Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 IV 134



Urteilskopf

137 IV 134

19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
1C_424/2010 vom 2. Februar 2011

Regeste

Art. 80h lit. b IRSG; Art. 84 und 89 Abs. 1 BGG; Art. 9a IRSV; internationale
Rechtshilfe in Strafsachen; Legitimation zur Anfechtung einer Schlussverfügung.
Zeugenbefragung und Aktenedition; Beschwerdelegitimation von juristischen
Personen und ihren Organen. Zusammenfassung und Präzisierung der Praxis (E. 5
und 6). Rechtshilferechtlich relevanter Begriff der tatsächlichen
Verfügungsgewalt über Dokumente; unmittelbare und direkte Betroffenheit der
juristischen Person in der vorliegenden Konstellation verneint (E. 7).

Sachverhalt ab Seite 134

BGE 137 IV 134 S. 134

A. Die spanischen Strafverfolgungsbehörden in San Bartolomé de Tirajana führen
ein Strafverfahren unter anderem gegen Y. wegen Betrugs und weiterer Delikte.
Am 13. Februar 2008 (und ergänzend am 28. Januar 2009) ersuchten die spanischen
Behörden die Schweiz um Rechtshilfe. Mit Schlussverfügung vom 25. November 2009
BGE 137 IV 134 S. 135
entsprach die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug dem Rechtshilfeersuchen, indem
sie die Herausgabe des Protokolls der Zeugeneinvernahme eines Verwaltungsrates
der X. AG sowie zweier von diesem bei der Einvernahme eingereichter Dokumente
an die ersuchende Behörde bewilligte.

B. Auf die von der X. AG gegen die Schlussverfügung erhobene Beschwerde trat
das Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, am 2. September 2010 nicht ein.
Es verneinte die Beschwerdelegitimation der Rechtsuchenden.

C. Gegen den Nichteintretensentscheid des Bundesstrafgerichts gelangte die X.
AG mit Beschwerde vom 16. September 2010 an das Bundesgericht. Sie beantragte
(zur Hauptsache), der Entscheid des Bundesstrafgerichts sei aufzuheben und die
Sache sei an dieses zurückzuweisen (mit der Anweisung, auf die Beschwerde
einzutreten und in der Sache zu entscheiden). Das Bundesgericht weist die
Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 (Vorliegen eines besonders bedeutenden Falles i.S. von Art. 84 BGG bejaht.)
(...)

2. Zur Legitimation der Beschwerdeführerin wird im angefochtenen Entscheid
Folgendes erwogen: Die spanischen Behörden hätten rechtshilfeweise um die
Zeugenbefragung eines Verwaltungsrates der Beschwerdeführerin und um Erhebung
von Dokumenten ersucht. Am 13. Mai 2009 habe die Staatsanwaltschaft die
Zeugeneinvernahme des Verwaltungsrates und Geschäftsanwaltes angeordnet. In der
Annahme, dieser werde sachdienliche Dokumente anlässlich seiner Befragung
einreichen, habe die Staatsanwaltschaft (einstweilen) auf die Erhebung von
Gesellschaftsunterlagen direkt bei der Beschwerdeführerin verzichtet. Am 20.
Mai 2009 sei der Zeuge auf den 29. Mai 2009 vorgeladen und aufgefordert worden,
zur Aufklärung der Sache dienliche Beweisstücke zur Einvernahme mitzubringen,
namentlich zur Frage, wer an der Aktiengesellschaft wirtschaftlich berechtigt
war. Anlässlich seiner Befragung vom 29. Mai 2009 habe der Zeuge zuhanden der
Staatsanwaltschaft einen Treuhandvertrag eingereicht, abgeschlossen zwischen
ihm und einer dritten Holdinggesellschaft, sowie ein weiteres Dokument, welches
BGE 137 IV 134 S. 136
ebenfalls diese dritte Gesellschaft betroffen habe. In ihrer Schlussverfügung
habe die Staatsanwaltschaft die rechtshilfeweise Herausgabe des
Zeugenprotokolls sowie der beiden am 29. Mai 2009 vom Zeugen edierten Dokumente
bewilligt. Die Beschwerdeführerin sei nicht legitimiert, diese
Rechtshilfemassnahmen anzufechten. Was das Zeugenprotokoll betrifft, gelte dies
selbst für den Fall, dass sie durch die Beweisaussagen berührt wäre. Dass der
Zeuge, der die beiden Dokumente persönlich ediert habe, gleichzeitig
Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin sei, begründe ebenfalls keine
Beschwerdebefugnis. Es könne daraus nicht geschlossen werden, dass sie zuvor
Besitzerin der fraglichen Dokumente gewesen wäre. Anders sei auch nicht zu
entscheiden, wenn die Beschwerdeführerin auf den Dokumenten erwähnt würde.
Daran ändere ihr Vorbringen nichts, die Schlussverfügung sei ihr zugestellt
worden, und die Staatsanwaltschaft habe den Zeugen angefragt, ob er (auch) in
ihrem Namen der Herausgabe zustimme.

