Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 IV 189



Urteilskopf

137 IV 189

28. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Bundesanwaltschaft (Beschwerde in Strafsachen)
1B_412/2010 vom 4. April 2011

Regeste

Art. 13 BV; Art. 69 Abs. 1-3 BStP; Entsiegelung.
Aufgaben des Entsiegelungsrichters; Schutz der Privatsphäre und
Untersuchungsrelevanz von beschlagnahmten elektronischen Dateien (insbesondere
privaten Bilddateien); prozessuale Mitwirkungsobliegenheit der Betroffenen;
Bestätigung der Praxis; teilweise Gutheissung der Beschwerde (E. 2-5).

Sachverhalt ab Seite 190

BGE 137 IV 189 S. 190

A. Die Bundesanwaltschaft (BA) führte zwischen Oktober 2004 und August 2009 ein
gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen X. (als Hauptbeschuldigter)
und weitere Personen wegen des Verdachtes des gewerbsmässigen Anlagebetruges
und weiterer Delikte. Am 5. März 2007 dehnte die BA das Strafverfahren auf die
Ehefrau des Hauptbeschuldigten aus, welche der Geldwäscherei verdächtigt wird.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfolgten zwischen dem 6. und 8. März 2007
Hausdurchsuchungen in zwei Liegenschaften. Auf Einsprachen der von den
Zwangsmassnahmen betroffenen Beschuldigten hin wurden die beschlagnahmten
umfangreichen Dokumente und elektronischen Daten versiegelt.

B. Am 8. Mai 2007 stellte die BA beim Bundesstrafgericht das Gesuch um
Entsiegelung von beschlagnahmten Dokumenten und elektronischen Datenträgern und
um deren Freigabe zur Durchsuchung.

C. Mit prozessleitender Verfügung vom 23. Juli 2007 ordnete die I.
Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes an, dass der zuständige richterliche
Referent der Beschwerdekammer im Entsiegelungsverfahren eine Sichtung und
Triage der beschlagnahmten und versiegelten Dokumente und Dateien vorzunehmen
habe. Auf eine vom Hauptbeschuldigten dagegen erhobene Beschwerde trat das
Bundesgericht mit Urteil vom 15. Januar 2008 nicht ein (Verfahren 1B_200/2007).

D. Anlässlich der Entsiegelungsverhandlung vom 3. März 2008 unterzog der
zuständige Referent der Beschwerdekammer die beschlagnahmten Schriftdokumente
einer Sichtung und Triage. Die sichergestellten und versiegelten elektronischen
Daten wurden noch keiner richterlichen Triage unterzogen. Stattdessen wurde dem
Hauptbeschuldigten eine CD-ROM ausgehändigt, welche die Ordnerverzeichnisse der
Laufwerke der beschlagnahmten elektronischen Datenträger enthielt, und die
beiden von den Zwangsmassnahmen betroffenen Beschuldigten wurden aufgefordert,
der Beschwerdekammer mitzuteilen, innerhalb welcher Verzeichnisse sich
geheimnisgeschützte Daten befänden.

E. Nach erfolgtem Rückzug der betreffenden Einsprache entschied der Präsident
der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes mit rechtskräftiger Verfügung
vom 24. April 2008, dass die BA berechtigt sei, den Inhalt des elektronischen
Datenträgers HD Lacie 150 GB (Aufschrift "Trading Archive") zu durchsuchen.
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F. Am 5. September 2008 entschied das Bundesstrafgericht, I. Beschwerdekammer,
über die verbleibenden Gegenstände des Entsiegelungs- und Durchsuchungsgesuches
vom 8. Mai 2007. Die Beschwerdekammer wollte die Triage an die
Bundeskriminalpolizei delegieren.

G. Eine von der BA gegen den Entsiegelungsentscheid vom 5. September 2008
erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 27. Januar 2009
teilweise gut. Die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts wurde
angewiesen, die Triage (und nötigenfalls die Löschung) der fraglichen
elektronischen Dateien vorzunehmen und danach einen neuen Entscheid zu fällen
über die Zulässigkeit und den Umfang der Durchsuchung der sichergestellten
Daten und über die Kosten des Entsiegelungsverfahrens (Verfahren 1B_274/2008).

