Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 V 20



Urteilskopf

137 V 20

3. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. V. gegen AXA
Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_538/2010 vom 30. Dezember 2010

Regeste

Art. 24 Abs. 1 und 2 Satz 2 BVV 2; Überentschädigungsberechnung bei Wohnsitz im
Ausland.
Im Regelfall einer ohne Gesundheitsschaden weiterhin in der Schweiz ausgeübten
Erwerbstätigkeit ist bei Wohnsitznahme im Ausland das zumutbarerweise noch
erzielbare Erwerbseinkommen (Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2) weiterhin bezogen auf
den schweizerischen Arbeitsmarkt zu ermitteln, wie der mutmasslich entgangene
Verdienst (Art. 24 Abs. 1 BVV 2; E. 5.2).

Sachverhalt ab Seite 21

BGE 137 V 20 S. 21

A. Der 1961 geborene V. bezog ab 1. Februar 1998 eine ganze Rente
(Invaliditätsgrad: 75 %) samt Zusatzrente für die Ehefrau und zwei Kinderrenten
(Verfügung der IV-Stelle Basel-Landschaft vom 29. November 2001). Ebenfalls
richtete ihm die Winterthur Columna, Stiftung für berufliche Vorsorge (heute:
AXA Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur) - ab 1. Januar 2005 wegen
Überentschädigung gekürzte - Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge aus.
2002 kehrte V. in sein Heimatland Portugal zurück. Als Ergebnis des im Juli
2005 eingeleiteten Revisionsverfahrens sprach ihm die IV-Stelle für Versicherte
im Ausland (nachfolgend: IV-Stelle) mit Verfügung vom 12. November 2008 für die
Zeit vom 1. April 2007 bis 30. Juni 2008 eine ganze Rente (Invaliditätsgrad:
100 %) samt Zusatzrente für die Ehefrau und zwei Kinderrenten und ab 1. Juli
2008 eine Dreiviertelsrente (Invaliditätsgrad: 65 %) samt zwei Kinderrenten zu.
Die AXA Stiftung Berufliche Vorsorge richtete weiterhin Invalidenleistungen der
beruflichen Vorsorge aus. Dabei berücksichtigte sie in der
Überentschädigungsberechnung ab 1. Juli 2008 neu ein "zumutbarerweise
erzielbares Erwerbseinkommen" von jährlich Fr. 22'344.-, was zu einer Kürzung
der Leistungen um 30,39 % führte. In der Folge kam es zwischen V. und der
Vorsorgeeinrichtung zum Disput darüber, ob dieses Einkommen bezogen auf den
schweizerischen oder den portugiesischen Arbeitsmarkt zu ermitteln sei.

B. Am 6. August 2009 liess V. beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, Klage gegen die AXA
BGE 137 V 20 S. 22
Stiftung Berufliche Vorsorge einreichen und beantragen, die Beklagte sei zu
verpflichten, ihm ab 1. April 2009 eine persönliche Invalidenrente von jährlich
Fr. 26'321.- und zwei Invalidenkinderrenten von jährlich Fr. 3'714.- und für
den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. März 2009 den Betrag von Fr. 6'775.55
nebst 5 % Zins seit Klageeinreichung zu bezahlen. Nach Durchführung eines
doppelten Schriftenwechsels wies das angerufene Gericht mit Entscheid vom 26.
März 2010 die Klage ab.

C. V. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem
Rechtsbegehren, der Entscheid vom 26. März 2010 sei aufzuheben und die
"Beschwerdebeklagte" zu verpflichten, ihm ab 1. April 2009 eine persönliche
Invalidenrente von jährlich Fr. 26'321.- und zwei Invalidenkinderrenten von
jährlich Fr. 3'714.- und für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. März 2009
den Betrag von Fr. 6'775.55 nebst 5 % Zins seit Klageeinreichung zu bezahlen.
Die AXA Stiftung Berufliche Vorsorge beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) haben
auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Gemäss dem vom Bundesrat gestützt auf Art. 34a Abs. 1 BVG (bis 31. Dezember
2002: Art. 34 Abs. 2 BVG; SR 831.40) erlassenen Art. 24 der Verordnung vom 18.
April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge
(BVV 2; SR 831. 441.1) kann die Vorsorgeeinrichtung die Hinterlassenen- und
Invalidenleistungen kürzen, soweit sie zusammen mit anderen anrechenbaren
Einkünften 90 Prozent des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen (Abs.
1). Als anrechenbare Einkünfte gelten bei Bezügern von Invalidenleistungen u.a.
das weiterhin erzielte oder zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder
Ersatzeinkommen (Abs. 2 Satz 2). Ziffer 35 des Reglements der
Beschwerdegegnerin, in der ab 1. Januar 2008 gültigen, hier anwendbaren Fassung
(BGE 134 V 64 E. 2.3.1 S. 67) enthält unter dem Titel "Verhältnis zu anderen
Versicherungsleistungen" eine praktisch wortwörtlich damit übereinstimmende
Vorschrift. Art. 24 Abs. 1 und 2 Satz 2 BVV 2 gelten vorliegend somit auch im
überobligatorischen
BGE 137 V 20 S. 23
Bereich (SVR 2009 BVG Nr. 23 S. 83, 9C_711/2008 E. 3.3, nicht publ. in: BGE 135
V 33, in Verbindung mit SVR 2010 BVG Nr. 40 S. 153, 9C_863/2009 E. 4).