3. Die Beschwerdeführerin macht (im Wesentlichen zusammengefasst) Folgendes
geltend: Sie als juristische Person könne den Besitz an Dokumenten
notwendigerweise nur durch ihre Organe ausüben. Ihr einziger Verwaltungsrat
könne (im Verhältnis zu ihr) nicht als dritte Person betrachtet werden. Indem
er als Zeuge aussagte und zwei Dokumente an die Staatsanwaltschaft aushändigte,
habe sie faktisch selbst als Zeugin ausgesagt und Unterlagen ediert. In der
vorliegenden Konstellation sei sie als Besitzerin der edierten Dokumente und
damit als Direktbetroffene anzusehen. Nach der zivilrechtlichen Lehre und
Praxis könne ihr Verwaltungsrat nicht persönlich Besitzer von
Geschäftsdokumenten gewesen sein. Vielmehr habe er seinen Besitz (im Sinne
eines "Besitzdieners") nur für sie ausgeübt. Es erscheine ausserdem aus
Rechtsschutzgründen unhaltbar, wenn im Ergebnis niemand legitimiert gewesen
wäre, die streitigen Rechtshilfemassnahmen anzufechten. Der
Nichteintretensentscheid der Vorinstanz verletze daher Bundesrecht
(insbesondere Art. 80h lit. b IRSG [SR 351.1], das in Art. 29 Abs. 1 BV
gewährleistete Verbot der formellen Rechtsverweigerung, den in Art. 29 Abs. 2
BV garantierten Gehörsanspruch sowie das Willkürverbot von Art. 9 BV).
(...)

5.

5.1 Gemäss Art. 80h lit. b IRSG ist zur Beschwerde berechtigt, wer persönlich
und direkt von einer Rechtshilfemassnahme betroffen ist
BGE 137 IV 134 S. 137
und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.

5.1.1 Diese Bestimmung übernahm (für den Bereich der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen) sinngemäss die frühere Regelung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 103 lit. a OG; vgl.
BGE 126 II 258 E. 2d S. 259). Danach war zur Beschwerde berechtigt, wer durch
die angefochtene Verfügung berührt war und ein schutzwürdiges Interesse an
deren Aufhebung oder Änderung hatte. Die beiden Kriterien mussten nicht
kumulativ vorliegen, da sie im Wesentlichen das Gleiche verlangten und
letztlich ineinander aufgingen (vgl. BGE 133 V 188 E. 4.3.1 S. 192 mit
Hinweisen). Analog verhält es sich grundsätzlich auch in Bezug auf Art. 89 Abs.
1 BGG betreffend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
(insbesondere Rechtshilfesachen) an das Bundesgericht (vgl. Urteil 1C_287/2008
vom 12. Januar 2009 E. 2.2, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 14).

5.1.2 Zwar verlangt auch der Wortlaut von Art. 80h lit. b IRSG neben dem
persönlichen und direkten "Betroffensein" ein "schutzwürdiges Interesse" an der
Aufhebung oder Änderung der Schlussverfügung. Nach der Praxis des
Bundesgerichtes hat das Kriterium des schutzwürdigen Interesses jedoch keine
zusätzliche selbstständige Tragweite, wenn ein von Rechtshilfemassnahmen (etwa
Beschlagnahmungen) direkt Betroffener Beschwerde führen will (vgl. Urteil
1C_287/2008 vom 12. Januar 2009 E. 2.2, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 14; a.M. BOMIO/
GLASSEY, La qualité pour recourir dans le domaine de l'entraide judiciaire
internationale en matière pénale, Jusletter vom 13. Dezember 2010, Rz. 37,
115).

