Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 II 297



Urteilskopf

137 II 297

24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. und
Y. gegen Sicherheitsdirektion und Regierungsrat des Kantons Zürich (Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_415/2010 vom 15. April 2011

Regeste

Art. 62 lit. b und Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG; Zusammenrechnung von mehreren
kürzeren Strafen zu einer "längerfristigen" Freiheitsstrafe; Konkretisierung
des Widerrufsgrundes eines "in schwerwiegender Weise" erfolgten Verstosses
gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Die ein Jahr überschreitende Dauer einer "längerfristigen" Freiheitsstrafe (BGE
135 II 377) muss sich zwingend auf ein einziges Strafurteil stützen. Eine
Zusammenrechnung von mehreren kürzeren Strafen, die in ihrer Gesamtheit mehr
als ein Jahr ausmachen, ist nicht zulässig (E. 2).
Eine Person verstösst in der Regel dann "in schwerwiegender Weise" gegen die
öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn durch ihre Handlungen besonders
hochwertige Rechtsgüter wie namentlich die körperliche, psychische und sexuelle
Integrität eines Menschen verletzt oder gefährdet wurden. Vergleichsweise
weniger gravierende Pflichtverletzungen können gegebenenfalls in ihrer
Gesamtheit als "schwerwiegend" bezeichnet werden (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 298

BGE 137 II 297 S. 298

A. Der am 1. September 1977 geborene algerische Staatsangehörige X. reiste
Anfang 1998 unter Missachtung der Einreisevorschriften und unter falscher
Identität in die Schweiz ein. Das von ihm eingereichte Asylgesuch wurde am 5.
Februar 1998 rechtskräftig abgewiesen. Ein Gesuch um vorläufige Aufnahme wies
das Bundesamt für Migration am 28. September 2004 ab. Sämtlichen Aufforderungen
zur Ausreise kam X. nicht nach. Auch ein Rückführungsversuch nach Algerien
scheiterte an seinem Widerstand. X. wurde in der Schweiz wiederholt
straffällig. In der Zeit vom 2. März 1998 bis zum 14. Dezember 2007 ergingen
gegen ihn total 16 Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von insgesamt rund 33
Monaten. Den Verurteilungen lagen zum grössten Teil Vermögensdelikte sowie
Widerhandlungen gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen zu Grunde. Die längste
einzelne Freiheitsstrafe betrug sechs Monate; sie wurde aufgrund einer
Verurteilung wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Ausländergesetz, begangen
durch Missachtung einer Ausgrenzungsverfügung, sowie wegen Hinderung einer
Amtshandlung ausgesprochen.

B. Am 2. Juni 2008 heiratete X. die Schweizerin Y. und ersuchte danach um
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehefrau. Mit
Verfügung vom 31. Oktober 2008 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das
Gesuch insbesondere unter Hinweis auf die Delinquenz von X. ab.
Hiergegen rekurrierten X. und Y. ohne Erfolg beim Regierungsrat des Kantons
Zürich. Eine daraufhin beim Verwaltungsgericht des
BGE 137 II 297 S. 299
Kantons Zürich eingereichte Beschwerde wurde von diesem mit Urteil vom 17. März
2010 abgewiesen.

C. Mit Eingabe vom 11. Mai 2010 führen X. und Y. Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragen im
Wesentlichen die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und die Erteilung
einer Aufenthaltsbewilligung für X. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Angelegenheit zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Ansprüche nach Art. 42 des Ausländergesetzes (AuG; SR 142.20) erlöschen
u.a. dann, wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen (Art. 51 Abs. 1 lit.
b AuG; vgl. nicht publ. E. 1). Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine
ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde
(Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG). Das Bundesgericht hat
definiert, dass eine Freiheitsstrafe als "längerfristig" gilt, wenn ihre Dauer
ein Jahr überschreitet (BGE 135 II 377 E. 4.2 und 4.5 S. 379 ff.). Noch nicht
ausdrücklich entschieden hat es die Frage, ob sich die mindestens einjährige
Dauer der Freiheitsstrafe zwingend auf ein einziges Strafurteil stützen muss
oder ob auch mehrere kürzere Strafen, die zusammen mehr als ein Jahr ergeben,
den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG
erfüllen. In seiner bisherigen Rechtsprechung zu den genannten Bestimmungen
prüfte das Bundesgericht aber jeweils, ob einzelne Straferkenntnisse für sich
alleine das Kriterium der Längerfristigkeit erreichen (vgl. Urteil 2C_712/2009
vom 12. April 2010 Bst. A und E. 3).

