Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 II 199



Urteilskopf

137 II 199

16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement gegen Swisscom (Schweiz) AG und
Swisscom (Schweiz) AG gegen Wettbewerbskommission (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_343/2010 / 2C_344/2010 vom 11. April 2011

Regeste

Art. 2, 3, 7, 30, 39 und 49a KG, Art. 11 aFMG, Art. 25 VwVG; kartellrechtliche
Sanktion wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bei den
Geschäftsbedingungen der Übernahme von Telefongesprächen anderer Anbieterinnen
in das eigene Mobilfunknetz (so genannte Terminierung).
Wird eine kartellrechtliche Sanktion wegen Missbrauchs einer
marktbeherrschenden Stellung als Folge des Erzwingens unangemessener Preise
oder Geschäftsbedingungen geprüft, kommt dem Gesichtspunkt des Erzwingens
selbständige Bedeutung zu; ein solches ergibt sich nicht bereits allein aus der
marktbeherrschenden Stellung. Bei der Beurteilung des Marktmissbrauchs ist auch
die fernmelderechtliche Gesetzesordnung zu berücksichtigen. Standen den
Konkurrentinnen die Möglichkeiten der Interkonnektion offen, insbesondere um
die fraglichen Terminierungspreise behördlich festsetzen zu lassen, schliesst
dies aus, dass die Preise und Geschäftsbedingungen der Konkurrenz aufgezwungen
wurden (E. 3-5).
Der Gesichtspunkt der Marktbeherrschung bildet ein Tatbestandsmerkmal und damit
Voraussetzung der kartellrechtlichen Sanktion. Ohne entsprechendes
schutzwürdiges Interesse ist es ausgeschlossen, darüber separat eine förmliche
Feststellung zu treffen (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 200

BGE 137 II 199 S. 200

A.

A.a Am 15. Mai 2000 eröffnete das Sekretariat der Wettbewerbskommission
(nachfolgend: Sekretariat) eine erste Untersuchung gemäss dem Bundesgesetz vom
6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen
(Kartellgesetz, KG; SR 251) über die Verhältnisse auf dem Mobilfunkmarkt in der
Schweiz wegen Anhaltspunkten für eine kollektiv marktbeherrschende Stellung der
drei in diesem Markt tätigen Unternehmen Swisscom Mobile AG (inzwischen mit
Swisscom Fixnet AG fusioniert zur Swisscom [Schweiz] AG), Orange Communications
AG (Orange) und TDC Switzerland AG (Sunrise). Sowohl die Preise abgehender
Verbindungen (Originierung) als auch diejenigen ankommender Verbindungen
(Terminierung) wiesen ähnliche Strukturen und eine vergleichbare Höhe auf. Mit
Verfügung vom 3. Dezember 2001 stellte die Wettbewerbskommission diese
Untersuchung ein. Im
BGE 137 II 199 S. 201
Retailmarkt (Endkundenbeziehungen) sei keine marktbeherrschende Stellung
festzustellen, wohingegen im Wholesalemarkt (Geschäftsbeziehungen zwischen den
Anbieterinnen von Fernmeldediensten [sog. FDA] unter sich) des Mobilfunknetzes
(MF-Netz) für eingehende Dienste (Terminierung) Anhaltspunkte dafür
weiterbestünden, weshalb insoweit die Eröffnung eines neuen Verfahrens
vorbehalten bleibe (Recht und Politik des Wettbewerbes [RPW] 2002 S. 97 ff.).

A.b Vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Mai 2005 berechnete die damalige Swisscom
Mobile AG den anderen beiden Mobilfunkanbieterinnen sowie dem Swisscom-Festnetz
(damals Swisscom Fixnet AG) einen Terminierungspreis von 33,5 Rappen pro
Minute. Orange verlangte im gleichen Zeitraum in denselben Geschäftsbeziehungen
einen solchen von 36,95 Rappen pro Minute und Sunrise einen solchen von 36,85
Rappen pro Minute. Per 1. Juni 2005 senkte die Swisscom Mobile AG ihren
Terminierungspreis auf 20 Rappen pro Minute. Sunrise reduzierte den eigenen
Terminierungspreis per 1. August 2005 auf 29,95 Rappen pro Minute und Orange
per 1. Januar 2006 auf 32,95 Rappen pro Minute und per 1. Juli 2006 auf
ebenfalls 29,95 Rappen pro Minute.
Mit im Januar 2007 unterzeichneter Vereinbarung einigten sich die Swisscom
Mobile AG, Sunrise, Orange und die Swisscom Fixnet AG unter gleichzeitigem
Rückzug der damals vor der Kommunikationskommission (ComCom) hängigen
Interkonnektionsgesuche gegenseitig auf eine schrittweise Senkung der
Mobilterminierungspreise bis 2009 von 20 auf 15 Rappen pro Minute für die
Swisscom Mobile AG sowie von 29,95 auf 18 Rappen pro Minute für Orange und
Sunrise.

A.c Am 15. Oktober 2002 eröffnete das Sekretariat eine erneute Untersuchung
gemäss dem Kartellgesetz gegen die drei Mobilfunkanbieterinnen Swisscom Mobile
AG (nachfolgend: Swisscom), Orange und Sunrise. Es bestünden Anhaltspunkte
dafür, dass die Mobilfunkanbieterinnen (MFA) der Schweiz eine
marktbeherrschende Stellung auf dem Wholesalemarkt für in ein Mobilnetz
eingehende Fernmeldedienste innehätten und die Terminierungsgebühren in der
Höhe und Art untereinander absprächen (BBl 2002 6827).
(...)

A.e Mit Schreiben vom 25. März 2004 orientierte das Sekretariat die Swisscom,
Orange und Sunrise über die Änderung des Kartellgesetzes mit Inkrafttreten am
1. April 2004 und die damit
BGE 137 II 199 S. 202
verbundene Einführung der Möglichkeit direkter Sanktionen. Am 1. April 2004
reichte die Swisscom ein als "Meldung gemäss Übergangsbestimmung" bezeichnetes
Schreiben ein, das eine allfällige Sanktionierung für die Terminierungspreise
im Mobilfunkmarkt verhindern sollte, worüber in der Folge ein Rechtsstreit
entstand. Mit Urteil vom 8. Juni 2006 entschied das Bundesgericht
letztinstanzlich, dass die fragliche Meldung eine eventuelle Sanktion nicht
ausschliesse; über Sachverhalte, zu denen bereits ein Verfahren eingeleitet und
die Eröffnung der betroffenen Unternehmung mitgeteilt worden sei, könne nicht
sanktionsbefreiend Meldung erstattet werden (Urteil 2A.289/2005; vgl. auch das
Urteil 2A.287/2005 vom 19. August 2005).

A.f (...) Mit Antrag vom 7. April 2006 schlug das Sekretariat vor, die Swisscom
für den Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 31. Mai 2005 mit einem Betrag von
Fr. 488'936'331.- zuzüglich Zins zu sanktionieren, die Untersuchung gegenüber
Orange und Swisscom für Sachverhalte bis zum 31. Mai 2005 hingegen einzustellen
und die Untersuchung für die Zeit danach gegenüber allen drei
Mobilfunkanbieterinnen fortzusetzen. Diese konnten sich in der Folge dazu
äussern, wobei über den Umfang der ihnen zuzustellenden Unterlagen eine
Auseinandersetzung mit der Wettbewerbskommission entstand. Am 11. Oktober 2006
erhielt die Swisscom Gelegenheit, sich zu einem weiteren, überarbeiteten
"Entwurf für eine Teilverfügung" zu äussern.

