17 zu Art.
85 IPRG; vgl. auch OBERLOSKAMP, a.a.O., N. 2 zu Art. 1 MSA; KROPHOLLER,
Kommentar, a.a.O., Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, N. 27 ff.). Diese Überlegungen
lassen sich indes nicht ohne Weiteres auf den Fall übertragen, da finanzielle
Interessen des Minderjährigen auf dem Spiel stehen. Geht es - wie im
vorliegenden Fall - um die Sicherung des Unterhalts des Minderjährigen, mag die
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Ausrichtung regelmässiger Unterhaltsleistungen für das Gedeihen des
Minderjährigen je nach den Umständen zwar besonders wichtig sein. Daraus folgt
aber nicht, dass sich auch die internationale Durchsetzung der
Unterhaltsansprüche für den Minderjährigen als günstiger erweist, wenn man die
Schuldneranweisung als Massnahme zum Schutz des Vermögens im Sinne von Art. 1
MSA qualifiziert. Wie gerade der angefochtene Entscheid zeigt, kann sich eine
solche Qualifikation zum Nachteil des Minderjährigen auswirken: Wären die
deutschen Behörden am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes der Beschwerdeführer
nach Art. 1 MSA zuständig, zur Durchsetzung deren Unterhaltsanspruchs nach
deutschem Recht Vermögensschutzmassnahmen anzuordnen, so könnten sich die
Beschwerdeführer die besonderen Vorteile, die ihnen eine Schuldneranweisung
nach Art. 291 ZGB als privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme böte, nicht
zunutze machen. Selbst wenn das deutsche Recht ein der Schuldneranweisung
verwandtes Institut kennen sollte, ist fraglich, ob ein deutsches Gericht
gestützt auf das Urteil des Amtsgerichts Ravensburg vom 5. August 2008 einen
Schuldner des Beschwerdegegners in der Schweiz verbindlich anweisen könnte,
anstatt an den Beschwerdegegner an die Beschwerdeführer zu leisten (vgl.
HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 26 zu Art. 177 ZGB). Für den Fall, dass
eine Massnahme Vollstreckungshandlungen in einem anderen Staat erfordert, hält
Art. 7 MSA denn auch ausdrücklich fest, dass sich Anerkennung und Vollstreckung
nach dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsstaates oder nach
internationalen Übereinkünften richten.
Wohl dient die Schuldneranweisung nach dem Gesagten den finanziellen Interessen
des Minderjährigen. Auch lassen sich Unterhaltsansprüche als Aktiven des
Vermögens des Minderjährigen begreifen. Diese Erkenntnisse ändern jedoch nichts
daran, dass die Schuldneranweisung im Sinne von Art. 291 ZGB - anders als etwa
die in Art. 324 ZGB vorgesehenen vormundschaftlichen Massnahmen zum Schutz des
Kindesvermögens - keinen materiell-rechtlichen Anspruch begründet, der
unmittelbar den Schutz des Vermögens des Minderjährigen zum Gegenstand hat.
Vielmehr handelt es sich um eine Zwangsvollstreckungsmassnahme, die dem Kind
zwar gewisse Privilegien bei der Durchsetzung seines rechtskräftig
festgesetzten Unterhaltsanspruches einräumt, deren Zweck sich aber doch darin
erschöpft, dem materiellen Unterhaltsrecht zum Durchbruch zu verhelfen (nicht
publ. E. 4). Nachdem aber gerade die
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Zuerkennung von Unterhaltsbeiträgen vom Anwendungsbereich des
Minderjährigenschutzabkommens ausgenommen ist (E. 5.1), macht es schon unter
systematischen Gesichtspunkten keinen Sinn, diesem Abkommen einen
vollstreckungsrechtlichen Behelf zu unterstellen, der ausschliesslich auf die
Durchsetzung der - vom Abkommen nicht erfassten - Unterhaltsbeiträge
zugeschnitten ist. Aufgrund der primären Zuständigkeit der Behörden am Ort des
gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen hätte die Qualifikation der
Schuldneranweisung als Vermögensschutzmassnahme im Sinne von Art. 1 MSA
überdies zur Folge, dass eine Zwangsvollstreckungsmassnahme nicht von einer
Behörde desjenigen Staates angeordnet wird, in der sich das
Vollstreckungssubstrat befindet, sondern von der ausländischen Behörde des
Staates, in welchem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine
solche Lösung erscheint nicht nur wenig praktikabel, sondern widerspricht auch
dem allgemeinen Grundsatz, wonach zur Anordnung hoheitlicher
Zwangsvollstreckungsmassnahmen derjenige Staat zuständig ist, in welchem sich
die Vermögenswerte befinden, die Gegenstand der Vollstreckung sind.