H. Am 27. August 2009 eröffnete das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt (auf
Antrag der BA hin) eine Voruntersuchung gegen die Beschuldigten.

I. Eine von der BA am 2. November 2009 gegen die I. Beschwerdekammer des
Bundesstrafgerichts erhobene Rechtsverzögerungsbeschwerde (wegen der noch
hängigen Entsiegelung) wies das Bundesgericht mit Urteil vom 8. März 2010 ab
(Verfahren 1B_316/2009).

J. Am 15. Februar 2010 erliess die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
einen ersten Entsiegelungs-Teilentscheid betreffend die elektronischen Dateien.
Er betraf 41'446 Textverarbeitungsdokumente (Dateitypen .doc, .pdf, .wpd, .rtf
und .txt), 99'441 Maildateien (der Dateitypen .ost, .dbx, .idx, .mbx, .eml und
.msg), 277'554 Bilddateien (Dateitypen .art, .bmp, .gif, .jpg, .png, .wmf und
.tif) sowie u.a. diverse FAX-Dateien (Dateityp .xls). Dagegen erhoben sowohl
die BA als auch der Hauptbeschuldigte Beschwerden, welche das Bundesgericht mit
Urteil vom 3. August 2010 (je wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der
Parteien) guthiess. Es hob den Teilentscheid vom 15. Februar 2010 auf und wies
das betreffende Verfahren an die Vorinstanz zurück zur Neubeurteilung und
ausreichenden Entscheidbegründung (Verfahren 1B_70/2010).

K. Am 28. Mai 2010 erliess die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
einen (separaten) zweiten Entsiegelungs-Teilentscheid betreffend die restlichen
elektronischen Dateien (Dateitypen .pst, .nsf und .zip). Die vom
Hauptbeschuldigten dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit
Urteil vom 22. September
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2010 teilweise gut. Es entschied, dass 50 Dokumente (des Dateityps .pst)
zusätzlich von der Entsiegelung auszunehmen und den Strafverfolgungsbehörden
nicht zur Verfügung zu stellen sind. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab,
soweit es darauf eintrat (Verfahren 1B_212/2010). Dieser Teilentscheid ist in
Rechtskraft erwachsen.

L. Am 12. November 2010 entschied die I. Beschwerdekammer des
Bundesstrafgerichts (im Neubeurteilungsverfahren) über das noch hängige
Entsiegelungsgesuch (vgl. oben, lit. J). Sie hiess das Gesuch teilweise gut und
bewilligte die Herausgabe von Dateien (auf einem externen Laufwerk) an die BA.

M. Gegen den Entsiegelungs- und Herausgabeentscheid vom 12. November 2010
gelangte X. mit Beschwerde vom 10. Dezember 2010 an das Bundesgericht. Er
beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
Mit Verfügung vom 18. Januar 2011 bewilligte das Bundesgericht das Gesuch um
aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Die BA beantragt die teilweise
Gutheissung der Beschwerde. Das Bundesstrafgericht beantragt deren vollständige
Abweisung. Der Beschwerdeführer replizierte am 2. Februar 2011.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf
eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes erwogen:

