Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 II 136



Urteilskopf

137 II 136

11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X. AG in Nachlassliquidation (Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_517/2009 vom 12. November 2010

Regeste

Art. 213 Abs. 1 und 2, Art. 293 ff., 317 ff. SchKG; Art. 40, 44 Abs. 2, Art.
46, 60, 69 Abs. 2 und 5 aMWSTG; Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung;
Behandlung der Mehrwertsteuer im Nachlassverfahren; Entgeltsminderung und
Korrektur des Vorsteuerabzugs; Verrechnung öffentlich-rechtlicher Forderungen.
Verhältnis zwischen aMWSTG und SchKG. Entscheide über die Umsatzsteuer im
Nachlassverfahren fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Steuer- und
Steuerjustizbehörden (E. 3).
Der Vorsteuerabzug ist mit Bewilligung der Nachlassstundung zu kürzen, soweit
mit der Mehrwertsteuer belastete Forderungen nicht bezahlt worden sind.
Nötigenfalls ist die Vorsteuerkorrektur durch die Eidgenössische
Steuerverwaltung zu schätzen (E. 4).
Abschlags- und Dividendenzahlungen, mit denen im Nachlassverfahren eingegebene,
mehrwertsteuerbelastete Forderungen beglichen werden, berechtigen zum
Vorsteuerabzug. Soweit der Vorsteuerabzug infolge der Entgeltsminderung (vgl.
E. 4) herabgesetzt wurde, ist er erneut zu berichtigen (E. 5).
Die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung im Nachlassverfahren eingegebene
Mehrwertsteuerforderung ist mit dem Anspruch auf Rückerstattung der Vorsteuer
zu verrechnen. Das Verrechnungsverbot von Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG findet
keine Anwendung (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 138

