Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 V 143



Urteilskopf

137 V 143

20. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kanton Bern
gegen Kanton Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_930/2010 vom 30. März 2011

Regeste

Art. 13, Art. 14 Abs. 1 und Art. 30 ZUG; Kostenersatzpflicht des Wohnkantons
für vom Aufenthaltskanton im Rahmen der Unterstützung eines Bedürftigen im
Notfall übernommenen Kosten eines Sanitätstransports.
Eine kantonale Praxis, nach erfolglosem Versuch des Leistungserbringers, die
Transportkosten bei der unterstützten Person auf betreibungsrechtlichem Weg
einzufordern (Erhalt eines Verlustscheins), von der Bedürftigkeit der Person
auszugehen, verletzt weder den bundesrechtlichen Begriff der Bedürftigkeit noch
das Subsidiaritätsprinzip staatlicher Unterstützungsleistungen. Umfang der
diesbezüglichen Abklärungspflicht des Aufenthaltskantons (E. 3 und 4).

Sachverhalt ab Seite 144

BGE 137 V 143 S. 144

A. Der Sanitätsdienst Schutz & Rettung (eine Dienstabteilung des
Polizeidepartements der Stadt Zürich) transportierte die 1956 geborene, in Bern
wohnhafte M. am 31. Januar 2009 notfallmässig von der Strasse X. zum Spital Y.,
was Kosten in der Höhe von Fr. 592.50 verursachte. Am 26. Februar 2009 ersuchte
der Sanitätsdienst das Sozialamt des Kantons Zürich vorsorglich um
Kostengutsprache für diesen Transport. Nachdem die Forderung über Fr. 592.50
bei M. nicht einbringlich war, da am 15. Dezember 2009 aus dem
Betreibungsverfahren ein Verlustschein resultierte, bat der Sanitätsdienst das
Sozialamt um definitive Kostenübernahme (Schreiben vom 21. Dezember 2009).
Dieses zeigte den Unterstützungsfall mit dem Gesuch um Erstattung der Kosten
für den Sanitätstransport am 15. Januar 2010 dem Kanton Bern an.
Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern erhob Einsprache gegen
das Kostenersatzgesuch des Kantons Zürich mit der Begründung, der Kanton Bern
sei hinsichtlich dieses Transports nicht kostenersatzpflichtig. Zwar sei M. im
Kanton Bern wohnhaft, sie sei jedoch weder zum Zeitpunkt des Sanitätseinsatzes
noch zum Zeitpunkt der Unterstützungsanzeige noch zum jetzigen Zeitpunkt
bedürftig. Die Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug von Sozialhilfe seien nicht
erfüllt, weshalb sie vom Sozialdienst der Stadt Bern auch nicht unterstützt
werde. In Abweisung der Einsprache bejahte die Sicherheitsdirektion des Kantons
Zürich mit Verfügung vom 1. Juni 2010 die Kostenersatzpflicht des Kantons Bern.

B. Die hiegegen erhobene Beschwerde des Kantons Bern wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. September 2010 ab.

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Kanton Bern die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der Verfügung vom
1. Juni 2010.
Der Kanton Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
BGE 137 V 143 S. 145

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Wenn ein Kanton als Gemeinwesen gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG als
Rechtsmittelträger handeln will, obliegt seine prozessuale Vertretung in der
Regel dem Regierungsrat als oberster Exekutivbehörde, welche den Kanton von
Verfassungs wegen nach aussen vertritt. Will eine nachgeordnete Behörde namens
des Kantons Beschwerde führen, hat sie ihre Vertretungsbefugnis explizit
darzutun, sei es durch einen entsprechenden speziellen Ermächtigungsbeschluss
der Kantonsregierung oder durch Angabe der sie zur Prozessführung namens des
Kantons berechtigenden kantonalen Vorschriften (BGE 135 II 12 E. 1.2.3 S. 16;
BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48; vgl. auch Urteil 2C_805/2008 vom 3. Februar 2009
E. 2.2.1). Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern ist gestützt
auf die in der Beschwerde genannten Art. 47 Abs. 1 und Art. 28 des Gesetzes vom
20. Juni 1995 über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung
(OrG; BSG 152.01) zur prozessualen Vertretung des Kantons berechtigt (vgl. BGE
136 V 351 E. 2.4 mit Hinweisen).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit sich der
angefochtene Entscheid auf Quellen des kantonalen Rechts stützt, welche nicht
in Art. 95 lit. c-e BGG genannt werden, beschränkt sich die Überprüfung durch
das Bundesgericht demgegenüber thematisch auf die erhobenen und begründeten
Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG) und inhaltlich auf die Frage, ob die Anwendung des
kantonalen Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht
dabei eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte, insbesondere des
Willkürverbots nach Art. 9 BV. Was die Feststellung des Sachverhalts anbelangt,
kann gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG nur gerügt werden, diese sei offensichtlich
unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG (BGE 135 V 94
E. 1 S. 95 mit Hinweis).

