Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 II 58



Urteilskopf

137 II 58

8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Apothéloz
und Mitb. gegen Flughafen Zürich AG und Mitb., Bundesamt für Zivilluftfahrt
(BAZL) sowie Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_58/2010 und andere vom 22. Dezember 2010

Regeste

"Vorläufiges Betriebsreglement" für den Flughafen Zürich; fehlende Koordination
des Betriebsreglements mit dem (noch hängigen) Sachplanverfahren Infrastruktur
Luft für den Flughafen Zürich (SIL-Objektblatt Zürich).
Vor Abschluss des Sachplanverfahrens (und des damit koordinierten
Richtplanverfahrens) können notwendige Anpassungen des Flugbetriebs bewilligt
werden; dazu gehören insbesondere Massnahmen zum Ausgleich der von Deutschland
einseitig angeordneten Überflugbeschränkungen. Dagegen können keine neuen
zusätzlichen Kapazitäten bewilligt werden (E. 3).
Konsequenzen im Einzelnen:
- Südanflüge (E. 4.1);
- Pistenflexibilisierung (E. 4.2);
- neue Schnellabrollwege (E. 4.3).

Regeste

Umweltrechtliche Fragen (insb. Fluglärm).
Anforderungen des Umweltrechts; Sanierungspflicht (E. 5.1).
Akzessorische Überprüfung der Grenzwerte für Fluglärm gemäss Ziff. 22 Anhang 5
LSV (E. 5.3). Die geltenden Immissionsgrenzwerte bieten ungenügenden Schutz
gegen Störungen durch Fluglärm, der geballt zu besonders sensiblen Tageszeiten,
namentlich am frühen Morgen, auftritt. Es wird Sache der zuständigen Behörden
des Bundes sein, die erforderlichen Anpassungen und Ergänzungen vorzunehmen.
Prüfung zusätzlicher Sanierungsmassnahmen für den Flughafen Zürich (E. 6),
insbesondere:
- Verlängerung der Nachtruhe (E. 6.1);
- Plafonierung der (Nacht-)Flugbewegungen (E. 6.2 und 6.3);
- Einschränkung der Südanflüge (E. 6.4);
- Lärmindizes für Abflüge in der Nachtzeit (E. 6.6);
- lenkungswirksame Umweltabgaben (E. 6.7).
Erleichterungen und Schallschutz (E. 7); Notwendigkeit weiterer
Schallschutzmassnahmen zum Schutz vor Aufwachreaktionen am frühen Morgen durch
Südanflüge (E. 7.4).

Regeste

Kosten- und Entschädigungsfolgen (Art. 66 Abs. 4 und Art. 68 Abs. 3 BGG).
Ist die Flughafen Zürich AG in Streitigkeiten um die Genehmigung des
Betriebsreglements als mit öffentlichen Aufgaben betraute Organisation zu
betrachten- Frage offengelassen (E. 14.2.2).

Sachverhalt ab Seite 61

BGE 137 II 58 S. 61

A. Mit Verfügung vom 31. Mai 2001 erteilte das Eidgenössische Departement für
Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) der Flughafen Zürich AG unter
verschiedenen Auflagen eine Konzession zum Betrieb des Flughafens Zürich für
die Dauer vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Mai 2051. Am gleichen Tag genehmigte das
Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) das von der Flughafen Zürich AG zusammen
mit dem Konzessionsgesuch eingereichte Betriebsreglement. In diesem waren
vorläufig die bisherigen flugbetrieblichen Regelungen des Betriebsreglements
vom 19. August 1992 übernommen worden, unter Einbezug der im
Baukonzessionsverfahren für das Dock Midfield verfügten Auflagen. Die dagegen
erhobenen Beschwerden wurden letztinstanzlich vom Bundesgericht mit Urteilen
vom 4. Juli 2005 (1A.22/2005, 1A.23/2005 und 1A.24/2005) abgewiesen.

B. Am 18. Oktober 2001 unterzeichneten die Schweiz und Deutschland einen
Staatsvertrag über Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das Betriebsreglement vom 31. Mai
2001 wurde in vorläufiger Anwendung dieses Staatsvertrags zunächst am 18.
Oktober 2001 provisorisch abgeändert. Anstelle der bisherigen Nordanflüge
wurden von 22.00 bis 06.08 Uhr Landungen von Osten her, auf Piste 28,
eingeführt. Mit einer weiteren provisorischen Änderung vom 15. Oktober 2002
wurden die Ostanflüge an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen auf die Zeit von
20.00 bis 09.00 Uhr ausgedehnt.
Nach der Ablehnung des Staatsvertrags durch das eidgenössische Parlament im
März 2003 verschärfte Deutschland einseitig die
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Anflugbeschränkungen durch den Erlass von Durchführungsverordnungen zur
Luftverkehrs-Ordnung (DVO). Das BAZL sah sich deshalb am 16. April 2003
gezwungen, als vorsorgliche Massnahme die Ostanflüge auf Piste 28 am Abend und
am Morgen um je eine Stunde zu verlängern.
Mit der weiteren provisorischen Änderung des Betriebsreglements vom 23. Juni
2003 wurden auf den 30. Oktober 2003 morgendliche Südanflüge auf Piste 34
eingeführt (von 06.00 bis 07.08 Uhr werktags und bis 09.08 Uhr an Wochenenden
und Feiertagen). Gleichentags erteilte das UVEK die Plangenehmigung zur
Installation eines Instrumentenlandesystems (ILS) und einer Anflugbefeuerung
für die Piste 34. Beschwerden gegen die - ausdrücklich als provisorisch
bezeichneten - Änderungen des Betriebsreglements 2001 sowie gegen die
Plangenehmigungsentscheide des UVEK wurde jeweils die aufschiebende Wirkung
entzogen. Am 22. April 2004 erteilte das UVEK die Plangenehmigung für ein
Instrumentenlandesystem und die Verlängerung der Anflugbefeuerung für die Piste
28.
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Skizze des Pistensystems des Flughafens Zürich
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Übersicht über die Lage des Flughafens und die Zürcher Gemeinden
[displayimage]

C. In der Betriebskonzession vom 31. Mai 2001 war die Flughafen Zürich AG
verpflichtet worden, innert eines Jahres nach der Unterzeichnung des
Staatsvertrags das überprüfte und entsprechend angepasste Betriebsreglement
mitsamt Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) beim BAZL einzureichen. Diese Frist
wurde vom UVEK mehrmals verlängert. Am 31. Dezember 2003 legte die Flughafen
Zürich AG das fragliche Reglement zusammen mit den
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erforderlichen Unterlagen vor. Dieses "vorläufige Betriebsreglement" (vBR)
ersetzt die verschiedenen Provisorien und soll gelten, bis nach Abschluss des
Sachplan-Verfahrens (Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt, SIL) ein
"definitives" Betriebsreglement für den Flughafen Zürich erlassen werden kann.
Gleichentags reichte die Flughafen Zürich AG zuhanden des UVEK ein
Plangenehmigungsgesuch für verschiedene Infrastrukturanpassungen ein.
Die öffentliche Auflage der Gesuchsunterlagen in den betroffenen Kantonen und
im Landkreis Waldshut fand vom 22. März bis 6. Mai 2004 statt.
Infolge der inzwischen abgeschlossenen Arbeiten der Skyguide zur Verlegung der
Warteräume EKRIT und SAFFA von deutschem auf schweizerisches Gebiet reichte die
Flughafen Zürich AG am 27. Dezember 2004 ein Änderungsgesuch ein.

D. Mit Verfügung vom 29. März 2005 genehmigte das BAZL das vBR teilweise und
mit diversen Auflagen. Die Genehmigung umfasst insbesondere die infolge
Verlegung der Warteräume EKRIT und SAFFA vorgenommene Neufestlegung der An- und
Abflugverfahren. Dabei wurde auch ein neues Abflugverfahren ab Piste 16 über
Opfikon/Wallisellen bewilligt (Wide Left Turn). Weiter stimmte das BAZL einer
Verlängerung der Nachtflugsperre zu. Diese dauert nun von 23.00 (statt bisher
24.00 Uhr) bis 06.00 Uhr, mit der Möglichkeit des Verspätungsabbaus bis 23.30
Uhr (statt bisher 00.30 Uhr).
Nicht genehmigt wurde insbesondere die Regelung der Pistenbenützung für
Strahlflugzeuge nach Instrumentenflugregeln (IFR) gemäss Anhang 1 vBR. Im
Verfügungsdispositiv legte das BAZL ein Schema für die Darstellung der zur
jeweiligen Zeit benützbaren Pisten fest und verpflichtete die Flughafen Zürich
AG, die Bestimmungen in Anhang 1 vBR entsprechend neu zu formulieren. Dieses
Schema beinhaltet insbesondere Südanflüge auf Piste 34 und Ostanflüge auf Piste
28 während der bereits mit Verfügung des BAZL vom 23. Juni 2003 festgelegten
Zeiten. Genehmigt wurde zudem die Freigabe von Piste 28 für Starts ab 06.30 Uhr
und von 21.00 bis 22.00 Uhr, die zusätzliche Freigabe der Pisten 16 und 28 für
Starts nach 21.00 und vor 07.00 Uhr bei DVO-Ausnahmeregelung und - unter
bestimmten Voraussetzungen - die Möglichkeit künftiger koordinierter Landungen
auf die Pisten 28 und 34 (Dual Landing). Nicht genehmigt wurde das Abflugverbot
für Charterverkehr nach 22.00 Uhr, welches das BAZL als diskriminierend
betrachtete.
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Gegen die Verfügung des BAZL vom 29. März 2005 erhoben zahlreiche
Privatpersonen, Gemeinwesen, Organisationen und Vereinigungen
Verwaltungsbeschwerde bei der eidgenössischen Rekurskommission für
Infrastruktur und Kommunikation (REKO/INUM).

E. Mit Verfügung vom 17. September 2007 erteilte das UVEK unter zahlreichen
Auflagen die Plangenehmigung zur Projektänderung Rollwege und Vorfeld Midfield
(neue Abrollwege ab Piste 28) und betreffend Infrastruktur vBR. Die
erstgenannte Projektänderung enthält im Wesentlichen die Erstellung zweier
neuer Abrollwege ab Piste 28 zwischen der Kreuzung mit der Piste 16/34 und dem
Pistenende West. Die Genehmigung des gleichzeitig mit dem Gesuch zum vBR
eingereichten Plangenehmigungsgesuchs zur Infrastruktur vBR umfasst zusätzliche
Anschlüsse (Multiple Entries) an Piste 16, Piste 32 und Piste 28 sowie zwei
Schnellabrollwege von der Piste 34.
Gegen die Plangenehmigungsverfügung des UVEK vom 17. September 2007 gingen
zahlreiche Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht ein, das zwischenzeitlich
die REKO/INUM abgelöst hatte.

F. Das Bundesverwaltungsgericht vereinigte alle Beschwerdeverfahren
(einschliesslich die noch hängigen Verfahren betreffend die Einführung von
Südanflügen vom 23. Juni 2003). Skyguide und Swiss International Airlines AG
(SWISS) wurden zum Verfahren beigeladen. Im Lauf des Verfahrens verzichtete die
Flughafen Zürich AG auf das Abflugverfahren Wide Left Turn und auf das Dual
Landing. Das Bundesverwaltungsgericht führte vom 23. bis 25. November 2009
sowie am 30. November und am 1. Dezember 2009 eine öffentliche
Parteiverhandlung durch.
Am 10. Dezember 2009 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden gegen
die Verfügung des BAZL vom 29. März 2005 betreffend das vBR teilweise gut
(Urteil A-1936/2006 Disp.-Ziff. 8). Es ging davon aus, dass es dem Flughafen
Zürich auch ohne Vorliegen des ihn betreffenden Teils der Sachplanung
Infrastruktur der Luftfahrt möglich sein müsse, die durch die stufenweise
Verschärfung der deutschen DVO verloren gegangenen Kapazitäten zu kompensieren.
Dagegen dürfe der Flughafen Zürich ohne SIL-Objektblatt keine zusätzlichen
Kapazitäten erlangen. Es hob insbesondere folgende Genehmigungen des BAZL auf,
weil diese die verloren gegangenen Kapazitäten mehr als notwendig
kompensierten:
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- die Freigabe von Abflügen ab Piste 28 bereits ab 06.30 Uhr und von 21.00 bis
22.00 Uhr;
- die zusätzliche Freigabe von Abflügen ab Piste 16 und 28 nach 21.00 und vor
07.00 Uhr bei DVO-Ausnahmeregelung;
- die Änderung des Benützungsvorrangs.
Aufgehoben wurden weiter die genehmigten Ausnahmen für Post- und Messflüge zur
Nachtzeit. Das Abflugverbot für Charterflüge nach 22.00 Uhr wurde vom
Bundesverwaltungsgericht wieder eingeführt.
Abgesehen vom Abdrehpunkt der Abflugrouten ab Piste 28 über Regensdorf und
Dällikon wurden alle anderen An- und Abflugverfahren vom
Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Die von verschiedenen Beschwerdeführern
verlangte Einführung einer längeren Nachtflugsperre, eines Bewegungsplafonds
oder einer sogenannten Hubklausel (wonach Starts zwischen 22.00 und 23.00 Uhr
nur geplant werden dürfen, wenn sie zur Aufrechterhaltung des
Luftverkehrsdrehkreuzes Zürich [Hub] notwendig sind) lehnte es als zurzeit
unverhältnismässig ab.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerden gegen die Verfügung des UVEK vom 17.
September 2007 betreffend die Plangenehmigung Projektänderung Rollwege und
Vorfeld Midfield sowie Infrastruktur vBR hob das Bundesverwaltungsgericht die
Genehmigung der neuen Abrollwege ab Piste 28 auf (Disp.-Ziff. 9).

G. Gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts haben die Flughafen Zürich
AG, die SWISS, zahlreiche Anrainer und Vereinigungen (der Verein Flugschneise
Süd - Nein [VFSN], der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich
[SBFZ], der Hauseigentümerverband Dübendorf & Oberes Glatttal) und verschiedene
Gemeinwesen (u.a. die Städte Zürich und Winterthur, die Gemeinden Bülach,
Bassersdorf, Rümlang, Zollikon und Altendorf und der deutsche Landkreis
Waldshut) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans
Bundesgericht erhoben.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Raumplanung (fehlendes SIL-Objektblatt; Grundsätzliches)
Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass ohne SIL-Objektblatt zum
Flughafen Zürich in raumplanungsrechtlicher und spezifisch
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sachplanerischer Hinsicht mit Bezug auf das Betriebs- und
Plangenehmigungsverfahren ein rechtswidriger Zustand bestehe: Art. 36c Abs. 2
des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948 (LFG; SR 748) schreibe explizit
vor, dass im Betriebsreglement die im SIL vorgegebenen Rahmenbedingungen
konkret auszugestalten seien, und eine Plangenehmigung dürfe nur erteilt
werden, wenn das Projekt den Zielen und Vorgaben des SIL entspricht (vgl. Art.
27d Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 23. November 1994 über die Infrastruktur
der Luftfahrt [VIL; SR 748.131.1]).
Es ging davon aus, dass Änderungen an den Anlagen bzw. am Betriebsreglement
ohne vorgängigen Abschluss des SIL-Prozesses nur bewilligt werden könnten, wenn
sie aus Sicherheitsgründen oder zur Kompensation der durch die stufenweise
Einführung der DVO verloren gegangenen Kapazitäten notwendig seien, damit der
Flughafen Zürich seine Rolle als eine der grossen europäischen Drehscheiben des
Weltluftverkehrs weiterhin wahrnehmen könne. Werde mit dem vBR bzw. mit den
erteilten Plangenehmigungen nur diejenige Kapazität wiederhergestellt, die (vor
Erlass der DVO) mit dem Betriebsreglement vom 31. Mai 2001 erzielt werden
konnte, so sei dies gestützt auf Art. 25 Abs. 1 lit. a VIL als zulässig zu
bezeichnen.
Dagegen könnten keine weiter gehenden betrieblichen und baulichen Änderungen
mit erheblichen Auswirkungen auf Raum und Umwelt genehmigt werden, insbesondere
keine solchen mit beachtlichen Auswirkungen auf die An- und Abflugverfahren
sowie die (Start- und Lande-)Kapazitäten des Flughafens. Wichtige
Interessenabwägungen und Ermessensentscheide müssten auf Stufe Sachplan von der
Sachplanbehörde getroffen und könnten nicht erst in den darauf aufbauenden
(Plan-)Genehmigungsverfahren vorgenommen werden.

3.1 Diese Rechtsauffassung wird von mehreren Beschwerdeführern schon im Ansatz
bestritten. Die übrigen Beschwerdeführer pflichten zwar im Grundsatz dem
Bundesverwaltungsgericht bei, widersprechen aber einzelnen der daraus gezogenen
Folgerungen für das vBR (vgl. dazu im Folgenden E. 4).

3.1.1 Die SWISS macht geltend, die Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts entbehre einer rechtlichen Grundlage. Art. 25 Abs. 1
lit. a und Art. 27d Abs. 1 lit. a VIL verlangten lediglich, dass das
Betriebsreglement bzw. die Plangenehmigung der jeweils geltenden Sachplanung
entspreche; daraus könne nicht geschlossen
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werden, dass jegliche Weiterentwicklung des Flughafens ausgeschlossen sei,
solange das SIL-Objektblatt noch nicht vorliege. Der Flughafen müsse sich an
bestehendes Recht halten; dass sich eine zukünftige Rechts- oder
Planungsgrundlage verzögere, könne ihm nicht vorgeworfen werden. Die vom
Bundesverwaltungsgericht vertretene Auffassung bewirke eine unzulässige
Vorwirkung der noch gar nicht abgeschlossenen Sachplanung und widerspreche auch
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (insb. BGE 126 II 522 E. 10b S. 535 f.).
Im Übrigen liege bereits der allgemeine Teil des SIL vor. Dieser sehe vor, dass
das bestehende Netz in der Substanz erhalten, qualitativ verbessert und nach
Bedarf entwickelt werden könne ("Konzeptionelle Ziele und Vorgaben", Teil IIIB
- 3 Grundsatz 4); die Landesflughäfen sollen der Luftverkehrsnachfrage folgend
entwickelt werden können (Teil IIIB - 4 Grundsatz 6).
Die Flughafen Zürich AG ist der Auffassung, auch ohne SIL-Objektblatt müssten
zumindest massvolle Kapazitätsausweitungen möglich sein, z.B. aus
nachfragebedingten Gründen oder zur Vermeidung von Verspätungen. Das
SIL-Objektblatt werde voraussichtlich erst 2014 vorliegen; ein rechtskräftiges
"definitives" Betriebsreglement sei erst in zehn Jahren zu erwarten. In diesem
Zeitraum dürfe es dem Flughafen Zürich nicht verwehrt werden, eine
vorausschauende Betriebsplanung vorzunehmen. Damit werde das SIL-Objektblatt
nicht unzulässig präjudiziert.

3.1.2 Die Stadt Zürich verweist dagegen auf Art. 74a Abs. 2 VIL. Dieser
verlange eine umfassende Prüfung des Betriebsreglements auch aus
raumplanerischer Sicht; diese Prüfung dürfe nicht noch einmal, bis zum
Vorliegen des SIL-Objektblatts für den Flughafen Zürich, aufgeschoben werden.
Der gegenwärtige, klar rechtswidrige Zustand führe zur Nichtgenehmigung des vBR
und der dazugehörigen Infrastrukturmassnahmen. Ansonsten bestehe die Gefahr,
dass ohne jegliche raumplanerische Abstimmung Fakten geschaffen werden, die in
einem späteren Zeitpunkt kaum mehr umkehrbar seien. Damit werde der vom
Gesetzgeber gewollte Planungsprozess auf den Kopf gestellt. Jedenfalls dürften
ohne SIL-Objektblatt keine Landungen auf Piste 34 (Südanflüge) genehmigt
werden.
Auch die Gemeinden Altendorf und Mitbeteiligte sowie der Hauseigentümerverband
Dübendorf und Oberes Glatttal und Mitbeteiligte sind der Meinung, ohne
SIL-Objektblatt und die damit koordinierte Richtplanung der betroffenen Kantone
könnten das vBR und
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namentlich die darin vorgesehenen Südanflüge nicht genehmigt werden. Das
Bundesverwaltungsgericht habe den gegenwärtigen Zustand selbst als rechtswidrig
bezeichnet; es bestehe jedoch keine notrechtliche Ersatzgrundlage für die
Einführung von Südanflügen (vgl. zur weiteren Argumentation unten E. 4.1).
Die Stadt Winterthur und Mitbeteiligte sowie die Gemeinde Bassersdorf und
Mitbeteiligte halten fest, dass wegen des fehlenden SIL-Objektblatts
wesentliche Angaben und Festlegungen, namentlich zu den Auswirkungen auf Raum
und Umwelt (Art. 15 RPV [SR 700.1]) und im Hinblick auf die zweckmässige
Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes (Art 75 BV),
fehlen. Ohne diese könne der Flughafen Zürich AG keine Garantie der
Kapazitätserhaltung eingeräumt werden. Vielmehr müsse jede einzelne Massnahme
unter dem Aspekt der Raumplanung darauf geprüft werden, inwiefern die
Interessen der Flughafenbetreiberin die Interessen an der geordneten Besiedlung
des Landes überwiegen bzw. die Einschränkung des Flughafenbetriebs zumutbar
sei.

