Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 II 128



Urteilskopf

137 II 128

10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. und
Y. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
1C_485/2010 vom 20. Dezember 2010

Regeste

Art. 31, Art. 32 Abs. 2 lit. a und Art. 33 lit. d VGG; Art. 28 Abs. 1 lit. e
SGG; Art. 25 Abs. 1 und Art. 80e Abs. 1 IRSG; Art. 17 BG-RVUS; Art. 83 lit. h
und Art. 84 BGG; Fiskalauskunft an die USA im "Fall UBS".
Behördenzuständigkeiten in fiskalischen Amts- und Rechtshilfeverfahren;
Vorliegen eines besonders bedeutenden Falles (E. 1). Schlussverfügungen der
Eidgenössischen Steuerverwaltung, die sich auf internationales Amtshilferecht
stützen, hat nicht das Bundesstrafgericht als Beschwerdeinstanz zu prüfen,
sondern das Bundesverwaltungsgericht (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 129

BGE 137 II 128 S. 129

A. Mit Schlussverfügung vom 16. August 2010 bewilligte die Eidgenössische
Steuerverwaltung (EStV), Task Force Amtshilfe USA, Amtshilfe an die USA. Auf
eine Beschwerde von X. und Y., zwei von der Schlussverfügung betroffenen
Bankkunden der UBS AG (Schweiz), trat das Bundesstrafgericht, II.
Beschwerdekammer, am 13. Oktober 2010 (mangels Zuständigkeit) nicht ein.

B. Gegen den Nichteintretensentscheid des Bundesstrafgerichts gelangten die
betroffenen Bankkunden mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
vom 25. Oktober 2010 an das Bundesgericht. Sie rügen u.a. Verstösse gegen den
Rechtshilfevertrag mit den USA (RVUS), die Bundesverfassung, die EMRK, den
UNO-Pakt II und das Bundesgesetz betreffend den Rechtshilfevertrag mit den USA
(BG-RVUS). Die Beschwerdeführer beantragen im Hauptstandpunkt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides. (...)
(Auszug)
Aus den Erwägungen:

Erwägungen

1. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn er eine Auslieferung,
eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder
eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich
um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1).
Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die
Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind
oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2). Auch
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung können nach der Praxis eine
materielle Prüfung durch das Bundesgericht nach sich ziehen (vgl. BGE 136 IV 20
E. 1.2 S. 22, BGE 133 IV 88 E. 3 S. 89 ff.; BGE 134 IV 156 E. 1.3.3 S. 160 f.;
BGE 133 IV 215 E. 1.2 S. 217 f., BGE 133 IV 271 E. 2 S. 273 ff.; Pra 2010 Nr.
22 S. 141; zur betreffenden Rechtsprechung s. AEMISEGGER/FORSTER, in: Basler
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 29-32 zu Art. 84 BGG). In begründeten
Fällen kann dies auch für wichtige Fragen betreffend Sachurteilsvoraussetzungen
im Beschwerdeverfahren (etwa zur Beschwerdelegitimation) zutreffen (Urteil
1C_287/2008 vom 12. Januar 2009 E. 1.3, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 141).
BGE 137 II 128 S. 130

1.1 In der streitigen Schlussverfügung der EStV wurde unbestrittenermassen die
Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich an die USA bewilligt.
Insofern ist die Sachurteilsvoraussetzung von Art. 84 Abs. 1 BGG erfüllt. Die
Frage, ob hier Rechts- oder Amtshilfe zu gewähren sei (Art. 84 und 83 lit. h
BGG) bzw. ob eine Umgehung von Rechtshilfevorschriften vorliege, bildet
Streitgegenstand der Beschwerde. Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, es
stelle sich im vorliegenden Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung, die vom Bundesgericht (unter dem Gesichtspunkt von Art. 84 BGG)
materiell zu prüfen sei.