5.2 Gemäss Art. 9a IRSV (SR 351.11) gelten als "persönlich und direkt
betroffen" im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG:
bei der Erhebung von Konteninformationen: der Kontoinhaber
(Art. 9a lit. a IRSV);
bei Hausdurchsuchungen: der Eigentümer oder der Mieter
(Art. 9a lit. b IRSV);
bei Massnahmen betreffend Motorfahrzeuge: der Halter
(Art. 9a lit. c IRSV).

5.2.1 Die Praxis des Bundesgerichtes verlangt für die Anerkennung der
Beschwerdelegitimation (im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG und Art. 89 Abs. 1
BGG) eine vom einschlägigen Bundesrecht erfasste "spezifische Beziehungsnähe"
des Rechtsuchenden zur
BGE 137 IV 134 S. 138
angefochtenen Schlussverfügung. Eine blosse mittelbare Betroffenheit genügt
hingegen nicht (BGE 129 II 268 E. 2.3.3 S. 269; BGE 128 II 211 E. 2.2 S. 216
f.; BGE 127 II 104 E. 3 S. 107 ff.; 198 E. 2d S. 205; BGE 126 II 258 E. 2d S.
259; BGE 125 II 356 E. 3b/aa S. 361 f.; BGE 123 II 153 E. 2b S. 156). Als
persönlich und direkt betroffen wird im Falle der Erhebung von
Konteninformationen bzw. bei Konten- und Depotsperren der jeweilige Konto- und
Depotinhaber angesehen (vgl. Art. 9a lit. a IRSV; BGE 130 II 162 E. 1.3 S. 165;
BGE 128 II 211 E. 2.3-2.5 S. 217 ff.; BGE 116 Ib 106 E. 2a/aa S. 110). Bloss
wirtschaftlich an einem Bankkonto, Banksafe oder Wertschriftendepot Berechtigte
sind hingegen grundsätzlich nicht legitimiert, Rechtshilfemassnahmen
anzufechten, welche die Bankverbindung betreffen. Eine Ausnahme lässt die
Praxis zu, falls einzige Kontoinhaberin eine juristische Person war, die
aufgelöst worden ist, und zudem keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
Liquidation dieser Gesellschaft nur vorgeschoben wird bzw. rechtsmissbräuchlich
erfolgte (BGE 126 II 258 E. 2d/bb S. 261; BGE 123 II 153 E. 2c-d S. 157 f.; BGE
121 II 459 E. 2c S. 461 f.; vgl. ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire
internationale en matière pénale, 3. Aufl. 2009, Rz. 529 S. 482 f.).