2.1 Der Tatverdacht gegen die Beschuldigten sei bereits in früheren Urteilen
des Bundesgerichtes und des Bundesstrafgerichtes bestätigt worden und weiterhin
zu bejahen. Auch die in Art. 69 Abs. 2 BStP (AS 50 685) verankerte weitere
Entsiegelungsvoraussetzung, wonach die beschlagnahmten Dateien für die
Untersuchung von Bedeutung sind, habe sie, die Beschwerdekammer, bereits in
einem Entscheid vom 23. Juli 2007 bejaht, "wenn auch in den Erwägungen nicht
ausdrücklich, so doch explizit im Ergebnis auch hinsichtlich der elektronischen
Datenträger".
Dass sich in den beschlagnahmten elektronischen Dateien untersuchungsrelevante
Informationen befänden, verstehe sich von selbst. Die untersuchten Geschäfte
des Hauptbeschuldigten hätten den Einsatz von Informatikmitteln zwingend
erfordert, und es sei
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gerichtsnotorisch, dass eine überwiegende Mehrzahl privater Schriftstücke
heutzutage elektronisch erstellt werde. Nach erfolgter Bejahung der
grundsätzlichen Zulässigkeit der Durchsuchung (und sofern keine gesetzlichen
Ausschlussgründe wie Berufsgeheimnisse vorliegen) sei es Sache der
Untersuchungsbehörde zu entscheiden, welche einzelnen beschlagnahmten Dateien
für die Untersuchung von Belang sind und welche nicht. Nach erfolgter
Durchsuchung habe die untersuchende Strafbehörde selber Gegenstände, die keinen
Zusammenhang mit der Untersuchung aufweisen, umgehend an die Inhaber
auszuhändigen. Zwar sei es unvermeidlich, dass auch Gegenstände beschlagnahmt
werden können, die mit dem Strafverfahren nicht in Zusammenhang stehen. "Die
konkrete Relevanz einzelner sichergestellter Papiere und elektronischer Daten"
sei "deswegen aber nicht durch die I. Beschwerdekammer im
Entsiegelungsverfahren zu prüfen". Anders zu entscheiden heisse, dass man vom
Entsiegelungsrichter auch in äusserst komplexen Strafverfahren eigene
detaillierte Dossierkenntnisse verlangen würde. Erst eine solche ermögliche
eine Triage der versiegelten Dateien.

2.2 Zusammenfassend erwägt die Vorinstanz, sie habe Verteidigerkorrespondenz im
engeren Sinne sowie andere dem Anwaltsgeheimnis unterstehende Dateien von der
Entsiegelung ausgenommen. Die restlichen Dateien könnten hingegen den
Strafverfolgungsbehörden zur Durchsuchung überlassen werden. Dies gelte
insbesondere für sämtliche Bilddateien.

2.3 Was beschlagnahmte Aktphotos betrifft, stellt sich die Vorinstanz (in ihrer
Stellungnahme zur Beschwerde) auf den Standpunkt, es sei nicht ihre Aufgabe,
sondern Sache der Untersuchungsbehörde, die vom Beschwerdeführer geltend
gemachten Persönlichkeitsrechte "grösstmöglich zu schonen". Bei den streitigen
Aktphotos gehe es auch (bloss) um die Frage der Untersuchungsrelevanz.

3. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe (in Verletzung von
Art. 69 Abs. 2 BStP und entgegen den Vorgaben im Urteil des Bundesgerichtes vom
3. August 2010) die Untersuchungsrelevanz der entsiegelten Dateien (erneut)
nicht geprüft. Ausser den als vom Anwaltsgeheimnis geschützt eingestuften
elektronischen Dokumenten wolle die Beschwerdekammer alle übrigen Dateien zu
Untersuchungszwecken herausgeben. Nicht untersuchungsrelevant seien zum
Beispiel jene "Klientendoppel oder Aktenkopien, die sich ohnehin schon längst
bei den Akten der Bundesanwaltschaft befinden". Auch bei den insgesamt 277'554
Bilddateien sei die
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Relevanz in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand zu prüfen bzw. seien
offensichtlich irrelevante Dateien auszuscheiden. Dies gelte insbesondere für
persönliche Aktphotos. Deren Herausgabe an die Untersuchungsbehörde würde eine
gravierende Persönlichkeitsverletzung der Betroffenen nach sich ziehen. Dass
die Vorinstanz sich der Praxis und den justiziellen Anweisungen des
Bundesgerichtes widersetze und sie zu Unrecht kritisiere, sei befremdlich.

4. Gegenstände, die im Bundesstrafprozess als Beweismittel von Bedeutung sein
können, sind mit Beschlag zu belegen und zu verwahren (Art. 65 Abs. 1 BStP).
Die Durchsuchung von Papieren ist mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse
und unter Wahrung allfälliger Berufsgeheimnisse (etwa des Anwaltsgeheimnisses
gemäss Art. 77 BStP) durchzuführen (Art. 69 Abs. 1 BStP). Insbesondere sollen
Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften
darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 69 Abs. 2
BStP). Nach der Praxis des Bundesgerichts ist Art. 69 BStP auf elektronische
Dateien analog anwendbar (vgl. BGE 130 II 193 E. 2.1 S. 195, E. 4.2 S. 197 mit
Hinweisen; Urteile 1B_70/2010 vom 3. August 2010 E. 4; 1B_274/2008 vom 27.
Januar 2009 E. 6.1; 1B_104/2008 vom 16. September 2008 E. 2 und 3).