BGE 137 II 136 S. 138
Mit Verfügung vom 19. Dezember 2001 bewilligte der Nachlassrichter des
Bezirksgerichts Y. der X. AG die provisorische und am 15. Februar 2002 die
definitive Nachlassstundung. Gleichzeitig wurde der Sachwalter ernannt resp.
bestätigt.
Am 27. März 2002 reichte die Nachlassschuldnerin der Eidgenössischen
Steuerverwaltung die Mehrwertsteuer-Abrechnung für das 4. Quartal 2001 (Umsätze
vom 1. Oktober bis 19. Dezember) mit einer geschuldeten Steuer von Fr.
789'506.90, einem Vorsteuerabzug von Fr. 1'383'082.65 und einem daraus
resultierenden Vorsteuerguthaben von Fr. 593'575.75 ein. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung lehnte den Vorsteuerabzug ab. Sie begründete das damit, dass
Firmen vor dem Konkurs oder der Nachlassstundung erfahrungsgemäss ihre
Lieferanten nicht oder nicht mehr vollumfänglich bezahlen, weshalb der
Vorsteuerabzug nicht zu gewähren sei. Dementsprechend setzte sie die
Steuerforderung für die betreffende Steuerperiode ohne Berücksichtigung eines
Vorsteuerguthabens auf Fr. 789'506.90 fest und korrigierte die von ihr im
Nachlassverfahren eingegebene Mehrwertsteuerforderung.
Am 20. August 2002 bestätigte das Bezirksgericht Y. den Nachlassvertrag mit
Vermögensabtretung (Art. 317 ff. SchKG) und ernannte den Sachwalter als
Liquidator.
Mit Eingabe vom 23. Januar 2004 ersuchte der Liquidator die Eidgenössische
Steuerverwaltung um:
1. eine Bestätigung, dass der Schuldnerin ein Anspruch auf Rückerstattung der
Vorsteuern zustehe, soweit mit Abschlagszahlungen und Schlusszahlung
(Dividende) an die Nachlassgläubiger vorsteuerbelastete Rechnungen beglichen
werden;
2. einen Vorschlag für eine "pragmatische Lösung" des Problems, welches sich
daraus ergebe, dass die Höhe der Schlussdividende von der Höhe der
Vorsteuerrückerstattung und diese wiederum von der Höhe der Schlussdividende
abhänge ("Zirkelrechnung");
3. eine Bestätigung, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre
Steuerforderung nicht mit dem Vorsteuerguthaben der Nachlassschuldnerin
verrechnen könne, weil der Anspruch auf Rückforderung der Vorsteuer erst zum
Zeitpunkt der Abschlagszahlungen und der Schlusszahlung an die
Nachlassgläubiger entstehe.
Mit Schreiben vom 26. April 2004 teilte die Eidgenössische Steuerverwaltung dem
Liquidator mit, dass die Dividendenzahlungen an die Nachlassgläubiger die
Schuldner nicht zum Abzug zusätzlicher Vorsteuern berechtigten. Dies bestätigte
sie mit Entscheid vom 4. April 2005.
BGE 137 II 136 S. 139
Im Einspracheverfahren änderte die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre
Rechtsauffassung und anerkannte einen Anspruch auf Rückerstattung der Vorsteuer
im Umfang der im Nachlassverfahren geleisteten Abschlagszahlungen (Dividenden).
Die abziehbare Vorsteuer setzte sie ausgehend von einem maximal möglichen
Vorsteuerabzug von Fr. 1'436'876.45 auf allen im Nachlassverfahren eingegebenen
Forderungen und einer voraussichtlichen Dividende von 35 % auf Fr. 502'906.76
fest. Dementsprechend korrigierte sie ihre im Nachlassverfahren eingegebene
Mehrwertsteuer-Forderung per 19. Dezember 2001 auf Fr. 980'057.40. Nach Ansicht
der Eidgenössischen Steuerverwaltung wäre der auf dieser Schätzung beruhende
Vorsteuerabzug definitiv und entstünde auch dann kein weiterer Anspruch auf
Vorsteuerabzug, wenn die Nachlassschuldnerin eine Gesamtdividende von mehr als
35 % ausschütten würde.
Mit Urteil vom 22. Juni 2009 hiess das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde
der X. AG in Nachlassliquidation teilweise gut und wies die Sache antragsgemäss
an die Eidgenössische Steuerverwaltung zurück, damit diese die Steuerforderung
und das Vorsteuerguthaben nach Massgabe der am Ende des Nachlassverfahrens
vorhandenen Aktiven und Passiven und den daraus resultierenden Abschlags- und
Dividendenzahlungen ermittle (und nicht schätze). Die von der Eidgenössischen
Steuerverwaltung geltend gemachte Verrechnung der Umsatzsteuerforderung mit dem
Vorsteuerguthaben der Nachlassschuldnerin liess das Gericht nur bis zur Höhe
der auf die Umsatzsteuerforderung entfallende Dividende zu.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hält die
Eidgenössische Steuerverwaltung an der Rechtmässigkeit ihres Vorgehens
(Festsetzung der Korrektur des Vorsteuerabzugs aufgrund einer Schätzung) fest.
Sie verlangt zudem, dass das Vorsteuerguthaben der Nachlassschuldner
vollumfänglich mit der im Nachlassverfahren eingegebenen Umsatzsteuerforderung
verrechnet werde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde hinsichtlich der Verrechnung gut. Im
Übrigen weist es die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Beim Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) und
beim Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (in der hier anwendbaren Fassung vom
2. September 1999, aMWSTG; AS
BGE 137 II 136 S. 140
2000 1300) handelt es sich um Erlasse gleicher Stufe. Das Nachlassverfahren als
Institut der Zwangsvollstreckung untersteht den Bestimmungen des SchKG, soweit
nicht andere Bundesgesetze (betreibungs- und vollstreckungsrechtliche)
Spezialbestimmungen enthalten. Das Verhältnis zwischen der steuerpflichtigen
Person und der Eidgenössischen Steuerverwaltung wird demgegenüber durch das
Mehrwertsteuergesetz geregelt.
Daran ändert auch die Bewilligung der Nachlassstundung nichts. Während des
Nachlassverfahrens bleibt die Steuerpflicht bestehen. Sie endet bei der
Vermögensliquidation und insbesondere beim Nachlassvertrag mit
Vermögensabtretung erst mit dem Abschluss des Liquidationsverfahrens (Art. 29
lit. a aMWSTG). Das gilt sowohl in Bezug auf die objektive und subjektive
Steuerpflicht wie auch die Steuerforderung und den Vorsteuerabzug oder die
Pflicht zur periodischen Abrechnung der Steuer. Bereits der
Warenumsatzsteuerbeschluss sah die Besteuerung von Grossistenlieferungen im
Konkurs oder anlässlich eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung vor
(Art. 13 Abs. 2 WUStB [BS 6 178]; BGE 107 Ib 303 E. 2c; BGE 96 I 244 E. 1; vgl.
BLUMENSTEIN/LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl. 2002, S.
497).
Zuständig zum Entscheid über Bestand und Umfang der Umsatzsteuer ist im
Konkurs- oder Nachlassverfahren die Steuer- oder Steuerjustizbehörde und nicht
die Konkursverwaltung bzw. der Liquidator (vgl. BGE 120 III 147 E. 4a, BGE 120
III 153 E. 2a für Steuerforderungen im allgemeinen; BGE 107 Ib 303 E. 1a für
die Warenumsatzsteuer; s. auch BGE 125 III 293). Ist die Steuerforderung
bestritten und noch nicht rechtskräftig festgesetzt, so unterbleibt nach
ausdrücklicher Bestimmung in Art. 69 Abs. 2 aMWSTG (jetzt Art. 89 Abs. 2 MWSTG
[SR 641.20]) ihre endgültige Kollokation (Art. 321 SchKG), bis ein
rechtskräftiger Entscheid vorliegt. Das zeigt, dass die Steuerforderung auch
während eines Konkurs- oder Nachlassverfahrens im Steuerverfahren festzusetzen
ist. Davon gehen auch die Vorinstanz und die Parteien aus.

3.2 Während der Dauer der Nachlassstundung bleibt der Schuldner grundsätzlich
über sein Vermögen verfügungsberechtigt und zur Fortführung des Geschäfts
berechtigt, sofern der Nachlassrichter nichts weiter anordnet (vgl. Art. 298
Abs. 1 SchKG). Der Schuldner kann insbesondere sämtliche Geschäfte abschliessen
und Rechtshandlungen vornehmen, soweit sie zum täglichen Geschäftsbetrieb
gehören, wobei er unter Aufsicht des Sachwalters steht
BGE 137 II 136 S. 141
(PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4.
Aufl. 2005, Rz. 3120 S. 476; ALEXANDER VOLLMAR, in: Kommentar zum Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. III, 1998, N. 1 zu Art. 298 SchKG). Mit
Ermächtigung des Nachlassrichters können in diesem Stadium auch bereits
Vermögenswerte oder Unternehmensteile veräussert werden (Art. 298 Abs. 2 e
contrario SchKG). Das ist namentlich dann von Bedeutung, wenn sich die
Verkaufsverhandlungen bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinden und
von einer sofortigen Veräusserung ein besseres Ergebnis für die Gläubiger zu
erwarten ist (vgl. VOLLMAR, a.a.O., N. 17, 19 f., 23 ff. zu Art. 298 SchKG;
einschränkend: JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, 4. Aufl. 1997, N. 11 und 13 zu Art. 298 SchKG). Nach
rechtskräftiger Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung (Art.
317 SchKG) ist das vom Nachlassvertrag erfasste Vermögen abzutreten bzw. zu
liquidieren (zum Ganzen AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, S. 503 ff., 524 ff.).

