Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 IV 57



Urteilskopf

137 IV 57

7. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_460/2010 vom 4. Februar 2011

Regeste

Art. 49 Abs. 2 StGB; Gleichartigkeit der Strafen bei retrospektiver Konkurrenz.
Die Bildung einer Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB ist bei nicht
gleichartigen Strafen nicht möglich. Diese sind kumulativ zu verhängen, da das
Asperationsprinzip nur greift, wenn mehrere gleichartige Strafen ausgesprochen
werden. Das gilt auch für die Bildung einer Zusatzstrafe bei retrospektiver
Konkurrenz nach Art. 49 Abs. 2 StGB. Demnach ist es ausgeschlossen, eine
Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe zu einer Geldstrafe als Grundstrafe
auszusprechen (E. 4.3).

Erwägungen ab Seite 58

BGE 137 IV 57 S. 58
Aus den Erwägungen:

4.

4.3

4.3.1 Die Vorinstanz fällte als Zusatzstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB
eine Freiheitsstrafe zu einer Geldstrafe als Grundstrafe aus. Ein solches
Vorgehen entspricht nicht den von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
entwickelten Grundsätzen für die Strafzumessung bei retrospektiver Konkurrenz.
Bedingung für eine Zusatzstrafe ist stets, dass die Voraussetzungen der
Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB erfüllt sind (BGE 102 IV 242 E. 4b mit
Hinweis). Danach sind ungleichartige Strafen kumulativ zu verhängen, weil das
Asperationsprinzip nur greift, wenn mehrere gleichartige Strafen ausgesprochen
werden. Die Bildung einer Gesamtstrafe ist bei ungleichartigen Strafen nicht
möglich (Urteil 6B_785/2009 vom 23. Februar 2010 E. 5.5 mit Hinweisen). Die
Praxis zu aArt. 68 StGB ist somit weiterhin massgebend. Gemäss dieser
Rechtsprechung mussten beide Strafen verhängt und konnte keine Gesamtstrafe
gebildet werden, wenn jemand einerseits mit einer Freiheitsstrafe und
anderseits mit einer Busse zu bestrafen war (BGE 102 IV 242 E. 5 mit
Hinweisen). Dies gilt gleichermassen nach neuem Recht, ungeachtet dessen, dass
durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Revision des Allgemeinen Teils
des Strafgesetzbuchs neue Strafarten hinzugekommen sind. Die Bildung einer
Gesamtstrafe - und mithin einer Zusatzstrafe - ist also nur möglich, wenn
mehrere Geldstrafen, mehrfache gemeinnützige Arbeit, mehrere Freiheitsstrafen
oder mehrere Bussen ausgesprochen werden (vgl. JÜRG-BEAT ACKERMANN, in: Basler
Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 37 zu Art. 49 StGB). Demnach
ist es ausgeschlossen, eine Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe zu einer
Geldstrafe auszusprechen. Aus dem nach aArt. 68 Ziff. 2 StGB ergangenen BGE 132
IV 102 E. 8.2, wonach der Zweitrichter in Bezug auf die Strafart nicht an den
rechtskräftigen ersten Entscheid gebunden ist, kann für das heutige Recht
nichts abgeleitet werden.

4.3.2 Als Zusatzstrafe zu der mit Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von
Thal-Gäu am 3. November 2009 ausgesprochenen Grundstrafe käme demzufolge nur
eine Geldstrafe in Betracht. Ist die Vorinstanz der Ansicht, es sei eine
Freiheitsstrafe zu verhängen, muss sie eine eigenständige Strafe bilden. Zudem
hat sie in diesem Falle hinreichend zu begründen, weshalb sie sich für eine
Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe entscheidet (vgl. dazu BGE 134 IV 97
E. 4.2 mit Hinweisen), und gegebenenfalls die Voraussetzung nach Art. 41 Abs. 1
StGB zu berücksichtigen.
BGE 137 IV 57 S. 59

4.3.3 Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Vorinstanz wird in ihrem
neuen Entscheid auch die Frage des bedingten Strafvollzugs abermals prüfen
müssen, da es bei der Beurteilung der Legalprognose auf die aktuellen
Verhältnisse des Beschwerdeführers ankommt (BGE 134 IV 1 E. 4.2.1 mit
Hinweisen). Es erübrigt sich, auf die Beschwerde in diesem Punkt näher
einzutreten.