5.4 Nach dem Gesagten kann dem Schluss des Obergerichts, bei der
Schuldneranweisung im Sinne von Art. 291 ZGB gehe es um den in Art. 1 MSA
festgeschriebenen Schutz des Kindesvermögens, nicht gefolgt werden. Als
Zwangsvollstreckungsmassnahme fällt die Schuldneranweisung nicht in den
Anwendungsbereich des Minderjährigenschutzabkommens. Daher kommt dieses
Abkommen im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Wie die Beschwerdeführer zu
Recht ausführen, ist vielmehr zu prüfen, ob die schweizerischen Gerichte im
vorliegenden Fall zur Vollstreckung des deutschen Unterhaltstitels zuständig
sind. Falls eine solche Vollstreckungszuständigkeit besteht, ist das
international zuständige Gericht grundsätzlich auch zur Anordnung einer
Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB zuständig.
(...)

7. Weitere spezielle Staatsverträge, denen sowohl Deutschland als auch die
Schweiz angehören und die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangen könnten,
werden von den Parteien nicht angerufen und sind nicht ersichtlich. Fehlt es an
einem Spezialabkommen, das die gerichtliche Zuständigkeit im internationalen
Verhältnis regelt, so bleibt zu prüfen, ob sich diese aus dem
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Lugano-Übereinkommen (in seiner bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung)
ergibt. Dies hat auch das Obergericht getan. Es befand, die Schuldneranweisung
im Sinne von Art. 291 ZGB sei keine Unterhaltssache im Sinne von Art. 5 Nr. 2
aLugÜ. Aus dieser Erkenntnis folgert das Obergericht, das Lugano-Übereinkommen
sei nicht anwendbar. Dieser Schluss geht fehl:

7.1

7.1.1 Der Anwendungsbereich des aLugÜ ist in dessen Art. 1 geregelt. Danach ist
das Übereinkommen auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden (Abs. 1 Satz 1).
Ausgenommen sind Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten
(Abs. 1 Satz 2), Fragen betreffend den Personenstand, die Rechts- und
Handlungsfähigkeit, die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die
eherechtlichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschliesslich des
Testamentsrechts (Abs. 2 Nr. 1), Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren
(Abs. 2 Nr. 2), die soziale Sicherheit (Abs. 2 Nr. 3) und die
Schiedsgerichtsbarkeit (Abs. 2 Nr. 4). Nicht unter diesen Ausnahmekatalog
fallen reine Unterhaltsklagen von Ehegatten und Familienangehörigen (BGE 119 II
167 E. 4b S. 172 und Urteil 5P.252/2003 vom 18. März 2004 E. 4.2; je mit
Hinweisen).

7.1.2 Der Sache nach betrifft die vorliegende Streitsache den Anspruch der
Kinder auf Erfüllung der Unterhaltspflicht des Vaters. Um diesen Anspruch
durchzusetzen, ersuchen die Beschwerdeführer gestützt auf ein ausländisches
Unterhaltsurteil, das den Beschwerdegegner zur Bezahlung von
Unterhaltsbeiträgen verpflichtet, ein schweizerisches Gericht um Anordnung
einer Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB. Damit liegt eine Zivilsache im
Sinne von Art. 1 aLugÜ vor, und die hier zur Diskussion stehende Streitsache
fällt in den Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens in seiner bis zum 31.
Dezember 2010 gültigen Fassung. Anwendbar wäre im Übrigen auch das revidierte
Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ; SR 0.275.12), das für die
Schweiz am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, denn durch die Revision hat
sich am Anwendungsbereich des Übereinkommens jedenfalls mit Bezug auf den
vorliegenden Fall nichts geändert.