B. Am 5. Februar 2007 traf die Wettbewerbskommission die folgende Verfügung
(publ. in: RPW 2007 S. 241 ff.):
"1. Es wird festgestellt, dass Swisscom Mobile AG im Wholesale-Markt für die in
ihr MF-Netz eingehenden Fernmeldedienste im Bereich der Sprachtelefonie bis am
31. Mai 2005 über eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG verfügte.
2. Es wird festgestellt, dass Swisscom Mobile AG ihre marktbeherrschende
Stellung gemäss Ziffer 1 dieses Dispositivs bis am 31. Mai 2005 im Sinne von
Art. 7 KG missbrauchte, indem sie nach Art. 7 Abs. 2 lit. c KG unangemessene
Terminierungsgebühren von anderen FDA erzwang.
3. Swisscom Mobile AG wird für das unter Ziffer 2 dieses Dispositivs genannte
Verhalten für den Zeitraum vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2005 gestützt auf Art.
49a Abs. 1 KG mit einem Betrag von CHF 333'365'685 belastet.
4. Für Sachverhalte bis zum 31. Mai 2005 wird betreffend Orange Communications
AG und TDC Switzerland AG die Untersuchung eingestellt.
BGE 137 II 199 S. 203
5. Für Sachverhalte nach dem 31. Mai 2005 wird die Untersuchung fortgeführt.
(...)"
Zur Begründung führte die Wettbewerbskommission im Wesentlichen aus, die
Swisscom habe den Wholesalemarkt für die in ihr Mobilfunknetz eingehenden
Fernmeldedienste im Bereich der Sprachtelefonie bis zum 31. Mai 2005 im Sinne
des Kartellrechts beherrscht. Dagegen hätten sich die ursprünglichen
Anhaltspunkte für eine marktbeherrschende Stellung von Orange und Sunrise für
denselben Zeitraum nicht erhärtet. Zwar hätten sich keine Hinweise für eine
Behinderung von Orange und Sunrise ergeben; die von der Swisscom verlangten
Terminierungsgebühren seien jedoch überhöht gewesen, seien in keinem Verhältnis
zur wirtschaftlichen Gegenleistung gestanden und könnten nicht als Ausdruck von
Leistungswettbewerb, sondern müssten als solcher einer Dominanz auf dem
wesentlichen Markt gelten. Die Swisscom habe sich somit bis zum 31. Mai 2005
unzulässig verhalten. Dafür sei sie in Anwendung des Kartellgesetzes zu
sanktionieren. (...)

C. Dagegen führte die Swisscom beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Zur
Begründung machte sie zunächst Verfahrensfehler geltend. (...) In der Sache
beruhe die Verfügung der Wettbewerbskommission sodann auf einer ungenügend
bestimmten gesetzlichen Grundlage. Weiter verstosse die Feststellung, die
Swisscom habe den Markt für Terminierungsgebühren vom 1. April 2004 bis zum 31.
Mai 2005 beherrscht, auch inhaltlich gegen Bundesrecht. Die
Wettbewerbskommission sei insoweit von einer falschen Marktabgrenzung
ausgegangen. Bundesrechtswidrig sei ebenfalls die Schlussfolgerung, die
Swisscom habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. (...)

D. Am 24. Februar 2010 fällte das Bundesverwaltungsgericht das folgende Urteil:
"1.
1.1. Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, teilweise
gutgeheissen. Die Dispositiv-Ziff. 2, 3 (...) der Verfügung vom 5. Februar 2007
werden aufgehoben.
Die Sache wird zur Neuausscheidung der vorinstanzlichen Verfahrenskosten im
Sinne der Erwägungen an die Wettbewerbskommission zurückgewiesen.
1.2. Soweit die Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung vom 5. Februar 2007
angefochten ist, wird die Beschwerde abgewiesen.
(...)"
BGE 137 II 199 S. 204
Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, auch
bei grundsätzlicher Anwendbarkeit strenger strafprozessualer Regeln erwiesen
sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen als eingehalten. Insbesondere
nehme das Bundesverwaltungsgericht die Aufgaben der erforderlichen
richterlichen Behörde in rechtsgenüglicher Weise wahr. In der Sache habe die
Wettbewerbskommission den fraglichen Markt korrekt abgegrenzt und die Swisscom
zu Recht als marktbeherrschend beurteilt. Hingegen fehle es an einem Missbrauch
der marktbeherrschenden Stellung. Massgeblich sei insofern gemäss einer von der
Wettbewerbskommission eingeräumten präzisierenden Berichtigung einzig das
Verhältnis der Swisscom zu den konkurrierenden Unternehmungen auf dem
Wholesalemarkt und nicht zu den Endkunden auf dem Retailmarkt. Die Swisscom
habe jedoch die entsprechenden Terminierungsbedingungen, insbesondere ihre
Preise, angesichts der fernmelderechtlichen Rahmenordnung wegen des anwendbaren
Interkonnektionsregimes gegenüber den anderen Mobilfunkanbieterinnen nicht
erzwingen können. Damit seien die Voraussetzungen einer kartellrechtlichen
Sanktion für den fraglichen Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 31. Mai 2005
insgesamt nicht erfüllt.

E.

E.a Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts reichte das Eidgenössische
Volkswirtschaftsdepartement (EVD) am 22. April 2010 beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_343/2010)
mit folgenden Anträgen ein:
"1. Die Dispositiv-Ziffern 1.1 (...) des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. Februar 2010 seien aufzuheben und es sei der Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung der Beschwerdegegnerin im Sinne der
Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung der Wettbewerbskommission vom 5. Februar 2007
zu bestätigen. Darüber hinaus sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
2. Eventualiter: Die Dispositiv-Ziffern 1.1, (...) des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010 seien aufzuheben und die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
(...)"
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht erforderlich, dass
die Swisscom unangemessene Terminierungspreise oder Geschäftsbedingungen
erzwungen habe, da bereits ein Kausalzusammenhang zwischen der
marktbeherrschenden Stellung und unangemessenen Bedingungen für eine
Sanktionierung genüge. So
BGE 137 II 199 S. 205
oder so habe die Swisscom ein gewisses Mass an Druck ausgeübt, weshalb sie ihre
marktbeherrschende Stellung missbraucht habe.

E.b In ihrer Stellungnahme vom 7. Juli 2010 schliesst die Swisscom auf
vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. (...) Das Bundesverwaltungsgericht
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

F.

F.a Am 23. April 2010 erhob auch die Swisscom Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht (Verfahren 2C_344/
2010) mit folgenden Rechtsbegehren:
"1. a) Dispositiv-Ziff. 1.2 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.
Februar 2010 (...) sei aufzuheben, und Dispositiv-Ziff. 1.1 Absatz 1 des
Urteils sei aufzuheben und wie folgt neu zu fassen: "Die Beschwerde wird,
soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen. Die Dispositiv-Ziff. 1, 2, 3 (...)
der Verfügung vom 5. Februar 2007 werden aufgehoben."
b) Eventualiter sei Dispositiv-Ziff. 1.2 des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010 (...) aufzuheben, und das
Bundesverwaltungsgericht sei anzuweisen, Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung der
Wettbewerbskommission vom 5. Februar 2007 (...) aufzuheben.
(...)"
Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Feststellung, die
Swisscom sei vom 1. April 2004 bis zum 31. Mai 2005 für die
Terminierungsgebühren marktbeherrschend gewesen, verletze Bundesrecht. Auch
wiederholt die Swisscom die bereits vor dem Bundesverwaltungsgericht
vorgebrachten Verfahrensrügen. (...)