4.1 Dem Inhaber beschlagnahmter Gegenstände ist womöglich Gelegenheit zu geben,
sich vor der Durchsuchung über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die
Durchsuchung Einsprache, so werden die Gegenstände versiegelt und verwahrt. In
diesem Falle entscheidet über die Zulässigkeit der Durchsuchung bis zur
Hauptverhandlung die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 69 Abs. 3
BStP). Für entsprechende (altrechtliche) Zwangsmassnahmenentscheide ist die I.
Beschwerdekammer zuständig (Art. 9 Abs. 2 des Reglementes vom 20. Juni 2006
über das Bundesstrafgericht [AS 2006 4459] i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. b SGG [AS
2003 2133]). Nach Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO (SR 312.0) entscheidet über
neurechtliche Entsiegelungen im Vorverfahren das Zwangsmassnahmengericht (Art.
65 StBOG [SR 173.71]). Dieses kann zur Prüfung des Inhalts der Aufzeichnungen
und Gegenstände sachverständige Personen beiziehen (Art. 248 Abs. 4 StPO).

4.2 Wenn die zuständige Ermittlungs- bzw. Untersuchungsbehörde die Entsiegelung
und Freigabe von versiegelten Dokumenten und Daten zu Strafverfolgungszwecken
beantragt, leitet die Beschwerdekammer das richterliche Entsiegelungsverfahren
ein (vgl.
BGE 137 IV 189 S. 195
BGE 132 IV 63 E. 4 S. 65 ff.). Falls eine Durchsicht als grundsätzlich zulässig
erachtet wird, entfernt der zuständige Richter das Siegel, und es erfolgt eine
Sichtung der Daten und Gegenstände (sog. richterliche Triage). Der
Entsiegelungsrichter hat zu prüfen, welche Gegenstände für eine Verwendung
durch die Strafverfolgungsbehörden in Frage kommen und welche ausscheiden (BGE
132 IV 63 E. 4.3 S. 66). Zur Erleichterung der Triage kann der Richter
geeignete Sachkundige beiziehen, was namentlich dem Schutz von Geheimnis- und
Persönlichkeitsrechten sowie der Nachachtung des
Verhältnismässigkeitsgrundsatzes dienen kann (BGE 132 IV 63 E. 4.2-4.3 S. 66
f.; Art. 248 Abs. 4 StPO). Dabei hat der Entsiegelungsrichter die notwendigen
Vorkehren zu treffen, um eine unzulässige bzw. verfrühte Einsicht in die
fraglichen Daten und Dokumente durch Drittpersonen, insbesondere Ermittlungs-
und Untersuchungsbeamte, zu vermeiden (BGE 132 IV 63 E. 4.2 S. 65 f., E. 4.6 S.
67 f.; Urteile 1B_200/2007 vom 15. Januar 2008 E. 2.6; 1S.5/2005 vom 6.
September 2005 E. 7.6). Betroffene, welche die Versiegelung beantragen bzw.
Durchsuchungshindernisse geltend machen, haben die prozessuale Obliegenheit,
den Entsiegelungsrichter bei der Sichtung und Klassifizierung von Dokumenten zu
unterstützen; auch haben sie jene Dateien zu benennen, die ihrer Ansicht nach
der Geheimhaltung unterliegen (vgl. BGE 132 IV 63 E. 4.5-4.6 S. 67 f.; Urteile
1B_70/2010 vom 3. August 2010 E. 4.1; 1B_274/2008 vom 27. Januar 2009 E. 6.5;
1B_200/2007 vom 15. Januar 2008 E. 2.6; 1S.5/2005 vom 6. September 2005 E.
7.6).