3.2 In BGE 126 II 522 E. 10b S. 535 f. ging das Bundesgericht davon aus, dass
der Baugesuchsteller auch auf dem Gebiet des Luftfahrtwesens grundsätzlich
(vorbehältlich einer Planungs- oder Projektierungssperre) Anspruch darauf hat,
dass sein Gesuch innert angemessener Frist aufgrund des geltenden Rechts
behandelt wird, unabhängig davon, ob dieses Recht in Zukunft zu ändern oder zu
ergänzen sein wird.
Dies ist vorliegend geschehen: Das Bundesverwaltungsgericht hat verschiedene
Sistierungsanträge abgewiesen und über die Beschwerden gestützt auf die
Bestimmungen des geltenden Luftfahrt-, Umwelt- und Raumplanungsrechts
entschieden (wobei es grundsätzlich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der
Genehmigungsverfügung des BAZL vom 29. März 2005 abstellte, vgl. E. 27 des
angefochtenen Entscheids A-1936/2006). Es musste jedoch die Frage beantworten,
welche Konsequenzen (nach geltendem Recht) das Fehlen des SIL-Objektblatts und
die noch ausstehende Koordinierung mit der kantonalen Richt- und Raumplanung
für das (vorläufige) Betriebsreglement haben. Zu dieser Frage lässt sich dem
Entscheid BGE 126 II 522 nichts entnehmen, zumal sich dieser im Wesentlichen
auf das alte Recht, vor Einführung der Sachplanungspflicht durch das
Bundesgesetz vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfachung von
Entscheidverfahren (AS 1999 3112) und der
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entsprechenden Verordnung vom 2. Februar 2000 (AS 2000 703), stützt (vgl.
Urteil des Bundesgerichts 1C_442/2008 vom 9. Juli 2009 E. 2.4.7).

3.3 Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, setzt die
Bewilligung von betrieblichen und baulichen Änderungen des Flughafens mit
erheblichen Auswirkungen auf Raum und Umwelt nach Art. 36c Abs. 2 und Art. 37
Abs. 5 LFG i.V.m. Art. 3a, Art. 25 Abs. 1 lit. a und Art. 27d Abs. 1 lit. a VIL
grundsätzlich das Vorliegen eines Sachplans voraus. Dies entspricht der
Regelung in anderen Bundesgesetzen (vgl. z.B. Art. 126 Abs. 4 des
Bundesgesetzes vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung
[MG; SR 510.10] und Art. 6 Abs. 3 der Verordnung vom 13. Dezember 1999 über das
Plangenehmigungsverfahren für militärische Bauten und Anlagen [MPV; SR
510.51]). Damit soll sichergestellt werden, dass wichtige Ermessensentscheide
von der Sachplanbehörde getroffen werden, die über die erforderliche Distanz
verfügt und befähigt ist, auf übergeordneter Stufe in einer Gesamtschau die
betroffenen Interessen abzuwägen, ohne die Gefahr der Verengung des
Blickwinkels auf bestimmte fachspezifische Interessen (BGE 128 II 1 E. 3d S. 11
zur entsprechenden Regelung des Militärrechts). Durch das Erfordernis der
Sachplanung (die auf einem umfassenden Koordinationsprozess beruht) wird
zugleich sichergestellt, dass die nach Raumplanungsrecht gebotene Abstimmung
mit der Richt- und Raumplanung der betroffenen Kantone erfolgt.

3.3.1 Zum Zeitpunkt der Genehmigung des vBR lag bereits der allgemeine Teil des
SIL mit konzeptionellen Zielen und Vorgaben der schweizerischen
Luftfahrtinfrastrukturpolitik vom 18. Oktober 2000 vor (Teil IIIB). Danach sind
die Landesflughäfen (Zürich, Genf und Basel-Mulhouse) die nationalen
Drehscheiben des internationalen Luftverkehrs und Teil des
Gesamtverkehrssystems. Während sich die Flughäfen Genf und Basel-Mulhouse auf
regional erforderliche Interkontinentalflüge und auf Europaluftverkehr
ausrichten und entwickeln sollen, soll der Flughafen Zürich seine Rolle als
eine der grossen europäischen Drehscheiben des Weltluftverkehrs wahrnehmen
können (B1-B7 - 2/3 Grundsatz 2). Zum Thema der effizienten Nutzung der
Luftfahrtinfrastruktur hält der SIL für die Landesflughäfen folgende
konzeptionelle Zielsetzung fest: Die Landesflughäfen sollen der
Luftverkehrsnachfrage folgend entwickelt werden können, auch wenn im Interesse
der ökonomischen und sozialen Dimension der Mobilität in Kauf genommen werden
muss, dass in der Umgebung dieser Anlagen die Belastungsgrenzwerte für den
BGE 137 II 58 S. 71
Fluglärm nicht überall und die Immissionsgrenzwerte für die von der Luftfahrt
mitverursachten Luftschadstoffe erst mit mehrjähriger Verspätung gegenüber den
in der Luftreinhalteverordnung bestimmten Fristen eingehalten werden können (B
- 4 Grundsatz 6; zur geplanten Änderung vgl. unten E. 3.3.4).
Dagegen fehlte im Zeitpunkt der Ausarbeitung und der Genehmigung des vBR das
Objektblatt Zürich, d.h. der konkrete, auf den Flughafen Zürich bezogene Teil
des SIL. Dieser definiert die künftigen Rahmenbedingungen für den
Flughafenbetrieb, die in der Betriebsbewilligung konkret auszugestalten sind
(Art. 36c Abs. 2 LFG). Erst in diesem Verfahren werden die künftigen
Betriebsvarianten (Pistensystem und -Benützung, An- und Abflugverfahren und
-routen), die Verkehrsleistung des Flughafens sowie Massnahmen zur Verbesserung
der Nachhaltigkeit des Flugbetriebs festgelegt, unter Berücksichtigung der
Siedlungsstruktur, der Bevölkerungsdichte, der Lärmbelastung der Bevölkerung
und der Auswirkungen für die Bodennutzung und die Entwicklung der tangierten
Gebiete.

3.3.2 Nach dem vom Gesetz- und Verordnungsgeber vorgesehenen System hätten
zunächst der vollständige Sachplan (samt Objektblatt) vorliegen und - damit
koordiniert - die Anpassung der kantonalen Richtplanung erfolgen sollen, um -
darauf aufbauend - das neue Betriebsreglement für den Flughafen Zürich zu
konzipieren.
Diese Abfolge der Planung konnte jedoch nicht eingehalten werden. Nach Art. 74a
Abs. 2 VIL hätte spätestens im Jahr 2001 eine umfassende Überprüfung des
Betriebsreglements des Flughafens Zürich mit Umweltverträglichkeitsprüfung
erfolgen müssen. Diese Frist wurde bereits mehrfach verlängert und konnte nicht
noch weiter bis zum Abschluss des SIL-Verfahrens erstreckt werden, das sich aus
verschiedenen Gründen (u.a. gescheitertes Mediationsverfahren) verzögert hatte.
Vielmehr war es - auch aus rechtsstaatlicher Sicht - geboten, die zahlreichen
provisorischen Betriebsreglementsänderungen durch ein Betriebsreglement
abzulösen, das auf einer umfassenden UVP beruhte und im ordentlichen Verfahren
unter Mitwirkung aller Betroffenen überprüft werden konnte. (Den Beschwerden
gegen die provisorischen Änderungen des Betriebsreglements 2001 war stets die
aufschiebende Wirkung entzogen worden.)
Das am 29. März 2005 vom BAZL genehmigte Betriebsreglement schreibt deshalb im
Wesentlichen den bestehenden Flugbetrieb fort. Es konnte die umfassende Prüfung
und Beurteilung von Varianten
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für den künftigen Flugbetrieb, die im Rahmen des noch hängigen SIL-Verfahrens
für den Flughafen Zürich erfolgt, nicht berücksichtigen. Es wird daher als
"vorläufiges" Betriebsreglement bezeichnet, das nach Abschluss des
SIL-Verfahrens durch ein neues "definitives" Betriebsreglement ersetzt werden
soll. Diese Terminologie darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es
sich auch beim "vorläufigen" Betriebsreglement um ein im ordentlichen Verfahren
erlassenes (und insoweit definitives) Reglement handelt, das so lange gilt, bis
es abgeändert oder durch ein neues Betriebsreglement ersetzt wird (vgl. unten
E. 3.4 zur Frage der Befristung).

3.3.3 Das SIL-Objektblatt mit den betrieblichen Rahmenbedingungen für den
Flughafen Zürich lag zur Zeit der Genehmigung des Betriebsreglements (und liegt
auch heute) noch nicht vor, weshalb wichtige, für die raumplanerische
Beurteilung an sich notwendige Grundlagen fehlen. Das führt jedoch nicht zur
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Betriebsreglements oder des
Flughafenbetriebs. Vielmehr müssen die flugbetrieblichen Belange - notfalls
auch ohne SIL-Objektblatt - im Rahmen eines Betriebsreglements festgelegt
werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1A.64/2003 vom 8. Juli 2003 E. 6.1.2),
gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen des geltenden Luftfahrt-, Umwelt-
und Raumplanungsrechts. Die hierfür erforderliche Interessenabwägung ist so
vollständig vorzunehmen, wie dies zurzeit, d.h. ohne Abschluss des Sach- und
Richtplanverfahrens, möglich ist.
Wie das Bundesgericht schon mehrfach entschieden hat, stellt die fehlende sach-
und richtplanerische Grundlage keinen Hinderungsgrund für notwendige
Anpassungen der flugbetrieblichen Belange dar (Urteile des Bundesgerichts
1C_442/2008 vom 9. Juli 2009 E. 2.5.1; 1A.23/2005 vom 4. Juli 2005 E. 4 in
fine; 1A.244/2003 vom 31. März 2004, in: ZBl 107/2006 S. 214 und RDAF 2007 I S.
507 E. 3.2.3; je mit Hinweisen). Als notwendig anerkannt wurden neben
sicherheitsrelevanten Änderungen auch Massnahmen zum Ausgleich der von
Deutschland einseitig angeordneten Überflugbeschränkungen. Zulässig sind
überdies umweltschutzrechtlich bedingte Änderungen (insbesondere
Sanierungsmassnahmen).
An dieser Praxis ist festzuhalten: Könnte der Flughafen Zürich zu den - für den
internationalen Flugverkehr wichtigen - Sperrzeiten der DVO nicht mehr (oder
nur noch sehr beschränkt) angeflogen werden, so könnte er seine Rolle als
grosse europäische
BGE 137 II 58 S. 73
Drehscheibe des Weltluftverkehrs nicht mehr wahrnehmen. Dies widerspräche den
Festlegungen des allgemeinen Teils des SIL und könnte die Konkurrenzfähigkeit
des Flughafens Zürich im internationalen Wettbewerb dauerhaft schwächen. Dies
könnte zu nicht wieder gutzumachenden Nachteilen führen.
Den Gemeinden Winterthur, Bassersdorf und Mitbeteiligten ist zwar einzuräumen,
dass keine absolute Garantie der Kapazitätserhaltung in dem vor 2001
bestehenden Umfang eingeräumt werden kann. Insbesondere können auch ohne
SIL-Objektblatt umweltschutzrechtlich gebotene Sanierungsmassnahmen angeordnet
werden, wie z.B. die verlängerte Nachtruhe (vgl. unten E. 5 und 6), welche die
Kapazität des Flughafens einschränken. Dagegen bedarf es eines
Vergleichsmassstabs zur Beurteilung der DVO-bedingten Kapazitätseinbussen.
Mangels eines anderen Anhaltspunkts erscheint es sinnvoll, hierfür auf die
Kapazitäten vor Einführung der DVO gemäss dem letzten, rechtskräftig
bewilligten Betriebsreglement vom 31. Mai 2001 abzustellen.
Andere Änderungen mit erheblichen Auswirkungen auf Raum und Umwelt können
dagegen nicht bewilligt werden, solange das SIL-Objektblatt nicht vorliegt und
die Richtplanung nicht angepasst worden ist, auch wenn sie für den Flugbetrieb
wünschenswert erscheinen. Dies gilt namentlich für Massnahmen, welche die
Kapazität des Flughafens erhöhen. Das Bundesverwaltungsgericht hat überzeugend
dargelegt, dass die hierfür erforderliche Abwägung der flugbetrieblichen
Interessen mit anderen, entgegenstehenden Interessen der Sachplanbehörde
vorbehalten bleiben muss.
Besondere Zurückhaltung ist bei der Bewilligung von Infrastrukturmassnahmen
geboten. Diese schaffen Fakten, die nicht (oder sehr schwer) wieder rückgängig
gemacht werden und daher den Planungsprozess präjudizieren können. Das ARE und
das BAFU haben daher im Anhörungsverfahren zu Recht verlangt, dass vor
Abschluss der Sach- und Richtplanung nur das Notwendigste zu genehmigen sei und
alle weiteren Anpassungen der Infrastruktur erst realisiert werden dürften,
wenn gesichert sei, dass sie im Einklang mit dem SIL-Objektblatt für den
Flughafen Zürich stehen.

3.3.4 Diese Einschätzung wird durch den am 16. August 2010 vorgelegten Entwurf
des SIL-Objektblatts Flughafen Zürich bestätigt. Danach soll der Flughafen
Zürich nicht ausschliesslich der Nachfrage entsprechend fortentwickelt werden.
Die Flexibilität bei der
BGE 137 II 58 S. 74
Pistenbenützung soll vielmehr im Hinblick auf den Lärmschutz in den Tagesrand-
und Nachtstunden eingeschränkt werden; zudem deckt keine der drei
vorgeschlagenen Betriebsvarianten die bis ins Jahr 2030 prognostizierte
Nachfrage voll ab. Auch die konzeptionellen Ziele und Vorgaben des SIL (Teil
IIIB - 4 Grundsatz 6) sollen in dem Sinne geändert werden, dass die Entwicklung
der Landesflughäfen mit den Grundsätzen der Nachhaltigkeit in Einklang stehen
muss und aus diesem Grund von einer nachfrageorientierten Entwicklung
abgewichen werden kann.
Zwar ist der SIL-Prozess noch nicht abgeschlossen, weshalb auch im vorliegenden
Verfahren nicht auf den Entwurf abgestellt werden kann. Dieser belegt immerhin,
dass die Nachhaltigkeit des Flugbetriebs zu den zentralen und umstrittensten
Themen des SIL-Verfahrens zählt. Es ist Sache der Sachplanbehörde, in
Koordination mit der kantonalen Richtplanung, die gewünschte zukünftige
Entwicklung des Flughafens Zürich festzulegen. Würden schon vorher im
vBR-Verfahren kapazitätserhöhende Massnahmen bewilligt, so würden damit Fakten
geschaffen, die das hängige Sachplanverfahren unzulässig präjudizieren könnten.

3.4 (Zusammenfassung: Abweisung des Antrags auf Befristung des vBR.)

4. Konsequenzen aus dem fehlendem SIL-Objektblatt im Einzelnen
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die seit 2001 erfolgte Ausdehnung der
(Ost-)Anflüge auf Piste 28 und die Neueinführung von (Süd-)Anflügen auf Piste
34 im bisherigen Umfang: Diese seien aufgrund der schrittweisen Verschärfung
der Nachtflugsperre in der DVO erfolgt und zur Kapazitätserhaltung notwendig.
Andere Anflugverfahren seien bislang nicht vorhanden. Auch die Neufestlegung
der An- und Abflugrouten inklusive Warteräume seien als klarerweise notwendige
Anpassungen an die äusseren (politischen) Rahmenbedingungen zu werten.
Als zurzeit unzulässig erachtete das Bundesverwaltungsgericht dagegen die vom
Flughafen Zürich gewünschte Pistenflexibilisierung für die Tagesrand- und
Nachtstunden. Auch unter Berücksichtigung der verlängerten Nachtflugsperre sei
diese Massnahme nicht bloss kapazitätserhaltend, sondern stelle eindeutig eine
Kapazitätserhöhung dar, die ohne SIL-Objektblatt nicht genehmigt werden könne.
Das Bundesverwaltungsgericht hob daher die Freigabe von Abflügen ab Piste 28
zwischen 06.30 und 07.00 Uhr sowie von 21.00 bis
BGE 137 II 58 S. 75
22.00 Uhr auf, wie auch die Freigabe von Abflügen ab Piste 16 und 28 nach 21.00
und vor 07.00 Uhr bei DVO-Ausnahmeregelung. Auch die Änderung des
Benützungsvorrangs könne erst nach Vorliegen des SIL-Objektblatts beurteilt
werden.
Schliesslich erachtete das Bundesverwaltungsgericht die neuen Schnellabrollwege
ab Piste 34 als im Sinne der Kompensation der DVO-Einschränkungen ohne
SIL-Objektblatt zulässig, nicht dagegen die - kapazitätserhöhenden -
Schnellabrollwege ab Piste 28.

4.1 Südanflüge
Die Stadt Zürich, der Verein Flugschneise Süd - Nein (VFSN), die Gemeinde
Altendorf und Mitbeteiligte sowie der Hauseigentümerverband Dübendorf & Oberes
Glatttal und Mitbeteiligte sind der Auffassung, Südanflüge dürften überhaupt
nicht genehmigt werden. Diese widersprächen den Zielen und Grundsätzen der
Raumplanung und den geltenden Richtplänen, der Eigentumsgarantie und dem
Vertrauensschutz. Zudem verstiessen die frühmorgendlichen Südanflüge mit
Einzelschallpegeln über der Weckgrenze gegen Umweltschutzrecht.
Eventualiter beantragen die Beschwerdeführer - sowie Christoph Apothéloz und
Mitbeteiligte als Hauptantrag -, dass Südanflüge nur ausnahmsweise zugelassen
werden dürften, wenn die Piste 28 aus technischen, meteorologischen oder
sicherheitsmässigen Gründen nicht zur Verfügung stehe. Dagegen sei es
unzulässig, Piste 34 in den frühen Morgenstunden (06.00 bis 07.00 Uhr alle Tage
bzw. 06.00 bis 09.00 Uhr an Wochenenden) zur prioritären Landepiste zu
erklären.
Die Stadt Zürich wendet sich in diesem Zusammenhang auch gegen den Ausbau der
Kapazität von Piste 34 durch die Genehmigung neuer Schnellabrollwege.
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass Südanflüge erst ab 30. Oktober 2003 -
mit der vierten provisorischen Änderung des Betriebsreglements - eingeführt
worden seien; das zuvor praktizierte morgendliche Ostanflugregime liefere den
Tatbeweis dafür, dass der Flugbetrieb grundsätzlich mit Anflügen auf Piste 28
aufrechterhalten werden könne. Dies gelte erst recht seit der Inbetriebnahme
eines Instrumentenlandesystems auf Piste 28. Bei extremen Wettersituationen sei
die Ausnahmeregelung gemäss DVO anwendbar, d.h. es seien Anflüge von Norden
zulässig. Die wenigen verbleibenden Fälle bedrohten weder die Existenz des
Flughafens noch der SWISS.
BGE 137 II 58 S. 76
Sie sind der Auffassung, das Konzept Süd (mit Landungen auf Piste 34) sei mit
26 Landungen und 30 Starts pro Stunde hinsichtlich der Kapazität schlechter als
das Konzept Ost mit Landungen auf Piste 28 (30 Landungen bzw. 32 Starts pro
Stunde). Selbst mit den vom Bundesverwaltungsgericht genehmigten
Schnellabrollwegen ab Piste 34 (28-30 Landungen) werde die Landekapazität von
Piste 28 nicht erreicht. Letztere könnte zudem noch erhöht werden (auf 32-34
Landungen), wenn die Schnellabrollwege ab Piste 28 bewilligt würden.
Auch aus Sicht der Raumplanung und des Umweltschutzes schneide das Konzept Süd
signifikant schlechter ab als das Konzept Ost: Der Süden des Flughafens sei das
mit Abstand dichtest besiedelte Gebiet; bei Südanflügen seien daher weit mehr
Personen einem Sicherheitsrisiko (im Fall eines Absturzes) und dem Fluglärm
ausgesetzt. Gemäss UVB, Fachbericht Fluglärm (S. 29 f. und Beilage 26), würden
beim Konzept Süd etwa doppelt so viele Personen mit Lärm über dem
Immissionsgrenzwert belastet wie beim Konzept Ost. Es widerspreche den Zielen
und Grundsätzen des Raumplanungsrechts, qualitativ hochstehendes
Siedlungsgebiet mit übermässigem Lärm zu empfindlichen Tageszeiten zu belasten.