F.b In ihrer Vernehmlassung vom 31. Mai 2010 schliesst die
Wettbewerbskommission auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. (...) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung auch zu
dieser Beschwerde verzichtet. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartements ab und heisst diejenige der Swisscom teilweise
gut.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Nach Art. 2 KG gilt das Kartellgesetz für Unternehmen des privaten und des
öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen,
Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen (Abs.
1). Als Unternehmen
BGE 137 II 199 S. 206
gelten sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im
Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform (Abs. 1
^bis ). Das Kartellgesetz ist damit grundsätzlich auf die Swisscom als
spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts anwendbar, und
zwar unabhängig davon, dass diese mehrheitlich dem Bund gehört (vgl. Art. 2 und
6 des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der
Telekommunikationsunternehmung des Bundes
[Telekommunikationsunternehmensgesetz, TUG; SR 784.11]). Nach Art. 3 Abs. 1 KG
sind bei derAnwendung des Kartellgesetzes Vorschriften vorbehalten, die
Wettbewerb nicht zulassen, insbesondere solche, die eine staatliche Markt- und
Preisordnung begründen oder einzelne Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher
Aufgaben mit besonderen Rechten ausstatten. In diesem Zusammenhang wird hier
auf das Verhältnis der kartell- zu den fernmelderechtlichen Bestimmungen näher
einzugehen sein (vgl. E. 3.4 und 5).

3.2 Nach Art. 49a Abs. 1 KG kann ein an einer unzulässigen Abrede gemäss Art. 5
Abs. 3 (Preis-, Mengen- und Gebietsabreden zwischen direkten Konkurrenten
[harte Horizontalkartelle]) oder Abs. 4 KG (Preisbindungen und absoluter
Gebietsschutz in Vertikalverträgen) beteiligtes Unternehmen oder ein
Unternehmen, das sich nach Art. 7 KG (Missbrauch einer marktbeherrschenden
Stellung [Marktmissbrauch]) unzulässig verhält, mit einem Betrag von bis zu
zehn Prozent des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten
Umsatzes belastet werden. Der Betrag bemisst sich nach der Dauer und der
Schwere des Verhaltens; zudem ist der mutmassliche Gewinn "angemessen zu
berücksichtigen", den das Unternehmen dadurch erzielt hat (vgl. BGE 135 II 60
E. 2.1 S. 63).

3.3 Gemäss Art. 7 Abs. 1 KG verhalten sich marktbeherrschende Unternehmen
unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere
Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die
Marktgegenseite benachteiligen. Zu solchen unzulässigen Verhaltensweisen zählt
nach Art. 7 Abs. 2 lit. c KG insbesondere die Erzwingung unangemessener Preise
oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen. Als marktbeherrschend
gelten einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf dem Markt als Anbieter oder
Nachfrager in der Lage sind, sich von andern Marktteilnehmern (Mitbewerbern,
Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten
(Art. 4 Abs. 2 KG).
BGE 137 II 199 S. 207

3.4 Für den Telekommunikationsmarkt gilt daneben die besondere Regelung des
Fernmelderechts. Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nicht
strittig, dass die kartell- und die fernmelderechtlichen Bestimmungen und
Verfahren nebeneinander zur Anwendung gelangen. Insbesondere bildet das
Interkonnektionsregime in diesem Sinne lediglich eine besondere sektorielle
Regelung, die zur übrigen preis- und wettbewerbsrechtlichen Ordnung hinzutritt
und diese nicht ausschliesst (Urteile des Bundesgerichts 2A.503/2000 vom 3.
Oktober 2001 i.S. Commcare AG E. 6c, in: ZBl 103/2002 S. 244, 2A.142/2003 vom
5. September 2003 E. 4.1.3 und 4C.404/2006 vom 16. Februar 2007 E. 3, in: sic!
7-8/2007 S. 552; vgl. auch EVELYNE CLERC, in: Commentaire romand, Droit de la
concurrence, 2002, N. 35 zu Art. 7 KG). Umstritten ist hier hingegen, wieweit
sich Kartell- und Fernmelderecht gegenseitig beeinflussen. Zu beachten ist
freilich, dass im vorliegenden Fall noch die frühere Fassung des
Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (aFMG; AS 1997 2187) anwendbar ist, was
von allen Verfahrensbeteiligten anerkannt wird. Die mit der Gesetzesnovelle vom
24. März 2006 angepassten Bestimmungen des Fernmeldegesetzes wurden erst auf
den 1. April 2007 und damit nach dem hier massgeblichen Zeitraum in Kraft
gesetzt (Fernmeldegesetz in der Fassung vom 24. März 2006, FMG; SR 784.10; AS
2007 921, 939).

3.5 Nach Art. 3 lit. e aFMG bedeutet Interkonnektion die Verbindung von
Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten, die ein fernmeldetechnisches und
logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie den Zugang zu
Diensten Dritter ermöglicht. Art. 11 aFMG enthält die wesentlichen Regeln des
Interkonnektionsregimes. Danach unterliegen marktbeherrschende Anbieterinnen
von Fernmeldediensten unter anderem der Pflicht einer kostenorientierten
Preisgestaltung (Art. 11 Abs. 1 aFMG). Im Bereich der Grundversorgung besteht
ein Regulierungstatbestand auch ohne marktbeherrschende Stellung (Art. 11 Abs.
2 aFMG). Können sich die beteiligten Konkurrentinnen nicht einigen, verfügt die
Kommunikationskommission den Preis nach markt- und branchenüblichen Grundsätzen
(Art. 11 Abs. 3 aFMG; vgl. etwa BGE 132 II 47, 257, 284; BGE 131 II 13; Urteil
2A.503/2000, a.a.O., in: ZBl 103/2002 S. 244).

4.

4.1 Die hier strittige kartellrechtliche Sanktion in Anwendung von Art. 49a KG
setzt in der fraglichen Tatbestandsvariante eine marktbeherrschende Stellung
(nach Art. 4 Abs. 2 KG) sowie einen
BGE 137 II 199 S. 208
Missbrauch derselben (gemäss Art. 7 KG) voraus. Während die
Wettbewerbskommission beide Tatbestandselemente als erfüllt erachtete, bejahte
das Bundesverwaltungsgericht zwar die marktbeherrschende Stellung der Swisscom
bei ihren eigenen Terminierungsgebühren in der Periode vom 1. April 2004 bis
zum 31. Mai 2005, verneinte aber einen Missbrauch dieser Stellung. Sollte sich
die Auffassung der Vorinstanz als korrekt erweisen, müssten nicht alle von den
Verfahrensbeteiligten erhobenen Rügen geprüft werden. Es rechtfertigt sich
daher, zunächst den Streitpunkt des Marktmissbrauchs zu behandeln und sich erst
danach den übrigen Fragen zuzuwenden, soweit diese je nach dem Ergebnis noch
massgeblich erscheinen.

4.2 Die Vorinstanz stellte bei der Beantwortung der Frage, ob die Swisscom ihre
Marktstellung missbraucht habe, im Wesentlichen darauf ab, dass diese aufgrund
der regulatorischen Rahmenordnung des Fernmelderechts gar nicht in der Lage
gewesen sei, ihre Preis- und sonstigen Geschäftsbedingungen durchzusetzen und
damit zu "erzwingen", wie dies als Tatbestandselement von Art. 7 Abs. 2 lit. c
KG vorausgesetzt sei. Das Volkswirtschaftsdepartement wendet dagegen ein, die
Erzwingung der eigenen Bedingungen sei nicht erforderlich. Dieses Merkmal
stelle kein eigenes Tatbestandselement dar, sondern verlangt sei einzig, dass
zwischen der marktbeherrschenden Stellung und der Unangemessenheit der Preise
und Geschäftsbedingungen ein Kausalzusammenhang bestehe. Die Swisscom habe denn
auch die Höhe der Terminierungspreise nur schon deshalb bestimmen können, weil
sie marktbeherrschend gewesen sei.