4.3 In einem letzten verfahrensabschliessenden Schritt entscheidet die
Beschwerdekammer (nach erfolgter Triage) definitiv über den Umfang der Daten
und Gegenstände, die der Strafverfolgungsbehörde zur weiteren prozessualen
Verwendung konkret überlassen werden können (Art. 69 Abs. 3 Satz 3 BStP; BGE
132 IV 63 E. 4.3 S. 66; Urteile 1B_70/2010 vom 3. August 2010 E. 4.1; 1B_274/
2008 vom 27. Januar 2009 E. 6.6; 1B_200/2007 vom 15. Januar 2008 E. 2.2).

5.

5.1 Die Kritik der Vorinstanz am rückweisenden Urteil des Bundesgerichtes
(1B_70/2010 vom 3. August 2010) und an der entsprechenden einschlägigen Praxis
vermag nicht zu überzeugen:

5.1.1 Dass zur Beweissicherung beschlagnahmte und versiegelte Dokumente und
Dateien grundsätzlich untersuchungsrelevant sein müssen, damit der
Entsiegelungsrichter sie zur weiteren
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Verwendung der Untersuchungsbehörde überlassen kann, ergibt sich aus dem Gesetz
(Art. 69 Abs. 2 BStP; s. auch Art. 246 und Art. 248 i.V.m. Art. 263 Abs. 1 lit.
a und Art. 264 Abs. 3 StPO) sowie aus dem verfassungsmässigen Grundsatz der
Verhältnismässigkeit (vgl. BGE 130 II 193 E. 4.2 S. 197 mit Hinweisen;
CATHERINE CHIRAZI, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse,
2011, N. 15 zu Art. 248 StPO; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches
Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 70 Rz. 22; THORMANN/BRECHBÜHL, in: Basler
Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 42-43 zu Art. 248 StPO;
BOMMER/GOLDSCHMID, ebenda, N. 15-17 zu Art. 263 StPO; ANDREAS J. KELLER, in:
Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, N. 44 zu Art. 248
StPO; STEFAN HEIMGARTNER, ebenda, N. 15 zu Art. 263 StPO). Entgegen der Ansicht
der Beschwerdekammer kann die notwendige richterliche Triage auch nicht der
Untersuchungsbehörde übertragen werden (Art. 69 Abs. 3 BStP i.V.m. Art. 28 Abs.
1 lit. b SGG; Art. 248 Abs. 3-4 StPO i.V.m. Art. 65 StBOG; vgl. auch schon
konnexes Urteil des Bundesgerichtes 1B_274/2008 vom 27. Januar 2009 E. 6-7).
Nicht nachvollziehbar ist sodann die Erwägung der Vorinstanz, sie habe die
Untersuchungsrelevanz der beschlagnahmten Dateien schon in ihrem
Zwischenentscheid vom 23. Juli 2007 "explizit im Ergebnis" geprüft und bejaht.
Wie sich aus den Akten ergibt, ist die richterliche Triage der fraglichen
elektronischen Dateien erst ab September 2009 erfolgt. Im genannten
Zwischenentscheid entschied die Vorinstanz, wer die Sichtung und Triage der
beschlagnahmten und versiegelten Dokumente und Daten vorzunehmen habe (vgl.
dazu konnexe Bundesgerichtsurteile 1B_316/2009 vom 8. März 2010 E. 3-4; 1B_200/
2007 vom 15. Januar 2008; s. auch schon Urteil 1B_70/2010 vom 3. August 2010 E.
5 in fine und E. 6.1).