2.2 In BGE 134 V 64 hat das Bundesgericht entschieden, dass der Grundsatz der
Kongruenz von Invalideneinkommen (Art. 16 ATSG [SR 830.1] in Verbindung mit
Art. 28a Abs. 1 IVG) und zumutbarerweise noch erzielbarem Erwerbseinkommen
(Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2) gilt. Im gleichen Verhältnis stehen
Valideneinkommen (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) und
mutmasslich entgangener Verdienst (Art. 24 Abs. 1 BVV 2). Damit ist im Sinne
einer Vermutung davon auszugehen, dass das im invalidenversicherungsrechtlichen
Verfahren ermittelte Invalideneinkommen dem in der Überentschädigungsberechnung
der beruflichen Vorsorge zu berücksichtigenden zumutbarerweise noch erzielbaren
Erwerbseinkommen entspricht (E. 4.1.3 S. 70). Im Unterschied zu dem bezogen auf
einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu bestimmenden Invalideneinkommen (BGE 110 V
273 E. 4b S. 276) ist das überentschädigungsrechtlich relevante hypothetische
Erwerbseinkommen in Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven
Umstände, auch in arbeitsmarktlicher Hinsicht, festzulegen. Massgebend sind die
effektiven Chancen, auf dem jeweiligen tatsächlichen Arbeitsmarkt eine
geeignete und zumutbare Arbeitsstelle zu finden (E. 4.2.1 S. 71). Dabei hat die
teilinvalide Person die Umstände, welche in ihrem konkreten Fall der Erzielung
eines mit dem Invalideneinkommen äquivalenten Resterwerbseinkommens
entgegenstehen, zu behaupten, zu substantiieren und hiefür soweit möglich
Beweise anzubieten, namentlich durch den Nachweis erfolglos gebliebener
Stellenbemühungen (E. 4.2.2 S. 72).

3. Die Beschwerdegegnerin berücksichtigte bei der Überentschädigungsberechnung
ab 1. Juli 2008 ein zumutbarerweise erzielbares Erwerbseinkommen von Fr.
22'344.-. Dieser Betrag liegt unterhalb des von der IV-Stelle im Rahmen des
Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG; BGE
128 V 29 E. 1 S. 30) auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung
2006 des Bundesamtes für Statistik ermittelten Invalideneinkommens (vgl. dazu
BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 f.) von Fr. 24'495.- (Berechnung vom 18. Juni
2008). In der vorinstanzlichen Klageantwort hatte die Vorsorgeeinrichtung
ausgeführt, die IV-Stelle sei von schweizerischen Verhältnissen ausgegangen.
Das angerechnete zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen
BGE 137 V 20 S. 24
von Fr. 22'344.- liege deutlich unter dem Invalideneinkommen von Fr. 24'495.-,
womit den Verdienstmöglichkeiten am ausländischen Wohnort des Klägers
ausreichend Rechnung getragen werde. Im Übrigen seien in Portugal nicht nur die
Löhne, sondern auch die Lebenskosten tiefer. In der Duplik hielt sie zudem
fest, sie wäre gar nicht in der Lage, das im Ausland zumutbarerweise erzielbare
Erwerbseinkommen zu ermitteln. Als mutmasslich entgangenen Verdienst (Art. 24
Abs. 1 BVV 2) setzte die Beschwerdegegnerin in der Überentschädigungsberechnung
das von der IV-Stelle ermittelte Valideneinkommen, entsprechend dem zuletzt als
Gesunder erzielten, an die Nominallohnentwicklung angepassten Verdienst (BGE
134 V 322 E. 4.1 S. 325; inklusive Kinderzulagen) von Fr. 74'416.- ein, was
unbestritten blieb.