5.2.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Beschwerdebefugnis
jeder natürlichen oder juristischen Person zu bejahen, die von einer
Rechtshilfemassnahme direkt berührt ist. Die Praxis bejaht insbesondere die
Beschwerdelegitimation jener Person, gegen die unmittelbar eine Zwangsmassnahme
angeordnet wurde (BGE 128 II 211 E. 2.3-2.5 S. 217 ff.; BGE 123 II 153 E. 2b S.
157; je mit Hinweisen). Für bloss indirekt Betroffene, insbesondere Personen,
die zwar in den erhobenen Unterlagen erwähnt werden, aber nicht direkt von
Zwangsmassnahmen betroffen bzw. Inhaber von sichergestellten Dokumenten sind,
ist die Beschwerdebefugnis grundsätzlich zu verneinen. Nicht einzutreten ist
auch auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten bzw. in dessen
Interesse erhoben werden (BGE 130 II 162 E. 1.2-1.3 S. 164 f.; BGE 129 II 268
E. 2.3.3 S. 269 f.; BGE 128 II 211 E. 2.3-2.4 S. 217 ff.; BGE 123 II 153 E. 2b
S. 157; 161 E. 1d S. 164 f.; vgl. AEMISEGGER/FORSTER, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 36 zu Art. 84 BGG; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 23
ff., 35 ff.; LAURENT MOREILLON [Hrsg.], Commentaire romand, Entraide
internationale en matière pénale, 2004, N. 15-22, 26-29 zu Art. 80h IRSG; PETER
POPP, Grundzüge der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, 2001, Rz. 554
f.; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 524-533).
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5.2.3 Die Beschlagnahme von Urkunden, die sich in den Händen von Dritten
befinden, kann ein von der Zwangsmassnahme nur indirekt Betroffener nicht
selbst anfechten. Dies gilt auch dann, wenn die Urkunden Informationen zu
Aktivitäten des indirekt Betroffenen enthalten (BGE 130 II 162 E. 1.2-1.3 S.
164 f.; BGE 123 II 161 E. 1d/bb S. 164 f.; BGE 122 II 130 E. 2b S. 133; BOMIO/
GLASSEY, a.a.O., Rz. 36-40; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 532 S. 487 f.). Der
Verfasser von Dokumenten, die sich im Besitz eines Dritten befinden, ist durch
die den Dritten betreffende Verpflichtung zur Edition nicht persönlich berührt
(BGE 122 II 130 E. 2b S. 133; BGE 116 Ib 106 E. 2a/aa S. 110 f.).
Dementsprechend hat das Bundesgericht auch entschieden, dass allein der
Aufbewahrer und Besitzer (Lagerhalter) von beschlagnahmten Geschäftsunterlagen
(und elektronischen Datenspeichern) beschwerdelegitimiert sei und nicht deren
(von der Beschlagnahme nur indirekt betroffener) Hinterleger bzw.
zivilrechtlicher Eigentümer (Urteile 1C_287/2008 vom 12. Januar 2009 E. 2.2,
in: Pra 2010 Nr. 22 S. 14; 1A.154/1995 vom 27. September 1995, in: Rep 1995 S.
117; noch restriktiver BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 37). BGE 130 II 162 betraf
Dokumente zu einem Kundenkonto, die von einem Anwalt ediert worden waren; da
der Anwalt sowohl Besitzer der Dokumente als auch Inhaber des Kontos war, wurde
Dritten die Beschwerdebefugnis abgesprochen, obwohl sie in den Unterlagen
erwähnt waren.

5.2.4 Gewisse Einschränkungen bestehen auch bei der Beschwerdelegitimation von
Zeugen. Eine rechtshilfeweise Herausgabe der Befragungsprotokolle können sie
anfechten, soweit ihre eigenen Aussagen auch sie selbst betreffen oder soweit
sie sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können (BGE 126 II 258 E. 2d
/bb S. 261; BGE 122 II 130 E. 2b S. 133; BGE 121 II 459 E. 2c S. 461 f.; vgl.
AEMISEGGER/FORSTER, a.a.O., N. 36 zu Art. 84 BGG; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 59
ff.; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 526 S. 478 f.). Demgegenüber kommt einem Dritten,
selbst wenn er durch die protokollierten Aussagen persönlich berührt wird,
keine Beschwerdebefugnis zu (BGE 124 II 180 E. 2b S. 182). Dies gilt auch für
Gesellschaften, über deren Geschäftsaktivitäten und Organisation die
Zeugenaussagen erfolgen (BGE 121 II 459 E. 2c S. 461 f.). Daher ist eine
juristische Person grundsätzlich nicht befugt, gegen die Herausgabe eines
Einvernahmeprotokolls Beschwerde zu führen, in dem ihr Verwaltungsratspräsident
sowie eine Angestellte als Zeugen befragt wurden (Urteil 1A.282/2003 vom 18.
November 2004
BGE 137 IV 134 S. 140
E. 1.3.1; bestätigend ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 526 S. 479; teilweise abweichend,
allerdings ohne Begründung, Urteil 1A.215/2005 vom 4. Januar 2006 E. 1.3).