1.2 Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden das Bundesverwaltungsgericht
als einzige gerichtliche Instanz (oder aber das Bundesstrafgericht bzw. das
Bundesgericht) zur Beurteilung von Beschwerden zuständig sei, stellt im Lichte
der oben dargelegten Praxis eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
Dabei ist auch der wirtschafts- und rechtspolitischen Wichtigkeit und Tragweite
der Angelegenheit "UBS-Fiskalauskünfte USA" Rechnung zu tragen (vgl. dazu
Botschaft des Bundesrates vom 14. April 2010 zur Genehmigung des Abkommens
zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein
Amtshilfegesuch betreffend UBS AG sowie des Änderungsprotokolls, BBl 2010 2965
ff., 2969 ff.; s. auch URS R. BEHNISCH, Aktuelle Entwicklungen in der Amts- und
Rechtshilfe im Steuerbereich, in: Aktuelle Fragen der internationalen Amts- und
Rechtshilfe, Breitenmoser/Ehrenzeller [Hrsg.], 2009, S. 249 ff.; BONNARD/
GRISEL, L'Accord UBS: spécificités, validité, conformité aux droits de l'homme,
RDAF 2010 II S. 361 ff.; COTTIER/MATTEOTTI, Der Grundsatzentscheid des
Bundesverwaltungsgerichtes zum UBS-Amtshilfeabkommen, erste Einschätzungen und
Auswirkungen, Jusletter vom 8. März 2010; LEUPOLD/KUSTER, Hintergrund und
Zustandekommen des Abkommens über ein Amtshilfegesuch betreffend UBS AG, ASA
2009 S. 345 ff.; LÖTSCHER/BUHR, Abkommen Schweiz-USA in Sachen UBS: sind dem
Bundesverwaltungsgericht die Hände gebunden-, Anwaltsrevue 13/2010 S. 9 ff.;
MARKUS REICH, Das Amtshilfeabkommen in Sachen UBS oder die Grenzen der
Staatsvertragskompetenz des Bundesrats: die Rechtslage nach dem BVGer-Urteil
vom 21. Januar 2010, IFF Forum für Steuerrecht 2010 S. 111 ff.; HENRI TORRIONE,
Abus [impôt éludé], fraude et soustraction en droit fiscal suisse, une étude
comparative de ces notions à partir de la jurisprudence du TF et de l'arrêt du
TAF du 5 mars 2009 dans l'affaire UBS, in: Evasion fiscale, 2010, S. 149 ff.;
ROBERT
BGE 137 II 128 S. 131
WALDBURGER, Das Amtshilfeverfahren wegen "Steuerbetrugs und dergleichen" mit
den USA, IFF Forum für Steuerrecht 2009 S. 91 ff.).
Das Bundesgericht hat sich zur Frage der Zuständigkeiten (in der vorliegenden
Konstellation) bisher noch nicht äussern können.

1.3 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde im Hinblick auf Art. 84 BGG
als zulässig. Sie ist (im ordentlichen Verfahren und in Besetzung mit fünf
Richtern nach Art. 20 Abs. 2 BGG) materiell zu beurteilen.
(...)

2. Das Bundesstrafgericht (BStGer) begründet seinen Nichteintretensentscheid
damit, dass es sich bei der streitigen erstinstanzlichen Verfügung der EStV
nicht um eine Schlussverfügung betreffend internationale Rechts-, sondern
betreffend internationale Amtshilfe handle. Zuständige Beschwerdeinstanz sei
daher nicht das BStGer, sondern das Bundesverwaltungsgericht (BVGer).

2.1 Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes
geltend:
Die von den eidgenössischen Behörden als Amtshilfeverfahren behandelte
Streitsache sei als internationales Rechtshilfeverfahren in Strafsachen mit den
USA zu qualifizieren. Daher müsse das amerikanische Ersuchen aufgrund der
verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen des Staatsvertrags vom 25.
Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten
Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS; SR
0.351.933.6) und des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1975 zum Staatsvertrag mit
den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in
Strafsachen (BG-RVUS; SR 351.93) geprüft werden. Für die Schlussverfügung
zuständig sei nicht die EStV, sondern das Bundesamt für Justiz (Zentralstelle
USA). In diesem Zusammenhang erhobene Beschwerden habe das BStGer zu prüfen.
Für die streitige Frage, ob das BStGer oder das BVGer als Beschwerdeinstanz
zuständig sei, habe das Bundesgericht eine inhaltliche Abgrenzung zwischen
Amts- und Rechtshilfe zu treffen. Das BStGer habe im angefochtenen Entscheid
eine "rein formale" Abgrenzung vorgenommen, was unzulässig sei und zur
rechtsmissbräuchlichen Umgehung der Vorschriften über die internationale
Strafrechtshilfe führe. Die bestehenden Amtshilfenormen (insbesondere das
Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA oder das Abkommen zwischen der Schweiz
und den USA betreffend Amtshilfegesuch UBS
BGE 137 II 128 S. 132
AG) bildeten keine Grundlage für das streitige Auskunftsersuchen bzw. für eine
Zuständigkeit des BVGer. Mit der nachträglichen Genehmigung des Abkommens USA/
UBS habe der Gesetzgeber u.a. die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung, das
Rechtsgleichheitsprinzip und das Rückwirkungsverbot verletzt. Auch die
materiellen Voraussetzungen der internationalen Strafrechtshilfe seien nicht
erfüllt, was vom BStGer festzustellen sei.
Die anderslautende Rechtsauffassung des BStGer verstosse gegen Völkerrecht
(diverse Bestimmungen des UNO-Paktes II, der EMRK und des RVUS) und Bundesrecht
(diverse Vorschriften der BV und des BG-RVUS).