3.2.1 Soweit nach Bewilligung der Nachlassstundung und auch noch im Rahmen der
Verwertung bis zur Beendigung der Liquidation Vermögenswerte im Inland gegen
Entgelt veräussert oder abgetreten werden, handelt es sich grundsätzlich um
steuerbare Umsätze (Art. 5 aMWSTG) und unterliegt das Entgelt der
Mehrwertsteuer. Es handelt sich um Umsätze, welche mit Einwilligung des
Sachwalters (und des Nachlassrichters) erfolgen, weshalb die daraus erwachsenen
Steuerforderungen die Masse belasten. Die Vorsteuer kann abgezogen werden (Art.
38 aMWSTG). Ein allfälliges Vorsteuerguthaben (ein "Vorsteuerüberschuss") steht
der Masse zu.
Solche Umsätze tätigte auch die Beschwerdegegnerin während des
Nachlassverfahrens. Im Gesuch um Gewährung der provisorischen Nachlassstundung
beabsichtigte sie, einen Teil ihrer Geschäftsbereiche aus Liquiditätsgründen zu
veräussern und den Kernbereich weiterzuführen. Bereits während der
provisorischen Nachlassstundung veräusserte sie ihre drei
Hauptgeschäftsbereiche. Da sie nicht in der Lage war, auch den Kernbereich
weiter zu betreiben, und um einen Wertzerfall zu verhindern, veräusserte sie
die Bereiche Q., R. sowie S. an verschiedene Offerenten. Der Nachlassrichter
erteilte seine Zustimmung zu diesen Verträgen am 3. Februar bzw. 25. Februar
2002. Diese Umsätze betreffen den Zeitraum nach Bekanntgabe der
Nachlassstundung und berechtigen und belasten die Masse. Solche Umsätze sind
hier nicht streitig.
BGE 137 II 136 S. 142

3.2.2 Im vorliegenden Fall geht es allein um Umsätze aus Lieferungen und
Dienstleistungen, welche die Beschwerdegegnerin bis zum Datum der
Nachlassstundung (19. Dezember 2001) bezogen hatte und die unbezahlt geblieben
oder erst im Nachlassverfahren bezahlt worden sind. Der Liquidator reichte
diesbezüglich eine Aufstellung über die Kreditoren (Leistungserbringer) ein. Er
unterschied dabei drei Gruppen: a) Kreditoren per 19. Dezember 2001, b)
Kreditoren für Leistungen vor dem 19. Dezember 2001, welche die Rechnung nach
dem 19. Dezember 2001 stellten und c) Kreditoren per 19. Dezember 2001, die
nach dem 19. Dezember 2001 bezahlt wurden.

4.

4.1 Art. 40 aMWSTG bestimmt:
"Sind die von der steuerpflichtigen Person aufgewendeten Entgelte niedriger als
die vereinbarten oder sind ihr Entgelte zurückerstattet worden, so ist die
Vorsteuer entweder nur vom tatsächlich geleisteten Entgelt zu berechnen oder in
der Abrechnung über die Periode, in der die Entgeltsminderung eintritt,
herabzusetzen."
Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit Art. 44 Abs. 2 aMWSTG zu lesen. Danach
kann der Erbringer einer Lieferung oder Dienstleistung einen Abzug beim
steuerbaren Umsatz vornehmen, wenn das Entgelt aus irgendeinem Grund geringer
ausfällt, als es vereinbart oder in Rechnung gestellt worden ist. Da der
Leistungserbringer eine geringere Steuer abführt, vermindert sich dadurch
automatisch auch die Vorsteuer beim Leistungsempfänger. Daher bestimmt Art. 40
aMWSTG, dass der Leistungsempfänger in der Steuerabrechnung die Vorsteuer
herabzusetzen hat, wenn die von ihm aufgewendeten Entgelte niedriger sind als
die vereinbarten.

4.2 Mit Recht hat die Vorinstanz erkannt, dass mit der Bewilligung der
Nachlassstundung gegenüber der Beschwerdegegnerin ein Fall von
Entgeltsminderung im Sinne von Art. 40 aMWSTG eingetreten ist:
Ein Schuldner, der um Nachlassstundung ersucht, wird in der Regel schon einige
Zeit vor dem Gesuch Rechnungen nicht mehr bezahlt haben. Mit dem Gesuch um
Nachlassstundung gibt er zu erkennen, dass er überschuldet oder zumindest
illiquid ist (HANS ULRICH HARDMEIER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. III, N. 1 zu Art. 309 SchKG). Die Lieferanten
und Leistungserbringer des Schuldners werden daher in der Regel spätestens zu
diesem Zeitpunkt ihre Forderungen als uneinbringlich abschreiben. Sie können
gemäss Art. 44 Abs. 2 aMWSTG in der Periode, in
BGE 137 II 136 S. 143
welcher die Entgeltsminderung verbucht wird, einen Abzug vom steuerbaren Umsatz
vornehmen. Weil in diesem Umfang die Steuer entfällt, hat auch der
Nachlassschuldner mangels Vorsteuerbelastung den Vorsteuerabzug im gleichem
Betrag herabzusetzen (Art. 40 aMWSTG; s. auch CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER,
Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 2. Aufl. 2003, Rz. 1433 ff. S. 487 f.). Eine
gleichartige Regelung enthält beispielsweise auch das deutsche
Umsatzsteuerrecht (vgl. HELGA SCHLOSSER-ZEUNER, in: Umsatzsteuergesetz, Bunjes/
Geist [Hrsg.], 9. Aufl. 2009, N. 41 ff. zu § 17 D-UStG).
Mit der Bewilligung der Nachlassstundung durfte daher die Beschwerdegegnerin
die Vorsteuer nur noch vom tatsächlich geleisteten Entgelt berechnen und hatte
sie den Vorsteuerabzug zu korrigieren. Das hat die Vorinstanz zutreffend
erwogen. Aus dem gleichen Grund verlangt auch die Beschwerdeführerin in ihrer
Praxis im Falle eines Konkurses oder Nachlasses per Datum der Konkurseröffnung
bzw. Nachlassstundung eine Umstellung von der Abrechnung nach vereinbarten
Entgelten zur Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten (vgl. Art. 44 Abs. 1 und
4 aMWSTG, jetzt Art. 39 Abs. 1 und 2 MWSTG), wie ihrer Vernehmlassung an die
Vorinstanz zu entnehmen ist.