6. In Art. 9a lit. a und lit. b IRSV werden zwei unterschiedliche
Anknüpfungskriterien für die Eingrenzung der Beschwerdebefugnis in
Rechtshilfesachen herangezogen:

6.1 Art. 9a lit. a IRSV gilt für die Erhebung von Bankeninformationen. Zwar
könnte die kontoführende Bank durchaus als von Editionsverfügungen betreffend
Bankunterlagen "betroffen" angesehen werden. Die IRSV knüpft jedoch (für die
Legitimation) nicht an der Frage an, wer das Konto führt und die Informationen
faktisch und technisch herauszugeben hat (nämlich die Bank). Bei
Konteninformationen (oder Kontensperren) ist vielmehr massgeblich, wer
Kontoinhaber ist und damit (originär) schutzwürdige Interessen hat an der
Geheimhaltung der Konteninformationen bzw. am Schutz des Bankkundengeheimnisses
(vgl. BGE 128 II 211 E. 2.3-2.4 S. 217-221; s. auch BGE 130 II 162 E. 1.3 S.
164 f.; BGE 129 II 268 E. 2.3.3 S. 269 f.; BGE 123 II 153 E. 2b S. 156 f., BGE
123 II 161 E. 1d/bb S. 165; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 25-34, 41, 45, 64;
MOREILLON, a.a.O., N. 23-25 zu Art. 80h IRSG; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 526-533).

6.2 Art. 9a lit. b IRSV bezieht sich demgegenüber auf Hausdurchsuchungen bzw.
auf die Beschlagnahme von Dokumenten und Gegenständen. Dass diese Bestimmung
grundsätzlich am unmittelbaren Besitz (tatsächliche Verfügungsgewalt) bzw. an
der direkten Betroffenheit durch Zwangsmassnahmen anknüpft, bringt das Gesetz
dadurch zum Ausdruck, dass bei Hausdurchsuchungen (neben dem Eigentümer der
betroffenen Wohnung oder Liegenschaft) "der Mieter" als beschwerdelegitimiert
bezeichnet wird (vgl. BGE 128 II 211 E. 2.3 S. 217, E. 2.5 S. 221; BGE 123 II
161 E. 1d S. 164 f.; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 35-40; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz.
526, 532). Eine ähnlich zurückhaltende Praxis gilt auch für die Anfechtbarkeit
der Herausgabe von Zeugenprotokollen (vgl. dazu oben, E. 5.2.4), der Edition
von Kontenunterlagen eines Klientenkontos durch einen Anwalt (BGE 130 II 162 E.
1.2 S. 164) sowie für das Verhältnis zwischen dem Hinterleger und Eigentümer
von Geschäftsdokumenten bzw. dem (von Zwangsmassnahmen direkt betroffenen)
Aufbewahrer und Besitzer (Lagerhalter) der Dokumente (vgl. Urteile 1C_287/2008
vom 12. Januar 2009 E. 2.2, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 14; 1A.154/1995 vom 27.
September 1995, in: Rep 1995 S. 117; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 37, 115).
BGE 137 IV 134 S. 141

6.3 Die genannten Anknüpfungskriterien (für die Beschwerdelegitimation) sind
vor dem Hintergrund der Bedeutung und des Zwecks des internationalen
Rechtshilferechts und im Lichte der verfassungsmässigen Grundrechte zu
interpretieren. Im Rechtshilfeverkehr mit Spanien ist die Schweiz an die im
Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in
Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) verankerten gegenseitigen
Vertragsverpflichtungen gebunden. Einerseits ist im innerstaatlichen
Rechtsmittelverfahren den schutzwürdigen Interessen (insbesondere
Geheimhaltungsinteressen) von Personen Rechnung zu tragen, die von
Rechtshilfemassnahmen unmittelbar betroffen werden. Ihnen ist (im Rahmen der
gesetzlichen Verfahrensordnung und der grundrechtlichen Minimalgarantien) ein
wirksamer Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. Art. 29 Abs. 1 und Art. 29a
i.V.m. Art. 13 BV). Anderseits darf die (völkerrechtlich verankerte und
beförderte) internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht durch ein allzu
extensives innerstaatliches Rechtsmittelsystem unnötig bzw. vertragswidrig
erschwert und verzögert werden (vgl. Art. 5 Abs. 4 und Art. 190 BV i.V.m. Art.
1 Ziff. 1 EUeR und Art. 17a IRSG). Solches widerspräche auch den ausdrücklichen
Absichten des Gesetzgebers bei den Revisionen des IRSG (vgl. BGE 128 II 211 E.
2.4 S. 217 f.; BGE 126 II 495 E. 5a-d S. 500 f.; BGE 123 II 161 E. 1d S. 164;
BGE 122 II 130 E. 2b S. 132; BGE 116 Ib 106 E. 2a/aa S. 110 f. in fine;
AEMISEGGER/FORSTER, a.a.O., N. 9 zu Art. 84 BGG; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 23,
114 f.; zum Beschleunigungsgebot s. auch Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 5 Abs. 1
StPO).