2.2 Das Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, es sei nicht
einzusehen, weshalb zwar die Bewilligung jenes Ausländers zu widerrufen sei,
der zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt wurde, nicht aber jene
eines ausländischen Delinquenten, welcher vier Mal mit einer Freiheitsstrafe
von jeweils 11 Monaten bestraft wurde. Im zweiten Fall sei der Unrechtsgehalt
deutlich höher als beim ersten. Es seien nicht nur die ausgesprochenen Strafen
insgesamt länger; ein mehrfach rückfälliger Täter gebe auch zu verstehen, dass
er sich von Freiheitsstrafen nicht
BGE 137 II 297 S. 300
beeindrucken lasse und nicht bereit sei, sich an die gesetzliche Ordnung zu
halten. Aus diesem Grund müssten auch mehrere kurze Freiheitsstrafen den
Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG erfüllen,
sofern sie in ihrer Summe als "längerfristig" zu qualifizieren seien. Hierbei
seien die ausgesprochenen Freiheitsstrafen aber nicht starr zu addieren,
sondern vielmehr in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten. Dies bedeute, dass
etwa lange Zeitabstände zwischen den einzelnen Verurteilungen dazu führen
könnten, dass nicht alle Straftaten berücksichtigt werden dürften.

2.3

2.3.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der
Text nicht klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss unter
Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach der wahren Tragweite gesucht
werden. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm
und ihren Zweck sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen
Bestimmungen zukommt (BGE 135 II 416 E. 2.2 S. 418 mit Hinweisen).

2.3.2 Der Wortlaut von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG deutet
darauf hin, dass sich die mindestens einjährige Strafdauer aus einem einzigen
Urteil ergeben muss, spricht das Gesetz doch von "einer längerfristigen
Freiheitsstrafe" ("une peine privative de liberté de longue durée"; "una pena
detentiva di lunga durata").

2.3.3 Den Materialien zum Ausländergesetz kann sodann entnommen werden, dass
die eidgenössischen Räte einen Antrag der vorberatenden Kommission des
Nationalrates ausdrücklich ablehnten, welche statt dem Begriff der
"längerfristigen Freiheitsstrafe" die Formulierung "wenn die Ausländerin oder
der Ausländer zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten oder wiederholt zu
einer kurzen Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt wurde" in den Gesetzestext
aufnehmen wollte (AB 2004 N 1083 ff.).