4.3 Der Sinn von Art. 7 Abs. 2 lit. c KG ist durch Auslegung zu ermitteln. Eine
abschliessende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Tragweite von Art. 7 Abs.
2 lit. c KG gibt es bisher nicht (vgl. immerhin BGE 130 II 149 E. 3.4.3 S. 159;
BGE 129 II 497 E. 6.5 S. 538 ff.). Im Schrifttum werden dazu unterschiedliche
Auffassungen vertreten, wobei regelmässig auf die Unklarheit der Regelung
verwiesen wird (vgl. dazu etwa AMSTUTZ/CARRON, in: Basler Kommentar,
Kartellgesetz, 2010, N. 295 ff. zu Art. 7 KG; CLERC, a.a.O., N. 185 ff. zu Art.
7 KG; PETER REINERT, in: Kartellgesetz, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2007, N. 23
ff. zu Art. 7 KG).

4.3.1 Das Volkswirtschaftsdepartement hält dafür, das Kartellgesetz sei im
Sinne des EU-Wettbewerbsrechts auszulegen, was zu einem restriktiveren
Verständnis des Ausbeutungsmissbrauchs als dasjenige der Vorinstanz führe. Es
gibt jedoch kein gemeinsames Wettbewerbsrecht der Schweiz und der Europäischen
Union im
BGE 137 II 199 S. 209
Rahmen eines bilateralen Abkommens, das gegebenenfalls eine parallele
Rechtsordnung nahelegen würde (vgl. etwa BGE 136 II 5 E. 3.4 S. 12 f., BGE 136
II 65 E. 3.1 S. 70 f.). Vom Recht der Europäischen Union unabhängiges
schweizerisches Recht ist grundsätzlich autonom auszulegen. Eine Koordination
bzw. der Beizug des europäischen Rechts als Auslegungshilfe drängt sich
immerhin soweit auf, als dies vom schweizerischen Gesetzgeber bezweckt war und
sich die Regelungen auch inhaltlich entsprechen (vgl. etwa das Urteil 2A.503/
2000 E. 9b, a.a.O., in: ZBl 103/2002 S. 244). Nach der Rechtsprechung ist
insbesondere autonom nachvollzogenes EU-Recht europarechtskonform auszulegen,
weil es dem Gesetzgeber diesfalls darum ging, eine parallele Regelung zu
schaffen (vgl. BGE 130 III 182 E. 5.5.1 S. 190; BGE 129 III 335 E. 5.1 und 6 S.
350).

4.3.2 Die Kartellgesetznovelle von 1995 hatte keinen besonderen
europapolitischen Hintergrund (Botschaft vom 23. November 1994 [...], BBl 1995
I 484). In den grundsätzlichen Bemerkungen zum Gesetzesentwurf (vgl. BBl 1995 I
497 ff.) wird das Ziel einer EU-Kompatibilität nicht genannt, ebenso wenig in
den Ausführungen zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (vgl. BBl
1995 I 518 ff.). Der schweizerische Gesetzgeber wollte bei der damaligen
Revision des Kartellgesetzes somit nicht in erster Linie zwecks Herstellung
einer Europarechtskonformität autonom das EU-Recht nachvollziehen. Immerhin
lehnte er sich bei der Formulierung der Missbrauchstatbestände an das EU-Recht
an (vgl. BBl 1995 I 531 und 632 f.; AMSTUTZ/CARRON, a.a.O., N. 25 zu Art. 7
KG). Insbesondere verwendete er sogar denselben Begriff des "Erzwingens", wie
er heute auch in Art. 102 Abs. 2 lit. a der Konsolidierten Fassung des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 13. Dezember 2007 (AEUV; ABl.
C 115 vom 9. Mai 2008 S. 47 ff.; ehemaliger Art. 82 EGV) enthalten ist. Nach
der bundesrätlichen Botschaft zum Kartellgesetz von 1995 unter Einschluss von
Art. 7 KG in der heutigen Fassung wurden die Regelungsmuster des
Wettbewerbsrechts der Europäischen Union aber lediglich insoweit
berücksichtigt, als nicht aus sachlichen Gründen unterschiedliche Lösungen
angezeigt erschienen (vgl. BBl 1995 I 471). Auch aus der gleichen Terminologie
lässt sich mithin nicht ableiten, dass zwingend eine identische Regelung
angestrebt war. Zur Gesetzesnovelle von 2003, welche die Sanktionsregelung von
Art. 49a KG mit sich brachte, schrieb der Bundesrat (Botschaft vom 7. November
2001 über die Änderung des Kartellgesetzes, BBl 2002 2051):
BGE 137 II 199 S. 210
"Die Europakompatibilität des schweizerischen Wettbewerbsrechts wird durch die
Vorlage nicht unmittelbar berührt. Immerhin sind in der Rechtsordnung der EU
für Wettbewerbsverstösse ebenfalls unmittelbare Sanktionen vorgesehen. Insofern
nähert sich durch die Revision das "Schutzniveau" der schweizerischen
Wettbewerbsgesetzgebung demjenigen der EU an. Vor dem Hintergrund bestehender
Unterschiede in der konzeptionellen Ausrichtung (Verbots- statt
Missbrauchsprinzip in der EU) lassen sich die einzelnen Elemente der Vorlage
aber nur schlecht mit entsprechenden Instituten im europäischen Kontext
vergleichen."
Auch diese Relativierung indiziert, dass das schweizerische Recht nicht
vollständig demjenigen der Europäischen Union entspricht. Im Übrigen führt
selbst nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union die
wirtschaftliche Macht des Marktbeherrschers noch nicht für sich allein dazu,
dass dessen Preise missbräuchlich sind, sondern es ist eine Gesamtwürdigung
vorzunehmen (vgl. zuletzt das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2011 C-52/09
Konkurrensverket c. TeliaSonera Sverige AB). Damit ergibt sich entgegen der
Auffassung des Volkswirtschaftsdepartements auch nicht mit Blick auf das
EU-Recht die zwangsläufige Folgerung, dass bereits bei Vorliegen einer
marktbeherrschenden Stellung von einem Missbrauch auszugehen ist, ohne dass dem
Tatbestandselement des "Erzwingens" eine davon unabhängige selbständige
Bedeutung zukäme.

4.3.3 Der deutsche Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 lit. c KG spricht deutlich von
Erzwingung unangemessener Preise oder sonstiger unangemessener
Geschäftsbedingungen. Die französisch- und italienischsprachigen Gesetzestexte
unterscheiden sich insofern nicht wesentlich von der deutschen Fassung, werden
dort doch die Begriffe "le fait d'imposer" und "l'imposizione" verwendet. Schon
der Wortlaut verlangt daher mehr als eine blosse Ursächlichkeit zwischen
marktbeherrschender Stellung und unangemessenem Geschäftsverhalten. In die
gleiche Richtung deutet die bundesrätliche Botschaft vom 23. November 1994 zu
Art. 7 Abs. 2 lit. c KG, worin wörtlich steht (BBl 1995 I 573):
"Nach dem Gesetzesentwurf müssen die unangemessenen Preise oder
Geschäftsbedingungen 'erzwungen' werden. Dies bedeutet, dass zum Beispiel ein
nachfragemächtiges Unternehmen Mittel anwendet oder anzuwenden droht, mit denen
es seiner Forderung nach einem bestimmten Vorzugspreis oder anderen besonders
vorteilhaften Geschäftsbedingungen Nachdruck verleiht."