6.4 Insofern ist an die Beschwerdebefugnis bei Angelegenheiten der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen grundsätzlich ein restriktiver
Massstab anzulegen (vgl. BGE 128 II 211 E. 2.4 S. 217 f.; BGE 126 II 495 E.
5a-d S. 500 f.; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz. 114 f.). In der dargelegten Lehre
und Praxis zu Art. 80h lit. b IRSG und Art. 9a IRSV wird dieser Massstab in der
Weise konkretisiert, dass bei Zeugenprotokollen und beschlagnahmten Dokumenten
die Rechtsmittelbefugnis grundsätzlich auf Personen beschränkt wird, die direkt
und unmittelbar von den Rechtshilfehandlungen betroffen sind. Bei der
Weiterleitung von Zeugenprotokollen und der Beschlagnahme oder Edition von
Geschäftsunterlagen (im Sinne von Art. 9a lit. b IRSV) sind dies (unter
gewissen Voraussetzungen) die direkt tangierten Zeugen und die Besitzer von
Dokumenten. Auch in der Literatur wird im letzteren Fall die tatsächliche
Verfügungsgewalt (im Zeitpunkt einer Beschlagnahme) als massgeblich angesehen
("maîtrise effective au moment de la perquisition ou de la saisie", BOMIO/
BGE 137 IV 134 S. 142
GLASSEY, a.a.O., Rz. 40). Was den wirksamen Rechtsschutz angeht, trägt das
Bundesgericht auch der Frage Rechnung, ob gegen die streitigen
Rechtshilfemassnahmen in der fraglichen konkreten Konstellation eine (echte)
Rechtsschutzlücke besteht oder nicht (vgl. BGE 130 II 162 E. 1.3 S. 164 f.; BGE
124 II 180 E. 2b S. 182 f.; BGE 123 II 153 E. 2c S. 157; Urteil 1C_287/2008 vom
12. Januar 2009 E. 2.2, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 14; BOMIO/GLASSEY, a.a.O., Rz.
37, 115).

7.

7.1 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem von den Rechtshilfemassnahmen
direkt betroffenen Rechtsanwalt unbestrittenermassen um den einzigen
Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin. Als Zeuge hat er Aussagen zu eigenen
Geschäften, zu seiner Tätigkeit als Organ der Gesellschaft sowie zu deren
Aktivitäten (und wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnissen) gemacht. Gemäss
dem Einvernahmeprotokoll vom 29. Mai 2009 wurde er zur juristischen und
geschäftlichen Beziehung zwischen ihm und der Beschwerdeführerin befragt sowie
zu seinen Beziehungen (und denjenigen der Beschwerdeführerin) zum
Hauptbeschuldigten und zu zwei weiteren beschuldigten natürlichen Personen. Der
Zeuge hat sich dabei ausdrücklich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht
berufen.

7.2 Anlässlich seiner Einvernahme hat der Zeuge zwei (in seiner tatsächlichen
Verfügungsgewalt befindliche) Dokumente der Staatsanwaltschaft übergeben. Beim
ersten Dokument handelt es sich um eine Treuhandvereinbarung ("Fiduciary
Agreement") vom 22./28. November 2007, abgeschlossen zwischen dem Zeugen (im
eigenen Namen) und einer dritten Holdinggesellschaft mit Domizil auf der
britischen Kanalinsel Jersey. Darin wird zwischen diesen Parteien vereinbart,
dass der Zeuge als Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin eingesetzt werde. Das
zweite Dokument betrifft eine (am 2. Juni 2009) amtlich beglaubigte Erklärung
vom 23. November 2007 über die wirtschaftliche Berechtigung an der genannten
Holdinggesellschaft ("Establishment of the Beneficial Owners's Identity"). Als
wirtschaftlich Berechtigter wird darin eine dritte natürliche Person genannt.
Daraus folgt, dass die vom Zeugen an die Staatsanwaltschaft edierten Dokumente
primär ihn selbst sowie eine dritte Gesellschaft (und eine dritte natürliche
Person) betreffen und erst indirekt die Beschwerdeführerin.