2.3.4 Entscheidend ist im vorliegenden Fall jedoch vor allem, dass sich das
Bundesgericht bei seiner Definition des Begriffs "längerfristig" i.S. von Art.
63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG massgeblich am Sanktionensystem des
Strafgesetzbuches orientierte: Es führte aus, dass eine Freiheitsstrafe kaum
als "längerfristig" bezeichnet werden könne, wenn sie sich in einem Rahmen
bewege, der auch die Verurteilung zu einer Geldstrafe zulassen würde. Anders
sei dagegen dort zu entscheiden, wo aufgrund des hohen
BGE 137 II 297 S. 301
Strafbedürfnisses zwingend eine Freiheitsstrafe als Sanktion ausgesprochen
werden muss (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 380). Wie im genannten Urteil aufgezeigt
wird, ist dies der Fall, wenn die Dauer der auszusprechenden Strafe ein Jahr
bzw. 360 Tage überschreitet (Art. 34 Abs. 1 StGB). Unterhalb dieses
Schwellenwertes, für Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr, hat der
Richter dagegen die Wahl, ob er eine Freiheitsstrafe oder aber eine Geldstrafe
verhängt. Bis zu einer Strafdauer von sechs Monaten bzw. 180 Tagen steht als
zusätzliche Sanktionsart auch die gemeinnützige Arbeit zur Verfügung, dafür
sind kurze Freiheitsstrafen bis zu einer Dauer von sechs Monaten nur unter sehr
einschränkenden Voraussetzungen möglich (vgl. Art. 37 Abs. 1 sowie Art. 41 Abs.
1 und Art. 42 Abs. 1 StGB).
Massgebliche Kriterien für die Wahl der Sanktionsart bilden ihre
Zweckmässigkeit, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie
ihre präventive Effizienz (BGE 134 IV 97 E. 4.2 S. 100, BGE 134 IV 82 E. 4.1 S.
84). Nicht massgeblich ist dagegen namentlich das Verschulden des Delinquenten;
dieses schlägt sich ausschliesslich im Strafmass nieder. Die drei
Hauptstrafarten (Freiheitsstrafe, Geldstrafe, gemeinnützige Arbeit) sind somit,
was das Verschulden anbelangt, austauschbar (ANDREAS ZÜND, Strafrecht: Ein
Wegweiser zu den neuen Sanktionen, Plädoyer 2008 6 S. 40).
Konsequenterweise müssten daher - wollte man der Argumentation des
Verwaltungsgerichts folgen - auch allfällige Geldstrafen und Verurteilungen zu
gemeinnütziger Arbeit bzw. die auf sie entfallende Anzahl Tagessätze resp.
Arbeitsstunden zusammengerechnet und im Rahmen von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m.
Art. 62 lit. b AuG berücksichtigt werden. Dies schliesst der klare
Gesetzeswortlaut, welcher eindeutig von einer "Freiheitsstrafe" spricht, jedoch
aus. Vor diesem Hintergrund erschiene es sachwidrig und unter dem Gesichtspunkt
des Rechtsgleichheitsgebotes problematisch, die hinsichtlich des Verschuldens
äquivalenten Freiheitsstrafen von einem Jahr oder weniger zu kumulieren.

2.3.5 Zu beachten ist sodann, dass das Bundesgericht seine Präzisierung des
Begriffes "längerfristig" namentlich auch mit dem Interesse an Rechtssicherheit
und einer einheitlichen Auslegung des Bundesrechts begründete (BGE 135 II 377
E. 4.2 S. 380). Diesem Bestreben würde durch die vom Verwaltungsgericht
befürwortete grundsätzliche Möglichkeit einer Zusammenrechnung kürzerer
Freiheitsstrafen entgegengewirkt: Wie die Vorinstanz richtig erkannt
BGE 137 II 297 S. 302
hat, müsste diesfalls unter Berücksichtigung der Umstände jedes Einzelfalls
geklärt werden, bei welchen Straferkenntnissen eine Kumulation in Frage kommt.
Namentlich wäre zu prüfen, ob es hierfür eines inhaltlichen Zusammenhangs oder
einer zeitlichen Nähe verschiedener Urteile bedarf; gänzlich ausgeschlossen
wäre ein Zusammenrechnen jedenfalls insoweit, als eine Verurteilung aus dem
Strafregister entfernt wurde (vgl. Art. 369 Abs. 7 StGB; BGE 135 I 71 E. 2.10
S. 75 f. mit Hinweisen). Auch unter diesem Gesichtswinkel erscheint die von der
Vorinstanz vertretene Auslegung von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b
AuG nicht als sinnvoll. Vielmehr ist bei der Rechtsanwendung ein
Auslegungsergebnis anzustreben, welches praktikabel ist; im Zweifelsfall ist
eine Lösung zu bevorzugen, welche den Anforderungen der Praxis gerecht wird (
BGE 136 II 113 E. 3.3.4 S. 119 mit weiteren Hinweisen).