4.3.4 Aus systematischer Sicht trifft es zu, wie das
Volkswirtschaftsdepartement vorträgt, dass es sich bei den in Art. 7 Abs. 2 KG
BGE 137 II 199 S. 211
aufgezählten Tatbeständen lediglich um eine nicht abschliessende Liste von
Beispielen handelt, welche die Generalklausel von Art. 7 Abs. 1 KG illustrieren
sollen. Dabei ist aber zu beachten, dass das Kartellrecht eine
marktbeherrschende Stellung nicht verbietet (BBl 1995 I 547). Eine solche ist
für sich allein nicht missbräuchlich (CLERC, a.a.O., N. 1 zu Art. 7 KG);
vielmehr muss zur Marktbeherrschung als qualifizierendes Element eine
unzulässige Verhaltensweise hinzutreten (vgl. BGE 129 II 497 E. 6.5.1 S. 538),
was sich im Übrigen bereits aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 KG ergibt.
Dieses Erfordernis wäre weitgehend obsolet, würde reine Ursächlichkeit für
unangemessene Geschäftsbedingungen genügen, wobei immerhin zutrifft, dass
zwischen der Marktbeherrschung und der Unangemessenheit überhaupt eine
Kausalität vorliegen muss (dazu AMSTUTZ/CARRON, a.a.O., N. 21 zu Art. 7 KG;
REINERT, a.a.O., N. 3 zu Art. 7 KG). Allerdings dürfte wohl regelmässig von
einem Kausalzusammenhang auszugehen sein, sobald Marktbeherrschung einerseits
und unangemessene Geschäftsbedingungen andererseits erstellt sind, was dazu
führt, dass das Kriterium der Ursächlichkeit für sich allein als nicht sehr
aussagekräftig erscheint. Das spricht ebenfalls dafür, dem zusätzlichen
Verhaltenselement, dass die fraglichen Bedingungen der Marktgegenseite
aufgezwungen werden müssen, eine eigenständige Bedeutung zuzumessen.

4.3.5 Indessen ist angesichts des Gesetzeszwecks der Verhinderung
volkswirtschaftlich oder sozial schädlicher Auswirkungen von Kartellen und
anderen Wettbewerbsbeschränkungen (Art. 1 KG) nicht eine vollständige
wirtschaftliche Unterjochung erforderlich. Art. 7 KG schützt Konkurrenten oder
Handelspartner insbesondere davor, dass sie von marktbeherrschenden Unternehmen
in ihren Handlungsmöglichkeiten in missbräuchlicher Weise behindert oder dass
sie oder die Konsumenten in wettbewerbswidriger Weise benachteiligt werden
(Verdrängungs- oder Behinderungs- sowie Ausbeutungsmissbrauch; vgl. BBl 1995 I
569; AMSTUTZ/CARRON, a.a.O., N. 41 ff. zu Art. 7 KG). Überhöhte Preise oder
nachteilige Geschäftsbedingungen können aber aus wirtschaftlichen Gründen auch
freiwillig und durchaus im Eigeninteresse akzeptiert werden. Es kann hier
offenbleiben, ob für die Annahme eines Marktmissbrauchs das Einverständnis zu
den unangemessenen Vertragsinhalten, wie die Vorinstanz annimmt, geradezu gegen
den Willen der Marktgegenseite erfolgen muss oder ob sich diese letztlich
einfach aufgrund der Marktsituation gegen ihre eigenen Interessen fügt. Zu
verlangen ist für einen Marktmissbrauch
BGE 137 II 199 S. 212
zumindest, dass die Marktgegenseite dem ökonomischen Druck, der sich auf die
Marktbeherrschung stützt, nichts entgegenzusetzen hat bzw. diesem nicht
ausweichen kann.

4.4 Dass die Swisscom auf die anderen Mobilfunkanbieterinnen Druck ausgeübt
hätte, dem diese nichts entgegenzuhalten gehabt hätten, ist fraglich und
letztlich in erster Linie eine Tatfrage. Diese braucht aufgrund der
regulatorischen Rahmenordnung indessen nicht näher abgeklärt zu werden.

5.

5.1 Bei der Anwendung des Kartellrechts kann die besondere sektorielle Regelung
des Fernmeldegesetzes nicht unbeachtet bleiben. Die beiden Rechtsordnungen
stehen insoweit in einem engen Konnex und beeinflussen sich gegenseitig. Sinn
macht daher nur eine Auslegung, die auch zu einem einheitlichen, in sich
geschlossenen Gesamtsystem führt. Aus dem gleichen Grund, um eine Koordination
von Wettbewerbs- und Telekommunikationsrecht sicherzustellen, sieht Art. 11
Abs. 3 aFMG die Konsultation der Wettbewerbskommission für die Beurteilung der
Marktbeherrschung vor (vgl. BBl 1996 III 1427).

5.2 Geht es um Dienste der Grundversorgung nach Art. 16 aFMG, gilt die Pflicht
zur Interoperabilität und ist eine Fernmeldediensteanbieterin selbst dann zur
Interkonnektion verpflichtet, wenn sie keine marktbeherrschende Stellung
innehat (Art. 11 Abs. 2 aFMG). Da eine Sanktionierung nach Art. 49a KG in
Verbindung mit Art. 7 KG aber jedenfalls Marktbeherrschung voraussetzt, gilt
eine Interkonnektionspflicht selbst bei Telekommunikationsdiensten, die nicht
zur Grundversorgung zählen (Art. 11 Abs. 1 aFMG), wenn Art. 49a KG im
fernmelderechtlichen Bereich der Zusammenschaltung Anwendung finden soll. Fällt
mithin eine Sanktion gemäss Art. 49a KG in Verbindung mit Art. 7 KG im
Telekommunikationsbereich in Betracht, gilt zugleich auch die regulatorische
Rahmenordnung des Fernmeldegesetzes, soweit es um einen Sachverhalt geht, der
den Bestimmungen über die Interkonnektion untersteht.

5.3 Noch im Jahre 2003 zählte die Versorgung mit Mobilfunk nur ausnahmsweise
zur Grundversorgung, nämlich dann, wenn ein Anschluss ans Festnetz nicht oder
nur mit grossem Aufwand möglich gewesen wäre (vgl. das Urteil des
Bundesgerichts 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 3.3, in: URP 2003 S. 731;
vgl. auch Art. 16 aFMG sowie Art. 15 ff. FMG). Es kann offenbleiben, wie es
sich bei
BGE 137 II 199 S. 213
den hier strittigen Terminierungsleistungen im Mobilfunkbereich der Swisscom
verhielte. Bei Marktbeherrschung, wie dies die Anwendung von Art. 49a KG in
Verbindung mit Art. 7 KG voraussetzt, gälte für die betroffenen
Terminierungsdienste unabhängig davon, ob es sich um Grundversorgung handeln
würde oder nicht, ohnehin eine Pflicht zur Interkonnektion gemäss Art. 11 Abs.
1 aFMG.