5.1.2 Dass es sich im vorliegenden Fall um grosse beschlagnahmte Datenmengen
handelt, ändert an der Zuständigkeit der Vorinstanz zur Triage nichts. Auch bei
komplexen Datenmengen muss der Entsiegelungsrichter die ihm vom Gesetz
zugewiesene Aufgabe wahrnehmen und (zumindest) offensichtlich irrelevante
Dateien von der Entsiegelung bzw. Herausgabe an die Untersuchungsbehörde
aussondern. Dies gilt umso mehr, als er (nach der dargelegten Praxis des
Bundesgerichtes) zur Triage grosser Datenmengen technische Experten und
Hilfsmittel beiziehen kann (vgl. auch Art. 248 Abs. 4 StPO). Entgegen der
Ansicht der Vorinstanz kann sich der Entsiegelungsrichter dieser Aufgabe nicht
mit dem Argument entledigen,
BGE 137 IV 189 S. 197
er habe selber keine detaillierten Dossierkenntnisse: Schon in ihrem
Entsiegelungsgesuch hat die Untersuchungsbehörde darzulegen, inwiefern die von
ihr beschlagnahmten Dateien grundsätzlich verfahrenserheblich seien (BGE 130 II
193 E. 4.2 S. 197 mit Hinweisen). Sodann kann der Entsiegelungsrichter für die
Triage (falls nötig) auch Untersuchungsbeamte bzw. schriftliche Auskünfte der
Untersuchungsbehörde beiziehen, um die Sichtung zu erleichtern (vgl. oben, E.
4.2, sowie Art. 248 Abs. 4 StPO). Weiter gehört es zu den prozessualen
Mitwirkungsobliegenheiten der die Versiegelung beantragenden Einsprecher, die
Dateien zu nennen, die ihrer Ansicht nach nicht untersuchungserheblich sind
oder denen andere Entsiegelungshindernisse entgegenstehen (vgl. oben, E. 4.2).
Aus diesen Gründen braucht der Entsiegelungsrichter (gerade bei grossen
Datenmengen) in der Regel gar nicht sämtliche Dateien detailliert zu sichten.
Im Übrigen hat die Vorinstanz (mit Hilfe von Experten der Bundeskriminalpolizei
und unter erheblichem sachlichem und zeitlichem Aufwand) eine technische
Infrastruktur zur richterlichen Triage grosser elektronischer Datenmengen
aufgebaut (vgl. Urteile 1B_316/2009 vom 8. März 2010 E. 3-4; 1B_70/2010 vom 3.
August 2010 E. 6.2). Das Entsiegelungsverfahren ist seit knapp vier Jahren bei
der Beschwerdekammer hängig.

5.2 Der Beschwerdeführer wehrt sich zunächst gegen die Entsiegelung und
Herausgabe von Aktphotos zu Strafverfolgungszwecken. Er rügt in diesem
Zusammenhang Verstösse gegen Art. 69 BStP sowie eine gravierende
Persönlichkeitsverletzung.

5.2.1 Die Bundesanwaltschaft stimmt dem Beschwerdeführer ausdrücklich zu, dass
die Durchsuchung von Dateien mit diversen sehr persönlichen Aktphotos der
Wahrheitsfindung nicht diene. Sie beantragt diesbezüglich die teilweise
Gutheissung der Beschwerde (und verzichtet insofern auf Entsiegelung). Was die
Eingrenzung der fraglichen auszusondernden Dateien betrifft, verweist sie auf
die konkrete Auflistung des Beschwerdeführers auf Seite 6 (Ziff. 8) der
Beschwerdeschrift. Die Vorinstanz beantragt hingegen auch in diesem Punkt die
Abweisung der Beschwerde.

5.2.2 Gemäss Art. 69 Abs. 1 BStP ist die Durchsuchung von Dokumenten und
Dateien "mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse" durchzuführen. Jede
Person hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz ihrer Privatsphäre
und auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten (Art. 13 BV). Durchsucht
werden dürfen ausserdem nur Gegenstände, die "für die Untersuchung von
BGE 137 IV 189 S. 198
Bedeutung sind" (Art. 69 Abs. 2 BStP). Über die Einhaltung dieser Vorschriften
im Entsiegelungsverfahren bzw. über die Zulässigkeit der Durchsuchung durch die
Strafverfolgungsbehörden hat (bis zur Hauptverhandlung) die Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichtes zu wachen (Art. 69 Abs. 3 Satz 3 BStP).