4.

4.1 Das kantonale Gericht hat - nach Darlegung und Erörterung von BGE 134 V 64
E. 4 S. 69 ff. - erwogen, es gelte bei der berufsvorsorgerechtlichen
Überentschädigungsberechnung die Vermutung der Richtigkeit der Feststellungen
der Invalidenversicherung. Diese Vermutung könne umgestossen werden, und zwar
in Bezug auf das zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen durch den Nachweis
der Nichtverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit. Die Parallelität von Validen-
und Invalideneinkommen gelte auch im Verhältnis zwischen mutmasslich
entgangenem Verdienst und zumutbarerweise erzielbarem Erwerbseinkommen. Bei
Wohnsitz im Ausland habe der Vergleich von Validen- und Invalideneinkommen auf
ein und demselben Arbeitsmarkt zu erfolgen (BGE 110 V 273). Aufgrund des
funktionalen Zusammenhangs zwischen der ersten und zweiten Säule in Bezug auf
Leistungen bei Invalidität (BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69) habe dasselbe auch bei
der Ermittlung des mutmasslich entgangenen Verdienstes und des zumutbarerweise
erzielbaren Erwerbseinkommens zu gelten. Es sei deshalb und auch aus Gründen
der Gleichbehandlung nicht zulässig, für die Bestimmung dieser für die
Überentschädigungsberechnung massgebenden Grössen auf die Verhältnisse von
verschiedenen Ländern abzustellen. Die vom Kläger beantragte Ermittlung des
mutmasslich entgangenen Verdienstes (Art. 24 Abs. 1 BVV 2) bezogen auf den
schweizerischen und des zumutbarerweise erzielbaren Erwerbseinkommens (Art. 24
Abs. 2 Satz 2 BVV 2) bezogen auf den portugiesischen Arbeitsmarkt könne dazu
führen, dass der Bezüger einer Invalidenrente bei Wohnsitz in der Schweiz eine
Kürzung der Invalidenleistungen der
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beruflichen Vorsorge hinnehmen müsste, bei Wohnsitz in Portugal mit tieferen
Lebenshaltungskosten hingegen nicht. Auch aus Praktikabilitätsgründen und zur
Vermeidung eines hohen Administrativaufwandes rechtfertige es sich, die
Überentschädigungsberechnung aufgrund des Arbeitsmarktes in der Schweiz
vorzunehmen. Der Kläger habe bezüglich des einzig streitigen zumutbarerweise
noch erzielbaren Erwerbseinkommens den ihm obliegenden Nachweis der
Nichtverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit nicht erbracht.

4.2 Der Beschwerdeführer hält dagegen, im Zusammenhang mit der
Überentschädigungsberechnung gehe es um die Frage, ob der teilinvalide
Versicherte an seinem Wohnsitz in Portugal das von der Invalidenversicherung
festgelegte "schweizerische" Invalideneinkommen erzielen könne. Dies sei nicht
möglich, da das Lohnniveau dort niedriger sei. Gemäss der vom Europäischen
Statistischen Amt herausgegebenen Broschüre "Europa in Zahlen - Eurostat
Jahrbuch 2009" sei das durchschnittliche Bruttoeinkommen im Industrie- und
Dienstleistungssektor 2006 in Portugal um 65,4 % niedriger gewesen als in der
Schweiz. Die Ermittlung des zumutbarerweise noch erzielbaren Erwerbseinkommens
bezogen auf den Arbeitsmarkt am Wohnsitz sodann stelle keine Ungleichbehandlung
gegenüber in der Schweiz wohnhaften Rentenbezügern dar. Gegenteils werde die
teilinvalide Person im Ausland niemals ihre zumutbaren Anstrengungen in der
Schweiz und damit das hier erzielbare Einkommen darlegen können, was eine
deutliche Ungleichheit zu hier wohnhaften Rentenbezügern bedeute. Das auf dem
portugiesischen Arbeitsmarkt zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen könne
aufgrund der Daten des Europäischen Statistischen Amtes ermittelt werden. Von
einem zu hohen Administrativaufwand könne somit nicht gesprochen werden.
Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, die ebenfalls denkbare Lösung,
bei der Bemessung des mutmasslich entgangenen Verdienstes und des
zumutbarerweise noch erzielbaren Erwerbseinkommens auf denselben
portugiesischen Arbeitsmarkt abzustellen, scheitere daran, dass die Renten der
Invalidenversicherung und gegebenenfalls der Unfallversicherung in
"'schweizerischer' Höhe" anrechenbar wären und in Niedriglohnländern
möglicherweise allein schon den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen
würden.
Die Beschwerdegegnerin schliesst sich in ihrer Vernehmlassung im Wesentlichen
der Argumentation der Vorinstanz an. In formeller Hinsicht kann ihr nicht
beigepflichtet werden, soweit sie geltend
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macht, in der Beschwerde werde nicht dargelegt, inwiefern der vorinstanzliche
Entscheid Recht verletze (Art. 41 Abs. 2 und Art. 95 BGG), weshalb das
Rechtsmittel abzuweisen sei (recte: darauf nicht eingetreten werden könne), und
die in diesem Verfahren eingereichte Broschüre "Europa in Zahlen - Eurostat
Jahrbuch 2009" stelle ein unzulässiges Novum dar (Art. 99 Abs. 1 BGG; SVR 2009
KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 3.4).