4.3 Über die Steuer und Vorsteuer hat die steuerpflichtige Person gegenüber der
Eidgenössischen Steuerverwaltung unaufgefordert in der vorgeschriebenen Form
abzurechnen (Art. 46 aMWSTG). Dementsprechend hat sie bei einer
Entgeltsminderung im Sinne von Art. 40 aMWSTG auch ohne weiteres den
Vorsteuerabzug in ihrer Abrechnung zu korrigieren. Nachdem die
Beschwerdegegnerin in der Abrechnung für das vierte Quartal 2001 den
Vorsteuerabzug nicht berichtigt hatte, nahm die Beschwerdeführerin die
entsprechende Korrektur selbst vor und meldete die gesamte noch offene
Steuerforderung per 19. Dezember 2001 - ohne Berücksichtigung des
Vorsteuerabzugs für die Abrechnungsperiode des 4. Quartals 2001 - zur
Kollokation im Nachlassverfahren an.
Gegen dieses Vorgehen ist nichts einzuwenden. Aus den Steuerabrechnungen,
welche der Steuerpflichtige der Eidgenössischen Steuerverwaltung periodisch
einzureichen hat, geht nicht hervor, ob im Falle eines nicht solventen
Schuldners die Leistungserbringer das Entgelt erhalten haben oder nicht und ob
ein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht. Zu genaueren Abklärungen über
allenfalls erfolgte Zahlungen an Lieferanten und Leistungserbringer mit
BGE 137 II 136 S. 144
entsprechender Korrektur beim Vorsteuerabzug war die Beschwerdeführerin zum
damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage. Es kann von ihr auch nicht verlangt
werden, dass sie diese Abklärungen vornimmt. Das ist vielmehr Sache der
Steuerpflichtigen bzw. des Sachwalters im Nachlassverfahren (Art. 40 und 46
aMWSTG).
Insofern handelt es sich bei der Forderungseingabe der Beschwerdeführerin zur
Kollokation im Nachlassverfahren ohne Berücksichtigung der Vorsteuerabzugs für
das 4. Quartal 2001 um eine pauschale Festsetzung der Steuer und Vorsteuer, um
eine Einschätzung nach pflichtgemässem Ermessen, wie sie nach Art. 60 aMWSTG
(jetzt Art. 79 MWSTG) zulässig ist, wenn "keine oder nur unvollständige
Aufzeichnungen vorliegen". Der Nachlassschuldnerin muss aber die Möglichkeit
offenstehen, den Nachweis über erfolgte Abschlagszahlungen zu erbringen. Die
Beschwerdeführerin stellte im Nachlassverfahren denn auch zu Recht in Aussicht,
den Vorsteuerabzug zuzulassen, falls Zahlungen erfolgt sein sollten. Nachdem
die Beschwerdegegnerin die Bezahlung eines Teils der Lieferantenrechnungen
anhand von Belegen nachgewiesen hatte, anerkannte die Beschwerdeführerin
hierfür den Vorsteuerabzug, indem sie ihre im Nachlassverfahren eingegebene
Forderung entsprechend korrigierte.

5. Nach dem Gesagten ist das Vorgehen der Beschwerdeführerin bei der Eingabe
ihrer Forderung im Nachlassverfahren - und namentlich die "pauschale" Kürzung
des Vorsteuerabzugs - nicht zu beanstanden. Zu prüfen ist im Folgenden, wie
Abschlags- und Dividendenzahlungen im Nachlassverfahren mehrwertsteuerrechtlich
zu behandeln sind.

5.1 Die Verteilung des Liquidationserlöses an die Gläubiger erfolgt im
Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung in Form von Abschlags- und
Dividendenzahlungen, soweit den Gläubigern nicht einzelne Vermögenswerte unter
Anrechnung an ihre Forderungen abgetreten werden (Art. 317 Abs. 1 SchKG). Aus
der gestützt auf den Kollokationsplan erstellten Verteilungsliste (Art. 326
SchKG) ergibt sich, welcher Anteil jedem Gläubiger aus dem Erlös der Verwertung
der Aktiven zukommt. Umsatzsteuerrechtlich sind Abschlags- und
Dividendenzahlungen, soweit sie an mehrwertsteuerpflichtige Gläubiger für
Leistungen im Sinne von Art. 5 aMWSTG erfolgen, als Leistungsentgelt nach Art.
33 aMWSTG zu qualifizieren.
Der Lieferant oder Leistungserbringer, der aufgrund der Insolvenz des
Leistungsempfängers nach Art. 44 Abs. 1 aMWSTG einen
BGE 137 II 136 S. 145
Abzug beim steuerbaren Umsatz vorgenommen hat (vgl. vorn E. 4.2), muss daher
die Bemessungsgrundlage erneut berichtigen, wenn er im Nachlassverfahren eine
Abschlags- oder Dividendenzahlung erhält. Diese Berichtigung ist analog Art. 44
Abs. 3 aMWSTG in derjenigen Periode vorzunehmen, in der die Abschlagszahlung
oder Dividende vereinnahmt wird. Die Vorschrift betrifft zwar ihrem Wortlaut
nach den Fall, wo das bezahlte Entgelt höher ist als das vereinbarte Entgelt.
Die sinngemässe Anwendung von Art. 44 Abs. 3 aMWSTG im vorliegenden Fall
entspricht jedoch dem Gesetzeszweck, wie er in dieser Norm zum Ausdruck kommt
(so auch die ausdrückliche Regelung im deutschen Umsatzsteuergesetz [D-UStG], §
17 Abs. 1 Satz 8 in Verbindung mit Abs. 2 Ziff. 1, und dazu SCHLOSSER-ZEUNER,
a.a.O., N. 41 f., besonders N. 42 in fine zu § 17 D-UStG).