4.1.1 (Zusammenfassung: Die Rechtsauffassung der Gemeinde Zollikon, wonach
keine Regelung für Südanflüge mehr im vBR bestehe, trifft nicht zu.)

4.1.2 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts ist die Piste 28
für Landungen von schweren Langstreckenflugzeugen unter erschwerten
Wetterbedingungen (Regen, Schneefall), die aber noch keinen ausnahmsweisen
Nordanflug über Süddeutschland erlauben, sicherheitstechnisch zu kurz. Es
handle sich um die mit Abstand kürzeste Piste des Flughafens Zürich (2'500 m;
gegenüber 3'300 m bzw. 3'700 m der Pisten 14/32 und 16/34). Das
Bundesverwaltungsgericht führte aus, es sei den wenigen Beschwerdeführenden
(insbesondere dem VFSN), die behaupteten, die Anflüge auf Piste 28 würden die
Anflüge auf Piste 34 vollumfänglich und bereits ohne Pistenverlängerung
ersetzen, nicht gelungen, dies überzeugend zu begründen und (soweit möglich) zu
belegen. Es stützte sich auf die übereinstimmenden, seines Erachtens klaren und
schlüssigen Aussagen und Unterlagen der Vorinstanzen, der Flughafen Zürich AG,
der SWISS und vor allem der Flugsicherungsorganisation Skyguide, welche die
Einführung von Südanflügen als zwingend notwendig bezeichneten.
BGE 137 II 58 S. 77
An diesen Sachverhalt ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden, es sei
denn, die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz sei offensichtlich unrichtig
oder beruhe auf einer Rechtsverletzung i.S.v. Art. 95 BGG (Art. 97 und 105
BGG). Dies ist nicht ersichtlich, wie im Folgenden darzulegen sein wird.
(Zusammenfassung: Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs und keine
willkürliche Beweiswürdigung durch das Bundesverwaltungsgericht. Dieses war
auch nicht verpflichtet, externe Experten beizuziehen.)

4.1.3 Damit steht fest, dass Anflüge auf Piste 28 unter bestimmten
meteorologischen Verhältnissen für schwere Flugzeuge zu riskant sind und
deshalb nicht erfolgen können. Bei Vorliegen solcher Verhältnisse muss deshalb
auf Piste 34 (mit Südanflug) gelandet werden, da andere Anflugverfahren derzeit
nicht zur Verfügung stehen (vgl. E. 31.2.5 des angefochtenen Entscheids A-1936/
2006). Auf Landungen zu diesen Zeiten kann nicht verzichtet werden: Könnten die
Fluggesellschaften nicht mehr sicher sein, mit schweren Langstreckenflugzeugen
landen zu können, würde dies dazu führen, dass sie Zürich zu den entsprechenden
Zeiten nicht mehr anfliegen würden. Dies würde die Funktion des Flughafens als
grosse europäische Drehscheibe des Weltluftverkehrs stark gefährden und
widerspräche deshalb den Festlegungen des Allgemeinen Teils des SIL.
Nach dem Gesagten ist mit dem Bundesverwaltungsgericht davon auszugehen, dass
Südanflüge auch ohne Vorliegen des SIL-Objektblatts und ohne Anpassung der
kantonalen Richtplanung (vorläufig) bewilligt werden durften. Dies verstösst
auch nicht gegen Treu und Glauben: Zwar ging die Zürcher Richt- und
Zonenplanung von einer Nordausrichtung des Flughafenbetriebs aus (vgl. dazu
nicht publ. E. 4.5.1) und sah keine Anflüge über das Siedlungsgebiet im Süden
des Flughafens vor. Der bisherige Flugbetrieb konnte jedoch zu den
Tagesrandzeiten aufgrund der von Deutschland verfügten Überflugbeschränkungen
über deutsches Gebiet nicht mehr beibehalten werden. Diese bewirken eine
wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage, die ein Abweichen von der
bisherigen Planung rechtfertigt.
Die Anträge auf grundsätzliche Nichtgenehmigung der Südanflüge werden somit
abgewiesen.
Soweit die Beschwerdeführer eine Beschränkung der Südanflüge auf das unbedingt
notwendige Ausmass oder auf gewisse Zeiten
BGE 137 II 58 S. 78
beantragen, sind diese Anträge zusammen mit den umweltschutzrechtlichen Rügen
zu behandeln (unten E. 6.4).

4.2 Pistenflexiblisierung
Die Flughafen Zürich AG und die SWISS wehren sich gegen die Nichtbewilligung
der Abflüge von Piste 28 nach 21.00 Uhr (alle Tage, bei Einschränkungen durch
die DVO). Zu genehmigen seien auch die Abflüge ab den Pisten 16 und 28 am
Morgen und am Abend bei DVO-Ausnahmeregelung. Eventualiter müsse ein
Verspätungsabbau bis 00.30 Uhr zulässig sein.
Sie machen geltend, die Pistenflexibilisierung sei das notwendige Korrelat für
die Verlängerung der Nachtruhe um eine Stunde. Es handle sich um ein
"Gesamtpaket", das mit dem Kanton Zürich vereinbart worden sei. Es verletze den
Grundsatz von Treu und Glauben, den Flughafen Zürich auf die freiwillig
verlängerte Nachtsperre zu behaften und gleichzeitig den damit untrennbar
verbundenen Flexibilisierungsmassnahmen die Genehmigung zu verweigern.
Der Flughafen Zürich und die SWISS seien auf eine Flexibilisierung des
Flugbetriebs in den Tagesrandstunden angewiesen, ansonsten sie aufgrund der
verlängerten Nachtruhe gravierende Nachteile im internationalen Konkurrenzkampf
erleiden würden. Werde dies nicht zugelassen, so müsse ein Grossteil der
verspäteten Abflüge in der empfindlicheren Nachtzeit von 22.00 bis 23.30 Uhr
oder - sofern eine Ausnahmebewilligung erteilt werde - sogar danach
stattfinden. Dies führe zu vermehrten Immissionsgrenzwert-Überschreitungen.
Zudem bestehe ein erhebliches Risiko, dass nicht mehr alle Flüge vor
Betriebsschluss (23.30 Uhr) abgewickelt werden könnten. Die SWISS weist auf
Langstreckenflüge hin, die Zürich planmässig zwischen 22.00 und 23.00 Uhr
verlassen. An Bord dieser Flugzeuge befänden sich 40-60 % Umsteigepassagiere,
die in der Zeit zwischen 21.00 und 22.00 Uhr in Zürich eintreffen. Ohne
zusätzliche Massnahmen wie neue Abrollwege und Pistenflexibilisierung sei
absehbar, dass die SWISS in Zukunft regelmässig Passagiere und Fracht in Zürich
stehen lassen müsse. Dies bedeute hohe Kosten für die SWISS (Hotelübernachtung,
Verpflegung, alternative Beförderung) und könne dazu führen, dass Passagiere
über andere Flughäfen reisen und der SWISS als Kunden endgültig verloren gehen.
Die Flughafen Zürich AG und die SWISS kritisieren, das Bundesverwaltungsgericht
habe ausschliesslich auf die Stundenkapazität und nicht auf die Tages- bzw.
Gesamtkapazität des Flughafens
BGE 137 II 58 S. 79
abgestellt. Diese habe sich im Vergleich zu 2001 insbesondere wegender
Verlängerung der Nachtruhe reduziert. Sie werfen dem Bundesverwaltungsgericht
überdies vor, nicht zwischen der planbaren undder effektiven Kapazität
unterschieden zu haben. Die planbare Kapazität betreffe die Zahl der Starts und
Landungen, die theoretisch pro Stunde geplant werden können (Zeitnischen,
Slots). Die effektiveKapazität beziehe sich auf die Zahl der effektiven
Flugbewegungenunter den gegebenen Umständen. Zusätzliche Flexibilität
bezweckenicht, mehr Flüge zu planen, sondern es gehe um einen Vorrat an
effektiver Kapazität für den Fall, dass Verspätungen eintreten, die abgebaut
werden müssen.

4.2.1 Zunächst ist der Antrag auf Freigabe von Piste 28 für Starts von 21.00
bis 22.00 Uhr alle Tage bei Einschränkungen durch die DVO zu prüfen. Zu diesen
Zeiten können keine Anflüge von Norden erfolgen, weshalb prioritär von Osten
(auf Piste 28) gelandet wird. Die Starts erfolgen auf Pisten 32 und 34 in
Richtung Nord. Zusätzlich beantragt wird die Freigabe von Piste 28 für Starts
(in Richtung Westen).
Es ist unstreitig, dass die Stundenkapazität des Flughafens Zürich bei normalen
Wetterbedingungen zu den abendlichen DVO-Sperrzeiten auch ohne die umstrittenen
Flexibilisierungsmassnahmen erheblich gesteigert worden ist, vor allem durch
den Verzicht auf gegenläufigen Flugverkehr. Die Startkapazitäten wurden im
Vergleich zum Betriebsreglement vom 31. Mai 2001 sogar von 16 auf 32 Bewegungen
pro Stunde verdoppelt, und zwar sowohl von Montag bis Freitag als auch am
Wochenende (vgl. E. 31.4.5 des angefochtenen Entscheids A-1936/2006). Unter
diesen Umständen sind die von den Beschwerdeführerinnen verlangten zusätzlichen
Kapazitäten am Abend zwischen 21.00 und 22.00 Uhr nicht erforderlich, um
DVO-bedingte Kapazitätsverluste auszugleichen.
Die angebliche Verringerung der Gesamtkapazität wird von den
Beschwerdeführerinnen nicht näher substanziiert. Sie ist auch nicht ohne
Weiteres ersichtlich: Der UVB geht sowohl für den Ausgangszustand Zt (fiktiver
Zustand im Jahr 2010 ohne die betrieblichen Anpassungen an die DVO) als auch
für den Betriebszustand Zt+ (Flugbetrieb gemäss vBR einschliesslich
verlängerter Nachtruhe) von einer Gesamtkapazität von rund 350'000
Flugbewegungen aus (UVB Synthese, S. 23). Diese liegt rund 33 % über der
Gesamtzahl der Flugbewegungen für das Jahr 2009 (262'000), d.h. es verbleiben
erhebliche Kapazitätsreserven.
BGE 137 II 58 S. 80
Soweit sich die Flughafen Zürich AG auf angebliche Zusagen des Regierungsrats
des Kantons Zürich beruft, wonach im Gegenzug für die verlängerte Nachtruhe
Einschränkungen bei der Pistenbenützung aufgehoben werden sollten, ist dies
unbehelflich: Der Regierungsrat ist nicht Genehmigungsbehörde für das vBR und
war daher für die Abgabe derartiger Zusicherungen nicht zuständig. Damit fehlt
es bereits an einer Vertrauensgrundlage. Der verfassungsmässige Anspruch auf
Treu und Glauben wird somit nicht verletzt.
Zwar erscheint es zum Schutz der Anwohner geboten, verspätete Abflüge möglichst
vor 22.00 Uhr und nicht erst in den sensibleren Zeiten bis 23.30 Uhr
abzuwickeln. Allerdings ist nicht ersichtlich und wird von den
Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, wie sichergestellt werden kann, dass die
zusätzlichen Kapazitäten ausschliesslich für den Verspätungsabbau verwendet
werden und damit nur die effektive und nicht die planmässige Kapazität erhöhen.
Nach Art. 12 Abs. 1 Anhang 1 vBR dürfen Starts und Landungen grundsätzlich bis
23.00 Uhr geplant werden; alle Anträge auf eine Plafonierung der Flugbewegungen
wurden abgelehnt (vgl. unten E. 6.2 und 6.3). Unter diesen Umständen besteht
die Gefahr, dass die Freigabe von Piste 28 am Abend zu einer vermehrten
Auslastung der übrigen Pisten führen könnte, weil weniger Reserven für den
Verspätungsabbau freigehalten werden müssen. Dies hätte mehr Flugverkehr zur
Folge, was wiederum mehr Verspätungen auslösen könnte. Schliesslich würde die
Öffnung der Piste 28 für Starts nach 21.00 Uhr eine zusätzliche Belastung für
die Bevölkerung im Westen des Flughafens bedeuten, die bereits tagsüber einen
Grossteil des Fluglärms zu tragen hat.
Das Begehren um Öffnung der Piste 28 nach 21.00 Uhr bei Einschränkung durch die
DVO (d.h. ohne Nordanflüge) ist daher abzuweisen.

4.2.2 Die Flughafen Zürich AG und die SWISS beantragen ferner, es seien Abflüge
ab den Pisten 16 und 28 vor 07.00 und nach 21.00 Uhr gemäss Verfügung des BAZL
(d.h. bis 22.00 Uhr) bei DVO-Ausnahmeregelung zu bewilligen. Diese Anträge sind
zulässig: Da diese Startpisten bei DVO-Ausnahmeregelung vom BAZL genehmigt
worden waren, hatten die genannten Beschwerdeführerinnen keine Veranlassung,
entsprechende Anträge schon vor Bundesverwaltungsgericht zu stellen.
Die Flughafen Zürich AG und die SWISS legen dar, dass diese
Flexibilisierungsmassnahme der Vermeidung von gegenläufigem Verkehr
BGE 137 II 58 S. 81
zu Zeiten dient, in denen wegen schlechter Sicht (v.a. Nebel) ausnahmsweise
auch in DVO-Sperrzeiten von Norden her gelandet werden darf. An solchen Tagen
sei die Kapazität ohnehin aus Sicherheitsgründen reduziert und es komme
vermehrt zu Verspätungen. Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
seien diese Massnahmen kapazitätsneutral: Mögliche Nebeltage seien nicht
vorhersehbar und könnten daher bei der Ausarbeitung des Flugplans nicht
berücksichtigt werden.
Bei DVO-Ausnahmeregelung entfallen die Beschränkungen des deutschen Luftraums
in der Nacht und am frühen Morgen. Das vBR sieht deshalb vor, dass auf den
Pisten 14 und 16 (von Norden her) gelandet und (in Richtung Norden) auf den
Pisten 32 und 34 gestartet wird. Dadurch entsteht gegenläufiger Verkehr. Dieser
ist - wie das Bundesverwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat (E. 31.4.7 S.
212 des angefochtenen Entscheids A-1936/2006) - aus Sicherheitsgründen
unbedenklich, sofern die nötigen höheren Staffelungen eingehalten werden. Zwar
hat dies eine Reduktion der Kapazität zur Folge. Diese ist aber nicht
DVO-bedingt; vielmehr wird das bis 2001 geltende Betriebskonzept
wiederhergestellt.
Allerdings stand nach dem früheren Betriebskonzept am Abend eine zusätzliche
Stunde für den Verspätungsabbau zur Verfügung. Dieser war bis 00.30 Uhr
möglich, während verspätete Flugzeuge gemäss vBR nur noch bis 23.30 Uhr starten
dürfen. Die Befürchtungen der SWISS und der Flughafen Zürich AG, dass die - an
Nebeltagen besonders häufigen - Verspätungen nicht rechtzeitig vor 23.30 Uhr
abgebaut werden können, wenn die Kapazität wegen gegenläufigen Verkehrs
beschränkt ist, erscheinen plausibel. Müssen deshalb Flüge gestrichen werden,
kann dies zu erheblichen Nachteilen für den Flughafen und die ihn anfliegenden
Fluggesellschaften führen.
Die Freigabe weiterer Startpisten hat allerdings zur Folge, dass die
Bevölkerung im Westen und Süden des Flughafens zusätzlichem Fluglärm ausgesetzt
ist, wenn auch "nur" bei schlechten Wetterbedingungen mit Nebel, welche die
DVO-Ausnahmeregelung in Kraft treten lassen. Nach Angaben der Flughafen Zürich
AG war dies in den letzten zwei Jahren 27 mal am Abend und 54 mal am Morgen der
Fall. Der Kanton Aargau schätzt die Zahl der Tage mit Nebel auf rund 40 im
Jahr.
Bei der erforderlichen Interessenabwägung fällt entscheidend ins Gewicht, dass
es auch aus Sicht des Umweltschutzes geboten
BGE 137 II 58 S. 82
erscheint, verspätete Abflüge möglichst vor 22.00 Uhr und nicht erst in der
sensibleren Zeit nach 22.00 Uhr abzuwickeln. Da Nebel nur an wenigen Abenden
pro Monat, vor allem im Winter, vorkommt und nicht vorhersehbar ist, führt die
Freigabe weiterer Startpisten nicht zu einer Ausweitung der planmässigen
Kapazität und damit zu mehr Flugverkehr, sondern erhöht lediglich die effektive
Kapazität des Flughafens.
Aus diesem Grund ist dem Antrag der Flughafen Zürich AG und der SWISS insoweit
zu entsprechen, als in der Zeit von 21.00 bis 22.00 Uhr zusätzliche Startpisten
(16 und 28) bei DVO-Ausnahmeregelung freizugeben sind. Dagegen ist der Antrag
auf Freigabe weiterer Startpisten vor 07.00 Uhr abzuweisen.

4.2.3 Sowohl die Flughafen Zürich AG als auch die SWISS stellen eventualiter
den Antrag, es sei ein Verspätungsabbau bis 00.30 Uhr zu gestatten.
Diese Anträge werden von mehreren Beschwerdegegnern als unzulässige neue
Begehren bezeichnet. Sie bezweifeln auch die Beschwerdelegitimation der SWISS,
die das vBR und die darin bereits vorgesehene Verlängerung der
Nachtflugbeschränkung um eine Stunde nicht angefochten habe. Wie es sich damit
verhält, kann offenbleiben, weil die Eventualanträge jedenfalls abzuweisen
sind.
Die verlängerte Nachtruhe (mit Verspätungsabbau bis 23.30 Uhr) war im
vBR-Verfahren unumstritten und ist - wie im Folgenden noch darzulegen sein wird
(unten E. 5 und 6) - die wichtigste und praktisch einzige zusätzliche Massnahme
des vBR zum Schutz der Bevölkerung gegen Fluglärm und zur Sanierung des
Flughafens. Würde diese Massnahme entfallen oder - durch Zulassung eines
längeren Verspätungsabbaus - erheblich eingeschränkt, so könnte dies die
Nachhaltigkeit des Flugbetriebs infrage stellen. Eine solche Massnahme muss
(sofern sie umweltrechtlich überhaupt zulässig ist) dem Sachplanverfahren
vorbehalten werden.
Es ist davon auszugehen, dass die Kapazitäten gemäss vBR bei guter Organisation
und Planung i.d.R. genügen, um den Verspätungsabbau bis 23.30 Uhr zu beenden.
Bei ausserordentlichen Wetterverhältnissen, die eine Ausnahme von den
Beschränkungen der DVO rechtfertigen, stehen während der verkehrsreichsten
Stunde (21.00 bis 22.00 Uhr) zwei zusätzliche Startpisten zur Verfügung. Die
Flughafen Zürich AG hat schliesslich die Möglichkeit, aus betrieblichen
Gründen, insbesondere zur Sicherung von genügenden Reserven für
BGE 137 II 58 S. 83
den Verspätungsabbau, die Vergabe des letzten Slots zeitlich vorzuverlegen
(Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Anhang 1 vBR).