5.2.3 Die Vorinstanz räumt ein, dass der Beschwerdeführer die fragliche Rüge
schon vor Erlass des angefochtenen Entscheides ausdrücklich erhoben hatte. Die
Beschwerdekammer legt nicht dar, inwiefern private Aktphotos des
Beschwerdeführers untersuchungsrelevant sein könnten und inwiefern das
Strafverfolgungsinteresse diesbezüglich höher zu gewichten wäre als das
Interesse der Betroffenen an der Wahrung intimer Privatgeheimnisse bzw. ihrer
verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre (Art. 13 i.V.m. Art. 36 Abs. 2-4
BV). Wenn die Vorinstanz sich auf den Standpunkt stellt, es sei nicht ihre
Aufgabe, sondern Sache der Untersuchungsbehörde, die vom Beschwerdeführer
geltend gemachten Persönlichkeitsrechte "grösstmöglich zu schonen", bzw. bei
den streitigen Aktphotos stelle sich (bloss) die Frage der
Untersuchungsrelevanz, verkennt sie ihre gesetzlich definierte richterliche
Aufgabe im Entsiegelungsverfahren.

5.2.4 Der angefochtene Entscheid verletzt diesbezüglich Art. 69 Absätze 1, 2
und 3 BStP sowie Art. 13 BV. Die Beschwerde ist in diesem Punkt teilweise
gutzuheissen.

5.3 Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist:

5.3.1 Den Betroffenen, der die Versiegelung von Dokumenten und elektronischen
Datenträgern verlangt hat, trifft im Entsiegelungsverfahren eine
Mitwirkungsobliegenheit. Dies gilt in besonderem Masse, wenn - wie im
vorliegenden Fall - die Versiegelung und richterliche Triage von äusserst
umfangreichen elektronischen Dateien beantragt wurde (vgl. oben, E. 4.2 und
5.1.2). Darüber hinaus sind die im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht
erhobenen Rügen ausreichend zu substanziieren (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG).

5.3.2 Die Bundesanwaltschaft legt in diesem Zusammenhang Folgendes dar: Zwar
anerkenne der Beschwerdeführer, dass es gewisse Dateien gebe, die nicht
geheimnisgeschützt und durchaus untersuchungsrelevant seien. Abgesehen von den
Aktphotos habe er sich jedoch darüber ausgeschwiegen, auf welche konkreten
Dateien dies seiner Ansicht nach nicht zutreffe. Insofern sei der
BGE 137 IV 189 S. 199
Beschwerdeführer seinen Mitwirkungsobliegenheiten im Entsiegelungsverfahren
nicht nachgekommen. Die Durchsuchung der restlichen Bilddateien sei
insbesondere geeignet, weiteren Aufschluss über den Verbleib von zu
beschlagnahmenden Vermögenswerten zu geben. So seien zwar bei
Hausdurchsuchungen eine Vielzahl von (bildlich erfassten und elektronisch
aufgelisteten) Zertifikaten für Luxusuhren sichergestellt worden, nicht aber
die betreffenden Vermögenswerte selbst. Es bestehe Grund zur Annahme, dass der
Beschwerdeführer weiterhin Vermögenswerte verheimliche, welche der
strafprozessualen Beschlagnahme unterliegen.

5.3.3 Zwar macht der Beschwerdeführer geltend, auch bei den restlichen (mehr
als 277'000) Bilddateien sei deren Untersuchungsrelevanz zu prüfen. Er legt
jedoch nicht dar, welche weiteren konkreten Bilddateien (etwa eingescannte
Dokumente) offensichtlich unerheblich oder geheimnisgeschützt wären. Nicht zu
folgen ist auch seinem pauschalen Vorbringen, wonach alle elektronischen
(Original-)Dokumente, von denen sich bereits "Klientendoppel oder Aktenkopien"
bei den Akten der Bundesanwaltschaft befänden, für Untersuchungszwecke von
vornherein unerheblich seien. Weder die Beschwerdeschrift noch die Replik
enthalten in diesem Zusammenhang weitere substanziierte Vorbringen. Soweit der
Beschwerdeführer nicht darlegt, bei welchen Dateien seiner Ansicht nach
gesetzliche Entsiegelungshindernisse vorliegen (insbesondere fehlende
Untersuchungsrelevanz oder geschützte Geheimnisinteressen), mangelt es auch an
einer ausreichenden prozessualen Mitwirkung am Entsiegelungsverfahren.