5.2 Andererseits entsteht beim steuerpflichtigen Nachlassschuldner von Gesetzes
wegen ein Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn im Nachlassverfahren
vorsteuerbelastete Kreditorenrechnungen beglichen werden. Der Vorsteuerabzug
muss auch im Nachlassverfahren zugelassen werden, soll er den Entlastungseffekt
erfüllen; es geht um die Vorsteuer, die durch den Gläubiger bezahlt und auf den
Nachlassschuldner überwälzt worden ist (vgl. auch WOLFRAM BIRKENFELD, in: Das
grosse Umsatzsteuer-Handbuch, Köln 1996, Stand: Juli 2009, § 209a Rz. 171 ff.,
besonders Rz. 211 ff. und Rz. 241). Der Anspruch auf Vorsteuerabzug ist an die
geschuldete Steuer anzurechnen, ein allfälliger Überschuss auszuzahlen (Art. 48
Abs. 1 aMWSTG).
Sofern bei der Beschwerdegegnerin der Vorsteuerabzug gekürzt wurde (Art. 40
aMWSTG), ist daher der Vorsteuerabzug erneut zu korrigieren. Das betrifft
allerdings nur die per 19. Dezember 2001 offenen Kreditorenrechnungen des 4.
Quartals 2001. Für das 3. Quartal 2001 nahm die Eidgenössische Steuerverwaltung
nach dem Stand der Akten keine Vorsteuerkorrektur vor.

5.3 Fraglich und umstritten ist, ob die Beschwerdeführerin dieser erneuten
Vorsteuerkorrektur genügend Rechnung getragen hat.
Nachdem die Beschwerdeführerin im Entscheid vom 4. April 2005 einen Anspruch
auf Vorsteuerabzug bei Abschlags- und Dividendenzahlungen noch ganz verneint
hatte, räumte sie im Einspracheentscheid ein, dass ein Vorsteuerabzugsrecht der
Beschwerdegegnerin grundsätzlich bestehe, soweit die vorsteuerbelasteten
Kreditorenrechnungen im Nachlassverfahren noch bezahlt werden. Für die
Berechnung des Vorsteuerabzugs ging sie von einer Gesamtdividende aus, die sie
durch Schätzung auf 35 % festsetzte.
BGE 137 II 136 S. 146
An dieser Schätzung hält sie auch in der vorliegenden Beschwerde fest. Sie
begründet dies damit, dass im Nachlassverfahren die Nachlassdividende nicht
exakt ermittelt werden könne. Sie gehe daher in einem Konkurs- oder
Nachlassverfahren in der Weise vor, dass sie gemäss Art. 40 aMWSTG einen Teil
der zum Abzug geltend gemachten Vorsteuern eines Quartals oder mehrerer
Quartale zurückbelaste. Auf diese Weise werde zwar der Vorsteuerabzug nur
ungenügend korrigiert (da der Beginn der Liquiditätsprobleme nicht mit den
berücksichtigten Mehrwertsteuerperioden zusammenfallen muss und u.U. weiter in
die Vergangenheit zurückreicht). Doch werde dies durch die mit den
Dividendenzahlungen neu entstehenden Vorsteueransprüche kompensiert. Es könne
daher für diese Dividendenzahlungen nicht erneut der Vorsteuerabzug gewährt
werden, ansonsten die Vorsteuer zweimal abgezogen würde.
Es handelt sich aus der Sicht der Beschwerdeführerin um ein vereinfachtes
Verfahren, eine Schätzung (die der Steuerpflichtige auch widerlegen könne), die
aber in der Handhabung effizient sei und erfahrungsgemäss dem effektiven
Ergebnis sehr nahe komme, auch wenn sie "verfahrenstechnisch (...) nicht ganz
korrekt" erscheinen möge. Die Beschwerdeführerin macht vor allem
erhebungswirtschaftliche Gründe geltend.
Demgegenüber bestreitet die Beschwerdegegnerin sowohl die Zulässigkeit der
Schätzung in grundsätzlicher Hinsicht wie auch deren Höhe. Im angefochtenen
Entscheid hat die Vorinstanz eine Pflicht der Beschwerdeführerin, die Vorsteuer
aufgrund der resultierenden Abschlags- und Dividendenzahlungen zu ermitteln,
bejaht.