4.3 Schnellabrollwege
Mit Verfügung vom 17. September 2007 erteilte das UVEK die Plangenehmigung für
je zwei Schnellabrollwege ab Piste 28 und Piste 34. Diese erlauben es
Flugzeugen, die auf Piste 28 bzw. Piste 34 gelandet sind, die Piste möglichst
schnell zu verlassen.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die neuen Schnellabrollwege ab
Piste 34 notwendig seien, um DVO-bedingte Kapazitätseinbussen auszugleichen;
dagegen führten die neuen Schnellabrollwege ab Piste 28 zu einer
Kapazitätserhöhung, die ohne SIL-Objektblatt unzulässig sei (E. 31.8 des
angefochtenen Entscheids A-1936/2006).
Vor Bundesgericht beantragen die Flughafen Zürich AG und die SWISS die
Bewilligung der Schnellabrollwege ab Piste 28. Diese gehörten zur
Standardausstattung einer Piste. Mit den neuen Schnellabrollwegen werde
verhindert, dass auf Piste 28 gelandete Flugzeuge, die den heute letzten
Abrollweg vor dem Pistenkreuz verpasst haben, über Piste 16/34 abrollen, auf
der Startverkehr herrscht. Die SWISS bestreitet, dass die neuen
Schnellabrollwege überhaupt zu Kapazitätssteigerungen führen. Die Flughafen
Zürich AG räumt dagegen eine massvolle Kapazitätserweiterung um zwei Bewegungen
pro Stunde ein. Diese sei jedoch zulässig. Das SIL-Objektblatt werde nicht
präjudiziert, weil Ostanflüge in allen verbliebenen Varianten vorgesehen seien.
Die Stadt Zürich beantragt ihrerseits, die Bewilligung der neuen
Schnellabrollwege ab Piste 34 sei aufzuheben. Sie macht geltend, ein Ausbau der
Piste 34 als Landepiste sei ohne SIL-Objektblatt raumplanungsrechtlich
unzulässig. Das Bundesverwaltungsgericht begründe den Bedarf für die
Schnellabrollwege mit dem DVO-bedingten Kapazitätsverlust bei den Landungen
zwischen 07.00 und 09.00 Uhr; die Beschwerdegegnerinnen hätten jedoch ihren
tatsächlichen Bedarf für Landungen in dieser Zeit nie ausgewiesen. Aus dem
aktuellen Flugplan gehe hervor, dass in der Zeit von 07.00 bis 08.00 Uhr und
von 09.00 bis 10.00 Uhr am Wochenende eine Überkapazität von je 24 Landungen
bestehe. Nur in der Stunde von 08.00 bis 09.00 Uhr ergebe sich mit 31 geplanten
Landungen ein Kapazitätsengpass. Dies scheine allerdings kein Problem zu sein,
würde der Flughafen doch sonst nicht so viele Landungen planen.
BGE 137 II 58 S. 84

4.3.1 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass die neuen
Schnellabrollwege die stündliche Kapazität um rund zwei bis vier Flugbewegungen
pro Stunde erhöhen. Diese Feststellung kann nicht als offensichtlich unrichtig
betrachtet werden. Sie entspricht der Einschätzung des UVEK und liegt nur wenig
über derjenigen der Flughafen Zürich AG.
Es ist unstreitig, dass die neuen Schnellabrollwege ab Piste 28 nicht nötig
sind, um eine DVO-bedingte Kapazitätseinbusse auszugleichen. Vielmehr hat der
Flughafen zu den DVO-Sperrzeiten, in denen von Osten gelandet wird (d.h. ab
21.00 Uhr), wegen des Wegfalls des gegenläufigen Verkehrs massiv an
Gesamtkapazität (62 statt 36 Bewegungen pro Stunde) und ebenfalls sehr deutlich
an Landekapazität (30 statt 20 Bewegungen pro Stunde) gewonnen. Unter diesen
Umständen kann die mit den neuen Schnellabrollwegen verbundene, noch weiter
gehende Kapazitätserhöhung derzeit nicht bewilligt werden. Es ist nicht
ersichtlich und wird von den Beschwerdeführerinnen auch nicht genügend
dargelegt, wie sichergestellt werden könnte, dass die zusätzlichen Kapazitäten
durch die neuen Schnellabrollwege ausschliesslich für den Verspätungsabbau
genutzt werden.
Die neuen Schnellabrollwege ab Piste 28 erscheinen auch aus Sicherheitsgründen
nicht notwendig. Landende Flugzeuge haben immer die Möglichkeit, bis zum
Pistenende abzurollen, sofern Startverkehr auf Piste 16/34 herrscht.
Der Antrag der Flughafen Zürich AG und der SWISS auf Bewilligung der neuen
Schnellabrollwege ab Piste 28 ist daher abzuweisen.

4.3.2 Dagegen ist in den Zeiten, in denen vor allem auf Piste 34 (von Süden)
gelandet wird, von einer Kapazitätsreduktion im Vergleich zum Betriebsreglement
2001 auszugehen. Dies betrifft vor allem das Wochenende: Wie das
Bundesverwaltungsgericht (in E. 31.8.2.1) dargelegt hat, können am Wochenende,
in der Zeit von 07.00 bis 09.00 Uhr, bis zu zwölf Bewegungen weniger
durchgeführt werden (56 statt 68), wobei die Einbusse in erster Linie die
Landungen betrifft (26 statt bisher 34 bzw. 38). Die zusätzlichen zwei bis vier
Bewegungen dank der neuen Schnellabrollwege gleichen daher die DVO-bedingte
Einbusse am Wochenende nur teilweise aus. Der Stadt Zürich ist einzuräumen,
dass in der Zeit vor 08.00 und nach 09.00 Uhr noch grosse Kapazitätsreserven
bestehen. Dagegen besteht schon heute in der Zeit von 08.00 bis 09.00 Uhr am
BGE 137 II 58 S. 85
Wochenende ein Engpass und damit ein Bedarf für die neuen Schnellabrollwege.
Allerdings besteht die Gefahr, dass ein Ausbau der Piste 34 durch
Schnellabrollwege und die damit verbundene Kapazitätserhöhung die hängige
Sachplanung präjudizieren könnten. Die Südanflüge auf Piste 34 sind ein
besonders umstrittener Aspekt der SIL-Planung für den Flughafen Zürich. Der Bau
der neuen Schnellabrollwege ist deshalb auch politisch sehr kontrovers. So ist
derzeit im Kanton Zürich ein Gegenvorschlag von Stimmberechtigten zum
Kantonsratsbeschluss vom 23. Februar 2009 über die Behördeninitiative
betreffend Änderung des Gesetzes über den Flughafen Zürich vom 12. Juli 1999
("Keine Neu- und Ausbauten von Pisten") hängig. Darin wird u.a. verlangt, dass
sich der Kanton - auch im Rahmen seiner Stellung als Aktionär und
Verwaltungsratsmitglied der Flughafen Zürich AG - gegen den Bau neuer
Schnellabrollwege einsetzt (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 1C_22/2010 vom
6. Oktober 2010).
Nach dem oben (E. 3.3.3 in fine) Gesagten können Infrastrukturmassnahmen, die
nicht absolut notwendig sind, nicht bewilligt werden, bevor das SIL-Objektblatt
für den Flughafen Zürich vorliegt. Im vorliegenden Fall erscheint es für den
Flughafen Zürich zumutbar, die Kapazitätseinbusse durch Nichtgenehmigung der
neuen Schnellabrollwege vorläufig hinzunehmen. Diese Einbusse ist auf wenige
Flüge in der Stunde beschränkt und bedeutet nur während einer Stunde am
Wochenende eine effektive Einschränkung. Sollte das SIL-Objektblatt die neuen
Schnellabrollwege vorsehen, könnte ein neues Plangenehmigungsgesuch (noch vor
Erlass des definitiven Betriebsreglements) eingeleitet werden. Die Beschwerde
der Stadt Zürich ist daher in diesem Punkt gutzuheissen und Disp.-Ziff. 2.2 der
Plangenehmigung des UVEK vom 17. September 2007 aufzuheben, soweit darin der
Bau von zwei Schnellabrollwegen ab Piste 34 bewilligt wird.
(...)

5. Umweltrechtliche Fragen (insb. Fluglärm)
Zahlreiche Beschwerdeführer verlangen weiter gehende Massnahmen zur
Beschränkung des Fluglärms gestützt auf das Umweltschutzrecht. Im Folgenden
sind zunächst die allgemeinen Anforderungen des Umweltrechts, namentlich im
Hinblick auf den Lärmschutz, in Erinnerung zu rufen (E. 5.1) und die Aussagen
des UVB zur Fluglärmbelastung der Umgebung zusammenzufassen (E. 5.2). Zu prüfen
BGE 137 II 58 S. 86
sind anschliessend die Rügen, wonach die geltenden Grenzwerte für Fluglärm den
gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen (E. 5.3). Im Anschluss daran wird
untersucht, ob und inwiefern zusätzliche Sanierungsmassnahmen angeordnet werden
müssen (E. 6). Schliesslich sind daraus die Konsequenzen für die Lärmemissionen
des Flughafens und für den Schallschutz zu ziehen (E. 7).

5.1 Anforderungen des Umweltrechts; Sanierungspflicht
Der Flughafen Zürich ist eine bestehende ortsfeste Anlage i.S.v. Art. 7 Abs. 1
USG (SR 814.01) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember
1986 (LSV; SR 814.41). Der Flugbetrieb führt zu erheblichen Lärmimmissionen in
der Umgebung des Flughafens, der die geltenden Immissionsgrenzwerte für
Fluglärm und teilweise sogar die Alarmwerte überschreitet. Der Flughafen ist
damit grundsätzlich eine sanierungsbedürftige Anlage (Art. 16 USG), die nur
erweitert oder geändert werden darf, wenn sie gleichzeitig saniert wird (Art.
18 Abs. 1 USG). Bei einer wesentlichen Änderung (i.S.v. Art. 8 Abs. 3 LSV)
müssen die Lärmemissionen der gesamten Anlage mindestens so weit begrenzt
werden, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden (Art. 8 Abs. 2
LSV). Hierfür können u.a. Verkehrs- oder Betriebsvorschriften unmittelbar
gestützt auf das Umweltschutzgesetz angeordnet werden (Art. 12 Abs. 1 lit. c
und Abs. 2 USG; vgl. BGE 126 II 522 E. 39a S. 570).
Kann bei bestehenden Anlagen die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nicht
erreicht werden, so kann die Vollzugsbehörde im Einzelfall Erleichterungen
gewähren, wobei der Alarmwert für Lärmimmissionen grundsätzlich nicht
überschritten werden darf (Art. 17 Abs. 2 USG). Bei öffentlichen oder
konzessionierten, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegenden Anlagen wie
dem Landesflughafen Zürich können indessen Erleichterungen über den Alarmwert
hinaus gewährt werden (Art. 20 Abs. 1 USG i.V.m. Art. 14 Abs. 2 LSV e contrario
für bestehende Anlagen; Art. 25 Abs. 3 USG für neue und analog für wesentlich
geänderte Anlagen; vgl. BGE 124 II 293 E. 17 S. 328). Unter der Voraussetzung,
dass die Lärmimmissionen unvermeidlich sind, d.h. sämtliche zumutbaren
vorsorglichen und verschärften Emissionsbegrenzungen ergriffen worden sind,
dürfen solche Anlagen deshalb ungeachtet der von ihnen verursachten Immissionen
weiter betrieben und auch geändert oder erweitert werden. Voraussetzung ist
allerdings, dass an den vom Lärm betroffenen Gebäuden passive
Schallschutzmassnahmen getroffen werden. Diese Pflicht besteht (bei neuen und
wesentlich
BGE 137 II 58 S. 87
geänderten bestehenden Anlagen) ab Überschreitung der Immissionsgrenzwerte
(Art. 25 Abs. 3 USG, Art. 8 Abs. 2 und Art. 10 LSV; vgl. BGE 126 II 522 E. 39a
S. 569 f.).
Bereits die 5. Ausbauetappe des Flughafens Zürich stellte eine wesentliche
Änderung dar und löste daher die oben beschriebene Sanierungspflicht aus (vgl.
BGE 124 II 293 E. 16b S. 328). Wie im Folgenden näher darzulegen ist, führen
auch die Änderungen der An- und Abflugrouten gemäss vBR zu einer erheblichen
Umverteilung des Fluglärms und sind daher als wesentliche Änderung des
Flughafenbetriebs zu qualifizieren. Insofern ist der Flughafen Zürich schon
heute sanierungspflichtig, unabhängig vom Ablauf der Sanierungsfrist für zivile
Flugplätze (vgl. Art. 17 Abs. 6 lit. b LSV: Frist bis 31. Mai 2016).

5.2 Aussagen des UVB zum Fluglärm
Die Auswirkungen des vBR im Bereich Fluglärm wurden im Fachbericht Fluglärm des
UVB untersucht. Darin wurde der Betriebszustand Zt+ (Flugbetrieb im Jahr 2010
gemäss vBR mit prognostizierten 350'000 Flugbewegungen jährlich) mit dem
Ist-Zustand Z0 (Flugbetrieb im Jahr 2000 mit rund 326'000 Flugbewegungen) und
dem Ausgangszustand Zt (hypothetischer Betriebszustand im Jahr 2010 bei
unveränderter Luftraumstruktur, ohne DVO-Beschränkungen, mit 350'000 Bewegungen
jährlich) verglichen. Der UVB wurde mit dem Bericht der Eidgenössischen
Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) Nr. 437'703-1 vom 22. März 2005
aktualisiert, unter Berücksichtigung der geänderten Flugspuren
(Projektänderungsgesuch vom 27. Dezember 2004), der neuen Steigprofile für den
Typ A340 und der Bevölkerungsdaten der Volkszählung 2000 für die Kantone Zürich
und Schaffhausen.

5.2.1 Im Vergleich zum Ist-Zustand Z0 geht die Zahl der Personen, die von
Lärmimmissionen über den Alarm- und den Immissionsgrenzwerten betroffen sind,
sowohl im Ausgangszustand Zt als auch im Betriebszustand Zt+ zurück, obwohl mit
einer Zunahme der Flugbewegungen von ca. 10 % gerechnet wird. Dieser Rückgang
ist vor allem auf den Einsatz einer moderneren Flugzeugflotte zurückzuführen.
Im Betriebszustand führt zudem die Ausweitung der Nachtflugsperre zu einer
Abnahme der Zahl der Lärmbetroffenen während der zweiten und dritten
Nachtstunde.
Vergleicht man dagegen den Betriebszustand mit dem Ausgangszustand, so nimmt
die Zahl der Personen, bei denen die
BGE 137 II 58 S. 88
Immissionsgrenzwerte überschritten werden, im Betriebszustand deutlich zu. Die
DVO-bedingte Umverteilung der Flugbewegungen in sensiblen Zeiten trifft
teilweise dicht besiedelte Gebiete im Süden und Osten des Flughafens, die
bislang nur bei starken Westwindlagen (Anflüge auf Piste 28) oder gar nicht
(Anflüge auf Piste 34) vom zivilen Fluglärm betroffen waren. In diesen Gebieten
werden die Lärmimmissionen in den Tagesrandstunden deutlich wahrnehmbar erhöht
(vgl. im Einzelnen angefochtener Entscheid A-1936/2006 E. 39.6.1-39.6.4). Diese
Umverteilung wirkt sich vor allem in der Nacht infolge der kurzen
Beurteilungszeitspannen (Ein-Stunden-Leq; vgl. dazu unten E. 5.3.1) stark aus.
Die von Immissionsgrenzwert-Überschreitungen betroffene Bevölkerung (Tag und
Nacht kumuliert) nimmt daher beim Betriebszustand, im Vergleich zum
Ausgangszustand, von rund 31'000 auf 46'350 Personen zu.
Das vBR sieht als wichtigste Massnahme zur Reduzierung des Fluglärms die
Verlängerung der Nachtflugsperre auf sieben Stunden vor. Diese beginnt um 23.00
Uhr (bisher: 24.00 Uhr) mit Verspätungsabbau bis 23.30 Uhr (bisher: 00.30 Uhr)
und endet um 06.00 Uhr morgens. Von dieser Verlängerung der Nachtruhe
profitiert vor allem die Bevölkerung im Norden des Flughafens. Für alle anderen
Gebiete rund um den Flughafen führt dagegen das vBR (trotz der verlängerten
Nachtruhe) aufgrund der DVO-bedingten Lärmumverteilung zu einer
Verschlechterung der Lärmsituation.

5.3 Überprüfung der Grenzwerte für Fluglärm
Das Bundesverwaltungsgericht prüfte vorfrageweise die Belastungsgrenzwerte für
den Lärm ziviler Flugplätze gemäss Anhang 5 LSV.

5.3.1 Der Beurteilungspegel Lr für den Lärm des Gesamtverkehrs auf zivilen
Flugplätzen, auf denen Grossflugzeuge verkehren, wird auf der Grundlage des
energieäquivalenten Dauerschallpegels Leq ermittelt, der für den Tag über einen
Zeitraum von 16 Stunden (06.00 bis 22.00 Uhr) gemittelt wird. Für die Nacht
werden dagegen getrennte Berechnungen für die erste Nachtstunde (22.00 bis
23.00 Uhr), die zweite Nachtstunde (23.00 bis 24.00 Uhr) und die letzte
Nachtstunde (05.00 bis 06.00 Uhr) vorgenommen (Ziff. 41 Abs. 1 Anhang 5 LSV),
d.h. die Mittelung erfolgt für einen Zeitraum von je nur einer Stunde (sog.
Ein-Stunden-Leq).
Die Belastungsgrenzwerte (für den Lärm des gesamten Verkehrs auf zivilen
Flugplätzen, auf denen Grossflugzeuge verkehren) sind in Ziff. 22 Anhang 5 LSV
wie folgt festgelegt:
BGE 137 II 58 S. 89
221 Belastungsgrenzwerte in Lrt für den Tag (06-22 Uhr)

Empfindlichkeitsstufe (Art. 43) Planungswert Immissionsgrenzwert Alarmwert
                                Lrt in dB(A) Lrt in dB(A)        Lrt in dB(A)
I                               53           55                  60
II                              57           60                  65
III                             60           65                  70
IV                              65           70                  75

222 Belastungsgrenzwerte in Lrn für die erste (22-23 Uhr), die zweite (23-24
Uhr) und die letzte Nachtstunde (05-06 Uhr)

Empfindlichkeitsstufe     Planungswert   Immissionsgrenzwert    Alarmwer
(Art. 43)
                          Lrn in dB(A)   Lrn in dB(A)           Lrn in dB(A)
I                         43             45                     55
II                        47/50^1        50/55^1                60/65^1
III                       50             55                     65
IV                        55             60                     70
                          ^1 Die höheren Werte gelten für die erste
                          Nachtstunde (22-23 Uhr)

5.3.2 Zahlreiche Beschwerdeführer haben geltend gemacht, die
Immissionsgrenzwerte für den Tag verstiessen gegen Art. 15 USG bzw. seien
lückenhaft: Der für den Tagesflugbetrieb verwendete 16-Stunden-Leq bilde als
Mittelungspegel nur die Störwirkung einer Dauerbelastung mit Fluglärm ab, nicht
jedoch die Störwirkung einer hohen Intervallbelastung. Insbesondere schütze er
nicht vor Aufwachreaktionen am frühen Morgen.
Das Bundesverwaltungsgericht holte zu dieser Frage mehrere Stellungnahmen der
Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung (EKLB) ein. Diese kam in ihren
Berichten vom 24. Mai 2006 und
BGE 137 II 58 S. 90
vom 28. September 2007 zum Schluss, es gebe keine hinreichend gefestigten
wissenschaftlichen Erkenntnisse, um eine störungsgerechte Beurteilung auf
andere Grundlagen zu stützen als auf Anhang 5 LSV. Diese Auffassung wurde vom
BAFU geteilt.
Im ergänzenden Fachbericht vom 4. September 2009 kam die EKLB dagegen -
gestützt auf die (noch nicht veröffentlichte) Vorstudie "Überprüfung der IGW
für Lärm" vom 12. August 2009 - zum Ergebnis, aufgrund zahlreicher
wissenschaftlicher Hinweise bestehe der Verdacht, dass die Immissionsgrenzwerte
für Lärm in ihrer heutigen Form und Höhe den Schutz der Bevölkerung vor
lästigem und schädlichem Lärm nicht mehr ausreichend sicherstellen könnten. Das
EKLB empfehle daher dem BAFU, die empirischen Grundlagen zur Lärmwirkung auf
die Schweizer Bevölkerung zu aktualisieren und gestützt darauf die
Immissionsgrenzwerte einer Überprüfung zu unterziehen sowie anschliessend
gegebenenfalls dem UVEK Empfehlungen für deren Neufestsetzung zu unterbreiten.
Ob solche Neufestsetzungen erforderlich seien und in welche Richtung sie gehen
könnten, lasse sich aber heute noch nicht sagen. Der Zeithorizont bis zum
Vorliegen neuer Erkenntnisse in diesem Bereich betrage mit Sicherheit mehr als
fünf Jahre, weil die erforderlichen empirischen Untersuchungen aufwendig seien
und bedeutende Geldmittel voraussetzen würden. Die EKLB erachte die heute
geltenden Immissionsgrenzwerte jedenfalls zurzeit nach wie vor als korrekt, um
die Störwirkungen des Lärms sachgerecht beurteilen zu können.
Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, angesichts dieser Beurteilungen
der massgeblichen Fachbehörden EKLB und BAFU habe es keinerlei Spielraum, heute
zu einer anderen Einschätzung zu gelangen. Die von den Beschwerdeführern ins
Feld geführten Erkenntnisse neuerer Studien seien noch zu wenig fundiert und zu
wenig breit abgestützt, um bereits als massgeblich im Sinne des Standes der
Wissenschaft oder der Erfahrung anerkannt werden zu können. Soweit sich
aufgrund weiterer Untersuchungen der Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung
mit der Zeit effektiv ändern würde, sei es Aufgabe der entsprechenden
Fachbehörden (EKLB, BAFU) sowie der zuständigen Aufsichtsbehörden (UVEK, BAZL),
Änderungen der LSV vorzuschlagen und in die Wege zu leiten.