1.3 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verletze direkt und
durch eine fehlerhafte Anwendung von kantonalem Recht Bundesrecht (Art. 2 des
Bundesgesetzes vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung
Bedürftiger [Zuständigkeitsgesetz, ZUG; SR 851.1] in Verbindung mit § 14 des
Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 [SHG; LS 851.1] sowie
Art. 13 in Verbindung mit Art. 30 ZUG). Diese Rügen sind
BGE 137 V 143 S. 146
zulässig und werden - soweit sie eine Verletzung kantonalen Rechts betreffen -
in einer den Anforderungen an die qualifizierte Rügepflicht nach Art. 106 Abs.
2 BGG genügenden Weise substanziiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1 Bedürftige werden von ihrem Wohnkanton unterstützt (Art. 115 erster Satz
BV). Der Bund regelt die Ausnahmen und Zuständigkeiten (Art. 115 zweiter Satz
BV). Dabei kann er insbesondere den Rückgriff auf einen früheren Wohnkanton
oder den Heimatkanton regeln (so noch ausdrücklich Art. 48 Abs. 2 aBV).

2.2 Das Zuständigkeitsgesetz bestimmt, welcher Kanton für die Unterstützung
eines Bedürftigen, der sich in der Schweiz aufhält, zuständig ist. Es regelt
den Ersatz von Unterstützungskosten unter den Kantonen (Art. 1 Abs. 1 und 2
ZUG). Bedürftig ist, wer für seinen Lebensunterhalt nicht hinreichend oder
nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann. Die Bedürftigkeit wird
nach den am Unterstützungsort geltenden Vorschriften und Grundsätzen beurteilt
(Art. 2 Abs. 1 und 2 ZUG). Ist ein Schweizer Bürger ausserhalb seines
Wohnkantons auf sofortige Hilfe angewiesen, so muss der Aufenthaltskanton ihm
diese leisten (Art. 13 Abs. 1 ZUG). Ferner vergütet der Wohnkanton dem
Aufenthaltskanton, der einen Bedürftigen im Notfall unterstützt, die Kosten der
notwendigen und der in seinem Auftrag ausgerichteten weiteren Unterstützung
sowie die Kosten der Rückkehr des Unterstützten an den Wohnort (Art. 14 Abs. 1
ZUG). Schliesslich muss der Aufenthaltskanton, der einen Bedürftigen im Notfall
unterstützt und dafür vom Wohnkanton die Erstattung der Kosten verlangt, diesem
den Unterstützungsfall sobald als möglich anzeigen (Art. 30 Abs. 1 ZUG).

3.

3.1 Nicht streitig ist, dass M. am 31. Januar 2009 auf sofortige Nothilfe
angewiesen war, welche der Aufenthaltskanton Zürich in Form des
Sanitätstransports geleistet hatte, und dass die Unterstützung Bedürftiger im
Notfall die Kostenersatzpflicht des Wohnkantons auslöst (Art. 14 Abs. 1 ZUG).
Uneins sind die Parteien hingegen hinsichtlich der Frage, ob M. dannzumal als
bedürftig im Sinne von Art. 2 Abs. 1 ZUG galt, sowie über den Umfang der
diesbezüglichen Abklärungspflicht des Aufenthaltskantons.

3.2 Vorinstanz und Beschwerdegegner stellen sich auf den Standpunkt, der
Aufenthaltskanton habe nicht sämtliche denkbaren
BGE 137 V 143 S. 147
Drittansprüche am Wohnort der unterstützten Person zu überprüfen, zumal die
Behörden eines Kantons oftmals keine Handhabe hätten, Drittansprüche (in Form
von Versicherungs- oder Ergänzungsleistungen) in einem andern Kanton
durchzusetzen. Die Uneinbringlichkeit der Forderung über Fr. 592.50 sei mit dem
ausgestellten Verlustschein hinreichend belegt und es sei mit dem
Sozialhilferecht des Kantons Zürich vereinbar, diesfalls von der Bedürftigkeit
einer unterstützten Person auszugehen.