7.2 Zu prüfen bleibt, ob die schweizerischen Gerichte in der beschriebenen,
hier in Frage stehenden (E. 7.1.2) Konstellation gestützt auf das
Lugano-Übereinkommen zur Anordnung der Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB
international zuständig sind.
BGE 138 III 11 S. 20

7.2.1 Nach Art. 2 aLugÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet
eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den
Gerichten des Wohnsitzstaates zu verklagen. Vorbehalten bleiben die besonderen
Vorschriften dieses Übereinkommens (BGE 132 III 778 E. 2.1 S. 782). Diese sehen
teils mit Art. 2 aLugÜ konkurrierende, das heisst dem Kläger alternativ zur
Wahl stehende Zuständigkeiten (bspw. Art. 5-6a aLugÜ), teils ausschliessliche
Gerichtsstände (bspw. Art. 16 aLugÜ) vor.

7.2.2 Das europäische Prozessrecht geht grundsätzlich von der strikten
Zweiteilung der Rechtsdurchsetzung in ein Erkenntnis- und ein
Vollstreckungsverfahren aus (OBERHAMMER, Klägergerichtsstand für die
Aberkennungsklage nach Art. 83 SchKG und Art. 2 LugÜ: Schweizerische Praxis und
europäisches Zivilprozessrecht im Konflikt, Zeitschrift für Zivilprozessrecht
International 9/2004 S. 222). Auf diesem Modell beruht auch das
Lugano-Übereinkommen. Die in Titel II enthaltenen Vorschriften über die
"besonderen Zuständigkeiten" regeln die direkte Zuständigkeit nur für diese
zwei Arten von Hauptsacheverfahren, nämlich in Art. 5-15 aLugÜ für Verfahren
zur Herstellung eines Vollstreckungstitels (Erkenntnisverfahren) und in Art. 16
Nr. 5 aLugÜ für Verfahren zur Vollstreckung eines bereits vorhandenen
Vollstreckungstitels; eine dritte Kategorie von Verfahren wird in Titel II des
Übereinkommens weder geregelt noch zugelassen (Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern vom 28. Juli 2003, in: Luzerner Gerichts- und
Verwaltungsentscheide [LGVE] 2003 I Nr. 27 E. 4.2 S. 56; MARKUS, in:
Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 159
und 169 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ). Auch wenn das Lugano-Übereinkommen nicht selbst
definiert, was unter einem Erkenntnis- und einem Zwangsvollstreckungsverfahren
zu verstehen ist, richtet sich diese Abgrenzung nach einer
staatsvertragsautonomen Auslegung (MARKUS, a.a.O., N. 158 zu Art. 22 Nr. 5
LugÜ; ALFONS VOLKEN, Die örtliche Zuständigkeit gemäss Lugano-Übereinkommen,
ZWR 1992 S. 136; Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 28. Juli 2003,
a.a.O., E. 4.2 S. 55; KILLIAS, in: Lugano-Übereinkommen zum internationalen
Zivilverfahrensrecht, Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 21 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ;
GÜNGERICH, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 62 zu Art. 22
LugÜ; KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht [nachfolgend:
Zivilprozessrecht], 8. Aufl., Frankfurt am Main 2005, N. 61 zu Art. 22 EuGVO).
Unter welchen Voraussetzungen in einem Vertragsstaat eine Zwangsvollstreckung
BGE 138 III 11 S. 21
durchgeführt werden kann, lässt sich dem Lugano-Übereinkommen freilich nicht
entnehmen; diese Frage lässt sich auch im Wege vertragsautonomer
Begriffsauslegung nicht beantworten (BGE 124 III 505 E. 3a S. 507). Daher ist
in einem ersten Schritt das fragliche nationale Verfahren nach dem anwendbaren
innerstaatlichen Recht zu qualifizieren, um es in einem zweiten Schritt nach
autonomen Grundsätzen entweder dem Erkenntnis- oder dem Vollstreckungsverfahren
zuzuordnen (KILLIAS, a.a.O.; SCHLOSSER, Gläubigeranfechtungsklage nach
französischem Recht und Art. 16 EuGVÜ, Praxis des Internationalen Privat- und
Verfahrensrechts [IPRax] 1991 S. 29 f.). Der erste Schritt ist schon getan (s.
nicht publ. E. 4). An dieser Stelle erfolgt nun die Zuordnung nach
staatsvertragsautonomen Gesichtspunkten.