2.2 Die Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörden des ersuchten Staates in
internationalen Amts- und Rechtshilfeverfahren ist im innerstaatlichen Recht
geregelt (vgl. BGE 132 II 1 E. 2 S. 5 ff.; BGE 128 II 355 E. 1.1-1.2 S. 357
ff.; BGE 126 II 495 E. 3-5 S. 497 ff.; BGE 125 II 65 E. 1-2 S. 69 ff.; Urteil
1C_287/2008 vom 12. Januar 2009, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 141 E. 2.1-2.2). Eine
Zuständigkeit des BStGer zur Prüfung von Schlussverfügungen der EStV betreffend
Fiskalamtshilfe an die USA lässt sich aus dem massgeblichen schweizerischen
Recht nicht ableiten:

2.2.1 Im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege übertrug der
Gesetzgeber (per 1. Januar 2007) die Zuständigkeit für die erstinstanzliche
gerichtliche Beurteilung von Rechtshilfe fällen dem BStGer (Art. 28 Abs. 1 lit.
e SGG [in der Fassung gemäss Anhang VGG Ziff. 14; AS 2006 2235]; Art. 25 Abs. 1
und Art. 80e Abs. 1IRSG [je in den Fassungen gemäss Anhang VGG Ziff. 30]).
Rechtshilfeentscheide der kantonalen und eidgenössischen Behörden stellen zwar
grundsätzlich Verfügungen i.S.v. Art. 5 VwVG (SR 172.021) dar. Gemäss Art. 25
Abs. 1 und Art. 80e Abs. 1 IRSG (SR 351.1) sowie Art. 17 BG-RVUS (in der
Fassung gemäss Anhang VGG Ziff. 33) i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. e Ziff. 4 SGG
unterliegen erstinstanzliche Schluss- und Zwischenverfügungen der kantonalen
und der Bundesbehörden, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, jedoch
unmittelbar der Beschwerde an die zuständige Beschwerdekammer des BStGer. Damit
ist in Rechtshilfe sachen der Ausschlussgrund für eine Beschwerde ans BVGer
gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. a VGG (SR 173.32) erfüllt. Art. 25 IRSG und Art. 17
BG-RVUS stellen insofern (im Sinne von Art. 32 Abs. 2 lit. a VGG)
spezialgesetzliche Regelungen dar (vgl. zum Ganzen AEMISEGGER/FORSTER a.a.O.,
N. 6-8 zu Art. 84 BGG; zur Unterscheidung zwischen Rechtshilfe
BGE 137 II 128 S. 133
und Amtshilfe an die USA s. auch Urteil des BGer 1C_47/2010 vom 4. März 2010 E.
2.2).

2.2.2 Die internationale Amtshilfe (insbesondere in Fiskalsachen) hat der
Gesetzgeber demgegenüber in den justiziellen Aufgabenbereich des BVGer gelegt,
welches (gestützt auf Art. 31 und 33 lit. d VGG i.V.m. Art. 83 lit. h BGG) in
diesem Sachbereich auf Beschwerde hin endgültig entscheidet (vgl. AEMISEGGER/
FORSTER, a.a.O., N. 6 zu Art. 84 BGG; HEINZ AEMISEGGER, Der Beschwerdegang in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Reorganisation der
Bundesrechtspflege: Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, Ehrenzeller/
Schweizer [Hrsg.], 2006, S. 103 ff., 136; THOMAS HÄBERLI, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 178-180 zu Art. 83 BGG; für Fiskalamtshilfe an
die USA s. auch Art. 20k der Verordnung vom 15. Juni 1998 zum
schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 [SR
672. 933.61; im Folgenden: Vo DBA-USA;]; Urteil des BVGer A-7789/2009 vom 21.
Januar 2010, teilweise publ. in: BVGE 2010/7).