7.3 Dass der Zeuge und Besitzer der beiden Dokumente gleichzeitig einziger
Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin ist, lässt die Gesellschaft (im Lichte
der oben dargelegten Rechtslage) noch nicht als
BGE 137 IV 134 S. 143
von den Rechtshilfemassnahmen unmittelbar und direkt betroffen erscheinen. Von
der Übermittlung seines Zeugenprotokolls direkt und unmittelbar tangiert ist
der fragliche Zeuge als natürliche Person. Analoges gilt für die Edition der
beiden in seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt befindlichen und primär ihn
persönlich (in seinen privaten Geschäftsinteressen) berührenden Dokumente.
Indem er strafprozessual als Zeuge über seine selbstständige
Geschäftstätigkeit, seine vertraglichen und persönlichen Beziehungen zu Dritten
und zu seinen Aktivitäten als Organ der Beschwerdeführerin befragt wurde, hat
er nicht primär (organschaftlich) ihre statutarischen zivilrechtlichen
Gesellschaftsinteressen bzw. Geschäftszwecke wahrgenommen. Vielmehr ist er (in
seiner persönlichen Interessensphäre als Privatperson) seiner gesetzlichen
Zeugnis- und Editionspflicht nachgekommen (vgl. Art. 3 und 7-12 EUeR i.V.m.
Art. 63 f. und 74 IRSG sowie Art. 163 Abs. 2 und Art. 265 Abs. 1 StPO). Die von
der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, zwischen ihren
Gesellschaftsaktivitäten (als juristische Person) und der Zeugenaussage ihres
Verwaltungsrates (als natürliche Person mit eigenem Rechts- und
Verantwortungsbereich) sei nicht zu differenzieren, bzw. sie habe faktisch
selbst "als Zeugin ausgesagt", erscheint - zumindest strafprozess- und
rechtshilferechtlich - nicht haltbar.

7.4 Sodann liegt hier kein Fall vor, bei dem eine praxiskonforme Begrenzung der
Legitimation auf Direktbetroffene bedeuten würde, dass von vornherein niemand
gegen die fraglichen Rechtshilfemassnahmen wirksam hätte Beschwerde führen
können (vgl. Urteil 1C_287/ 2008 vom 12. Januar 2009 E. 2.2, in: Pra 2010 Nr.
22 S. 14). Im Gegenteil ist nicht ersichtlich, weshalb der direkt und
unmittelbar von den Rechtshilfemassnahmen betroffene Zeuge und Geschäftsanwalt
nicht im eigenen Namen wirksam hätte den Rechtsweg beschreiten können. Dieses
Vorgehen hätte umso näher gelegen, als er (in seinen Funktionen als Zeuge,
Vertragspartei und einziges operatives Gesellschaftsorgan der
Beschwerdeführerin) über sämtliche sachbezogenen Detailkenntnisse verfügt hat.
Dies gilt sowohl für den Inhalt seiner Zeugenaussagen als auch für die von ihm
persönlich edierten Dokumente, welche primär ein (im eigenen Namen
abgeschlossenes) Rechtsgeschäft mit einer dritten (auf Jersey domizilierten)
Holdinggesellschaft betreffen.

7.5 Da im vorliegenden Fall der Zeuge auch zu seiner eigenen Rolle als in
eigenem Namen handelnde Privatperson befragt wurde, stand ihm nach der
dargelegten Literatur und Rechtsprechung die
BGE 137 IV 134 S. 144
Beschwerdebefugnis zu (vgl. oben, E. 5.2.4). Eine Rechtsschutzlücke ist hier
nicht ersichtlich. Dass die Beschwerdeführerin im Zeugenprotokoll (und in einem
edierten Dokument) erwähnt wird, lässt sie (nach der in E. 5 und 6 dargelegten
Lehre und Praxis) noch nicht als von den Rechtshilfehandlungen unmittelbar und
direkt betroffen erscheinen.