7.2.3 Nach dem Verständnis, das dem Lugano-Übereinkommen zugrunde liegt, sind
mit Erkenntnisverfahren Verfahren gemeint, in denen Rechtsgewissheit im
Einzelfall erst geschaffen und ein Vollstreckungstitel erst hergestellt werden
soll (MANKOWSKI, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/
EuIPR, Rauscher [Hrsg.], München 2011, N. 58 zu Art. 22 Brüssel I-VO), in denen
die Parteien also über die materiell-rechtliche Begründetheit eines Anspruchs
streiten.
Im Schrifttum wird teilweise die Meinung vertreten, die vom Schweizer Richter
angeordnete Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB sei - unter dem Gesichtspunkt
des Lugano-Übereinkommens - eine "zivilrechtliche Massnahme" (so ACOCELLA, in:
Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Schnyder
[Hrsg.], 2011, N. 177 zu Art. 5 Nr. 2 LugÜ) bzw. eine Unterhaltssache im Sinne
von Art. 5 Nr. 2 LugÜ (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar,
Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 383 zu Art. 5 Nr. 2 LugÜ; ähnlich: ROELLI/
MEULI-LEHNI, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, N. 5 zu Art.
291 ZGB; WEBER, Anweisung an die Schuldner, Sicherstellung der
Unterhaltsforderung und Verfügungsbeschränkungen, AJP 2002 S. 241; Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Mai 2010, in: ZR 109/2010 Nr. 70 E. 7
ff. S. 304 f.). Zumindest implizite qualifizieren die erwähnten Autoren den
Prozess um die Schuldneranweisung damit als Erkenntnisverfahren. Eine
Begründung für ihre Auffassung liefern sie indes nicht. Namentlich bleibt
unklar, welche Ausgangslage sie vor Augen haben.
BGE 138 III 11 S. 22
Im hier zu beurteilenden Fall geht es den Unterhaltsberechtigten um die
Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruchs, dessen Bestand und Höhe in einem
Erkenntnisverfahren bereits festgestellt wurden; die materiell-rechtliche
Anspruchsgrundlage ist nicht Prozessgegenstand (s. ausführlich nicht publ. E.
4.3). Wenn nun die Unterhaltsberechtigten auf der Basis eines im Ausland
gefällten, in der Schweiz aber anerkannten und vollstreckbar erklärten
Unterhaltsurteils um Vollstreckung mittels Schuldneranweisung ersuchen, kann
von einem Erkenntnisverfahren nicht mehr gesprochen werden. Diese
Schlussfolgerung präjudiziert indessen nicht den ganz anders gelagerten Fall,
in welchem bereits das ausländische Gericht eine der schweizerischen
Schuldneranweisung vergleichbare Anordnung getroffen hat und ein Schweizer
Gericht diese ausländische "Schuldneranweisung" anerkennen und vollstrecken
soll. Denn die Frage, ob ein solch ausländisches Verfahren ebenfalls als
Zwangsvollstreckungsverfahren im Sinne von Art. 16 Nr. 5 aLugÜ bzw. Art. 22 Nr.
5 LugÜ oder als Erkenntnisverfahren zu qualifizieren wäre (so OBERHAMMER, in:
Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 84 zu
Art. 5 Nr. 2 LugÜ), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Prozesses.