5.3.3 Die Stadt Zürich, die Stadt Winterthur und die Gemeinde Bassersdorf und
Mitbeteiligte halten die geltenden Grenzwerte für Fluglärm am Tag für
gesetzeswidrig. Der energieäquivalente
BGE 137 II 58 S. 91
Dauerschallpegel Leq, der über 16 Stunden gemittelt werde, werde der geballten
Fluglärmbelastung zu den Tagesrandstunden nicht gerecht. Damit werde die
Betroffenheit der Bevölkerung chronisch unterbewertet.
Die Stadt Zürich macht geltend, dass beispielsweise in Schwamendingen aufgrund
der Südanflüge Immissionen zwischen 65 und 83 dB(A) pro Ereignis, vereinzelt
sogar bis 90 dB(A), gemessen werden. Die kritische Grenze für
Schlafbeeinträchtigung liege jedoch bei einem Maximalpegel (Lmax) von 50 dB(A)
pro Überflug im Rauminnern. Jeden Tag um 06.00 Uhr durch Fluglärm aus dem
Schlaf gerissen zu werden, sei keine Bagatelle, sondern eine ernst zu nehmende
Beeinträchtigung des Wohlbefindens, wenn nicht gar der Gesundheit. Der jeden
Morgen auftretende intensive Lärm durch die Öffnung von Piste 34 als Landepiste
komme jedoch in den Lärmberechnungen kaum zum Vorschein. Es lägen somit
massgebliche Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass die
aktuellen Tageslärmgrenzwerte die betroffenen Personen ungenügend vor
schädlichen oder lästigen Einwirkungen schützten.
Die beschwerdeführenden Gemeinden halten die Argumentation der EKLB für nicht
nachvollziehbar. Der blosse Umstand, dass die Fachbehörden noch nicht wüssten,
wie die Grenzwerte sachgerechter festzulegen seien, dürfe nicht dazu führen,
die bisherige Ordnung als gesetzmässig zu erklären. Im Übrigen liege es nahe,
in Anlehnung an die Regelung für die Nacht, einen Ein-Stunden-Leq für die Zeit
von 06.00 bis 07.00 Uhr einzuführen, weil die zahlenmässige Begrenzung lauter
Einzelschallereignisse am frühen Morgen mindestens genauso wichtig sei wie in
der Nacht. Wissenschaftliche Studien hätten ergeben, dass der Schlaf in der
Zeit von 06.00 bis 07.00 Uhr sogar besonders anfällig sei für Störungen durch
Fluglärm. Bei korrekter Festlegung der Grenzwerte wäre ein wesentlich grösserer
Anteil der Bevölkerung von Immissionsgrenzwert-Überschreitungen durch den
Betrieb des Flughafens betroffen, als dies im UVB zum vBR ausgewiesen werde.

5.3.4 Der Einfluss von abendlichem und morgendlichem Fluglärm auf Belästigung,
Befindlichkeit und Schlafqualität von Flughafenanwohnern wurde in der
Lärmstudie 2000 der ETH Zürich (BRINK/ROMETSCH/WIRTH/SCHIERZ, 2007; im
Folgenden: Lärmstudie) in einem umfangreichen Feldversuch untersucht. Dies
erfolgte einerseits anhand der von den Versuchspersonen selbst wahrgenommenen
BGE 137 II 58 S. 92
Beeinträchtigung des Schlafs, andererseits anhand objektiver Parameter
(körperliche Bewegungsintensität; Herzratendynamik).
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass Fluglärm am Morgen belästigender wirke und
zu mehr selbstberichteten erinnerten Aufwachreaktionen führe als Fluglärm am
Abend. Im Mittel erwachten die Versuchspersonen bei Fluglärm am Morgen in jeder
Nacht ein zusätzliches Mal, bei Fluglärm am Abend dagegen nur in jeder zweiten
Nacht. Die Auswertungen der physiologischen Daten lege nahe, dass der Schlaf
zwischen 05.30 und 07.00 Uhr morgens bei Personen mit einem normalen
Schlaf-Wach-Rhythmus speziell anfällig sei für Störungen durch
Flugzeuggeräusche. Während die Versuchspersonen im Durchschnitt nur in 7 % der
lärmlosen Nächte einmal erinnerbar spontan aufgewacht seien, sei dies bei
Beschallung am Morgen mit der leisesten Pegelhäufigkeitskombination (8
Überflüge bei Lmax = 50 dB[A] am Ohr des Schläfers) in 48 % und bei der
lautesten Pegelhäufigkeitskombination (16 Überflüge bei Lmax = 60 dB[A]) in 79
% der Nächte geschehen. Der Vergleich des Einflusses von Pegel und Häufigkeit
zeige, dass am Morgen die Erhöhung des Pegels von 50 auf 60 dB(A) einen
stärkeren Einfluss auf die Belästigung gehabt habe als die Erhöhung der Anzahl
von 8 auf 16 Überflüge. Am Abend hingegen habe die Erhöhung des
Maximalschallpegels zur selben Belästigungszunahme wie die Erhöhung der Anzahl
Überflüge geführt (Lärmstudie, a.a.O., Schlussfolgerungen S. 155 ff.).
Eine weitere Erkenntnis der Feldstudie war, dass die Geräuschcharakteristik,
insbesondere die Pegelanstiegssteilheit, für die Vorhersage von Schlafstörungen
bedeutsam sein könne. So verursachten Geräusche von landenden Flugzeugen (wie
sie direkt unter der Anflugschneise wahrgenommen werden) bei gleichem
Maximalpegel stärkere physiologische Reaktionen als Geräusche von startenden
Maschinen, deren Schallabstrahlung zwar sehr gross ist, deren Schallleistung
sich aber durch den schnellen Steigflug schneller auf eine grössere Bodenfläche
verteilt und deshalb einen regelmässigeren Pegelverlauf ergibt. Die Autoren der
Studie vermuten daher, dass Personen, die dem Lärm von landenden Flugzeugen
direkt unterhalb der Anflugschneise ausgesetzt sind, eine besonders kritische
Gruppe von Immissionsempfängern darstellen, da die im Anflug sehr tief
fliegenden Flugzeuge eine zwar kurz dauernde, dafür aber steilflankige,
hochpegelige Lärmimmission verursachen. Ein ausreichender Beleg
BGE 137 II 58 S. 93
hierfür stehe allerdings noch aus und erfordere weitere Untersuchungen
(Lärmstudie, a.a.O., S. 160 f.).

5.3.5 Für die Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen legt der
Bundesrat durch Verordnung Immissionsgrenzwerte fest (Art. 13 Abs. 1 USG). Er
berücksichtigt dabei auch die Wirkungen der Immissionen auf Personengruppen mit
erhöhter Empfindlichkeit, wie Kinder, Kranke, Betagte und Schwangere (Art. 13
Abs. 2 USG). Die Immissionsgrenzwerte für Lärm sind so festzulegen, dass nach
dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung Immissionen unterhalb dieser
Werte die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören (Art. 15
USG). Die Immissionsgrenzwerte sind unabhängig von der technischen
Realisierbarkeit und wirtschaftlichen Tragbarkeit derart zu bestimmen, dass ein
ausreichender Schutz des Menschen und seiner Umwelt gewährleistet wird
(Botschaft des Bundesrats vom 31. Oktober 1979 zu einem Bundesgesetz über den
Umweltschutz, BBl 1979 III 793 zu Art. 11). Gesichtspunkte ausserhalb des
Schutzziels von Art. 15 USG, wie wirtschaftliche oder raumplanerische Anliegen,
haben ausser Acht zu bleiben (BGE 126 II 522 E. 42 S. 575 mit
Literaturhinweisen).
Die geltenden Fluglärm-Grenzwerte gemäss Anhang 5 LSV beruhen auf dem Bericht
der Kommission für die Beurteilung von Lärmimmissionsgrenzwerten
"Belastungsgrenzwerte für den Lärm von Landesflughäfen" aus dem Jahre 1997
(Schriftenreihe Umwelt Nr. 296, BUWAL 1998). Gestützt auf die "Lärmstudie 90"
sowie auf Untersuchungen und Berichte ausländischer Wissenschaftler empfahl die
Kommission, als Belastungsmass den Beurteilungspegel Lr auf der Grundlage des
Mittelungspegels Leq zu übernehmen. Die Beurteilung der Nachtbetriebsstunden
(22.00 bis 23.00, 23.00 bis 24.00 und 05.00 bis 06.00 Uhr) sei dagegen nach
anderen Kriterien vorzunehmen. Als richtungsweisend für die
Grenzwertfestsetzung erachtete die Kommission damals wissenschaftliche
Untersuchungen, nach welchen die kritische Aufwachschwelle bei 60 dB(A) am Ohr
der schlafenden Person liege. Mit zunehmender Höhe und Häufigkeit dieser
Schwelle wachse die Zahl der Personen, die durch solche Ereignisse aufgeweckt
werden. Da die Begrenzung eines maximalen Spitzenpegels in der Praxis kaum
kontrollierbar sei, wurde die Einführung eines Ein-Stunden-Leq vorgeschlagen.
Durch die Verkürzung der Bezugszeit auf eine Stunde werde erreicht, dass der
Spitzenpegel in ausreichendem Ausmass berücksichtigt werde und
BGE 137 II 58 S. 94
zugleich die stündliche Lärmdosis begrenzt bleibe. Die Kommission schlug vor,
den Grenzwert für die ES II für die erste Nachtstunde (22.00 bis 23.00 Uhr) um
5 dB(A) anzuheben, um eine Dominanz dieser Stunde bezüglich der
raumplanerischen Nutzungsbeschränkungen in den lärmbetroffenen Gebieten zu
vermeiden. Zum Schutz einer ausreichend langen und ununterbrochenen Nachtruhe
(zwischen 23.00 und 06.00 Uhr) sei hingegen für die übrigen Randstunden ein
Immissionsgrenzwert von 50 dB(A) festzusetzen.
Die vom Bundesrat am 12. April 2000 festgelegten, vom Kommissionsentwurf
abweichenden höheren Grenzwerte für Fluglärm wurden vom Bundesgericht für
gesetzeswidrig erklärt (BGE 126 II 522 E. 41-46 S. 573-590). Schon damals
äusserte das Bundesgericht Zweifel, ob die Störwirkung des Fluglärms allein mit
dem energieäquivalenten Dauerschallpegel Leq erfasst werden könne (E. 45a/bb S.
587). Jedenfalls für die Nacht müssten die Immissionsgrenzwerte anhand der
kritischen Schwelle der Aufwachreaktionen festgelegt werden, wobei neben dem
Maximalpegel auch die Anzahl der Schallereignisse eine Rolle spiele. Eine
solche Begrenzung bewirke grundsätzlich der von der Kommission für die
Nachtzeit empfohlene Ein- Stunden-Leq (E. 45b S. 587 f.).
Die aufgrund des bundesgerichtlichen Urteils korrigierte heutige Fassung von
Anhang 5 LSV sieht die Beurteilung mittels Ein-Stunden-Leq nur für die Nacht,
d.h. für die Zeit zwischen 22.00 und 06.00 Uhr vor, und schützt damit nicht vor
Aufwachreaktionen in der Zeit vor 22.00 Uhr (insbesondere bei Kindern) und nach
06.00 Uhr. In der ersten Morgenstunde (06.00 bis 07.00 Uhr) ist die Mehrheit
der Bevölkerung noch nicht aufgestanden (vgl. Lärmstudie, a.a.O., S. 35); an
Wochenenden und Feiertagen liegt dieser Anteil noch höher. Die Resultate der
Lärmstudie legen nahe, dass der Schlaf in den frühen Morgenstunden speziell
anfällig ist für Störungen durch Fluglärm.
Zwar korrespondiert der über 16 Stunden gemittelte Leq im Allgemeinen gut mit
der Wahrscheinlichkeit einer starken Störung (vgl. EGGENSCHWILER/HEUTSCHI/
WUNDERLI/EMRICH/BÜTIKOFER, Lärmbekämpfung, 2010, S. 229 Abb. 11.9).
Konzentriert sich jedoch der Fluglärm auf eine kurze Zeitspanne zu einer
besonders sensiblen Tageszeit, schlägt sich dies im 16-Stunden-Leq nicht
nieder, obwohl der Lärm lästig und - insbesondere bei Aufwachreaktionen - sogar
schädlich sein kann. Dies ist namentlich bei den Südanflügen auf Piste 34 und
BGE 137 II 58 S. 95
den Ostanflügen auf Piste 28 der Fall, die fast ausschliesslich zu den
morgendlichen bzw. abendlichen DVO-Sperrzeiten erfolgen (Südanflüge von 06.00
bis 07.00 Uhr werktags und 06.00 bis 09.00 Uhr an Wochenenden und Feiertagen;
Ostanflüge ab 21.00 Uhr werktags bzw. ab 20.00 Uhr an Wochenenden). Insofern
erscheinen die geltenden Grenzwerte ergänzungsbedürftig.
Allerdings steht nach den Ausführungen der EKLB und des BAFU noch nicht fest,
wie die Grenzwerte für Fluglärm gemäss Anhang 5 LSV ergänzt oder geändert
werden müssen, um den Anforderungen von Art. 13 ff. USG gerecht zu werden.
Hierfür sind offenbar weitere Untersuchungen nötig. Es lässt sich insbesondere
noch nicht absehen, ob weitere Ein-Stunden-Leq einzuführen oder ob andere
Belastungsmasse vorzuziehen sind. Denkbar ist auch, dass neben (oder anstelle
von) physikalischen Belastungsgrössen wirkungsbezogene Lärmindizes (nach dem
Vorbild des Zürcher Fluglärmindex) zur Anwendung kommen. Es wird Sache der
Fachbehörden des Bundes sein, die notwendigen Abklärungen zu veranlassen und
dem Bundesrat einen Vorschlag für die Anpassung bzw. Ergänzung der LSV zu
unterbreiten.
Für das vorliegende Verfahren ist davon auszugehen, dass insbesondere Personen,
die unter der Anflugschneise von Piste 34 und Piste 28 wohnen, durch
frühmorgendlichen bzw. abendlichen Fluglärm in ihrem Wohlbefinden zum Teil
erheblich gestört werden, selbst wenn der 16-Stunden-Leq die nach Anhang 5 LSV
massgeblichen Immissionsgrenzwerte für die Tageszeit nicht überschreitet.
Immerhin führen die abendlichen Ostanflüge zu weiträumigen
Immissionsgrenzwert-Überschreitungen während der ersten Nachtstunde und werden
insoweit in der umhüllenden Grenzwertkurve (Tag und Nacht) berücksichtigt.
Dagegen ist dies für die frühmorgendlichen Südanflüge nicht der Fall. Der
Anteil der durch Fluglärm gestörten Bevölkerung ist daher, vor allem im Süden
des Flughafens, grösser, als dies im UVB Fachbericht Fluglärm und den
ergänzenden EMPA-Berichten zum Ausdruck kommt.
Dies führt nicht ohne Weiteres zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und
zur Nichtgenehmigung des vBR (so schon BGE 126 II 522 E. 46 S. 590 zur damals
streitigen Baukonzession). Vielmehr ist dieser Umstand bei der Prüfung weiterer
Sanierungsmassnahmen (unten E. 6) sowie bei den für die Erteilung von
Erleichterungen gebotenen Schallschutzmassnahmen (unten E. 7) zu
berücksichtigen.
BGE 137 II 58 S. 96

6. Zusätzliche Sanierungsmassnahmen
Das Bundesverwaltungsgericht hob gewisse Bestimmungen des vBR auf, die zu einer
Kapazitätserhöhung geführt hätten (vgl. oben E. 4). Ausserdem verstärkte es den
Schutz der Nachtruhe, indem es die Ausnahmen für nächtliche Post- und Messflüge
aufhob und das Startverbot für Charterabflüge ab 22.00 Uhr wieder einführte
(vgl. dazu nicht publ. E. 8 und 9). Dagegen hielt es weitere
Sanierungsmassnahmen für unverhältnismässig, da diese den Betrieb und
namentlich die Funktion des Flughafens Zürich als grosse europäische
Drehscheibe des Weltluftverkehrs in unzumutbarer Weise beschränken würden.
Zahlreiche Beschwerdeführer sind dagegen der Auffassung, dass weitere
Massnahmen zur Beschränkung des Fluglärms zumutbar und geboten sind. Beantragt
werden eine weitere Ausdehnung der Nachtruhe (E. 6.1), die Plafonierung der
Flugbewegungen in der Nacht (E. 6.2) bzw. der Gesamtflugbewegungen (E. 6.3),
eine Einschränkung der Südanflüge (E. 6.4), die Wiedereinführung einer festen
Pistenrangordnung für Starts, namentlich zur Beschränkung von Starts ab den
Pisten 10 und 16 (E. 6.5), die Anordnung flughafeneigener Lärmindizes für
Abflüge in der Nachtzeit (E. 6.6), die Einführung bzw. Erhöhung
lenkungswirksamer Umweltabgaben (E. 6.7) sowie weitere Betriebsvorschriften (E.
6.8 ff.).
Gemäss Art. 17 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 2 USG können Erleichterungen erteilt
werden, wenn die Sanierung unverhältnismässig wäre bzw. die Einhaltung der
einschlägigen Grenzwerte zu einer unverhältnismässigen Belastung für das
Projekt führen würde. Dabei muss ein angemessener Ausgleich(juste équilibre)
zwischen den Interessen der von Fluglärm betroffenen Anwohner und den
wirtschaftlichen Interessen des Landes gefunden werden (Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte Hatton gegen Vereinigtes Königreich vom 8. Juli
2003 §§ 119 ff.).
Handelt es sich um den Betrieb eines Landesflughafens, müssen bei der
Beurteilung der Zumutbarkeit von weiteren Betriebseinschränkungen die Ziele und
Vorgaben des Sachplans Infrastruktur Luft beachtet werden. Da das
SIL-Objektblatt für den Flughafen Zürich noch nicht vorliegt, orientierte sich
das Bundesverwaltungsgericht zu Recht an den Festlegungen und Grundsätzen des
allgemeinen Teils des SIL.
Nach dessen konzeptionellen Zielen und Vorgaben (SIL Teil IIIB1-B7 - 2/3) sind
die Landesflughäfen die nationalen Drehscheiben des
BGE 137 II 58 S. 97
internationalen Luftverkehrs, wobei der Flughafen Zürich seine Rolle als eine
der grossen europäischen Drehscheiben des Weltluftverkehrs wahrnehmen können
soll (Grundsatz 2). Die Landesflughäfen sollen eine ihrer Funktion
entsprechende leistungsfähige Infrastruktur anbieten (Grundsatz 5). Bei
verbleibenden übermässigen Lärmimmissionen sind die gesetzlich vorgesehenen
Ersatzmassnahmen zu treffen bzw. gegebenenfalls Entschädigungszahlungen zu
leisten (Grundsatz 6). Hinsichtlich der effizienten Nutzung der
Luftfahrtinfrastruktur (SIL IIIB - 4 Grundsatz 6) hält der SIL für die
Landesflughäfen fest, dass diese der Luftverkehrsnachfrage folgend entwickelt
werden können, auch wenn im Interesse der ökonomischen und sozialen Dimension
der Mobilität in Kauf genommen werden muss, dass in der Umgebung dieser Anlagen
die Belastungsgrenzwerte für den Fluglärm nicht überall eingehalten werden
können. Im Lichte der Luftfahrtpolitik des Bundes und der Ergebnisse des
Koordinationsprozesses für das SIL-Objektblatt Flughafen Zürich soll dieser
Grundsatz dahingehend präzisiert werden, dass die Landesflughäfen nicht
unbeschränkt der Luftverkehrsnachfrage folgend entwickelt werden können,
sondern nur soweit dies mit den Grundsätzen der Nachhaltigkeit in Einklang
steht (Entwurf vom 16. August 2010; vgl. oben E. 3.3.4).