3.3 Demgegenüber erachtet der Beschwerdeführer die sozialhilferechtlichen
Grundsätze und Vorschriften des Kantons Zürich, namentlich § 14 SHG in
Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 ZUG verletzt, indem der Kanton Zürich für die
Annahme der Bedürftigkeit die Ausstellung des entsprechenden Verlustscheins im
betreibungsrechtlichen Verfahren genügen liess und insbesondere keine
Beurteilung der Bedürftigkeit in Form eines Ausgaben- und Einnahmenvergleichs
nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe
(SKOS-Richtlinien) vorgenommen habe. Aus dem Subsidiaritätsprinzip der
Sozialhilfe ergäbe sich im Weiteren, dass den fallführenden Aufenthaltskanton
auch hinsichtlich der möglichen Versicherungs- oder
Ergänzungsleistungsansprüche von M. auf Übernahme der medizinischen
Rettungskosten eine Abklärungspflicht treffe, die hier verletzt sei.

3.4 Das Zuständigkeitsgesetz legt nicht fest, welche Aufwandpositionen unter
welchen Umständen und in welcher Höhe innerkantonal über die wirtschaftliche
Sozialhilfe abzudecken sind, was auch nicht geltend gemacht wird. Indem sich
die Beurteilung der Bedürftigkeit nach den geltenden Vorschriften und
Grundsätzen des Unterstützungsortes richtet (Art. 2 Abs. 2 ZUG), wird die
Einwendung des kostenersatzpflichtigen Kantons, nach seinen Vorschriften und
Grundsätzen werde die unterstützte Person nicht als bedürftig betrachtet oder
gehöre die in Frage stehende Leistung nicht zum Aufgabenkreis der öffentlichen
Sozialhilfe, ausgeschlossen (vgl. WERNER THOMET, Kommentar zum Bundesgesetz
über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], 2. Aufl. 1994,
N. 66 zu Art. 2 ZUG). Die betreffende Bestimmung erlaubt dem in Anspruch
genommenen Kanton anderseits, die Beteiligung an einer Leistung abzulehnen,
wenn der unterstützende Kanton bei der Beurteilung der Bedürftigkeit seine
eigenen Vorschriften oder Grundsätze missachtet hat (THOMET, a.a.O., N. 66 zu
Art. 2 ZUG), wovon - wie erwähnt - der Kanton Bern ausgeht.
BGE 137 V 143 S. 148

3.5 § 14 SHG in Verbindung mit § 16 der Sozialhilfeverordnung des Kantons
Zürich vom 21. Oktober 1981 (SHV; LS 851.11) sieht vor, dass, wer für seinen
Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht
hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, Anspruch
auf wirtschaftliche Hilfe hat. Die wirtschaftliche Hilfe soll das soziale
Existenzminimum gewährleisten, das neben den üblichen Aufwendungen für den
Lebensunterhalt auch individuelle Bedürfnisse angemessen berücksichtigt. Sie
hat die notwendige ärztliche oder therapeutische Behandlung und die notwendige
Pflege in einem Spital, in einem Heim oder zu Hause sicherzustellen (§ 15 Abs.
1 und 2 SHG). Sind Leistungen Dritter sicherzustellen, erteilt die
Fürsorgebehörde in der Regel Gutsprache (§ 16 Abs. 3 erster Satz SHG), wobei
sich die zuständige Behörde mit der Gutsprache verpflichtet, die Kosten
notwendiger Leistungen zu übernehmen, soweit dafür keine Kostendeckung besteht
(§ 19 Abs. 1 SHV).

3.6

3.6.1 Die Hilfe richtet sich nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des
Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen, wobei sie andere gesetzliche
Leistungen sowie die Leistungen Dritter und sozialer Institutionen
berücksichtigt (§ 2 Abs. 1 und 2 SHG). Grundlage für die Bemessung der
wirtschaftlichen Hilfe bilden gemäss § 17 SHV die SKOS-Richtlinien in der 4.
überarbeiteten Ausgabe April 2005 mit den Ergänzungen 12/05, 12/07 und 12/08.
Vorbehalten bleiben begründete Abweichungen im Einzelfall (§ 17 Abs. 1 SHV).

3.6.2 Wie die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe einleitend zu ihren
Richtlinien festhält, gelten diese für alle längerfristig unterstützten
Personen (einschliesslich anerkannte Flüchtlinge), die in Privathaushalten
leben und die fähig sind, den damit verbundenen Verpflichtungen nachzukommen.
Sie können daher auf nur vorübergehend unterstützte Personen oder auf Personen
ohne eigenen Haushalt lediglich sinngemäss und entsprechend der individuellen
Situation angewendet werden. Insoweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von
§ 14 SHG auf eine fehlende Beurteilung der Bedürftigkeit der unterstützten
Person durch die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben nach den
SKOS-Richtlinien geltend macht, ist dies demnach nicht stichhaltig, da in der
vorliegenden Situation sowohl die SKOS-Richtlinien als auch das kantonale
Sozialhilfegesetz (§ 2 Abs. 1 SHG) Spielraum für eine situationsbezogene,
individuelle Hilfe zulassen. Der Beschwerdeführer legt denn auch
BGE 137 V 143 S. 149
nicht näher dar, inwiefern der Beschwerdegegner sein diesbezügliches, auf
kantonalem Recht beruhendes Ermessen in bundesrechtswidriger Weise
überschritten hat.