2.3 Im vorliegenden Fall stützt sich die erstinstanzliche Schlussverfügung der
EStV auf internationales Amtshilferecht, nämlich auf das
Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 mit den USA (SR 0.672.933.61; im
Folgenden: DBA-USA, mit Änderungsprotokoll vom 23. September 2009 [BBl 2010
4359; 2010 235, 247];s. auch Vo DBA-USA; ADV [SR 672.204]) sowie auf das
Abkommen vom 19. August 2009 zwischen der Schweiz und den USA über ein
Amtshilfegesuch betreffend die UBS AG (Schweiz) mit Änderungsprotokoll vom 31.
März 2010 (SR 0.672.933.612; AS 2010 1459; BBl 2010 3001, 3027; im Folgenden:
Abkommen USA/UBS, genehmigt von der Bundesversammlung mit Bundesbeschluss vom
17. Juni 2010 [AS 2010 2907, 2909; BBl 2010 2965 ff.]). DieEStV bewilligte in
ihrer Verfügung ein Amtshilfeersuchen der USA (nämlich des U.S. Internal
Revenue Service in Washington, D.C.). Nach den anwendbaren völkerrechtlichen
Normen steht es dem ersuchenden Staat (auch im Fiskalauskunftsrecht)
grundsätzlich frei, ob er gestützt auf die Bestimmungen des Rechtshilferechts
(RVUS, BG-RVUS, IRSG i.V.m. VStrR usw.) ein Rechtshilfegesuch stellen will oder
- wie hier - ein Amtshilfeersuchen gestützt auf die oben genannten
einschlägigen Rechtsquellen. Zwar kann der ersuchende Staat nicht autonom
bestimmen, ob und in welchem Umfang er Amtshilfe erhält; diesbezüglich hat er
den Verfahrensweg vor den Behörden des ersuchten Staates zu durchlaufen. Der
ersuchende
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Staat kann jedoch selber wählen, ob er ein Amts- oder ein Rechtshilfegesuch
einreichen und prüfen lassen will (s. dazu BEHNISCH, a.a.O., S. 250;
WALDBURGER, a.a.O., S. 94 f., 105; zum Abkommen USA/UBS als völkerrechtlich
verbindlicher Staatsvertrag, seiner nachträglichen Genehmigung durch das
Parlament und seinem Verhältnis zum DBA-USA vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2010
2965 ff., 2985 f. Ziff. 6.2-6.3; REICH, a.a.O., S. 112-127). Auch die Rüge von
Betroffenen, ein Amtshilfegesuch sei rechtsmissbräuchlich gestellt worden (oder
diene der blossen Umgehung der Bestimmungen über die internationale Rechtshilfe
in Strafsachen), ist von den im Amtshilfeverfahren zuständigen Justizbehörden
des ersuchten Staates zu beurteilen (dazu oben, E. 2.2.2).