5.4 Stünden somit, damit eine kartellrechtliche Sanktion überhaupt in Frage
käme, so oder so die Möglichkeiten der Interkonnektion offen, kann dies bei der
Beurteilung, ob ein Missbrauch einer allfälligen marktbeherrschenden Stellung
vorliegt, nicht unberücksichtigt bleiben. Falls eine Nachfragerin der Swisscom
mit deren Geschäftsbedingungen bzw. deren Preisangebot für die Terminierung
nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie sich in Anwendung von Art. 11 Abs.
3 aFMG an die Kommunikationskommission wenden und die behördliche Festsetzung
der Terminierungsbedingungen verlangen können. Diese Rahmenordnung schliesst
die einseitige Erzwingung der Geschäftsbedingungen der Marktgegenseite aus,
weil dadurch eine Ausweichmöglichkeit geschaffen wird. Zwar hätte das
Interkonnektionsverfahren für das betroffene Unternehmen zweifellos einen
gewissen Aufwand mit sich gebracht. Sowohl bei Orange als auch bei Sunrise
handelt es sich aber um Unternehmungen, die einen solchen Aufwand ohne weiteres
hätten leisten können. Das zeigt nicht zuletzt das spätere
Interkonnektionsverfahren für die Mobilterminierungspreise zwischen denselben
Konkurrentinnen, das im Januar 2007 mit einer Vereinbarung endete. Im Übrigen
bietet das Interkonnektionsverfahren selbst in komplexeren Fällen die
Möglichkeit entsprechender prozessualer Massnahmen wie insbesondere
einstweiligen Rechtsschutz (vgl. Art. 11 Abs. 3 aFMG) oder rückwirkende
Anordnung der korrigierten Preise inklusive Verzinsung derselben. Dass ein
Interkonnektionsverfahren im vorliegenden Zusammenhang wirkungslos gewesen
wäre, wie das Volkswirtschaftsdepartement behauptet, ist weder erhärtet noch
ersichtlich und würde im Übrigen die fernmelderechtliche Gesetzesordnung mehr
als in Frage stellen, wofür es keine zwingenden Anhaltspunkte gibt.

5.5 Unter diesen Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, die
Swisscom habe die Geschäftsbedingungen für ihre Terminierungsleistungen
gegenüber der Marktgegenseite im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. c KG erzwungen.
Dieser stand es vielmehr frei, auf das Interkonnektionsverfahren auszuweichen
und die angebotenen Vertragsinhalte behördlich überprüfen und regulieren zu
lassen.
BGE 137 II 199 S. 214
Wenn die anderen Mobilfunkanbieterinnen auf die Einleitung eines
Interkonnektionsverfahrens verzichteten, so kann dies jedenfalls nicht allein
der Swisscom angelastet werden.

5.6 Das Volkswirtschaftsdepartement wendet dagegen ein, nicht nur die anderen
Mobiltelefonieanbieterinnen seien ausgebeutet worden, sondern auch die
Festnetztelefonieanbieterinnen, die Gespräche ins Mobilfunknetz der Swisscom
eingespiesen hätten. Dasselbe gelte für die Endkunden, indem diese überhöhte
Retailpreise hätten zahlen müssen.

5.6.1 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich ausführlich damit auseinander,
welches Verhalten der Swisscom genau vorgeworfen werde. Dabei verwies es
einerseits auf die Verfügung der Wettbewerbskommission vom 5. Februar 2007,
worin mit einlässlicher Argumentation ein Behinderungsmissbrauch der Konkurrenz
auf Dienstleistungsebene ausgeschlossen wurde. Andererseits bezog sich die
Vorinstanz im Zusammenhang mit der Frage des Ausbeutungsmissbrauchs auf
Unklarheiten im Standpunkt der Wettbewerbskommission sowie auf eine
entsprechende redaktionelle Unsorgfalt beim Verfassen der Sanktionsverfügung
vom 5. Februar 2007. Die Vorinstanz vermochte sich dabei unter anderem auf die
Vernehmlassung der Wettbewerbskommission an das Bundesverwaltungsgericht (vom
18. Juni 2007) selbst zu stützen, worin diese ihren Standpunkt korrigiert und
dargelegt hatte, dass (einzig) die Fernmeldediensteanbieterinnen als
Marktgegenseite anzusehen seien. Das Bundesverwaltungsgericht schloss daraus
insgesamt, zu prüfen sei somit lediglich der Ausbeutungsmissbrauch zu Lasten
anderer Fernmeldediensteanbieterinnen, d.h. primär zu Lasten von Sunrise und
Orange. In diesem Sinne beschränkte die Vorinstanz den Streitgegenstand
ausdrücklich auf den Ausbeutungsmissbrauch, den die Swisscom auf der
Infrastrukturebene angeblich zum Nachteil ihrer Konkurrentinnen begangen haben
soll. Diesen Streitgegenstand kann das Bundesgericht nicht ausweiten (vgl.
nicht publ. E. 2.5). Damit erübrigt es sich, auf die Fragen einzugehen, ob der
Vorwurf der Ausbeutung der Endkunden korrekt vorgetragen worden sei, welche
Tragweite dabei insbesondere dem strafrechtlichen Anklageprinzip zukäme und ob
der Swisscom dazu in geeigneter Weise das rechtliche Gehör gewährt worden wäre.

5.6.2 Was die Fixtelefonieanbieterinnen betrifft, so befanden sich diese
grundsätzlich in der gleichen Situation wie die
BGE 137 II 199 S. 215
Konkurrentinnen bei der Mobiltelefonie. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen,
die von der Swisscom offerierten Geschäftsbedingungen über das
Interkonnektionsverfahren behördlich überprüfen und allenfalls anpassen zu
lassen. Selbst der Swisscom als damals grösster Anbieterin im Markt war es in
diesem Sinne angesichts der Rechtsordnung nicht möglich, ihre Bedingungen der
Konkurrenz einseitig aufzuzwingen. Die verlangten Terminierungsbedingungen
wurden daher im Verhältnis zu den Festtelefonieanbieterinnen ebenfalls nicht im
Sinne des Kartellgesetzes erzwungen. Erst recht traf dies für die damalige
Swisscom Fixnet AG als grösste Festnetztelefonieanbieterin zu. Da sie zum
gleichen Konzern wie die Swisscom Mobile AG gehörte, kann bei ihr sowieso nicht
davon ausgegangen werden, die Terminierungsbedingungen seien ihr aufgezwungen
worden.

5.6.3 Falls im Übrigen die Endkunden überhöhte Preise zahlen mussten, so ergab
sich das eventuell aus einem Zusammenspiel aller beteiligten Unternehmen, was
unter dem Gesichtspunkt der abgestimmten Verhaltensweisen kartellrechtlich
hätte bedeutsam sein können. Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass die
Preise bei der Mobiltelefonie und insbesondere für die Terminierung im hier
fraglichen Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 31. Mai 2005 zumindest sehr hoch
waren. Entsprechende ernsthafte Zweifel an deren Angemessenheit äussert auch
das Bundesverwaltungsgericht, ohne dass es dies jedoch vertieft zu prüfen
hatte. Angesichts des Verzichts der Konkurrenz der Swisscom, eine behördliche
Kontrolle der Terminierungsbedingungen im Interkonnektionsverfahren
anzustreben, stellt sich durchaus die Frage, ob der Wettbewerb nicht durch ein
Zusammenspiel aller beteiligten Fernmeldediensteanbieterinnen in unzulässiger
Weise beschränkt wurde. Mangels behördlicher ex-ante-Regelung bei der
Interkonnektion bzw. als Folge der schweizerischen ex-post-Kontrolle (vgl. dazu
BGE 132 II 47 E. 4.7 S. 60; Urteil 2A.191/2005 vom 2. September 2005 E. 3, in:
sic! 3/2006 S. 170), die nur von den betroffenen Konkurrentinnen und nicht von
Amtes wegen ausgelöst werden kann, hilft das Interkonnektionsregime bei einer
solchen Ausgangslage nicht weiter. Das gilt insbesondere dann, wenn die
Marktgegenseite allenfalls wegen der Reziprozitätswirkung (vgl. BGE 132 II 257
E. 7 S. 281 ff.; Urteil 2A.276/2006 vom 12. Juli 2006 E. 2.5 und 2.6, in: sic!
12/2006 S. 847) auch ein Interesse daran hat, die Preise eher hoch zu halten,
soweit sie diese an die Endkunden überwälzen kann. Wie es sich damit verhält,
muss hier aber offenbleiben.
BGE 137 II 199 S. 216