5.4 Dazu ist zu bemerken, dass die Korrektur des Vorsteuerabzugs in der
Steuerabrechnung (über eine oder mehrere zurückliegende Abrechnungsperioden)
durch die Beschwerdeführerin auf einer nicht weiter begründeten Annahme beruht:
Ob der Vorsteuerabzug für einen Teil des Quartals, das ganze Quartal oder mehre
Quartale zu korrigieren sei, ist weitgehend dem Zufall (oder der Willkür)
überlassen. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass sie sich in diesem
Bereich auf gesicherte Erkenntnisse, auf Praxiserfahrung oder Rechnungsmodelle
stützen könne. Es bleibt aufgrund der Eingaben der Beschwerdeführerin auch
unklar, nach welchen Richtlinien oder Kriterien sie entscheidet, wann
Dividendenzahlungen zum erneuten Vorsteuerabzug berechtigen und wann nicht.
Diese Unsicherheiten zeigen sich im vorliegenden Verfahren besonders deutlich:
Mit Schreiben vom 26. April 2004 teilte die
BGE 137 II 136 S. 147
Beschwerdeführerin dem Liquidator kategorisch mit, dass die Dividendenzahlungen
an die Nachlassgläubiger die Schuldner nicht zum Abzug zusätzlicher Vorsteuern
berechtige. Nachdem die Beschwerdeführerin dies mit Entscheid vom 4. April 2005
noch bekräftigt hatte, korrigierte sie ihre Haltung im Einspracheentscheid vom
9. Juni 2006 und gewährte neu einen Vorsteuerabzug für eine geschätzte
Gesamtdividende von 35 %. In der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten anerkennt sie offenbar dann auch die zweite Abschlagszahlung
als für den Vorsteuerabzug anspruchsbegründend. Aufgrund welcher Umstände die
Beschwerdeführerin ihre Ansicht änderte, ist aber nicht zu erkennen, zumal sie
von Anfang an aufgrund der Angaben des Liquidators von einer Dividende in etwa
der gleichen Grössenordnung ausging.

5.5 Diese Praxis braucht hier aber nicht weiter untersucht zu werden. Wenn die
Beschwerdeführerin geltend macht, die Vorsteuerkorrektur und die erneute
Berichtigung des Vorsteuerabzugs beruhe auf einer Schätzung und dürfe
ermessensweise vorgenommen werden, so ist dies nur unter den Voraussetzungen
des Artikels 60 aMWSTG (jetzt Art. 79 MWSTG) richtig, das heisst, wenn die
steuerpflichtige Person ihren Obliegenheiten zur Mitwirkung und Feststellung
der Steuerschuld nicht nachkommt und die Verwaltung eine Schätzung nach
pflichtgemässem Ermessen vornehmen muss. Ein auf Schätzung beruhendes Verfahren
mag allenfalls auch statthaft sein, wenn sich daraus eine wesentliche
Vereinfachung ergibt und die Betroffenen - namentlich die Gläubiger - damit
einverstanden sind.
Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt. Der Liquidator
hat zuhanden der Eidgenössischen Steuerverwaltung die offenen Kreditoren per
19. Dezember 2001 bekannt gegeben. Ebenfalls lässt sich im Fall der späteren
Befriedigung der Lieferanten und Dienstleistungserbringer durch Abschlags- und
Dividendenzahlungen der Anspruch auf Rückerstattung der Vorsteuer auf
entsprechenden Nachweis hin grundsätzlich konkret bestimmen und bedarf es
keiner Schätzung im Sinne von Art. 60 aMWSTG. Es steht auch ausser Frage, dass
sich die Beschwerdegegnerin mit der Vorgehensweise der Eidgenössischen
Steuerverwaltung zu keinem Zeitpunkt einverstanden erklärt hat.

5.6 Wenn daher die Vorinstanz im angefochtenen Erkenntnis die
Beschwerdeführerin verpflichtet hat, die abziehbare Vorsteuer
BGE 137 II 136 S. 148
anhand der "gesamten Nachlassdividende" bzw. aufgrund des "Ergebnisses des
Nachlassverfahrens" zu bestimmen, verletzt dies Bundesrecht nicht. Zu ergänzen
ist lediglich, dass Dividendenleistungen an Kreditoren des 3. Quartals 2001,
für welche der Vorsteuerabzug nicht korrigiert wurde, kein zusätzliches
Vorsteuerabzugsrecht begründen (s. oben E. 5.2 in fine). In diesem Punkt ist
den vorinstanzlichen Erwägungen beizupflichten und erweist sich die Beschwerde
als unbegründet.

5.7 Ein Vorbehalt ist nur insofern anzubringen, dass wegen der "Zirkelrechnung"
- die Dividendenzahlung beeinflusst die Höhe des Vorsteuerabzuges, dieser
wiederum wirkt sich auf die Höhe der Dividende aus usf. - die schliesslich
resultierende Vorsteuer nicht mathematisch exakt, sondern nur annäherungsweise
bestimmt werden kann. Insofern muss der Vorsteuerabzug in der Tat geschätzt
werden, wobei die Wahl der dabei anzuwendenden, sachgerechten Methode der
Eidgenössischen Steuerverwaltung zu überlassen ist. Auch hierin ist der
vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen.

6. Zwischen den Parteien ist weiter umstritten, ob und gegebenenfalls in
welchem Umfang die Beschwerdeführerin ihre im Nachlassverfahren eingegebene
Umsatzsteuerforderung mit dem Vorsteuerguthaben der Beschwerdegegnerin
(Nachlassschuldnerin) verrechnen darf.