6.1 Verlängerung der Nachtruhe
Die Stadt Zürich beantragt, die Nachtruhe sei um eine weitere Stunde
auszudehnen, d.h. ab 22.00 Uhr seien keine Starts und Landungen des
gewerbsmässigen Verkehrs zu planen und verspätete Starts und Landungen seien
nur bis 22.30 Uhr zuzulassen. Südanflüge seien bereits ab 21.00 und bis 06.30
Uhr zu untersagen.
Die Stadt Winterthur und die Gemeinde Bassersdorf und Mitbeteiligte verlangen
eine Nachtsperrzeit von acht Stunden, von 22.00 bis 06.00 Uhr, wobei auch der
Verspätungsabbau ausserhalb dieser Zeit erfolgen müsse. Eventualiter seien die
Nachtflüge inklusive Verspätungsabbau in der 2. Nachtstunde zu verbieten. In
der Begründung dieses Begehrens halten die Beschwerdeführerinnen auch daran
fest, dass die Vorinstanz die Hubklausel zu Unrecht nicht genehmigt habe.
Allerdings haben sie keinen entsprechenden Beschwerdeantrag formuliert.
Insofern ist die Hubklausel im Folgenden nicht gesondert zu prüfen.

6.1.1 Das Bundesverwaltungsgericht hielt das Bedürfnis der Anwohner nach einer
ungestörten Nachtruhe für klar ausgewiesen; die entsprechenden Interessen der
Beschwerdeführenden an zusätzlichen
BGE 137 II 58 S. 98
Ausdehnungen der Nachtflugsperre seien als sehr gewichtig einzuschätzen,
weshalb der Nachtflugbetrieb im Rahmen der Interessenabwägung auch besonders
kritisch zu prüfen sei. Dennoch gelangte das Bundesverwaltungsgericht zum
Ergebnis, dass die wirtschaftlichen Interessen der Flughafen Zürich AG und der
SWISS sowie die verkehrs- und volkswirtschaftlichen Interessen der Schweiz die
Lärmschutzinteressen der beschwerdeführenden Anwohner und Gemeinwesen an einer
längeren Nachtruhe überwiegen.
Es ging davon aus, dass ein Drehkreuzbetrieb am Flughafen Zürich, wie er im SIL
vorgeschrieben sei und vom Bundesrat im Bericht vom 10. Dezember 2004 über die
Luftfahrtpolitik der Schweiz 2004 (BBl 2005 1781) erwartet werde, über eine
minimale zusammenhängende Betriebszeit sichergestellt werden müsse. Ein solcher
Hub-Betrieb entspreche offensichtlich den allgemeinen verkehrs- und
volkswirtschaftlichen Interessen (Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, hohe Anzahl
Arbeitsplätze) beim grössten und wichtigsten Landesflughafen, welcher zugleich
der einzige wirkliche Interkontinentalflughafen der Schweiz sei. Den
Langstreckenflügen vor allem der SWISS, welche sehr zahlreich am Morgen
zwischen 06.00 bis 07.00 Uhr eintreffen sowie (immer noch häufig) am Abend
zwischen 22.00 und 23.00 Uhr abfliegen, komme dabei besondere Bedeutung zu, da
sie die auch von den zuständigen Behörden geforderte interkontinentale
Anbindung der Schweiz in der Zivilluftfahrt sicherstellten. Diese
Langstreckenflüge könnten nicht einfach verschoben werden; vielmehr würde dies
das sehr komplexe Rotations- bzw. Wellensystem der SWISS entscheidend
durcheinanderbringen und in gewissem Mass sogar verunmöglichen. So könnten die
zahlreichen Europaflüge der ersten Welle, welche auf die Umsteigepassagiere der
ankommenden Langstreckenflüge angewiesen seien, wegen der Fluggewohnheiten vor
allem der Geschäftsleute nicht einfach vom Zeitraum zwischen 07.00 und 08.00
Uhr auf später verschoben werden. Die eintreffenden Langstreckenflüge am frühen
Morgen wiederum müssten auf die Abflüge der Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge
abgestimmt werden, weil beim regelmässigen Verpassen des Anschlusses in Zürich
die Passagiere sonst einen anderen Hub wählen würden und somit verschiedene
Langstreckenflüge eingestellt werden müssten. Gleiches würde infolge der (wegen
den verlangten Verschiebungen) unattraktiveren Flugzeiten für die Passagiere
drohen.
Ins Gewicht falle auch, dass der Flughafen Zürich im europäischen Vergleich der
Hubs bereits eine der strengsten - wenn nicht die
BGE 137 II 58 S. 99
strengste - Nachtflugordnung habe. Längere Nachtruhezeiten limitierten auch die
Nutzung des teuren Produktionsmittels "Flugzeug", womit der SWISS und allen von
Zürich aus operierenden Fluggesellschaften im europäischen Wettbewerb
schlechtere Rahmenbedingungen zur Verfügung stünden. Eine weitere Ausdehnung
der Nachtflugsperre sei somit weder mit den Anforderungen an einen
Drehkreuzbetrieb am Flughafen Zürich noch mit den Wettbewerbsbedingungen für
eine interkontinental tätige Netzwerkgesellschaft wie die SWISS vereinbar,
weswegen solche Massnahmen heute unzumutbar und damit unverhältnismässig seien.

6.1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich sehr detailliert und in
überzeugender Weise mit den Konsequenzen einer weiteren Ausdehnung der
Nachtruhe auseinandergesetzt; für die Einzelheiten kann auf seine
diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden (E. 40 ff. des angefochtenen
Entscheids A-1936/2006). Daraus ergibt sich, dass eine weitere Ausdehnung der
Nachtruhe die Drehkreuzfunktion des Flughafens Zürich gefährden würde, weil
insbesondere die Langstreckenflüge auf die An- und Abflugzeiten in der Nacht
bzw. den frühen Morgenstunden angewiesen sind. Dies gilt insbesondere auch für
die Zeit von 06.00 bis 06.30 Uhr morgens, in der eine Einschränkung bzw.
Einstellung des Flugbetriebs aus schlafphysiologischer Sicht besonders
wünschenswert wäre (vgl. Lärmstudie, a.a.O., S. 162).
Mit dem Bundesverwaltungsgericht ist deshalb davon auszugehen, dass es Sache
der zuständigen Planungsbehörden im SIL-Verfahren ist, abzuwägen, ob sie im
Interesse eines verbesserten Schutzes der Nachtruhe der Anwohner eine
Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen für den Flughafen Zürich und für
die dort beheimateten Fluggesellschaften (namentlich die SWISS) im
interkontinentalen Flugverkehr in Kauf nehmen wollen. Dagegen können derartige
Massnahmen nicht schon heute im vBR angeordnet werden.

6.2 Plafonierung der Nachtflugbewegungen
Die Gemeinde Rümlang, der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich
(SBFZ), die Gemeinde Altendorf sowie der Hauseigentümerverband Dübendorf &
Oberes Glatttal und Mitbeteiligte verlangen eine Plafonierung der
Nachtflugbewegungen bei 5'000 pro Jahr. Die Stadt Winterthur und die Gemeinde
Bassersdorf und Mitbeteiligte beantragen ihrerseits einen Plafond von 4'500
Bewegungen pro Jahr in der ersten Nachtstunde.
BGE 137 II 58 S. 100

6.2.1 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass es gestützt auf Art. 12
Abs. 1 lit. c USG grundsätzlich denkbar sei, Bewegungs- bzw.
Nachtflugbeschränkungen als Verkehrsvorschriften zur Emissionsbegrenzung zu
verfügen. Gemäss Fachbericht Fluglärm seien im Betriebszustand (hochgerechnet
auf das Jahr 2010) für die erste Nachtstunde gut 9'100 Starts und Landungen
vorgesehen. In der zweiten Nachtstunde seien es insgesamt noch rund 200
Flugbewegungen aus dem Verspätungsabbau. Bereits im Jahr 2007 sei die Anzahl
von 9'066 Nachtflugbewegungen erreicht worden. Gemäss dem Bericht zum Zürcher
Fluglärmindex (ZFI) für das Jahr 2007 nahmen die Flugbewegungen in den
Nachtstunden gegenüber dem Jahr 2006 überproportional, um ca. 14,7 %, zu. Im
Jahr 2008 betrug die Zunahme 237 Flugbewegungen bzw. 2,6 %.
Das Bundesverwaltungsgericht hielt jedoch die Eignung bzw. die Tauglichkeit
eines Bewegungsplafonds für einzelne Nachtstunden für zweifelhaft. Eine solche
Begrenzung könne die in der Nacht unerwünschten Aufwachreaktionen grundsätzlich
nicht verhindern. Dazu käme die grosse Herausforderung, nach welchen Kriterien
die Begrenzung praktisch umgesetzt werden könne, ohne einzelne
Fluggesellschaften zu diskriminieren.
Entscheidend sei aber letztlich auch hier die Frage der Zumutbarkeit: Die
verlangten Bewegungsbeschränkungen von maximal 5'000 Starts und Landungen (oder
noch weniger) in der Nacht bzw. für die erste Nachtstunde kämen einer
Halbierung der heute tatsächlich stattfindenden Nachtflüge gleich. Eine solche
massive Eingrenzung des Nachtflugbetriebs sei mit dem Drehkreuzbetrieb des
Flughafens Zürich und dem dazugehörigen Rotations- bzw. Wellensystem der SWISS
nicht vereinbar. Es könne kein Zweifel bestehen, dass mit den verlangten
starken Einschränkungen ein Drehkreuzbetrieb am Flughafen Zürich nicht mehr im
erforderlichen Mass aufrechtzuerhalten sei.

6.2.2 Auch diesen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts ist zu folgen. Ein
solcher Plafond würde überdies den zur Einhaltung der Nachtflugsperre
erforderlichen Verspätungsabbau vor 23.30 Uhr erschweren, wenn nicht gar
verunmöglichen. Auch diese Massnahme ist wegen ihrer Konsequenzen für die
Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens Zürich und dessen Drehkreuzfunktion dem
Sachplanungsverfahren vorzubehalten.
(...)
BGE 137 II 58 S. 101

6.3 Plafonierung der gesamten Flugbewegungen
Die von der Stadt Winterthur und der Gemeinde Bassersdorf und Mitbeteiligten
verlangte Plafonierung der gesamten Flugbewegungen auf maximal 320'000 pro Jahr
erscheint jedenfalls zurzeit weder geeignet noch erforderlich, um die
Fluglärmemissionen des Flughafens Zürich zu begrenzen. Hierfür kann auf die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid (E. 47.4) verwiesen werden. Danach
sanken die Bewegungszahlen auf dem Flughafen Zürich nach dem Einbruch des
Weltluftverkehrs ab Herbst 2001 und dem Zusammenbruch der Swissair von rund
326'000 (auf dem Höhepunkt des Jahres 2000) auf rund 261'000 Flugbewegungen (im
Jahre 2006). Seither ist nur eine langsame Aufwärtsentwicklung in Gang
gekommen. Im Jahr 2008 fanden rund 275'000 Flugbewegungen statt; 2009 waren es
rund 262'200.
Ergänzend ist auf § 3 Abs. 3 des Zürcher Flughafengesetzes vom 12. Juli 1999
(LS 748.1) hinzuweisen. Sobald 320'000 Flugbewegungen pro Jahr erreicht sind,
muss der Kantonsrat auf Antrag des Regierungsrats Beschluss darüber fassen, ob
der Staat auf eine Bewegungsbeschränkung hinwirken soll. Der Beschluss des
Kantonsrats untersteht dem fakultativen Referendum. Insofern ist gesetzlich
gewährleistet, dass über die Plafonierungsfrage entschieden wird und abgestimmt
werden kann, sobald die Zahl von 320'000 Flugbewegungen pro Jahr erreicht ist.

6.4 Einschränkung der Südanflüge
Zahlreiche Beschwerdeführer verlangen eine Einschränkung der Südanflüge: Diese
seien auf das absolut notwendige Mass zu beschränken, d.h. auf Fälle, in denen
der Anflug auf Piste 28 aus technischen oder meteorologischen Gründen nicht
möglich ist. Nur in diesem Umfang seien Südanflüge aus Sicherheitsgründen bzw.
zum Ausgleich DVO-bedingter Kapazitätsverluste notwendig und daher auch ohne
SIL-Objektblatt zulässig. Die im vBR vorgesehene Priorität von Südanflügen am
frühen Morgen verletze überdies umweltrechtliche Prinzipien, namentlich das
Nachhaltigkeitsprinzip und das Konzentrationsgebot.
Die Stadt Zürich beantragt, Südanflüge seien erst ab 06.30 Uhr zuzulassen, um
den Anwohnern täglich eine halbe Stunde mehr ungestörten Schlaf zuzugestehen.
Mit dem Wechsel von Nord- auf Südanflüge habe sich die Landekapazität in der
ersten Morgenstunde von 20 auf 28 mögliche Bewegungen erhöht; gemäss aktuellem
BGE 137 II 58 S. 102
Flugplan seien nur 14 bis 15 Landungen geplant. Zudem stehe in der Folgestunde
Kapazität für den Verspätungsabbau frei.
Die Stadt Zürich fordert überdies einen Verzicht auf Südanflüge ab 21.00 Uhr.
Die wenigen Flüge, die wegen Nichtbenutzbarkeit von Piste 28 am Abend ausfallen
müssten, habe der Flughafen hinzunehmen. Sie kritisiert, dass der Flughafen die
Langstreckenflüge nach 22.00 Uhr massiv ausgebaut habe, ausgerechnet in der
Zeit, in welcher Piste 28 als prioritäre Landepiste zur Verfügung stehe. Gerade
für Langstreckenflugzeuge könne die Piste 28 jedoch zu kurz sein, mit der
Folge, dass auf Piste 34 ausgewichen werden müsse. Mit diesem Vorgehen drohe
der Flughafen, die eigentlich vorgesehene Ordnung (Landungen am Morgen aus
Süden, am Abend und in der Nacht aus Osten) über den Haufen zu werfen.

6.4.1 Gemäss der Tabelle zur Pistenbenützung (Ziff. 1.2 Abs. 1 vBR-Verfügung,
in der vom Bundesverwaltungsgericht modifizierten Fassung) erfolgen Landungen
in der Zeit von 06.00 bis 07.00 Uhr (alle Tage) sowie von 07.00 bis 09.00 Uhr
(an Wochenenden und Feiertagen) bei Einschränkung durch die DVO auf "Piste 34,
evtl. Piste 28". Am Abend (alle Tage ab 21.00 sowie ab 20.00 Uhr an Wochenenden
und Feiertagen) erfolgen die Landungen bei Einschränkung durch die DVO dagegen
auf "Piste 28, evtl. Piste 34".
Nach dem oben (E. 4.1) Gesagten steht fest, dass auf Südanflüge während der
DVO-Sperrzeiten nicht verzichtet werden kann. Näher zu prüfen ist jedoch, ob es
nicht genügen würde, prioritär Ostanflüge durchzuführen und Südanflüge nur
ausnahmsweise bei schweren Langstreckenflugzeugen und schwierigen Sicht-,
Wetter- und Pistenverhältnissen oder auf ausdrücklichen Wunsch des Piloten
zuzulassen. Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass die Piste 28 sogar
nach Auffassung der Flughafen Zürich AG in mindestens 75 % aller Fälle
verfügbar sei.

6.4.2 Die diesbezüglichen Eventualanträge (insb. des VSFN) wurden vom
Bundesverwaltungsgericht behandelt (vgl. E. 44, insb. E. 44.4 und 44.5 S. 333
f. des angefochtenen Entscheids A-1936/2006). Die Rechtsverweigerungsrüge des
VSFN ist somit unbegründet.

6.4.3 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass aus Sicherheitsgründen
kein Raum für eine starre Regelung der nur ausnahmsweisen Benützung von Piste
28 anstelle von Piste 34 bestehe (E. 44.4 S. 334). Es betonte, dass es
letztlich die einzelnen Piloten
BGE 137 II 58 S. 103
seien, die während des Anflugs auf den Flughafen unter den konkreten
Wetterbedingungen die Freigabe der deutlich längeren Piste 34 anstelle der
Piste 28 verlangen könnten und dies in der Praxis auch täten.
Schon im Zwischenentscheid vom 24. Oktober 2003 hatte die REKO UVEK die
Forderung nach Einschränkung der Südanflüge auf bestimmte Linienflüge,
besonders schwere Flugzeugtypen oder auf eigentliche Notsituationen abgewiesen.
Dies würde zu einer Aufteilung des Anflugverfahrens führen, die abzulehnen sei.
Abgesehen davon, dass in den frühen Morgenstunden fast ausschliesslich
Linienflüge mit grösseren Flugzeugtypen landeten, würde eine Aufteilung des
Anflugverkehrs ein Sicherheitsrisiko bedeuten. Dadurch würde das
Betriebskonzept für den Flughafen Zürich noch komplizierter und
unüberschaubarer, als dies bereits heute (durch die DVO-Beschränkung der An-
und Abflugmöglichkeiten im Norden) der Fall sei.

6.4.4 Skyguide befürwortet in seiner Vernehmlassung ein Gesamtsystem mit
kleinstmöglicher Komplexität. Grundsätzlich sollte für jeden Anflug die aus
aviatischer Perspektive beste Anflugrichtung und -einrichtung zur Verfügung
stehen. Im weltweiten Vergleich sei das Flughafensystem Zürich bereits durch
eine sehr hohe Komplexität ausgezeichnet. Dies führe zu verhältnismässig
grosser Störungsanfälligkeit und häufigen Kapazitätsreduktionen. Dieses
Gesamtsystem werde durch die zusammenhangslose Veränderung einzelner Elemente
destabilisiert. Würden Südanflüge nur noch als absolute Ausnahme zugelassen, so
könne für dieses Verfahren keine genügende Routine bei den Piloten, Fluglotsen
und Flughafenmitarbeitern aufgebaut werden; dies habe zur Folge, dass die
systemische Sicherheitsmarge markant reduziert werde. Im Übrigen bestehe
generell eine höhere Sicherheitsmarge, wenn auf Piste 34 mit einer Landedistanz
von 3'230 m statt auf Piste 28 mit nur 2'500 m gelandet werde: Auf einer
längeren Piste könnten kleine Störungen durch Wind und Turbulenzen oder auch
leichte Fehleinschätzungen der Besatzung besser kompensiert werden. Skyguide
bestätigt, dass gewisse Piloten daher die Zuteilung einer anderen Piste
verlangen, wenn Piste 28 in Betrieb steht.

6.4.5 SWISS macht geltend, dass am Morgen zahlreiche schwere
Langstreckenflugzeuge landen. Es sei nicht möglich, nur diese auf Piste 34 und
Kurzstreckenflugzeuge auf Piste 28 landen zu lassen.
BGE 137 II 58 S. 104
Die Umstellung von der einen auf die andere Piste dauere ca. 15 Minuten. In
dieser Zeit stehe der gesamte Betrieb still. Dies verursache entsprechende
Verspätungen für alle nachfolgenden Flüge. Am Abend, wenn nur wenige
Langstreckenflugzeuge landeten, könne u.U. auf Wunsch eines einzelnen Piloten
eine Landung auf Piste 34 dazwischen geschoben werden, ohne dass der gesamte
Betrieb umgestellt werden müsse. Auch in diesem Fall müsse aber das Flugzeug
häufig in der Warteschlange kreisen, bis eine Landung auf Piste 34 möglich sei,
was mehr Schadstoff- und Lärmimmissionen sowie Verspätungen zur Folge habe.