7.2.4 Damit bleibt nur mehr zu untersuchen, ob das Verfahren um Anordnung einer
Schuldneranweisung ein Vollstreckungsverfahren im Sinne des
Lugano-Übereinkommens ist. Für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus
Entscheidungen zum Gegenstand haben, bestimmt das Lugano-Übereinkommen in Art.
16 Nr. 5 aLugÜ, dass die Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet
die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist,
ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschliesslich zuständig sind. Der Grund für
die ausschliessliche Zuständigkeit der Gerichte des Vollstreckungsstaates liegt
darin, dass es Sache der Gerichte desjenigen Vertragsstaats sein soll, in
dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die
Vorschriften über die Tätigkeit der Vollstreckungsbehörden anzuwenden (Urteil
des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 26. März 1992 C-261/90
Reichert II, Slg. 1992 I-2149 Randnr. 26). Der Grundsatz der Territorialität
fusst auf dem Souveränitätsprinzip, das umgekehrt auch ausländischen
Vollstreckungsorganen eine hoheitliche Tätigkeit auf fremdem Gebiet verbietet
(MANKOWSKI, a.a.O., N. 54 zu Art. 22 Brüssel I-VO; SCHLOSSER,
EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2009, N. 24 zu Art. 22 EuGVVO; DE LIMA PINHEIRO,
in: Brussels I
BGE 138 III 11 S. 23
Regulation, Magnus/Mankowski [Hrsg.], N. 74 zu Art. 22 Brüssel I-VO; CUNIBERTI,
Le principe de la territorialité des voies d'exécution, Journal du Droit
International 135/2008 S. 963 ff., insbes. 982 ff.). Daher verdrängt die
ausschliessliche Zuständigkeit der Gerichte im Vollstreckungsstaat auch die
allgemeine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 aLugÜ)
und die besonderen Zuständigkeiten nach Art. 5 ff. aLugÜ (KROPHOLLER,
Zivilprozessrecht, a.a.O., N. 2 zu Art. 22 EuGVO). Den Materialien zufolge
fallen unter Art. 16 Nr. 5 aLugÜ all jene Verfahren, die sich aus der
Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder
Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die
Vollstreckung von Entscheidungen und Urkunden ergeben (JENARD, Bericht zu dem
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, unterzeichnet in
Brüssel am 27. September 1968, ABl. C 59 vom 5. März 1979 S. 1 ff., 36).
Gemeint sind kontradiktorische Verfahren, in denen es um die gerichtliche
Anordnung oder Überprüfung eigentlicher Vollstreckungsmassnahmen geht, die also
einen unmittelbaren Bezug zur Zwangsvollstreckung aufweisen (STOFFEL,
Ausschliessliche Gerichtsstände des Lugano-Übereinkommens und SchKG-Verfahren,
insbesondere Rechtsöffnung, Widerspruchsklage und Arrest, in: Festschrift Oscar
Vogel, 1991, S. 372; KROPHOLLER, Zivilprozessrecht, a.a.O., N. 61 zu Art. 22
EuGVO; SCHLOSSER, a.a.O., N. 24 zu Art. 22 EuGVVO; MARKUS, a.a.O., N. 168 zu
Art. 22 Nr. 5 LugÜ; KILLIAS, a.a.O., N. 24 zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ). Entsprechend
der Natur eines solchen Vollstreckungsverfahrens setzt Art. 16 Nr. 5 aLugÜ das
Vorhandensein eines Vollstreckungstitels voraus (BUCHER, in: Commentaire
romand, Convention de Lugano, 2011, N. 73 zu Art. 22 LugÜ; MARKUS, a.a.O., N.
169 zu Art. 22 Nr. 5 aLugÜ; KILLIAS, a.a.O., N. 25 f. zu Art. 22 Nr. 5 LugÜ).
Über die Unterhaltspflicht des Beschwerdegegners hat das Amtsgericht Ravensburg
bereits befunden. Dessen Urteil vom 5. August 2008 ist in Rechtskraft erwachsen
und in der Schweiz für vollstreckbar erklärt worden (s. Bst. B). Wie oben
ausgeführt, besteht das Ziel des von den Beschwerdeführern gegen den
Beschwerdegegner angehobenen Prozesses in der Vollstreckung des rechtskräftigen
und für vollstreckbar erklärten Unterhaltsentscheides. Die Schuldneranweisung,
um deren Anordnung die Beschwerdeführer ersuchen, ist eine Massnahme, die dazu
dient, die Zahlung einer
BGE 138 III 11 S. 24
Schuld gegen den Willen des Schuldners zu erwirken: Die Geldmittel, die zur
Tilgung der Unterhaltsforderung erforderlich sind, sollen zwangsweise aus dem
Vermögen des Alimentenschuldners in dasjenige des Gläubigers überführt werden
(nicht publ. E. 4.1). Das Verfahren um Anordnung einer Schuldneranweisung nach
Art. 291 ZGB ist deshalb als Zwangsvollstreckungsverfahren im Sinne von Art. 16
Nr. 5 aLugÜ anzusehen. Zum gleichen Ergebnis führt auch die bundesgerichtliche
Rechtsprechung, wonach die Schuldneranweisung als privilegierte
Zwangsvollstreckungsmassnahme an die Stelle einer definitiven Rechtsöffnung mit
nachfolgender Pfändung tritt. Ist nämlich das Verfahren der definitiven
Rechtsöffnung (Art. 80 f. SchKG) einschliesslich des ihm vorgelagerten
Zahlungsbefehlsverfahrens nach einhelliger Auffassung ein
Titelvollstreckungsverfahren, das unter Art. 16 Nr. 5 aLugÜ fällt (GÜNGERICH,
a.a.O., N. 73 zu Art. 22 LugÜ; KILLIAS, a.a.O., N. 45 ff. zu Art. 22 LugÜ;
BUCHER, a.a.O., N. 72 zu Art. 22 LugÜ; MARKUS, a.a.O., N. 211 zu Art. 22 Nr. 5
aLugÜ; VOLKEN, Zuständigkeit, a.a.O., S. 136; WALTER, Internationales
Zivilprozessrecht der Schweiz, 4. Aufl. 2007, S. 249; STOFFEL, a.a.O., S. 372;
SCHLOSSER, a.a.O., N. 29 zu Art. 22 EuGVVO; KROPHOLLER, Zivilprozessrecht,
a.a.O., N. 64 zu Art. 22 EuGVO; MANKOWSKI, a.a.O., N. 60 zu Art. 22 Brüssel
I-VO), so muss dies auch für die Schuldneranweisung gelten, die im Sinne einer
privilegierten Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis an die Stelle der
definitiven Rechtsöffnung tritt.