7.6 Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, die beiden Dokumente, die
sich im Zeitpunkt der Edition an die Staatsanwaltschaft in der Verfügungsgewalt
des Zeugen befanden, hätten sich (auch) in ihrem zivilrechtlichen Besitz (bzw.
Mitbesitz) befunden. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Zeuge
gleichzeitig ihr Gesellschaftsorgan gewesen sei. Damit sei sie (im Sinne von
Art. 80h lit. b IRSG) als direkt betroffen anzusehen. Dieser Ansicht kann nicht
gefolgt werden:

7.6.1 Besitzer im zivilrechtlichen Sinne ist, wer die tatsächliche Gewalt über
eine Sache hat (Art. 919 Abs. 1 ZGB). Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird
vermutet, dass er ihr Eigentümer ist (Art. 930 Abs. 1 ZGB). Natürliche
Personen, welche für juristische Personen eine Organfunktion ausüben, können
entweder für Letztere (und in deren Namen) organschaftlich tätig werden oder
aber für sich selbst (im eigenen Namen) Rechte und Pflichten begründen (Art.
11-12 und 52-54 ZGB). Insbesondere kann eine natürliche Person (auch während
sie gleichzeitig Verwaltungsrätin einer AG ist) im eigenen Namen Besitzesrechte
über bewegliche Sachen, namentlich Dokumente, ausüben (Art. 919 ff. i.V.m.
11-12 ZGB). Wenn die Beschwerdeführerin (unter Hinweis auf BGE 81 II 339 E. 5
S. 343 f.) die Auffassung vertritt, ihr Verwaltungsrat könne nicht persönlich
Besitzer sein, sondern übe seinen Besitz (im Sinne eines "Besitzdieners") stets
für sie aus, übersieht sie, dass dies nur für den Fall gelten kann, dass der
Verwaltungsrat in ihrem Namen und Gesellschaftsinteresse (organschaftlich)
tätig wird. Wie sich aus den Akten ergibt, betrafen die beiden vom Zeugen
edierten Dokumente aber primär den Zeugen selbst, und zwar als in seinem
eigenen Namen vertragsschliessende Partei, eine mit ihm privat kontrahierende
dritte juristische Person sowie eine weitere natürliche Person. Die im Vertrag
zwischen dem Zeugen und seiner Kontrahentin erwähnte Beschwerdeführerin ist
erst indirekt mitbetroffen (vgl. oben, E. 7.2).

7.6.2 Das Vorbringen, der Zeuge sei nicht selbst direktbetroffener Inhaber der
tatsächlichen Verfügungsgewalt über die beiden edierten
BGE 137 IV 134 S. 145
Dokumente gewesen, findet in den Akten keine Stütze. Nicht nachvollziehbar ist
insbesondere die Behauptung, der Zeuge habe die Treuhandvereinbarung
("Fiduciary Agreement") vom 22./28. November 2007 "in seiner Stellung als
Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin unterzeichnet". Der Vertrag wurde
vielmehr zwischen dem Zeugen und einer dritten Holdinggesellschaft im eigenen
Namen abgeschlossen. Da die Parteien darin erst vereinbarten, den Zeugen als
Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin einzusetzen, kann er den Vertrag nicht
bereits als ihr Organ und in ihrem Namen abgeschlossen haben.

7.6.3 Über das Dargelegte hinaus ist nicht zu prüfen, inwiefern die von der
Beschwerdeführerin angerufene zivilrechtliche Lehre und Praxis (zu Fragen der
Besitzesverhältnisse bei juristischen Personen) auf die hier zu beurteilenden
spezifischen Fragen der tatsächlichen Verfügungsgewalt über rechtshilfeweise
edierte Dokumente bzw. der Beschwerdelegitimation in Rechtshilfesachen (Art.
80h lit. b IRSG) angewendet werden kann. Die Auffassung der Vorinstanz, die
Beschwerdeführerin sei von den fraglichen Rechtshilfehandlungen nicht
unmittelbar und direkt betroffen, hält vor dem Bundesrecht stand.