2.3.1 Daran vermag auch das Vorbringen der Beschwerdeführer nichts zu ändern,
der streitige Amtshilfeentscheid der EStV komme faktisch einem
Rechtshilfeentscheid gleich. Die Frage, ob es sich um eine Amts- oder eine
Rechtshilfeangelegenheit handelt, richtet sich nach den anwendbaren
internationalen und innerstaatlichen Rechtsquellen. Da die amerikanischen
Behörden ihr Auskunftsersuchen auf spezifisches (völkerrechtlich verbindliches)
materielles und formelles Amtshilferecht stützen (und nicht auf die separaten
Bestimmungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen), bleibt bei der
Bestimmung des Verfahrens und der behördlichen bzw. gerichtlichen
Prüfungszuständigkeiten kein Platz für eine weitere
(rechtsdogmatisch-begriffliche) "Abgrenzung" zwischen Amts- und Rechtshilfe:
Fiskalauskunftsfälle wie den vorliegenden haben die Vertragsstaaten verbindlich
dem Amtshilferecht zugewiesen (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2010 2965 ff., 2976
Ziff. 4.2). Diese normative Festlegung der Verfahren und Zuständigkeiten ist
(gemäss Art. 190 BV) auch für das Bundesgericht massgebend (vgl. Botschaft,
a.a.O., BBl 2010 2985 Ziff. 6.2; REICH, a.a.O., S. 120 f., 126). Entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführer lässt sich der rechtspolitische Entscheid des
Gesetzgebers auch nicht über begriffliche Argumentationen zur (rechtsdogmatisch
schwierigen und ungeklärten) Abgrenzung zwischen Amts- und Rechtshilfe
umstossen (vgl. zu den wissenschaftlichen Definitionsbemühungen z.B. CAROLIN
HÜRLIMANN-FERSCH, Die Voraussetzungen für die Amts- und Rechtshilfe in
Steuerstrafsachen, 2010, S. 6-10; WALDBURGER, a.a.O., S. 93-96; ROBERT
ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 3.
Aufl. 2009, Rz. 9-10). Die materielle Eingrenzung der Amts- und Rechtshilfe,
insbesondere die Prüfung der Frage, ob im Einzelfall die
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Amts- bzw. Rechtshilfevoraussetzungen erfüllt sind, bleibt den dafür
zuständigen Justizbehörden vorbehalten.

2.3.2 Dass ein Vertragsstaat den Verfahrensweg der internationalen Amtshilfe
wählt und sein Ersuchen durch die dafür zuständigen Amtshilfebehörden und
Justizorgane des ersuchten Staates prüfen lässt, bildet entgegen der Ansicht
der Beschwerdeführer keine unzulässige Umgehung der Rechtshilfe in Strafsachen.
Für die Prüfung und Gewährleistung, dass Amtshilfeersuchen nicht
"missbräuchlich" gestellt werden bzw. dass Amtshilfe - insbesondere in Form von
Bankauskünften an ausländische Fiskalbehörden - nur unter den geltenden
völkerrechtlichen und gesetzlichen Voraussetzungen bewilligt wird, sind die im
Amtshilfeverfahren zuständigen Behörden und Justizorgane des ersuchten Staates
zuständig. Wie bereits dargelegt (E. 2.2.2), hat der schweizerische Gesetzgeber
die letztinstanzliche justizielle Prüfung von Amtshilfeersuchen in die Hände
des BVGer gelegt.

2.3.3 Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, materiellrechtlich sei
Amtshilfe (oder Rechtshilfe) nicht zulässig, führt weder zur "Umdeutung" des
streitigen Amtshilfeverfahrens in ein Rechtshilfeverfahren noch zur
Zuständigkeit des BStGer als Beschwerdeinstanz in Rechtshilfeangelegenheiten.
Die materiellen Einwände gegen die Schlussverfügung der EStV betreffend
Amtshilfe an die USA wären vielmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVGer
vorzubringen. Dies gilt insbesondere für die Rügen, mit der nachträglichen
Genehmigung des Abkommens USA/UBS (samt Änderungsprotokoll) habe der
Gesetzgeber die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung (sowie diverse
verfassungs- und völkerrechtliche Normen) verletzt, oder es sei ihnen, den
Beschwerdeführern, kein Abgabebetrug vorzuwerfen. Das BVGer hat seine
Zuständigkeit in solchen Fällen denn auch schon (gestützt auf das VGG) mit
Recht bejaht (vgl. Urteil des BVGer A-7789/2009 vom 21. Januar 2010, teilweise
publ. in: BVGE 2010/7). Im vorliegenden Fall hat das BVGer seine Zuständigkeit
mit Zwischenverfügung vom 23. September 2010 bereits ausdrücklich bestätigt.

2.4 Die übrigen von den Beschwerdeführern angerufenen diversen Bestimmungen des
Völker- und Bundesrechts haben im vorliegenden Zusammenhang (streitige
Zuständigkeitsfrage) keine über das Dargelegte hinausgehende selbstständige
Bedeutung.
BGE 137 II 128 S. 136

2.5 Der angefochtene Nichteintretensentscheid des BStGer erweist sich als
bundes- und völkerrechtskonform. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.

2.6 Soweit die Vorbringen und Rechtsbegehren der Beschwerdeführer sich auf
materiellrechtliche Fragen des Amts- und Rechtshilferechts beziehen, die nicht
Gegenstand des angefochtenen Entscheides bilden, ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.