3.7

3.7.1 Mit Blick auf die weiter geltend gemachte Verletzung des
Subsidiaritätsprinzips und der damit zusammenhängenden Frage der Abklärung
bestehender Ansprüche der unterstützten Person Dritten gegenüber ist
unbestritten, dass sowohl hinsichtlich der Nothilfe nach Art. 12 BV als auch im
Rahmen der kantonal geregelten Sozialhilfe der Grundsatz der Subsidiarität gilt
(vgl. etwa BGE 131 I 166 E. 4.1 S. 173 mit Hinweisen sowie CHRISTOPH HÄFELI,
Prinzipien der Sozialhilfe, in: Das Schweizerische Sozialhilferecht, derselbe
[Hrsg.], 2008, S. 73 ff.). Die unterstützte Person ist in Ausschöpfung des
Subsidiaritätsprinzips verpflichtet, Leistungsansprüche Dritten gegenüber
geltend zu machen. Auch Leistungen Dritter, auf welche kein durchsetzbarer
Rechtsanspruch besteht, die aber tatsächlich erbracht werden, gehen dem
Leistungsanspruch gegenüber dem Staat vor (vgl. HÄFELI, a.a.O., S. 73). Nach
den (vorliegend, wie dargelegt [E. 3.6.2], nur sinngemäss anwendbaren)
SKOS-Richtlinien (Ziff. E. 2.1 "Grundsatz und Freibeträge") ist -
dementsprechend - die Verwertung von Bank- und Postcheckguthaben, Aktien,
Obligationen, Forderungen, Wertgegenständen, Liegenschaften und anderen
Vermögenswerten Voraussetzung für die Gewährung von materieller Hilfe. Für die
Beurteilung der Bedürftigkeit sind die tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig
realisierbaren Mittel massgebend.

3.7.2 Der Vorstand der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe hat sich,
worauf das kantonale Gericht bereits hinwies, im April 2004 hinsichtlich der
Frage der Kostendeckung im Rahmen der Sozialhilfe bei Rettungseinsätzen
dahingehend geäussert, dass nur Unterstützungen im Notfall gemäss Art. 30 ZUG
angezeigt werden solen, die die Sozialhilfe betreffen. Es müsse zuerst
abgeklärt werden, ob Versicherungen etc. den medizinischen Notfall abdecken
würden. Der Aufenthaltskanton habe dem Wohnkanton eine Unterstützungsanzeige in
Notfällen erst dann zuzustellen, wenn aufgrund eines Notfalls eine
Unterstützung mittels Sozialhilfe tatsächlich erfolgen müsse und somit
Bedürftigkeit bestehe (Zeitschrift für Sozialhilfe [ZeSo] 2004 S. 75 f.).

3.8

3.8.1 Hinsichtlich dieses Einwands der unterlassenen Abklärung, ob Ansprüche
gegenüber Dritten zur Kostenvergütung des
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Sanitätstransports bestünden, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass
Behörden im Aufenthaltskanton oftmals nicht legitimiert sein dürften und auch
keine weitere Handhabe vorliegt, von Dritten Zahlungen zu verlangen oder gar
durchzusetzen. Zudem sieht sich der im Notfall handelnde Kanton einer Situation
gegenüber, in der er meist kurzfristig handeln muss, zumal die Notfallhilfe
ausserhalb des Wohnkantons regelmässig nur auf kurze Zeit ausgerichtet ist
(THOMET, a.a.O., S. 125 N. 189 zu Art. 13 ZUG), weshalb dieser - zumindest vor
Erteilung der zur Übernahme der notfallbedingten Krankheitskosten
verpflichtenden Gutsprache gemäss § 19 SHV - kaum die Möglichkeit umfassender
Abklärungen über die Leistungspflicht Dritter haben wird (vgl. Urteil 2A.485/
2005 vom 17. Januar 2006 E. 2.5).
Damit übereinstimmend hat die Vorinstanz in einem von ihr zu beurteilenden Fall
(Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2005.00530 vom 11.
Januar 2006), bei dem sich innerkantonal zwei Gemeinden über die Ersatzpflicht
der Kosten einer am Aufenthaltsort medizinisch betreuten Person stritten, die
erfolglose Mahnung und Betreibung mit Erhalt eines Verlustscheins als
genügenden Nachweis der Bedürftigkeit gewertet, was die Kostenersatzpflicht der
Heimatgemeinde begründete. Mit dem Vorgehen des Sozialamtes des Kantons Zürich,
jeweils dann definitiv Gutsprache zu erteilen, wenn der Leistungserbringer die
Uneinbringlichkeit seiner Forderung nachweist, da es diesfalls zugunsten des
Leistungserbringers, welcher die Notfallhilfe nicht verweigern kann, die
Bedürftigkeit der unterstützten Person annimmt, wird weder Bundesrecht verletzt
noch kantonales Recht willkürlich angewendet.