6.1 Die Vorinstanz erklärte die Verrechnung grundsätzlich als zulässig, jedoch
nur bis zur Höhe der Dividende, welche der Beschwerdeführerin für die im
Nachlassverfahren eingegebene Mehrwertsteuerforderung zustehe. Sie begründet
dies damit, dass der Gläubiger mit der rechtskräftigen Bestätigung des
Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung auf den durch die Liquidationsdividende
nicht gedeckten Teil der Forderung definitiv verzichte. Der nicht gedeckte Teil
der Forderung gehe in diesem Umfang unter, es verbleibe keine Restschuld, und
die Gläubiger erhielten keine Verlustscheine (Art. 318 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG).
Nach Publikation des Nachlassvertrags sei daher eine Verrechnung nur noch im
Betrag der Dividende zulässig. Aus den Akten ergebe sich, dass die
Beschwerdeführerin Verrechnung erstmals im Einspracheentscheid (im Jahre 2006)
und damit lange nach Bestätigung des Nachlassvertrags vom 20. August 2002
geltend gemacht habe. Eine Verrechnung des Vorsteuerguthabens mit der gesamten
im Nachlassverfahren eingegebenen Steuerforderung sei unzulässig.
BGE 137 II 136 S. 149
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass wohl die bis 19. Dezember 2001
(Datum der Nachlassstundung) aufgelaufenen Umsatzsteuerforderungen in den
Nachlass fielen, dass jedoch für die Festsetzung von Umsatzsteuerforderung und
Vorsteuerguthaben gleichwohl die besonderen Vorschriften der
Mehrwertsteuergesetzgebung Anwendung fänden. Die Verrechnung von
Umsatzsteuerforderung mit dem Vorsteuerguthaben trete von Gesetzes wegen ein,
eine Verrechnungserklärung sei hierfür nicht erforderlich. Massgebend sei
vielmehr der Zeitpunkt der Entstehung von Forderung und Gegenforderung. Dieser
Zeitpunkt sei hier schon vor der Nachlassstundung eingetreten.
Die Beschwerdegegnerin stimmt der Vorinstanz im Ergebnis zu, wenn auch mit
abweichender Begründung: Weil das Vorsteuerguthaben aufgrund der
Dividendenzahlungen erst im Nachlassverfahren entstehe, handle es sich um eine
Masseforderung, welche nur mit Masseschulden, namentlich der Dividende,
verrechnet werden könne.
Die hier zu entscheidende Frage lautet somit, ob der durch die
Dividendenzahlungen bewirkte Anspruch auf Rückerstattung der Vorsteuer unter
den Nachlassvertrag fällt, ob es um eine Masseforderung geht oder ob die
Verrechnung nach anderen (mehrwertsteuerrechtlichen) Grundsätzen zu erfolgen
habe.

6.2 Gemäss Art. 46 aMWSTG gilt, wie bereits erwähnt, das
Selbstveranlagungsprinzip. Es besagt, dass die steuerpflichtige Person über die
geschuldete Steuer selbst abrechnen muss und die alleinige Verantwortung für
die umsatzsteuerlich richtige Behandlung der Geschäfte trägt. Die
Selbstveranlagung beinhaltet nicht nur die richtige und vollständige Berechnung
der Steuerforderung, sondern auch des Vorsteuerguthabens (CAMENZIND/HONAUER/
VALLENDER, a.a.O., Rz. 1579 ff. S. 531 f.; RIVIER/ROCHAT/PAUCHARD, Droit fiscal
suisse, La taxe sur la valeur ajoutée, 2000, S. 167; s. auch Urteil 2A.546/2000
vom 31. Mai 2002 E. 6b, in: ASA 72 S. 727 und StR 58/2003 S. 209).
Abzurechnen ist in der Regel vierteljährlich (Art. 45 Abs. 1 lit. a aMWSTG),
wobei die steuerpflichtige Person der Eidgenössischen Steuerverwaltung die
Abrechnung innert 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode einzureichen hat
(Art. 46 Satz 1 aMWSTG). Doch entsteht die Steuerforderung bereits zu einem
früheren Zeitpunkt. Bei der Abrechnung nach dem vereinbarten Entgelt, was den
Normalfall darstellt, entsteht die Steuerforderung bei Lieferungen
BGE 137 II 136 S. 150
und Dienstleistungen mit der Rechnungsstellung (Art. 43 Abs. 1 lit. a Ziff. 1
aMWSTG). Im Falle der Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten ist der Zeitpunkt
der Vereinnahmung des Entgelts massgebend (Art. 43 Abs. 1 lit. b aMWSTG). Der
Anspruch auf Vorsteuerabzug entsteht nach Art. 38 Abs. 7 lit. a aMWSTG entweder
am Ende der Abrechnungsperiode, in welchem die steuerpflichtige Person die
Rechnung erhalten (Abrechnung nach vereinbartem Entgelt) oder in welcher sie
die Rechnung bezahlt hat (Abrechnung nach vereinnahmtem Entgelt).

6.3 Steuerforderung und Vorsteuerguthaben entstehen somit von Gesetzes wegen
und unabhängig davon, ob Steuer und Vorsteuerabzug durch die steuerpflichtige
Person rechtzeitig und richtig abgerechnet werden. Die Mehrwertsteuer ist eine
Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug auf allen Stufen. Vom Steuerbetrag des
Bruttoumsatzes wird der auf die Vorleistung entfallende Teil der Steuer - die
Vorsteuer - abgezogen. Als Zahllast (Steuerschuld) erscheint die Differenz
zwischen Bruttosteuer und Vorsteuer (vgl. CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER, a.a.O.,
Rz. 98 S. 48 f.). Diese Festsetzung erfolgt im Rahmen der Selbstveranlagung
durch den Steuerpflichtigen in der Steuerabrechnung (Art. 46 aMWSTG). Die
Folgen treten aber von Gesetzes wegen ein. Einer ausdrücklichen
Verrechnungserklärung der Eidgenössischen Steuerverwaltung bedarf es daher,
entgegen der Ansicht der Vorinstanz, nicht. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
ermittelt die Steuer anstelle des Steuerpflichtigen nur dann, wenn dieser
seiner Abrechnungspflicht nicht nachkommt (Art. 60 aMWSTG; CAMENZIND/HONAUER/
VALLENDER, a.a.O., Rz. 1580 S. 532).