5.

5.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut. Ist der Text nicht klar
und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach seiner wahren
Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente.
Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte, auf den Zweck
der Norm, die ihr zugrunde liegenden Wertungen und ihre Bedeutung im Kontext
mit anderen Bestimmungen. Die Materialien sind zwar nicht unmittelbar
entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen.
Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem
Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische
Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung
ergab (BGE 135 II 78 E. 2.2 S. 81; BGE 135 V 153 E. 4.1 S. 157, BGE 135 V 249
E. 4.1 S. 252; BGE 134 I 184 E. 5.1 S. 193; BGE 134 II 249 E. 2.3 S. 252).
Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen
Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete
Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (BGE 131 V 263 E.
5.1 S. 266 mit Hinweisen). Ebenfalls ist den Grundrechten und
verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen und zwar in dem Sinne, dass
- sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen normunmittelbaren
Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der Verordnungsbestimmung jener
Rechtssinn beizumessen ist, welcher im Rahmen des Gesetzes mit der Verfassung
(am besten) übereinstimmt (verfassungskonforme oder verfassungsbezogene
Interpretation; BGE 135 I 161 E. 2.3 S. 163 mit Hinweis).

5.2

5.2.1 Der Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 lässt offen resp.
differenziert nicht danach, ob das zumutbarerweise noch erzielbare
Erwerbseinkommen ("le revenu que le bénéficiaire de prestations d'invalidité
pourrait encore raisonnablement réaliser" bzw.
BGE 137 V 20 S. 27
"il reddito che può presumibilmente essere ancora conseguito" in der
französischen und italienischen Textfassung) bei im Ausland wohnhaften Bezügern
einer Rente der Invalidenversicherung bezogen auf den dortigen Arbeitsmarkt zu
ermitteln ist oder ob die Verhältnisse in der Schweiz massgebend sind. Die
Zumutbarkeitsfrage lässt sich bei ausländischem Wohnsitz auch bezüglich des
schweizerischen Arbeitsmarktes stellen.

5.2.2 Sinn und Zweck der Anrechenbarkeit des zumutbarerweise noch erzielbaren
Erwerbseinkommens ist, invalide Versicherte, welche die verbliebene
Restarbeitsfähigkeit nicht verwerten, ohne nachzuweisen, inwiefern objektive
und subjektive Umstände, auch in arbeitsmarktlicher Hinsicht, dem
entgegenstehen (vorne E. 2.2), finanziell denjenigen gleichzustellen, die - in
Erfüllung der Schadenminderungspflicht - das ihnen zumutbare Invalideneinkommen
tatsächlich erzielen (BGE 134 V 64 E. 4.1.1 S. 69; HANS-ULRICH STAUFFER,
Berufliche Vorsorge, 2005, S. 326 Rz. 874; ISABELLE VETTER-SCHREIBER,
Anrechnung von Resterwerbseinkommen und Ersatzeinkommen in der beruflichen
Vorsorge, in: BVG-Tagung 2006, S. 65 ff., 81). Auch aus dem Normzweck von Art.
24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 lässt sich nicht mit letzter Bestimmtheit ableiten, dass
bei Wohnsitz im Ausland die dortigen Verhältnisse massgebend dafür sein sollen,
ob die invalide Person noch ein Erwerbseinkommen realisieren könnte (anders
offenbar Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 82 vom 24. Mai
2005 Ziff. 478; vgl. zur Verbindlichkeit von Weisungen der Aufsichtsbehörde BGE
132 V 321 E. 3.3 S. 324 mit Hinweisen).