3.8.2 Mit dem Sinn und Zweck einer vom Aufenthaltskanton geleisteten - zeitlich
und sachlich dringenden - Hilfe nach Art. 13 Abs. 1 ZUG ist es daher vereinbar,
wenn das kantonale Gericht vorliegend zum Schluss gelangte, die weitergehende
Abklärungspflicht über das Bestehen allfälliger Drittansprüche obliege dem
kostenersatzpflichtigen Wohnkanton. In die gleiche Richtung zielt die
Bestimmung von Art. 26 Abs. 1 ZUG. Danach ist es Sache der Behörden und
Gerichte des Kantons, der zur Zeit der Unterstützung Wohnkanton war,
Rückerstattungsansprüche gegenüber dem Unterstützten und seinen Erben geltend
zu machen.
Ob hier allenfalls Dritte zur entsprechenden Kostenvergütung verpflichtet
werden können, hat demnach in Anlehnung an Art. 26 Abs. 1
BGE 137 V 143 S. 151
ZUG der Kanton Bern als Wohnkanton abzuklären, wobei er hinsichtlich der
entsprechenden Ansprüche im Umfang seines gegenüber dem Kanton Zürich
geleisteten Kostenersatzes beim Versicherer die Auszahlung an ihn verlangen
kann (vgl. Art. 40 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Bern vom 11. Juni 2001 über
die öffentliche Sozialhilfe [Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1]).

4. Es steht nach dem Gesagten in Einklang mit dem bundesrechtlichen (und
kantonalen) Begriff der Bedürftigkeit, wenn davon ausgegangen wird, dass die
unterstützte Person bei Vorliegen eines Verlustscheins zumindest nicht
rechtzeitig aus (tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren)
eigenen Mitteln zur Begleichung der Unterstützungskosten aufkommen kann, was
die Kostenersatzpflicht des Wohnkantons nach Art. 14 Abs. 1 ZUG begründet. Die
erbrachten Leistungen sind somit - auch im Lichte des Umstands, dass das im
materiellen Sozialhilferecht vorherrschende Individualisierungsprinzip der
zuständigen Sozialhilfebehörde einen weiten Beurteilungs- und
Ermessensspielraum verleiht (zur Voraussetzung der relativ erheblichen
Entscheidungsfreiheit im Bereich der Sozialhilfe vgl. Urteile 2P.16/2006 vom 1.
Juni 2006 E. 2.2 und 2P.230/2005 vom 10. Juli 2006 E. 2.3) - gesetzeskonform.
Mithin hat der Beschwerdegegner dem Grundsatz der Subsidiarität staatlicher
Unterstützungsleistungen mit dem erfolglosen Versuch des Leistungserbringers,
die Transportkosten bei der Unterstützten auf dem betreibungsrechtlichen Weg
einzubringen, hinreichend Rechnung getragen, zumal als Ergebnis des
Pfändungsvollzugs angegeben wurde, dass kein pfändbares Vermögen vorliege sowie
kein künftiger Lohn gepfändet werden könne und die ledige Schuldnerin einzig
eine unpfändbare Rente der Invalidenversicherung von monatlich Fr. 1'550.-
beziehe sowie von ihren Eltern unterstützt werde. Bei der hier offensichtlich
fehlenden Liquidität und Bonität der unterstützten Person wird auch den
Darlegungen der Sozialhilfekonferenz von April 2004 insoweit entsprochen, als
damit die Bedürftigkeit zu bejahen ist und die Notfallanzeige nicht bloss rein
vorsorglich ohne nähere Abklärung zur Bedürftigkeit der Notfallhilfe
beanspruchenden Person erfolgte.
Der Wohnkanton Bern hat dem Aufenthaltskanton Zürich somit die Kosten der
Notfallunterstützung nach der im Zuständigkeitsgesetz enthaltenen Regelung zu
vergüten.