2.3.6 Aus dem Obenstehenden erhellt, dass bei der Prüfung des Widerrufsgrundes
von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG auf ein Zusammenrechnen
verschiedener Freiheitsstrafen von einem Jahr oder weniger zu verzichten ist.
Der Widerrufsgrund ist vielmehr (nur) dann erfüllt, wenn eine Strafe für sich
alleine das Kriterium der Längerfristigkeit erfüllt, d.h. die Dauer von einem
Jahr überschreitet.

2.4 Wie bereits ausgeführt, haben die gegen den Beschwerdeführer 1
ausgesprochenen Freiheitsstrafen die Dauer eines Jahres jeweils nicht
überschritten. Der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit.
b AuG ist somit nicht erfüllt und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
darf dem Beschwerdeführer 1 deshalb nicht mit dieser Begründung verweigert
werden (Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG e contrario; vgl. E. 2.1 hiervor).

3.

3.1 Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer 1 allenfalls in schwerwiegender
Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im
Ausland verstossen und mithin den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG
erfüllt hat, wie dies die Vorinstanzen angenommen haben.

3.2 Gemäss Art. 80 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung,
Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) liegt ein Verstoss gegen die
öffentliche Sicherheit und Ordnung unter anderem vor bei einer Missachtung von
gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Verfügungen (Abs. 1 lit. a) sowie
bei mutwilliger Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen oder
privatrechtlichen
BGE 137 II 297 S. 303
Verpflichtungen (Abs. 1 lit. b). Anders als der Widerruf einer
Aufenthaltsbewilligung (Art. 62 lit. c AuG), welcher voraussetzt, dass der
Ausländer "erheblich oder wiederholt" gegen die öffentliche Sicherheit und
Ordnung verstossen hat, bedingt ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung i.S.
von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG - und damit ein Erlöschen des Anspruchs auf
Familiennachzug gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG -, dass ein solcher Verstoss
"in schwerwiegender Weise" erfolgt ist. Dass damit vergleichsweise erhöhte
Anforderungen an einen Bewilligungswiderruf gestellt werden, ergibt sich
eindeutig aus dem französischen Wortlaut der genannten Bestimmungen: Während
Art. 62 lit. c AuG von einem Verstoss "de manière grave ou répétée" spricht,
wird in Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG die qualifizierte Formulierung "de manière
très grave" verwendet. Diese Unterscheidung überzeugt, vermittelt die
Niederlassungsbewilligung doch das gefestigtere Anwesenheitsrecht als eine
blosse Aufenthaltsbewilligung und besteht bei niedergelassenen Ausländern
oftmals eine vergleichsweise engere Verbindung zur Schweiz (vgl. die Botschaft
des Bundesrates vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und
Ausländer, welche auf den "längeren Voraufenthalt der niedergelassenen
Ausländerinnen und Ausländer" verweist [BBl 2002 3709, 3810 zu Art. 62]). Indes
führt der unterschiedliche Wortlaut der Widerrufsgründe von Art. 62 lit. c AuG
einerseits und Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG andererseits zu erheblichen
Abgrenzungsproblemen: Es erhellt nicht ohne Weiteres, wann ein Verstoss gegen
die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht nur als "erheblich oder
wiederholt" erscheint, sondern überdies auch noch in einer Weise erfolgt ist,
die als "schwerwiegend" bezeichnet werden muss. Diese unbestimmten
Rechtsbegriffe erscheinen vielmehr in besonderem Masse als auslegungsbedürftig
und sind nachfolgend näher zu umschreiben.