6.4 Die Vorinstanz beruft sich für ihre gegenteilige Ansicht auf Art. 213 Abs.
2 Ziff. 2 SchKG, der gemäss Art. 297 Abs. 4 SchKG auch bei der Nachlassstundung
Anwendung findet. Danach ist die Verrechnung ausgeschlossen, wenn ein Gläubiger
des Gemeinschuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder
der Konkursmasse wird. Im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung tritt an die
Stelle der Konkurseröffnung die Bekanntmachung der Nachlassstundung (Art. 297
Abs. 4 SchKG).
Art. 213 SchKG muss aber seiner ratio legis entsprechend ausgelegt werden.
Dessen Absatz 1 erklärt die Verrechnung grundsätzlich als zulässig. Das
Verrechnungsverbot von Absatz 2 will lediglich verhindern, dass sich ein
Gläubiger des Gemeinschuldners nach Konkurseröffnung durch neu erworbene
Verrechnungsmöglichkeiten Deckung verschafft (BGE 107 III 139 E. 3 S. 143 f.
mit Hinweisen).
BGE 137 II 136 S. 151
Die Vorschrift ist offensichtlich auf die Verrechnung nach dem
Obligationenrecht zugeschnitten.
Vorliegend geht es indessen um eine Kompensation öffentlich-rechtlicher
Forderungen, die von Gesetzes wegen eintritt. Die spezialgesetzliche Ordnung,
insbesondere Art. 69 Abs. 2 aMWSTG, der die rechtskräftige Erledigung des
Mehrwertsteuerverfahrens in dem dafür vorgesehenen Verfahren vorbehält, geht
dem Konkurs- oder Nachlassverfahren vor. Das hat die Vorinstanz nicht in
Betracht gezogen und daher zu Unrecht die Verrechnung auf den Betrag der
Dividende, welche der Beschwerdeführerin zusteht, beschränkt.

6.5 Zu prüfen bleibt, ob es sich beim Vorsteuerguthaben, das sich aus
Abschlags- und Dividendenzahlungen im Konkurs oder Nachlassverfahren ergibt, um
eine Masseforderung handelt, wie die Beschwerdegegnerin geltend macht. Denn
Masseforderungen können, wie die Beschwerdegegnerin mit Recht bemerkt, nur mit
Masseschulden, insbesondere mit der Konkursdividende, verrechnet werden (vgl.
AMONN/WALTHER, a.a.O., § 40 Rz. 59 S. 370).
In der Tat stellt ein allfälliges Vorsteuerguthaben eine Masseforderung dar.
Dies aber erst, wenn Mehrwertsteuerforderung und Vorsteuerabzug nach den
Vorgaben des Mehrwertsteuerrechts verrechnet worden sind. Erst dann ist die
Steuerforderung gemäss spezialgesetzlicher Bestimmung definitiv zu kollozieren
(Art. 69 Abs. 2 aMWSTG) und fällt ein allfälliges Vorsteuerguthaben, ein
"Vorsteuerüberschuss", in die Masse. Es bleibt somit bei der gesetzlichen
Ordnung, wonach das Mehrwertsteuerverfahren vorab rechtskräftig erledigt werden
muss.

6.6 Es kann auch offenbleiben, ob der durch die Nachlassdividende bewirkte
Anspruch auf Vorsteuerabzug bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der
Nachlassstundung bestand und durch die Dividendenzahlung wieder auflebt, wie
die Vorinstanz annimmt, oder ob er zum Zeitpunkt der Dividendenzahlung neu
entsteht, welche Ansicht die Beschwerdegegnerin verficht. So oder so bildet
dieser Anspruch hier keine Masseforderung. Es entspricht einem in der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung feststehenden Grundsatz, dass
Steuerforderungen dann eine Verbindlichkeit der Masse darstellen, wenn sich die
für ihre Entstehung massgebenden Tatsachen nach der Konkurseröffnung bzw. nach
Bewilligung der Stundung verwirklicht haben (so bereits für die
Warenumsatzsteuer: BGE 107 Ib 303 E. 2, BGE 96 I 244 E. 3; ferner BGE 120 III
153 E. 2b, 128; je für die Grundstückgewinnsteuer; BGE 122 II 221 E. 4c und d
betreffend die
BGE 137 II 136 S. 152
Liquidationsgewinnsteuer nach Art. 53 BdBSt; s. auch BGE 100 III 30 für
Sozialversicherungsbeiträge). In Bezug auf die hier in Frage stehende
Vorsteuerrückerstattung ist das nicht der Fall. Sie betrifft nicht die mit
Zustimmung des Sachverwalters nach der Stundung fortgeführten Geschäfte (Art.
298 Abs. 1 SchKG) resp. die Verwertung von Vermögenswerten im Rahmen der
Liquidation (vgl. oben E. 3.2 f.). Der Anspruch auf Vorsteuerabzug ist hier
vielmehr die Folge der Verteilung des Liquidationserlöses und steht in
Verbindung mit Lieferungen und Dienstleistungen, die ihren Rechtsgrund vor
Bekanntgabe der Nachlassstundung haben. Sie gehören in die Abrechnung über die
Mehrwertsteuerforderung per Datum der Nachlassstundung und sind in dem dafür
vorgesehenen Verfahren rechtskräftig festzusetzen, bevor die Steuerforderung
definitiv kolloziert werden kann (Art. 69 Abs. 2 aMWSTG) und ein allfälliger
Vorsteuerüberschuss an die Masse fällt.