5.2.3

5.2.3.1 Unter gesetzessystematischem Blickwinkel ist von Bedeutung, dass sich
eine allfällige Überentschädigung am mutmasslich entgangenen Verdienst ("gain
annuel dont on peut présumer que l'intéressé est privé" resp. "guadagno
presumibilmente perso dall'assicurato" in der französischen und italienischen
Textfassung) misst. Die Rechtsprechung versteht darunter das hypothetische
Einkommen, das die versicherte Person ohne Invalidität im Zeitpunkt, in welchem
sich die Kürzungsfrage stellt, erzielen würde (BGE 129 V 150 E. 2.3 S. 154; BGE
125 V 163 E. 3b S. 164; Urteil B 119/06 vom 7. November 2007 E. 3.3) resp.
könnte (BGE 126 V 93 E. 3 S. 96; BGE 123 V 193 E. 5a S. 197; Urteil B 83/06 vom
26. Januar 2007 E. 6). In den nicht in der Amtlichen Sammlung publizierten
Urteilen wurde auf die weitgehende Parallelität zum resp. die fehlende
BGE 137 V 20 S. 28
Kongruenz mit dem Valideneinkommen nach Art. 16 ATSG hingewiesen, d.h. es ist
den spezifischen Gegebenheiten und tatsächlichen Chancen der versicherten
Person auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen (vgl. auch Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts B 54/03 vom 6. Februar 2006 E. 3.2). Ausgehend vom
zuletzt vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung (mit Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit) erzielten Verdienst (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 98/03 vom 22. März 2004 E. 4.2) sind alle
einkommensrelevanten Veränderungen (Teuerung, Reallohnerhöhungen,
Karriereschritte etc.) zu berücksichtigen, welche ohne Invalidität überwiegend
wahrscheinlich eingetreten wären (MARC HÜRZELER, in: BVG und FZG,
Handkommentar, 2010, N. 17 ff. zu Art. 34a BVG; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht
der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, S. 126 Rz. 80;
STAUFFER, a.a.O., S. 321 Rz. 862; BGE 129 V 150 E. 2.3 S. 155 [Statuswechsel
von Teil- auf Vollerwerbstätigkeit]; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B
21/04 vom 29. November 2004 E. 3.2 und B 55/02 vom 9. April 2003). Der Wegzug
ins Ausland resp. die Rückkehr ins Heimatland führt somit nur dann allenfalls
zur Anpassung des mutmasslich entgangenen Verdienstes - und zwar bezogen auf
den dortigen Arbeitsmarkt -, wenn der Wohnsitzwechsel überwiegend
wahrscheinlich auch ohne Eintritt der Invalidität im betreffenden Zeitpunkt
stattgefunden hätte und demzufolge die rentenbeziehende Person nicht mehr hier
arbeiten würde.

5.2.3.2 Für die Invaliditätsbemessung in der Invalidenversicherung bei
Erwerbstätigen mit Wohnsitz im Ausland sind die beiden Vergleichseinkommen,
Validen- und Invalideneinkommen, grundsätzlich bezogen auf denselben
Arbeitsmarkt zu ermitteln. Aufgrund der theoretischen und abstrakten Natur des
Begriffs der ausgeglichenen Arbeitsmarktlage im Sinne von Art. 16 ATSG ist es
bedeutungslos, dass die versicherte Person im Ausland wohnt. Anderseits
gestatten die Unterschiede in den Lohnniveaus und den Lebenshaltungskosten
zwischen den Ländern nicht einen objektiven Vergleich der in Frage stehenden
Einkommen über die Grenzen hinweg (BGE 110 V 273; Urteile 8C_1043/2009 vom 15.
April 2010 E. 4.2 und 9C_335/2007 vom 8. Mai 2008 E. 3.3.2 mit Hinweisen).
Daraus kann indessen nicht ein zwingendes Argument dafür abgeleitet werden,
dass dasselbe auch im Verhältnis mutmasslich entgangener Verdienst (Art. 24
Abs. 1 BVV 2) und zumutbarerweise noch erzielbares Erwerbseinkommen (Art. 24
Abs. 2 Satz 2 BVV 2) gelten muss.
BGE 137 V 20 S. 29
Denn im Unterschied zum Invalideneinkommen ist dem überentschädigungsrechtlich
relevanten hypothetischen Erwerbseinkommen gerade nicht ein ausgeglichener
Arbeitsmarkt zugrunde zu legen (vorne E. 2.2). Immerhin spricht für eine
Ermittlung von mutmasslich entgangenem Verdienst und zumutbarerweise noch
erzielbarem Erwerbseinkommen bezogen auf denselben Arbeitsmarkt, dass bei
beiden Einkommen die konkrete Arbeitsmarktlage massgebend ist (in diesem Sinne
wohl auch VETTER-SCHREIBER, a.a.O., S. 84).