3.3 Zur Abgrenzung zwischen Art. 62 lit. c und Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG
erscheint es sachgerecht, in erster Linie auf den Stellenwert des
beeinträchtigen Rechtsguts abzustellen: Wenn die ausländische Person durch ihre
Handlungen besonders hochwertige Rechtsgüter wie namentlich die körperliche,
psychische und sexuelle Integrität eines Menschen verletzt oder gefährdet hat,
werden die qualifizierten Voraussetzungen von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG zumeist
erfüllt sein. Indes können auch vergleichsweise weniger gravierende
Pflichtverletzungen als "schwerwiegend" i.S. von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG
bezeichnet werden: In seiner Botschaft zum Ausländergesetz führt
BGE 137 II 297 S. 304
der Bundesrat aus, dass ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung auch dann
möglich sein soll, wenn sich eine ausländische Person von strafrechtlichen
Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie "auch zukünftig
weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten" (BBl 2002
3709, 3810 zu Art. 62).
Ob der Ausländer willens und in der Lage ist, sich in die hier geltende Ordnung
einzufügen, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung seines Verhaltens beurteilt
werden. Hieraus folgerte das Bundesgericht in früheren Entscheiden, dass auch
eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht
ausreichen würden, einen Bewilligungsentzug rechtfertigen könne; sogar das
Bestehen von privatrechtlichen Schulden könne gegebenenfalls einen
schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung
darstellen, wenn die Verschuldung mutwillig erfolgt ist (Urteil 2C_273/2010 vom
6. Oktober 2010 E. 3.2 und E. 3.3 mit Hinweisen). Dies muss umso mehr bei einer
wiederholten Begehung von gewichtigen Vermögensdelikten gelten.

3.4 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer 1 regelmässig, während einer
langen Zeitspanne und ohne echte Not strafbare Handlungen begangen. Dabei
handelte es sich, wie bereits ausgeführt, zumeist um Vermögensdelikte sowie um
Verstösse gegen das Ausländerrecht. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers 1
offenbart zweifelsohne eine bedenkliche Gleichgültigkeit gegenüber der
schweizerischen Rechtsordnung.
Demgegenüber ist aber auch festzustellen, dass die verübten Vermögensdelikte
schon eine gewisse Zeit zurückliegen; die letzte einschlägige Verurteilung
datiert vom 23. Dezember 2004. Ebenso fällt auf, dass die vom Beschwerdeführer
1 begangenen Vermögensdelikte vergleichsweise tiefe Strafen von maximal drei
Monaten nach sich gezogen haben. Die neueren Verurteilungen und die höheren
Strafen betreffen vorwiegend - wenn auch nicht ausschliesslich -
Widerhandlungen gegen das Ausländerrecht. Betreffend die Letzteren gilt es
zudem zu berücksichtigen, dass die Erteilung der hier streitigen Bewilligung eo
ipso zum Wegfall der Rechtswidrigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers 1
führt und einer diesbezüglichen Delinquenz die Grundlage entzieht.
Aus diesen Gründen und in Anbetracht der aufgezeigten Abgrenzung zu Art. 62
lit. c AuG können die vom Beschwerdeführer 1 zu verantwortenden Verstösse gegen
die öffentliche Sicherheit und
BGE 137 II 297 S. 305
Ordnung insgesamt nicht als "schwerwiegend" i.S. von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG
bezeichnet werden. Auch dieser Widerrufsgrund ist somit nicht erfüllt und darf
daher nicht zur Begründung der Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung
herangezogen werden (Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG e contrario; vgl. E. 2.1 und 2.4
hiervor.)

4. Ein Grund für den Widerruf bzw. die Verweigerung einer
Niederlassungsbewilligung liegt auch dann vor, wenn der Ausländer oder eine
Person, für die er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf
Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 63 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. b
AuG). Das Migrationsamt und der Regierungsrat des Kantons Zürich erachteten
diesen Widerrufsgrund im vorliegenden Fall als erfüllt. Das Verwaltungsgericht
liess die Frage dagegen offen, zumal es davon ausging, dass der
Beschwerdeführer 1 einerseits zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe
verurteilt worden sei und andererseits auch in schwerwiegender Weise gegen die
öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen habe. Da die Voraussetzungen von
Art. 63 Abs. 1 lit. a (i.V.m. Art. 62 lit. b) und Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG
nach dem Ausgeführten jedoch nicht gegeben sind, erweist es sich als notwendig,
dass sich die Vorinstanz zu diesem Punkt ausspricht.