5.6.4 Der Gesetzgeber hat das ex-post-System beim Interkonnektionsregime
genauso bewusst geschaffen, wie er kartellrechtliche Sanktionen an
missbräuchlichem Verhalten angeknüpft hat. Es verbietet sich, darin einen
Mangel zu sehen, der über eine extensive Auslegung des kartellrechtlichen
Ausbeutungsmissbrauchs behoben wird, indem, unabhängig von der Ausgestaltung
der Rechtsverhältnisse und namentlich der rechtlichen Rahmenordnung, bereits
die Kausalität zwischen Marktbeherrschung und Unangemessenheit der
Geschäftsbedingungen zwischen Konkurrentinnen für sich allein als Erzwingung
derselben zu gelten hätte. Eine solche Anpassung der Voraussetzungen könnte nur
der Gesetzgeber selbst über eine Gesetzesrevision vornehmen.

5.6.5 Wie das Bundesverwaltungsgericht zu Recht festhält, kann Marktgegenseite
nur die auf dem relevanten Markt dem marktbeherrschenden Unternehmen als
Nachfragerin und damit als Vertragspartnerin gegenüberstehende Unternehmung
sein. Im Wholesalemarkt der Telekommunikation sind das die konkurrierenden
Fernmeldediensteanbieterinnen. Gegenüber der Endkundschaft wäre wohl eher das
Gesamtverhalten aller dieser Unternehmen bzw. insbesondere der drei
Mobiltelefonieanbieterinnen mit den entsprechenden Auswirkungen auf den
Retailmarkt auf Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht zu hinterfragen gewesen.
Genau das hat die Wettbewerbskommission in der ersten Phase der Untersuchung
auch getan, später aber für die hier fragliche Zeitperiode ein unzulässiges
gemeinsames Verhalten ausgeschlossen und das entsprechende Verfahren sowie
weitere Untersuchungen gegen Orange und Sunrise eingestellt. Damit verlagerte
sich aber auch der gegenüber der Swisscom aufrechterhaltene Vorwurf
unzulässigen Verhaltens einzig auf die Ebene zwischen den verschiedenen
Fernmeldediensteanbieterinnen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die zu
prüfenden Geschäftsbeziehungen im Wholesalemarkt. Ein Ausbeutungsmissbrauch
lässt sich in diesem Verhältnis der Swisscom jedoch nur schon aufgrund des
fernmelderechtlichen Interkonnektionsregimes nicht nachweisen.

5.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass bei der Beurteilung des Missbrauchs einer
allfälligen marktbeherrschenden Stellung die regulatorische Rahmenordnung des
Telekommunikationsrechts mitzuberücksichtigen ist. Im vorliegenden Zusammenhang
war es demgemäss der Swisscom nicht möglich, ihre Terminierungsbedingungen den
BGE 137 II 199 S. 217
hier einzig massgeblichen konkurrierenden Fernmeldediensteanbieterinnen
aufzuzwingen, da diese auf das Interkonnektionsverfahren hätten ausweichen
können. Damit entfällt ein Ausbeutungsmissbrauch bzw. eine entsprechende
unzulässige Verhaltensweise nach Art. 7 KG, was bereits aus diesem Grunde eine
Sanktion gemäss Art. 49a KG gegenüber der Swisscom ausschliesst. Ob Art. 7 KG
insoweit genügend bestimmt wäre, um überhaupt als gesetzliche Grundlage für
eine Sanktionierung zu taugen, kann mithin offenbleiben.

5.8 Demnach ist die Beschwerde des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
abzuweisen.

6.

6.1 Die Swisscom macht geltend, es verletze Bundesrecht, dass das
Bundesverwaltungsgericht die Feststellung der Wettbewerbskommission geschützt
habe, sie sei im fraglichen Zeitraum marktbeherrschend gewesen.

6.2 Nach Art. 30 Abs. 1 KG entscheidet die Wettbewerbskommission in der hier
einschlägigen Tatbestandsvariante mit Verfügung über die zu treffenden
Massnahmen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind nur der
Endentscheid der Wettbewerbskommission bzw. allfällige Zwischen- oder
Teilentscheide im Untersuchungsverfahren nach den massgeblichen
Verfahrensregeln anfechtbar, nicht aber die im Kartellgesetz enthaltenen
spezifischen Verfahrensschritte auf dem Weg zu diesem (BGE 135 II 60 E. 3.1.3
S. 69). Bei der Endverfügung über eine Sanktion gemäss Art. 49a KG handelt es
sich um einen Leistungs- oder Gestaltungsentscheid. Die Sanktion wird
ausgesprochen, wenn die entsprechenden Tatbestandselemente vorliegen, oder es
wird davon abgesehen, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Es kann hier
offenbleiben, ob im zweiten Fall wie in strafrechtlichen Verfahren ausdrücklich
ein Freispruch zu erfolgen hat; die Swisscom behauptet dies zwar in ihrer
Begründung, hat aber keinen entsprechenden Antrag gestellt. So oder so hat sich
das Entscheiderkenntnis auf die Rechtsfolge zu beschränken, d.h. die Anordnung
einer Sanktion oder den Verzicht auf eine solche. Die Frage, ob die für die
Sanktionierung erforderlichen Tatbestandselemente vorliegen, gehört
grundsätzlich nicht ins Dispositiv, sondern bildet Bestandteil der Begründung
des Entscheides. In diesem Sinne ist im Erkenntnis im Prinzip weder
festzuhalten, ob eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, noch ob eine solche
allenfalls missbraucht wurde.
BGE 137 II 199 S. 218

6.3 Wie das Bundesgericht entschieden hat, besteht im kartellrechtlichen Melde-
und Widerspruchsverfahren nach Art. 49a Abs. 3 lit. a KG kein Raum für
Feststellungsentscheide ausserhalb des Untersuchungsverfahrens (BGE 135 II 60
E. 3.1.3 S. 68). Eine andere Frage ist hingegen, ob die kartellrechtliche
Untersuchung selbst zu einer Feststellung führen kann, und zwar auch wenn sie
im Hinblick auf eine mögliche Sanktion nach Art. 49a KG erfolgt. Art. 30 Abs. 1
KG, wonach einzig über die zu treffenden Massnahmen zu entscheiden ist, sieht
eine solche Möglichkeit entgegen der Ansicht der Wettbewerbskommission
allerdings gerade nicht vor. Damit wäre ein Feststellungsentscheid einzig
gestützt auf eine allenfalls andere gesetzliche Grundlage zulässig.