5.2.4 Die berufliche Vorsorge soll zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in
angemessener Weise ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 lit. a BV und Art. 1 Abs. 1
BVG; BGE 135 I 28 E. 5.3.2 S. 38 mit Hinweisen). Die Kumulation von Leistungen
verschiedener Sozialversicherungen kann nicht nur zu einer mit dieser
Zielsetzung der Zweiten Säule nicht vereinbaren Überversicherung führen,
sondern auch die Kosten des Sozialversicherungswesens noch weiter erhöhen und
zudem ein Hindernis für die Wiedereingliederung darstellen, was es zu vermeiden
gilt (Botschaft vom 19. Dezember 1975 zum Bundesgesetz über die berufliche
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, BBl 1976 I 149 ff., 246). Nach
Art. 34a Abs. 1 BVG und der Überschrift zu Art. 24 BVV 2 geht es beim Verbot
der Überentschädigung darum, ungerechtfertigte Vorteile zu verhindern. Die
versicherte Person soll finanziell nicht besser-, sondern höchstens so gestellt
werden, wie wenn sich das Risiko Invalidität nicht verwirklicht hätte (BGE 126
V 97 E. 4e S. 99 f.; HÜRZELER, a.a.O., N. 2 zu Art. 34a BVG; RIEMER/
RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 124 Rz. 74).
Bei der Frage, welcher Arbeitsmarkt bei Wohnsitz im Ausland für die Ermittlung
des zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens im Sinne von Art. 24 Abs. 2
Satz 2 BVV 2 massgebend ist, soll und darf somit auch die gewohnte
Lebenshaltung vor und nach Eintritt der Invalidität berücksichtigt werden. Der
Mittelbedarf für eine Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener
Weise ist aber in einem Land mit bedeutend niedrigeren solchen Kosten
verglichen mit der Schweiz entsprechend geringer. Es liefe der
verfassungsmässigen Zielsetzung der Zweiten Säule und auch dem Normzweck der
Gleichbehandlung invalider Personen unter dem Gesichtspunkt der
Schadenminderungspflicht (vorne E. 5.2.2) zuwider, bei Wohnsitz in einem
solchen Land das zumutbarerweise
BGE 137 V 20 S. 30
noch erzielbare Erwerbseinkommen nach den dortigen Verhältnissen zu ermitteln,
jedenfalls wenn für die Festlegung des mutmasslich entgangenen Verdienstes auf
den schweizerischen Arbeitsmarkt abzustellen ist. Dies hat zumindest solange zu
gelten, als die ins Ausland gehenden, nach Art. 24 Abs. 2 BVV 2 anrechenbaren
Sozialversicherungsleistungen, insbesondere die Renten der Invaliden- und
Unfallversicherung, nicht an die Kaufkraft am Wohnsitz des Bezügers oder der
Bezügerin angepasst werden.
Für den Regelfall einer ohne Gesundheitsschaden weiterhin in der Schweiz
ausgeübten Erwerbstätigkeit spricht eine verfassungsorientierte Auslegung somit
dafür, auch bei Wohnsitznahme im Ausland das zumutbarerweise noch erzielbare
Erwerbseinkommen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 weiterhin bezogen auf
den schweizerischen Arbeitsmarkt zu ermitteln, wie den mutmasslich entgangenen
Verdienst (Art. 24 Abs. 1 BVV 2).

5.3 Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung heute noch in der Schweiz erwerbstätig und nicht bereits 2002,
erst 41-jährig, wieder in sein Heimatland Portugal zurückgekehrt wäre. Er hat
jedenfalls den von der Beschwerdegegnerin in der Überentschädigungsberechnung
als mutmasslich entgangenen Verdienst eingesetzten Betrag von Fr. 74'416.-,
entsprechend dem von der IV-Stelle ermittelten, an die Nominallohnentwicklung
angepassten Valideneinkommen nicht bestritten (vorne E. 3). Somit ist in der
Überentschädigungsberechnung ab 1. Juli 2008 das zumutbarerweise noch
erzielbare Erwerbseinkommen nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 auf den
schweizerischen Arbeitsmarkt bezogen zu ermitteln.