6.4.6 Die Flughafen Zürich AG verweist auf die für die Piste 28 geltenden
Sichtminima (4'000 m Mindestsichtweite und 762 Fuss Wolkenuntergrenze). Schon
aufgrund dieser Anforderung betrage die Verfügbarkeit der Piste 28 nur rund 84
%, weshalb sie selbst bei Verzicht auf eine Priorisierung durchschnittlich
jeden sechsten Tag in Anspruch genommen werden müsste. Da schlechtes Wetter
nicht voraussehbar sei, würde die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene
Regelung sowohl im Süden als auch im Osten unnötige Unsicherheit schaffen.
Überdies könne jeder Pilot kraft seiner Verantwortlichkeit für die Sicherheit
des Flugzeugs jederzeit eine bestimmte Landepiste ablehnen, wenn sie ihm zu
kurz oder zu unsicher erscheine. Piste 28 als kürzeste Piste werde von
ausländischen Piloten von Grossraumjets zum Teil generell abgelehnt. Da am
Morgen vor allem grosse Langstreckenflugzeuge landen, wäre bei einer
prioritären Benützung der Piste 28 ein Wechsel auf die längere Piste 34 und
dann wieder zurück auf Piste 28 an der Tagesordnung, und zwar selbst bei gutem
Wetter. Dies hätte zur Folge, dass zu sensiblen Tageszeiten zwei
Anflugkorridore, allenfalls mit entsprechenden Aufwachfolgen, hin und her
wechselnd benutzt würden, was aus umwelt- und raumplanerischer Sicht
unerwünscht wäre.
Auch aus Sicherheitsgründen sei ein quasi institutionalisierter ständiger
Pistenwechsel am Morgen abzulehnen. Generell habe in den letzten Jahren eine
Sensibilisierung für Sicherheitsfragen stattgefunden; auch die
Fluggesellschaften richteten sich nach dem Grundsatz safety first. Diese führe
schon heute in den Abendstunden dazu, dass die Piste 28 bei Ankünften von
Grossraumflugzeugen (Heavy) abgelehnt werde. So seien im Jahr 2009 35 % aller
Grossraumflugzeuge nach 20.00 Uhr auf Piste 34 gelandet (trotz Priorität von
BGE 137 II 58 S. 105
Piste 28), zum Teil wetterbedingt, häufiger aber auf Verlangen der Piloten.
Insofern müsse auch für die Zeit zwischen 06.00 und 07.00Uhr damit gerechnet
werden, dass auch ohne Priorisierung von Piste 34 ca. ein Drittel aller
Landungen von Grossraumflugzeugen aufdieser Piste abgewickelt würden. Der
mehrfache Wechsel in der Benützung von Landepisten während einer relativ kurzen
Zeitdauerwürde die sichere und geordnete Abwicklung des Landeverkehrs in hohem
Masse gefährden und zu unnötigen Verspätungen führen.

6.4.7 Die übereinstimmenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, von
Skyguide, der Flughafen Zürich AG und der SWISS zur Notwendigkeit, aus
Sicherheits- und betrieblichen Gründen häufige Pistenwechsel zu den
morgendlichen DVO-Sperrzeiten zu vermeiden, überzeugen grundsätzlich. Muss
aufgrund der Sichtminima und der Ablehnung von Piste 28 durch gewisse Piloten
von Grossraumjets ohnehin mit einer nennenswerten Anzahl von Landungen von
Süden gerechnet werden, ist es nicht ermessensfehlerhaft, Piste 34 am Morgen,
wenn besonders viele Grossraumflugzeuge landen, als prioritär zu bezeichnen.
Dies hat den Vorteil, dass nicht die Wohnbevölkerung im Süden und im Osten
durch frühmorgendliche Anflüge belastet wird.
Das Konzept des vBR (Priorität von Südanflügen am Morgen und Priorität von
Ostanflügen am Abend) kann aber nur realisiert werden, wenn am Abend keine oder
wenige Grossraumjets (Heavy) landen, die (bei schlechtem Wetter oder aufgrund
von Sicherheitsbedenken des Piloten) auf Piste 34 angewiesen sind. Die von der
Flughafen Zürich AG beigebrachten Statistiken zur Häufigkeit von ausnahmsweisen
Landungen auf Piste 34 am Abend sind unter diesem Blickwinkel bedenklich.
Steigt die Anzahl von Landungen schwerer Flugzeuge am Abend, so muss die Piste
34 vermehrt auch am Abend für Landungen freigegeben werden. Die Aufteilung des
Anflugverkehrs ist jedoch, wie oben dargelegt wurde, aus Sicherheits- und
Umweltgründen problematisch. Längerfristig könnte dies dazu führen, dass
Anflüge auch am Abend prioritär auf Piste 34 erfolgen müssten. Eine solche
Entwicklung würde dem Pistenkonzept des vBR widersprechen und wäre aus Sicht
der Raumplanung und des Umweltschutzes unerwünscht (so schon Urteil des
Bundesgerichts 1A.172/2004 vom 21. September 2004, in: ZBl 106/2006 S. 263 und
RDAF 2006 I S. 597 E. 4.2).
Zwar erscheint der Antrag der Stadt Zürich, Südanflüge nach 21.00 Uhr
auszuschliessen, unverhältnismässig. Dagegen fragt sich, ob
BGE 137 II 58 S. 106
nicht zumindest die Landung von schweren Grossraumflugzeugen am Abend
beschränkt werden müsste. Wie eine solche Beschränkung ausgestaltet werden
könnte und welche Konsequenzen sie für den Flughafenbetrieb und die
Fluggesellschaften, namentlich die SWISS, hätte, wurde bislang nicht geprüft.
In diesem Punkt erscheint daher eine Rückweisung zu weiterer Prüfung an das
BAZL geboten. In der Zwischenzeit (bis zu einer allfälligen Ergänzung von
Anhang 1 vBR in diesem Punkt) ist weiter die vom Bundesverwaltungsgericht
genehmigte Fassung der Tabelle zur Pistenbenützung anzuwenden.

6.4.8 Der Antrag der Stadt Zürich, die Südanflüge erst ab 06.30 Uhr zuzulassen,
würde de facto zu einer (halbstündigen) Verlängerung der Nachtflugsperre
führen. Insofern kann auf die Ausführungen zu E. 6.1 verwiesen werden. Der
Antrag ist abzuweisen.
(...)

6.6 Lärmindizes für Abflüge zur Nachtzeit; Lärmmessstelle Oberglatt
Die Gemeinde Rümlang, der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich
(SBFZ), die Gemeinde Altendorf und der Hauseigentümerverband Dübendorf & Oberes
Glatttal und Mitbeteiligte beantragen, dass die flughafeneigenen Lärmindizes
für Abflüge zur Nachtzeit so auszugestalten seien, dass sie nur noch Flugzeuge
mit fortschrittlichster Triebwerkstechnologie erfüllten. Jedenfalls sei für
Flugzeuge, die nachts auf Piste 32 starten, an der Lärmmessstelle Oberglatt ein
entsprechend tieferer Lärmwert vorzusehen, sodass sie gleich streng behandelt
werden, wie wenn sie auf der zur Lärmmessstelle näheren Piste 34 starten
würden.

6.6.1 Gemäss Art. 11 Abs. 1 Anhang 1 vBR dürfen Abflüge während der Nachtzeit
nur mit Luftfahrzeugen durchgeführt werden, deren Emissionen die Lärmindizes
von Art. 39a Abs. 1 lit. a VIL nicht übersteigen. Diese am 12. April 2000
eingeführte Verordnungsbestimmung sieht vor, dass Starts bei den
Landesflughäfen Genf und Zürich zwischen 22.00 und 24.00 Uhr nur erlaubt sind
zu gewerbsmässigen Flügen mit einer Nonstop-Flugdistanz von über 5'000 km mit
Flugzeugen, deren Emissionen den Lärmindex 98 nicht übersteigen (Ziff. 1);
Starts zu den übrigen gewerbsmässigen Flügen dürfen nur mit Flugzeugen
erfolgen, deren Emissionen den Lärmindex 96 nicht übersteigen (Ziff. 2).
Art. 11 Abs. 2 Anhang 1 vBR sieht ergänzend vor, dass Luftfahrzeuge, die beim
Abflug nach Norden an der Messstelle Oberglatt in der
BGE 137 II 58 S. 107
Regel einen höheren Lärmwert als 95 dB(A) erzeugen, in der Zeit von 22.00 bis
06.00 Uhr nicht zum Abflug zugelassen werden. Diese Bestimmung entspricht Art.
40 Abs. 2 des bisherigen Betriebsreglements und wurde vom BAZL auf Antrag des
BAFU wieder ins Betriebsreglement aufgenommen.
(...)

6.6.4 Es kann offenbleiben, ob auf den Antrag der Beschwerdeführer auf
Verschärfung des flughafeneigenen Schwellenwerts an der Lärmmessstelle
Oberglatt im bundesgerichtlichen Verfahren eingetreten werden kann, weil der
Antrag abzuweisen ist.
Zwar erscheint es durchaus erwägenswert, zur Sanierung des Flughafens Zürichs
strengere Emissionsbegrenzungen für besonders sensible Zeiten vorzusehen. Wie
das Bundesgericht bereits entschieden hat (BGE 126 II 522 E. 39b S. 570),
stellt die Nachtflugordnung der VIL lediglich eine Minimalordnung dar, die bei
Bedarf verschärft werden kann. Auch die Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen
Parlaments und des Rats vom 26. März 2002 über Regeln und Verfahren für
lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 85
vom 28 März 2002 S. 40) lässt strengere Lärmindizes grundsätzlich zu, sofern
sie dem "ausgewogenen Ansatz" entsprechen und keine Diskriminierung bewirken
(vgl. nicht publ. E. 9.4). Die Bevorzugung emissionsarmer Luftfahrzeuge bei der
Festlegung von Betriebszeiten (Nachtflugvorschriften) wird denn auch
ausdrücklich im allgemeinen Teil des SIL (SIL Teil IIIB - 11 Grundsatz 3) als
Massnahme zur Emissionsbegrenzung erwähnt.
Die Einführung strengerer Emissionsbegrenzungen sollte jedoch systemgerecht
durch den Erlass schärferer Emissionsgrenzwerte (Art. 12 Abs. 1 lit. a USG),
beispielsweise in Form flughafeneigener Lärmindizes, und nicht durch die
Festlegung eines Maximalpegels (d.h. eines Immissionsgrenzwerts) an der
Lärmmessstelle Oberglatt erfolgen. Bevor einschneidende Einschränkungen
angeordnet werden, die eine grosse Anzahl der heute eingesetzten Flugzeuge vom
Nachtverkehr ausschliessen, muss zudem geprüft werden, ob mildere Massnahmen in
Betracht fallen wie z.B. Lenkungsabgaben (vgl. sogleich E. 6.7).
(...)

6.7 Lenkungswirksame Umweltabgaben
Die Gemeinde Rümlang, der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich
(SBFZ), die Gemeinde Altendorf und der
BGE 137 II 58 S. 108
Hauseigentümerverband Dübendorf & Oberes Glatttal und Mitbeteiligte beantragen,
die Flughafen Zürich AG sei anzuweisen, eine lenkungswirksame Erhöhung der
Umweltabgaben zu den begehrten Tagesrandstunden durchzusetzen.

6.7.1 Art. 5 vBR sieht vor, dass die Flughafen Zürich AG das Recht hat, für die
Benützung des Flughafens und dessen Infrastruktur Gebühren zu erheben. Sie legt
diese Gebühren nach den in der VIL verankerten Grundsätzen fest. Gemäss Art. 32
Abs. 2 VIL sind bei der Festlegung der Gebühren emissionsarme Luftfahrzeuge
bevorzugt zu behandeln.
Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, es sei Sache des Flughafenhalters,
Gebührenänderungen zu beschliessen (Art. 35 Abs. 2 VIL). Zwar komme dem BAZL
gemäss Art. 39 Abs. 1 LFG die Aufsicht über die Gebühren der öffentlichen
Flugplätze zu. Würden die Flughafengebühren jedoch im Betriebsreglement oder in
dessen Anhang geregelt, unterstünden sie der Genehmigungspflicht durch das
BAZL, was nach geltendem Recht nicht vorgesehen sei. Die im Entwurf zur
Änderung des LFG geplante Einführung eines Verfahrens, nach welchem beim BAZL
eine Überprüfung der Flughafengebühren verlangt werden könne (Art. 39 Abs. 6
des Entwurfs des Bundesrats vom 20. Mai 2009 zur Teilrevision 1 des
Luftfahrtgesetzes; BBl 2009 4985), habe keine Auswirkungen auf das vorliegende
Verfahren.
Das Bundesverwaltungsgericht verwies auf BGE 129 II 331 (E. 2.3.2 S. 339)
betreffend die Genehmigung des Betriebsreglements für den Flugplatz Samedan.
Dort habe das Bundesgericht festgehalten, dass sich die Festlegung der
Flughafengebühren allein nach den Spezialbestimmungen von Art. 32 ff. VIL
richte und deren Überprüfung weder Gegenstand des Konzessionsverfahrens noch
des Verfahrens zur Genehmigung des Betriebsreglements bilde.

6.7.2 Seit 1980 erhebt der Flughafen Zürich einen Lärmzuschlag zur Landetaxe;
per 1. September 1997 wurde zusätzlich ein Schadstoffzuschlag eingeführt.
In BGE 125 I 182 (E. 4 S. 193 ff.) qualifizierte das Bundesgericht die
emissionsabhängige Landegebühr des Flughafens Zürich als Kausalabgabe mit
Lenkungscharakter, welche die Luftfahrzeughalter zum Einsatz von emissionsarmen
Luftfahrzeugen anhalten soll (vgl. auch MARC PATRICK STREIT, Grundlagen und
Ausgestaltung von Flughafengebühren im schweizerischen Recht, unter besonderer
BGE 137 II 58 S. 109
Berücksichtigung des Flughafens Zürich, 2005, S. 154). Das Bundesgericht erwog,
dass sich die formellgesetzliche Grundlage für den einen Lenkungszweck
verfolgenden Emissionszuschlag nicht im kantonalen Recht, sondern in Art. 39
Abs. 1 LFG finde. Diese Bestimmung setze zwar nicht ausdrücklich eine
Gebührenpflicht fest, gehe aber implizit davon aus, dass Flughafengebühren
erhoben werden (E. 4e S. 195). Bei der Gestaltung der Flughafengebühren müssen
auch die unterschiedliche Lärmerzeugung und Schadstoffemission der
Luftfahrzeuge berücksichtigt werden (Art. 39 Abs. 2 LFG).
Im Urteil betreffend den Flugplatz Samedan erwog das Bundesgericht, dass die
Überprüfung der Flughafengebühren weder Teil des Konzessionsverfahrens noch
Gegenstand des Verfahrens zur Genehmigung des Betriebsreglementes sei (BGE 129
II 331 E. 232 S. 339). Dieses Urteil betraf jedoch einen Flugplatz, dessen
Betrieb die Belastungsgrenzwerte für Fluglärm einhielt (vgl. BGE 129 I 331 E.
4.3 S. 344/345), weshalb Sanierungsmassnahmen nicht zur Diskussion standen.
Dagegen ist der Flughafen Zürich unstreitig sanierungspflichtig. Lärmabhängige
und nach Tages- und Nachtzeiten abgestufte Gebühren können als
Betriebsvorschriften i.S.v. Art. 12 Abs. 1 lit. c USG zum Einsatz möglichst
leiser Flugzeuge zu besonders sensiblen Zeiten motivieren und damit zur
Emissionsbegrenzung an der Quelle beitragen. Im Fachbericht Fluglärm (S. 11)
wird denn auch das Lärmgebührenmodell des Flughafens Zürich als wichtige
Massnahme zur Verringerung der Umweltbelastung durch den Flugbetrieb
aufgeführt. Auch im allgemeinen Teil des SIL (SIL Teil IIIB - 11 Grundsatz 3)
wird die Bevorzugung emissionsarmer Luftfahrzeuge bei der Festlegung von
Gebühren als Mittel zur Emissionsbegrenzung hervorgehoben.
Besteht - wie im vorliegenden Fall - eine umweltschutzrechtliche
Sanierungspflicht (siehe oben E. 5.1), so finden die Flughafengebühren eine
zusätzliche Grundlage im USG. Es handelt sich um eine
Emissionsbegrenzungsmassnahme im Sinne einer Betriebsvorschrift nach Massgabe
von Art. 12 Abs. 1 lit. c USG. Dem Flughafen wird damit eine Verpflichtung zur
Erhebung lenkungswirksamer Benützungsgebühren auferlegt, vergleichbar der
Pflicht zur Bewirtschaftung der Kundenparkplätze von publikumsintensiven
Anlagen (vgl. dazu BGE 125 II 129 E. 8b S. 143 f.). Als Betriebsvorschrift,
d.h. als Auflage über die Betriebsführung, sind die lenkungswirksamen
Flughafengebühren Gegenstand des Betriebsreglementes. Deren Erwähnung im
Betriebsreglement hat somit - entgegen der Darstellung
BGE 137 II 58 S. 110
im angefochtenen Entscheid (E. 58.4.3) - nicht bloss deklaratorischen
Charakter.
Dem Bundesverwaltungsgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, als die
Flughafengebühren selbst nicht im Betriebsreglement festzulegen sind. Dagegen
muss das Betriebsreglement die für die Sanierung des Flughafens gebotenen
wesentlichen Lenkungselemente der Flughafengebühren enthalten.

6.7.3 Die Lärmzuschläge sind bei Flugzeugen mit Strahlantrieb in fünf
Lärmklassen gestaffelt (Art. 15 der Gebührenordnung des Flughafens Zürich
[GebO]); bei den Flugzeugen mit Propellerantrieb werden vier Lärmklassen
unterschieden (Art. 16 GebO).
Seit dem 1. Juni 2001 wird zusätzlich auf Starts und Landungen von Flugzeugen
mit Strahlantrieb zur Nachtzeit (zwischen 22.01 und 06.00 Uhr) ein
Nachtflug-Lärmzuschlag erhoben (Art. 12 Abs. 3 GebO). Dieser Zuschlag wird bei
den Abflügen nach Lärmklasse und Abflugzeit abgestuft erhoben, bei den
Landungen wird dagegen lediglich nach Landezeiten, nicht aber nach Lärmklassen
unterschieden (Art. 15 GebO). Diese unterschiedliche Behandlung von Starts und
Landungen wird damit begründet, dass die Lärmbelastung bei Starts viel höher
ausfalle als bei Landungen (STREIT, a.a.O., S. 155). Dem ist allerdings
entgegenzuhalten, dass gemäss neueren Studien der Lärm landender Flugzeuge
aufgrund des steileren Pegelanstiegs besonders häufig zu Aufwachreaktionen
führt (vgl. oben E. 5.3.4).

6.7.4 Die Flughafen Zürich AG und die SWISS machen geltend, schon jetzt
verkehrten am Flughafen Zürich überwiegend Flugzeuge der neueren Generation mit
lärmoptimierten Triebwerken, weshalb einer Erhöhung der Lärmgebühren nur eine
minime zusätzliche Lenkungswirkung zukäme.
Es trifft zu, dass fast 90 % der in Zürich landenden Maschinen zur
lärmgünstigsten und (für die Landetaxe) gebührenfreien Klasse V gehören,
weshalb die Lärmgebühren ihre lenkende Wirkung weitgehend verloren haben. Dies
könnte jedoch durch eine Revision der Lärmklasseneinteilung geändert werden.
Die Flughafen Zürich AG hat denn auch im September 2010 eine zweistufige
Revision des Lärmgebührensystems beschlossen: Mit dem Sommerflugplan 2011
sollen zunächst die Gebühren für die Lärmklassen I und II angehoben werden;
eine grundlegende
BGE 137 II 58 S. 111
Überarbeitung des Lärmgebührenmodells (Neuzuordnung der Flugzeuge zu den
Lärmklassen; Bonus für besonders lärmgünstige Flugzeuge) soll im Jahr 2013
erfolgen und 2015 in Kraft treten. Es gibt jedoch keinen Grund, so lange mit
der Überarbeitung des Gebührenreglements zu warten. Vielmehr muss die
Lenkungswirkung der Lärmgebühren noch während der Geltungsdauer des vBR
verstärkt werden. Sollte dies nicht zu einer Verbesserung der Fluglärmsituation
führen, insbesondere in den Tagesrand- und Nachtstunden, so müsste im
definitiven Betriebsreglement die Einführung zwingender Lärmindizes geprüft
werden.
Bei der Ausgestaltung der Lärmgebühren sind besondere Anreize für den Einsatz
leiserer Flugzeuge zu besonders sensiblen Zeiten zu schaffen. Dazu zählen nicht
nur die Nacht-, sondern auch die Tagesrandstunden. Insbesondere in der ersten
Morgenstunde würde der Einsatz leiserer Flugzeuge wesentlich zur Verbesserung
der Nachhaltigkeit des Flugbetriebs beitragen (vgl. Lärmstudie, a.a.O., S. 162
unten).
Den Bedenken der Flughafen Zürich AG und der SWISS, wonach die Gebühren des
Flughafens im internationalen Vergleich bereits sehr hoch seien und eine
weitere Erhöhung - namentlich in den für den Hubbetrieb der SWISS bedeutsamen
Nacht- und Tagesrandstunden - die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens Zürich
beeinträchtigen und seine Drehkreuzfunktion gefährden könnte, kann bei der
Ausgestaltung und Staffelung der Zuschläge Rechnung getragen werden.