6.4 Gemäss Art. 39 KG finden die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes
Anwendung, soweit das Kartellgesetz nicht hiervon abweicht. Nach Art. 25 VwVG
(SR 172.021) kann die in der Sache zuständige Behörde von Amtes wegen oder auf
Gesuch hin eine Feststellungsverfügung treffen (Abs. 1). Der Gesuchsteller hat
dafür ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen (Abs. 2). Auch dazu hat das
Bundesgericht für das Melde- und Widerspruchsverfahren nach Art. 49a Abs. 3
lit. a KG entschieden, ein Feststellungsanspruch nach Art. 25 VwVG ausserhalb
eines Untersuchungsverfahrens würde die spezialgesetzliche Verfahrensregelung
umgehen bzw. ihres Sinnes entleeren und sei daher ausgeschlossen (BGE 135 II 60
E. 3.3 S. 73 ff.). Das Bundesgericht verwies unter anderem darauf, im
Kartellrecht seien Sachverhalt und rechtliche Folge eng miteinander verknüpft
und eine tatsächliche Feststellung laufe daher oft weitgehend auf eine
Feststellung der Rechtsfolge hinaus (BGE 135 II 60 E. 3.3.2 S. 75). Die
Rechtslage mag sich für kartellrechtliche Sanktionsverfahren allenfalls anders
darstellen. Ob in diesem Sinne Raum bleibt für die Anwendbarkeit von Art. 25
VwVG im Rahmen eines kartellrechtlichen Sanktionsverfahrens mit der Möglichkeit
von Beweis- und Untersuchungsmassnahmen gemäss Art. 40 ff. KG, kann letztlich
indes offenbleiben.

6.5 Für die Anwendbarkeit von Art. 25 VwVG wäre Ausgangspunkt, dass ein
entsprechendes schutzwürdiges Feststellungsinteresse vorläge, das nicht bloss
abstrakte, theoretische Rechtsfragen, sondern nur konkrete Rechte oder
Pflichten zum Gegenstand hätte. Überdies müsste ausgeschlossen sein, dass das
schutzwürdige Interesse ebenso gut mit einer rechtsgestaltenden Verfügung
gewahrt werden
BGE 137 II 199 S. 219
könnte (vgl. BGE 132 V 257 E. 1 S. 259; BGE 126 II 300 E. 2c S. 303; RHINOW/
KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 2. Aufl. 2010,
Rz. 1279 ff.).

6.5.1 Dabei erscheint der Wortlaut von Art. 25 Abs. 2 VwVG zu eng. Auch eine
Feststellungsverfügung von Amtes wegen steht nicht im Belieben der Behörden,
sondern setzt ein dem schutzwürdigen Interesse eines Gesuchstellers analoges,
diesfalls allerdings nicht privates, sondern öffentliches
Feststellungsinteresse voraus (BGE 130 V 388 E. 2.4 S. 391 f. mit Hinweis;
ISABELLE HÄNER, in: VwVG, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 14 zu Art.
25 VwVG). Ein solches ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das strittige
Sanktionsverfahren ist ausdrücklich beschränkt auf den Zeitraum vom 1. April
2004 bis zum 31. Mai 2005. Schon aus diesem Grunde kann die allfällige
Feststellung der Marktbeherrschung für die fragliche Periode keine verbindliche
Vorwirkung für den späteren Zeitraum zeitigen, für den die Untersuchung unter
veränderten tatsächlichen Verhältnissen weiterläuft. Die Marktbeherrschung wird
vielmehr ohnehin neu abzuklären sein. Das bedeutet zwar nicht, dass die
Wettbewerbsbehörden in den noch hängigen oder allfälligen künftigen Verfahren
nicht unter Berücksichtigung der prozessualen Rechte der Verfahrensbeteiligten
auf bereits vorgenommene Untersuchungshandlungen oder Beweismassnahmen
zurückgreifen könnten, soweit sich diese weiterhin als einschlägig erweisen
sollten. Es ist aber ausgeschlossen, daraus für spätere Zeiträume ohne weitere
Prüfung der Umstände direkt eine Marktbeherrschung der Swisscom abzuleiten.

6.5.2 Auch eine andere Rechtswirkung kartell- oder fernmelderechtlicher Natur
ist nicht ersichtlich. So steht insbesondere nicht eine Meldepflicht nach Art.
9 Abs. 4 KG in Frage (vgl. dazu RPW 2005 S. 555 f.); ohnehin würde sich die
Marktbeherrschung für den hier fraglichen Zeitraum nicht ohne weiteres auf
spätere Unternehmenszusammenschlüsse auswirken, womit dahingestellt bleiben
kann, wieweit insofern überhaupt ein selbständiger Feststellungsentscheid
zulässig wäre. Auch ist kein Interkonnektionsverfahren hängig, in dem die
Wettbewerbskommission gemäss Art. 11 Abs. 3 aFMG zur Frage der
Marktbeherrschung konsultiert worden wäre; überdies handelt es sich dabei nicht
um eine selbständige und als solche anfechtbare Feststellung, sondern lediglich
um eine im Interkonnektionsverfahren zu entscheidende Vorfrage, und die
Kommunikationskommission ist an die Stellungnahme der
BGE 137 II 199 S. 220
Wettbewerbskommission nicht gebunden (vgl. dazu etwa Urteil 2A.451/2005 vom 21.
April 2006 E. 4.2, nicht publ. in: BGE 132 II 284).

6.5.3 Gibt es mithin kein schutzwürdiges Interesse an einer isolierten
Feststellung der Marktbeherrschung, erweist sich die entsprechende Folgerung im
Entscheiddispositiv selbst dann als bundesrechtswidrig, wenn Art. 25 VwVG
anwendbar wäre.

6.6 Demnach ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010
insoweit aufzuheben, als es in seiner eigenen Dispositiv-Ziffer 1.2 die
Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung der Wettbewerbskommission vom 5. Februar 2007
schützt. Der angefochtene Entscheid ist in dem Sinne anzupassen (vgl. Art. 107
Abs. 2 BGG), dass auch die entsprechende selbständige Feststellung der
Marktbeherrschung ersatzlos aufgehoben wird. Die Beschwerde der Swisscom ist
insofern gutzuheissen.

6.7 Umgekehrt braucht im vorliegenden Verfahren freilich nicht weiter
inhaltlich geprüft zu werden, ob die Vorinstanzen zu Recht von der
Marktbeherrschung der Swisscom ausgegangen sind und dabei den relevanten Markt
im Einklang mit dem Bundesrecht abgegrenzt haben. Erweist sich die
rechtsverbindliche selbständige Feststellung der Marktbeherrschung als
unzulässig, betrifft die entsprechende Einschätzung im Sinne einer Vorfrage nur
ein Tatbestandselement einer allfälligen Sanktionierung, die für sich allein
keine Rechtswirkung zu entfalten vermag. Die Swisscom hat kein schutzwürdiges
Interesse und somit auch keinen Anspruch auf die ausdrückliche Feststellung,
sie sei im vorliegenden Zusammenhang nicht marktbeherrschend gewesen, was sie
so allerdings auch gar nicht ausdrücklich geltend macht. Zugleich besteht kein
Anlass und kein Recht der Swisscom, dass das Bundesgericht vorfrageweise prüft,
ob bei ihr Marktbeherrschung gegeben war. Eine Sanktionierung entfällt bereits
aus einem anderem Grund, nämlich mangels Marktmissbrauchs, womit die Frage der
Marktbeherrschung für sich allein keine rechtliche Bedeutung hat. Rein
theoretische Rechtsfragen ohne Rechtsfolgen sind vom Bundesgericht nicht zu
behandeln.

7. Entfallen sowohl eine kartellrechtliche Sanktion nach Art. 49a KG als auch
die selbständige Feststellung der Marktbeherrschung der Swisscom im
Entscheiderkenntnis, erübrigt es sich, die von dieser geltend gemachten
Verfahrensmängel zu prüfen. Damit ist auf die gerügten Verfahrensfehler, soweit
sie nicht schon in anderem Zusammenhang behandelt wurden, nicht weiter
einzugehen.