7.3 Nach dem Gesagten steht fest, dass die schweizerischen Gerichte für das
Verfahren um Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB, das die Beschwerdeführer
gegen den in der Schweiz wohnhaften Beschwerdegegner gestützt auf ein deutsches
Unterhaltserkenntnis angehoben haben, im internationalen Verhältnis nach Art.
16 Nr. 5 aLugÜ zuständig sind. Zur gleichen Erkenntnis würde im Übrigen auch
die Anwendung des revidierten Lugano-Übereinkommens vom 30. Oktober 2007
führen, denn die in Art. 22 Nr. 5 der revidierten Fassung enthaltene Vorschrift
stimmt inhaltlich mit Art. 16 Nr. 5 aLugÜ überein. Im Ergebnis ist die
Beschwerde im beschriebenen Sinne (E. 7.2) gutzuheissen. Der angefochtene
Entscheid ist aufzuheben und die Streitsache ist zur weiteren Behandlung an das
Bezirksgericht Kriens zurückzuweisen. Das Urteil des Obergerichts vom 8.
Februar 2011 äussert sich nur zur internationalen Zuständigkeit der
schweizerischen Gerichte. Die landesinterne örtliche Zuständigkeit ist somit
nicht Gegenstand der
BGE 138 III 11 S. 25
vorliegenden Streitsache. Sie ergibt sich auch nicht aus Art. 16 Nr. 5 aLugÜ,
denn diese Vorschrift regelt lediglich die internationale Zuständigkeit,
während sich die örtliche Zuständigkeit nach dem internen Recht des betroffenen
Vertragsstaates bestimmt (MARKUS, a.a.O., N. 220 zu Art. 22 Nr. 5 aLugÜ;
STOFFEL, a.a.O., S. 367).