6.7.5 Nach dem Gesagten ist der Antrag der Beschwerdeführer gutzuheissen und
Art. 5 vBR dahingehend zu ergänzen, dass die Flughafen Zürich AG verpflichtet
wird, lenkungswirksame Zuschläge zu erheben, die nach der Lärmerzeugung und
zeitlich (Starts und Landungen während der Nacht und zu sensiblen
Tagesrandzeiten) gestaffelt sind. Zur Vorlage eines neuen Gebührenreglements
wird ihr eine Frist von 9 Monaten seit Zustellung des bundesgerichtlichen
Urteils eingeräumt. Dieses ist nach einer Übergangszeit von maximal 18 Monaten
in Kraft zu setzen.
(...)

6.10 Ergebnis
Zusammenfassend ist die Flughafen Zürich AG zu verpflichten, die
Lenkungswirkung der Lärmgebühren zu verbessern und insbesondere Lärmzuschläge
auch für die sensiblen Tagesrandstunden
BGE 137 II 58 S. 112
einzuführen (vgl. oben E. 6.7); zudem wird das BAZL prüfen müssen, ob nicht
Landungen von schweren Grossraumjets am Abend eingeschränkt werden müssen (oben
E. 6.4.7). Die weiteren beantragten Sanierungsmassnahmen sind dagegen
jedenfalls zurzeit als unverhältnismässig abzuweisen.
Unbegründet sind schliesslich die Rügen, weiter gehende Sanierungsmassnahmen
bzw. lärmoptimierte Betriebsvarianten seien unzureichend geprüft worden. Wie
aus den obigen Erwägungen hervorgeht, wurden Möglichkeiten zur
Umweltoptimierung des vBR vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer
Interessenabwägung als unverhältnismässig abgelehnt. Eine umfassende Evaluation
alternativer lärmoptimierter Betriebsvarianten wird im Rahmen des
SIL-Verfahrens und beim Erlass des definitiven Betriebsreglements vorzunehmen
sein.

7. Erleichterungen und Schallschutzkonzept
Für die verbleibenden Überschreitungen der Immissionswerte (und z.T. sogar der
Alarmwerte) für Fluglärm in der Umgebung des Flughafens sind der
Flughafenbetreiberin Erleichterungen zu erteilen. Dies hat zur Folge, dass die
Flughafen Zürich AG überall dort, wo die Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten
werden können, zu Schallschutzmassnahmen verpflichtet ist. Zwar haben die
Beschwerdeführer keine zusätzlichen Schallschutzmassnahmen verlangt. Nachdem
jedoch ihren weiter gehenden Anträgen auf Aufhebung oder Einschränkung gewisser
An- und Abflugverfahren (insbesondere Süd- und Ostanflüge) nicht entsprochen
werden konnte, ist a maiore minus zu prüfen, ob nicht mindestens eine Ergänzung
der Schallschutzauflage des vBR geboten ist.

7.1 In seiner Verfügung vom 29. März 2005 hatte das BAZL (auf Antrag des BAFU)
folgende Auflage erlassen:
"Die Gesuchstellerin hat die Schallschutzmassnahmen im Sinne der Auflage Ziff.
3.3. der Betriebskonzession vom 31. Mai 2001 umzusetzen, wenn übermässige
Belastungen (Überschreitungen der IGW) unbestritten sind oder wo sie auch nach
zukünftigen Betriebsreglementen mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten
sind."
Ziff. 3.3 der Betriebskonzession, auf die Bezug genommen wird, lautet:
"Die Konzessionärin wird ermächtigt und verpflichtet, die
Schallschutzmassnahmen zu vollziehen und dort umzusetzen, wo sie unbestritten
sind."
BGE 137 II 58 S. 113
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Auflage. Es hielt fest, dass die
Verpflichtung der Flughafenbetreiberin zur Ergreifung von Sanierungs- und
Schallschutzmassnahmen gestützt auf Art. 8 Abs. 2 und Art. 10 LSV bereits ab
Überschreitung der Immissionsgrenzwerte besteht (E. 53.7). Der Perimeter für
Schallschutzmassnahmen basiere auf der Lärm-Ermittlung nach Art. 36 LSV, wonach
nicht nur die aktuell vorhandene Lärmbelastung, sondern auch zukünftige, mit
einiger Sicherheit zu erwartende Zu- oder Abnahmen der Lärmimmissionen zu
berücksichtigen seien (E. 53.8.1). Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus,
dass nach den bisher erreichten Klärungen im SIL-Prozess aufgrund der noch
weiterverfolgten drei Betriebsvarianten für den Flughafen Zürich durchaus
abgeschätzt werden könne, welche An- und Abflugrouten geflogen und wo
Grenzwertüberschreitungen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht nur kurzfristig
auftreten werden (E. 53.8.2 des angefochtenen Entscheids A-1936/2006).

7.2 Wie oben (E. 5.3) dargelegt wurde, ist es Aufgabe des Verordnungsgebers,
die geltenden Belastungswerte für Fluglärm zu überprüfen und, soweit nötig,
anzupassen. Es ist davon auszugehen, dass gesetzeskonforme Grenzwerte
jedenfalls bei Erlass des definitiven Betriebsreglements vorliegen und
dannzumal der Lärmbelastungskataster und das Schallschutzkonzept vollständig
und richtig erstellt werden können.
Bis zu diesem Zeitpunkt muss die Flughafen Zürich AG Schallschutzmassnahmen
jedenfalls dort vornehmen, wo der Flugbetrieb gemäss vBR zur Überschreitung der
geltenden (und damit unstreitigen) Immissionsgrenzwerte führt. Hierfür ist
grundsätzlich der nach Rechtskraft des vBR zu erstellende Lärmkataster
massgeblich (vgl. E. 55.3 und Disp.-Ziff. 8.17 des angefochtenen Entscheids).
Schon jetzt besteht in allen Gebieten, in denen bereits heute die
Immissionsgrenzwerte gemäss Anhang 5 LSV für die Tages- oder Nachtzeit
überschritten werden, ein Anspruch der Betroffenen auf passive
Schallschutzmassnahmen. Dabei kann nicht nur der Einbau von
Schallschutzfenstern verlangt werden, sondern u.U. auch die Schallisolierung
von Dächern und Mauern (so schon BGE 126 II 522 E. 47c S. 593; BGE 122 II 33 E.
7a S. 42 ff.). Sofern keine Einigung zwischen den Betroffenen und der Flughafen
Zürich AG erfolgt, kann eine Festsetzung der kantonalen Baudirektion verlangt
werden. Diese hat die im Einzelfall gebotenen Schallschutzmassnahmen
(einschliesslich
BGE 137 II 58 S. 114
Anforderungen an Belüftungseinrichtungen) unter Ansetzung einer Frist
festzulegen.

7.3 Wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt hat, ist passiver
Schallschutz insbesondere auch für die durch abendliche Anflüge belasteten
Gebiete im Osten des Flughafens geboten, wo der Ein-Stunden-Leq für die erste
Nachtstunde überschritten wird (vgl. angefochtener Entscheid A-1936/2006 E.
53.8.3). Werden in diesen Gebieten die Schlafräume wirksam abgeschirmt, so
kommt diese Massnahme auch Kindern und Jugendlichen zugute, die früher zu Bett
gehen; gleichzeitig wird ein Schutz vor Aufwachreaktionen am frühen Morgen
gewährleistet, sofern ausnahmsweise auf Piste 28 gelandet wird. Gewährt der
bestehende Ein-Stunden-Leq für die Nachtzeit somit einen Mindestschutz gegen
Aufwachreaktionen, kann jedenfalls zurzeit auf zusätzliche Schallschutzauflagen
verzichtet werden.

7.4 Ergänzungsbedürftig erscheint dagegen die Schallschutzauflage des vBR zum
Schutz vor Schlafstörungen am frühen Morgen durch Südanflüge.
Die Anwohner werden durch den geltenden 16-Stunden-Leq ungenügend vor
Aufwachreaktionen geschützt (vgl. oben E. 5.3). Die Südanflüge begannen bereits
im Oktober 2003. Es erscheint unzumutbar, Personen, die bereits seit sieben
Jahren zwischen 06.00 und 07.00 Uhr morgens (auch an Wochenenden) durch
Fluglärm geweckt werden, auf das definitive Betriebsreglements zu vertrösten,
das nach Schätzung der Flughafen Zürich AG erst in ca. 10 Jahren in Kraft
treten wird.
Dass die morgendlichen Südanflüge längerfristig fortgesetzt werden, ist nicht
unwahrscheinlich, lässt sich heute aber noch nicht endgültig abschätzen. Zwar
verzichten zwei von drei Varianten des Entwurfs eines SIL-Objektblatts vom 16.
August 2010 (E^opt und J^opt ) weitgehend auf Südanflüge am Morgen (diese sind
nur in sehr seltenen Wettersituationen mit starkem Nordwind und schlechter
Sicht vorgesehen). Diese beiden Varianten halten jedoch die Vorgaben der DVO
nicht ein, setzen also eine Vereinbarung mit Deutschland über die Benützung des
süddeutschen Luftraums voraus. Die Variante J^opt steht überdies unter dem
Vorbehalt, dass die darin vorgesehenen Pistenverlängerungen umgesetzt werden
können. Ansonsten kommt die Variante E^DVO zur Anwendung, die sich an den
heutigen Betrieb anlehnt, d.h. weiterhin Südanflüge am Morgen vorsieht.
BGE 137 II 58 S. 115
Zwar enthält diese Variante den gekröpften Nordanflug als Alternative (dabei
erfolgt der Anflug südlich der deutschen Grenze und die Flugzeuge schwenken
erst einige Kilometer vor der Landung auf die Pistenachse ein). Voraussetzung
ist jedoch, dass dieses neue Anflugverfahren in Zukunft als
satellitengestützter Präzisionsanflug verfügbar ist und die Anforderungen in
Bezug auf Sicherheit, Umwelt und Kapazität zu erfüllen vermag.
Die Bevölkerung darf nicht auf längere Dauer übermässigem und schädlichem Lärm
ausgesetzt werden, ohne in den Genuss von Schallschutzmassnahmen zu gelangen,
die nach USG Voraussetzung für die Erteilung von Erleichterungen sind. Es
erscheint daher geboten, den Anwohnern im Süden des Flughafens, die vom
morgendlichen Anflugverkehr geweckt werden, noch unter der Geltung des vBR
einen Anspruch auf passiven Lärmschutz einzuräumen, sofern sich keine
erhebliche Änderung des Flugkonzepts abzeichnet, beispielsweise eine Einigung
mit Deutschland zustande kommt oder der gekröpfte Nordanflug realisierbar wird.
Die Frage, wie ein provisorisches Schallschutzkonzept für Südanflüge aussehen
könnte, war weder Gegenstand der Genehmigungsverfügung des BAZL noch des
Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts und wurde von keinem der
Beschwerdeführer thematisiert. Dementsprechend haben sich auch die Flughafen
Zürich AG, der Kanton Zürich und die Fachbehörden des Bundes (BAFU, ARE) noch
nicht zu dieser Problematik geäussert. Es kann nicht Aufgabe des Bundesgerichts
sein, ein solches Konzept zu entwickeln, zumal mehrere Ansätze in Betracht
kommen.
Zwar erscheint es naheliegend, in Anlehnung an Ziff. 222 Anhang 5 LSV, passive
Schallschutzmassnahmen an die Überschreitung eines Ein-Stunden-Leq für die
erste Morgenstunde (06.00 bis 07.00 Uhr) zu knüpfen. Denkbar sind aber auch
andere Kriterien (z.B. Maximalpegel). Es besteht auch die Möglichkeit, den
gebotenen passiven Schallschutz wirkungsbezogen zu definieren, anhand des
Schutzziels, Aufwachreaktionen am frühen Morgen zu verhindern. Ein solcher
Ansatz wurde beispielsweise im Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung
des Flughafens Leipzig/Halle gewählt (allerdings beschränkt auf den Zeitraum
22.00 bis 06.00 Uhr): Dort wurde die Flughafenbetreiberin verpflichtet, durch
Schallschutzvorrichtungen an Schlafräumen zu gewährleisten, dass durch An- und
Abflüge im Mittel weniger als eine (nicht erinnerbare) zusätzliche
BGE 137 II 58 S. 116
Aufwachreaktion (d.h. zusätzlich zu den ca. 24 spontan pro Nacht erfolgenden
Aufwachreaktionen) verursacht wird und im Mittel Maximalpegel im Innern von 65
dB(A) und mehr ausgeschlossen sind (vgl. dazu Urteil des deutschen
Bundesverwaltungsgerichts 4A 2001.06 vom 9. November 2006 Rz. 84 ff., in:
BVerwGE 127 S. 121 ff.). Dabei wurde auf eine Studie des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) abgestellt, die tabellarisch Auskunft darüber gibt,
wie oft ein bestimmter Maximalpegel erreicht werden darf, ohne dass es zu einer
zusätzlichen fluglärmbedingten Aufwachreaktion kommt (BASNER UND ANDERE,
Nachtfluglärmwirkungen Band 1 Zusammenfassung; DLR-Forschungsbericht 2004-07/
D). Diese Tabelle wird auch für die Ermittlung der HSD-Komponente (Anzahl der
durch Fluglärm im Schlaf während der Nacht stark gestörten Personen) des
Zürcher Fluglärm-Indexes verwendet (vgl. Zürcher Fluglärm-Index ZFI im Jahre
2008, EMPA-Bericht Nr. 452'380-1, S. 10).
Es wird Sache der Flughafen Zürich AG sein, ein entsprechendes Konzept
auszuarbeiten. Dessen Grundzüge sind als Ergänzung des vBR bzw. der
Genehmigungsverfügung vom 29. März 2005 vom BAZL zu genehmigen bzw. zu
verfügen. Für die Einreichung des Konzepts ist der Flughafen Zürich AG eine
Frist von einem Jahr ab Zustellung des bundesgerichtlichen Entscheids zu
setzen. Das BAZL wird - sofern sich der Sachverhalt nicht wesentlich geändert
haben wird - in seinem Genehmigungsentscheid einen Zeitplan zur Umsetzung des
Konzepts anordnen müssen, unter Beachtung der Vorgaben des
Umweltschutzgesetzes.
(...)

14. Ausgang und Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens

14.1 Zusammenfassend ist der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts im
Wesentlichen zu bestätigen.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde der Flughafen Zürich AG ist der
angefochtene Entscheid hinsichtlich der Rückversetzung des Abdrehpunkts der
Abflugrouten ab Piste 28 zu präzisieren (vgl. nicht publ. E. 10.3). Die
Flughafen Zürich AG und die SWISS obsiegen teilweise (für die Zeit von 21.00
bis 22.00 Uhr) mit ihrem Antrag auf Freigabe zusätzlicher Startpisten (16 und
28) bei DVO-Ausnahmeregelung (vgl. oben E. 4.2.2).
Eine Rückweisung der Sache an das BAZL erfolgt zur Ergänzung des
Schallschutzkonzepts (vgl. oben E. 7.4) und zur Prüfung von Einschränkungen für
Landungen schwerer Grossraumflugzeuge auf
BGE 137 II 58 S. 117
Piste 28 zu den abendlichen DVO-Sperrzeiten (vgl. oben E. 6.4.7). Dies ist als
teilweises Obsiegen derjenigen Beschwerdeführer zu werten, die sich gegen die
im vBR vorgesehenen Südanflüge wehren (Christoph Apothéloz und Mitbeteiligte,
Stadt Zürich, Verein Flugschneise Süd - Nein und Mitbeteiligte, Gemeinde
Altendorf und Mitbeteiligte, Hauseigentümerverband Dübendorf & Oberes Glatttal
und Mitbeteiligte): Auch wenn ihren Anträgen auf Aufhebung bzw. Einschränkung
der Südanflüge nicht stattgegeben werden konnte, ist davon auszugehen, dass
diese z.T. zu übermässigen Lärmimmissionen führen und daher nur zulässig sind,
wenn passive Schallschutzmassnahmen die betroffenen Anwohner gegen
Aufwachreaktionen am frühen Morgen schützen.
Teilweise obsiegt die Stadt Zürich auch mit ihrem Antrag auf Nichtgenehmigung
der neuen Schnellabrollwege ab Piste 34 (oben E. 4.3.2).
In teilweiser Gutheissung der Beschwerden der Gemeinde Rümlang, des
Schutzverbandes der Bevölkerung um den Flughafen Zürich, der Gemeinde Altendorf
und Mitbeteiligte sowie des Hauseigentümerverbands Dübendorf & Oberes Glatttal
und Mitbeteiligte ist die Flughafen Zürich AG, in Ergänzung von Art. 5 vBR, zur
Überarbeitung ihrer Gebührenordnung zu verpflichten, insbesondere zur
Einführung lenkungswirksamer Umweltabgaben für die Tagesrandstunden (vgl. oben
E. 6.7).
(...)
Bis zur Ergänzung des vBR bzw. der Genehmigungsverfügung des BAZL vom 29. März
2005 im Sinne der Erwägungen bleibt das vBR in der vom Bundesverwaltungsgericht
bestätigten Fassung anwendbar.
Im Übrigen sind die Beschwerden abzuweisen und der Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts zu bestätigen.

14.2 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei
auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die
Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben (Art. 66 Abs.
1 BGG). Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel
keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen
Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das
Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen
Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist (Art. 66 Abs. 4 BGG).
BGE 137 II 58 S. 118

14.2.1 Die beschwerdeführenden Gemeinden setzen sich mit ihrer Beschwerde in
erster Linie für das Wohlbefinden ihrer Bewohner und nicht für ihre
Vermögensinteressen ein. Keine Kosten sind daher der Stadt Zürich, dem
Landkreis Waldshut, der Gemeinde Bülach und Mitbeteiligten, der Stadt
Winterthur und Mitbeteiligten, der Gemeinde Bassersdorf und Mitbeteiligten, der
Gemeinde Rümlang, der Gemeinde Zollikon sowie der Gemeinde Altendorf und
Mitbeteiligten aufzuerlegen. Diese haben auch keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 134 II 117 E. 7 S. 118 f.).

14.2.2 Die Flughafen Zürich AG wurde in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
bislang als (grundsätzlich) kostenpflichtige und entschädigungsberechtigte
Partei betrachtet (vgl. z.B. Urteil 1C_284/2009 vom 8. Juni 2010 E. 13.4, nicht
publ. in BGE 136 II 263), und zwar auch in Streitigkeiten um die Genehmigung
des Betriebsreglements (vgl. Urteil 1A.250/2003 vom 31. März 2004 E. 14). Diese
Praxis ist zu überdenken.
Wie die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts in ihrem Urteil
2C_585/2009 vom 31. März 2010 E. 5.3.2 dargelegt hat, stellt das
Betriebsreglement des Flughafens Bundesrecht dar. Die Flughafen Zürich AG wird
durch Art. 36c LFG zum Erlass des Betriebsreglements ermächtigt, das der
Genehmigung des BAZL bedarf. Damit werden ihr Rechtssetzungskompetenzen
übertragen, d.h. sie nimmt eine öffentliche Aufgabe wahr. Es erscheint daher
naheliegend, die Flughafen Zürich AG - jedenfalls im Verfahren betreffend den
Erlass oder die Änderung des Betriebsreglements - als mit öffentlichen Aufgaben
betraute Organisation zu betrachten. Dies hätte zur Folge, dass ihr keine
Kosten auferlegt und keine Parteientschädigung zugesprochen werden könnte.
Die Frage kann jedoch offenbleiben, wie im Folgenden darzulegen sein wird.

14.2.3 Seit 2001 wurde der Flugbetrieb des Flughafens Zürich grundlegend
umgestellt, um den von Deutschland einseitig angeordneten
Überflugbeschränkungen Rechnung zu tragen. Diese Änderungen wurden durch
provisorische Änderungen des Betriebsreglements durchgesetzt, die gerichtlich
nie überprüft werden konnten. Vielmehr wurden die Beschwerden jeweils
gegenstandslos, wenn eine neue Betriebsreglementsänderung genehmigt wurde. Auch
das jetzt zu beurteilende konsolidierte Betriebsreglement soll nur vorläufigen
BGE 137 II 58 S. 119
Charakter haben und durch ein "definitives" Betriebsreglement abgelöst werden,
sobald das Sachplanverfahren für den Flughafen Zürich abgeschlossen ist.
Aufgrund der Unsicherheit über den zukünftigen Flugbetrieb wurde bis heute kein
verbindliches Schallschutzkonzept für den Flughafen Zürich erstellt. In dieser
Situation bestand ein erheblicher Klärungsbedarf. Die Anwohner des Flughafens,
aber auch die Flughafen Zürich AG und die SWISS, waren deshalb in guten Treuen
zur Beschwerdeführung berechtigt. Es rechtfertigt sich daher, ausnahmsweise auf
die Erhebung von Kosten zu verzichten.

14.3 (Zusammenfassung: Die Parteikosten werden wettgeschlagen.)