Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 III 67



Urteilskopf

137 III 67

11. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. gegen
Erwachsenen- und Kindesschutzkommission der Stadt Bern (Beschwerde in
Zivilsachen)
5A_645/2010 vom 27. Dezember 2010

Regeste

Art. 420 Abs. 1 ZGB; Legitimation zur Vormundschaftsbeschwerde.
Ein Dritter ist zur Vormundschaftsbeschwerde legitimiert, wenn er sich auf
Interessen der schutzbedürftigen Person beruft oder die Verletzung eigener
Rechte und Interessen geltend macht, die hätten berücksichtigt werden müssen
(E. 3.1).
Beruft sich der Dritte auf Interessen des Schutzbedürftigen, muss er diesem
zudem nahestehen, um legitimiert zu sein (Analogie zu Art. 397d Abs. 1 ZGB) (E.
3.4 und 3.5).
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Bank oder der zuständige
Bankangestellte im Einzelfall als nahestehende Personen gelten können, doch
kann die Frage vorliegend offengelassen werden (E. 3.6).

Sachverhalt ab Seite 67

BGE 137 III 67 S. 67
Die Bank X. verwahrt Vermögenswerte von A. Am 27. Januar 2009 errichtete die
Erwachsenen- und Kindesschutzkommission der Stadt Bern über A. eine
Beistandschaft auf eigenes Begehren. Mit Saldierungsauftrag vom 7. Juli 2009
wies der Beistand die Bank X.
BGE 137 III 67 S. 68
an, sämtliche Konti und Depots von A. zu saldieren und das Guthaben auf ein
Konto bei der Bank C. zu übertragen.
Gegen diese Handlung des Beistands erhob die Bank X. am 20. Juli 2009
Beschwerde im Sinne von Art. 420 Abs. 1 ZGB. Die Erwachsenen- und
Kindesschutzkommission der Stadt Bern trat darauf am 22. September 2009 nicht
ein.
Am 5. Oktober 2009 erhob die Bank X. gegen diesen Beschluss Beschwerde gemäss
Art. 420 Abs. 2 ZGB an das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland, welche am
12. April 2010 abgewiesen wurde.
Die Bank X. erklärte am 23. April 2010 die Weiterziehung an das Obergericht des
Kantons Bern. Am 5. August 2010 wies das Obergericht das Rechtsmittel ab.
Dagegen hat die Bank X. (Beschwerdeführerin) am 14. September 2010 Beschwerde
in Zivilsachen und - eventualiter - subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben.
Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung
der Sache zur materiellen Beurteilung an das Obergericht, eventuell an die
Erwachsenen- und Kindesschutzkommission der Stadt Bern. Subeventualiter sei der
Saldierungsauftrag des Beistandes zu widerrufen und dieser anzuweisen, die
bestehenden Konti und Depots von A. bei der Beschwerdeführerin
aufrechtzuerhalten. Die Erwachsenen- und Kindesschutzkommission ersucht um
Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Gegenstand des Verfahrens bildet die Frage, ob die Beschwerdeführerin zur
Erhebung einer Beschwerde gemäss Art. 420 ZGB gegen die fragliche Handlung des
Beistandes legitimiert ist. Dabei ist vorauszuschicken, dass sich diese
Beschwerde über den Wortlaut der Norm hinaus nicht nur gegen Handlungen eines
Vormundes, sondern auch eines Beistandes richten kann (Art. 367 Abs. 3 ZGB).

3.1 In analoger Anwendung von Art. 420 Abs. 1 ZGB können somit gegen Handlungen
des Beistandes der urteilsfähige Verbeiständete sowie jedermann, der ein
Interesse hat, Beschwerde führen.
BGE 137 III 67 S. 69
Das Recht des Dritten zur Beschwerdeführung ist nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung eingeschränkt. Demnach ist ein Dritter zur Beschwerdeführung
gemäss Art. 420 ZGB legitimiert, wenn er sich auf Interessen der
schutzbedürftigen Person beruft oder die Verletzung eigener Rechte oder
Interessen geltend macht (BGE 121 III 1 E. 2a S. 3). Wie sich der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen lässt, wird die Verfolgung eigener
Interessen aber nur insofern zugelassen, als bei der angefochtenen Handlung die
geltend gemachten Rechte oder Interessen des Beschwerdeführers überhaupt
berücksichtigt werden müssen (BGE 121 III 1 E. 2b S. 4; Urteil 5C.242/2005 vom
17. Januar 2006 E. 2.2; THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch,
Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 31 zu Art. 420 ZGB).

3.2 Die Vorinstanz hat die Legitimation der Beschwerdeführerin einzig unter dem
Aspekt der Wahrung von Interessen der schutzbedürftigen Person geprüft. Sie hat
angenommen, das Beschwerderecht stehe in diesem Fall nicht beliebigen Dritten
zu, sondern erforderlich sei ein besonderes Näheverhältnis zur
schutzbedürftigen Person, und hat hiezu auf eine Analogie zu Art. 397d Abs. 1
ZGB abgestellt. Die angebliche Beziehung zwischen A. und der Beschwerdeführerin
bzw. der zuständigen Bankangestellten sei dazu nicht genügend eng. Ob die
Beschwerdeführerin zur Wahrung eigener Rechte oder Interessen
Vormundschaftsbeschwerde erheben könne, hat das Obergericht mangels
ausdrücklicher Geltendmachung nicht geprüft.

3.3 Die Beschwerdeführerin behauptet nach wie vor, die Beschwerde im Interesse
der verbeiständeten A. zu erheben, um ihr die Mühe einer eigenen Prozessführung
zu ersparen. Die Beschwerdeführerin ist zwar Adressatin des Saldierungsauftrags
des Beistands, womit die Anrufung von Eigeninteressen nahe liegen würde. Sie
bringt denn auch vor, hinter dem angeblich systematischen Transfer von
vormundschaftlichen Geldern an die Bank C. würden nicht vormundschaftliche
Interessen stehen, sondern die entsprechenden Anweisungen erfolgten aus
protektionistischen Gründen. Dies ändert aber nichts daran, dass sie sich zur
Begründung ihrer Legitimation einzig auf die Wahrung von Fremdinteressen beruft
und sie sich auch nicht gegen die vorinstanzliche Feststellung wendet, dass sie
schon vor Obergericht keine Eigeninteressen geltend gemacht habe. Mithin ist
ihre Beschwerde einzig unter dem Gesichtspunkt
BGE 137 III 67 S. 70
der Wahrung von Interessen des Schutzbedürftigen (Mündelinteressen) zu prüfen.

3.4 Zu untersuchen ist, welcher Personenkreis zur Beschwerde gemäss Art. 420
Abs. 1 ZGB im Interesse des Schutzbedürftigen legitimiert ist.

3.4.1 Gemäss dem Wortlaut von Art. 420 Abs. 1 ZGB kann der urteilsfähige
Bevormundete sowie "jedermann, der ein Interesse hat" bei der
Vormundschaftsbehörde Beschwerde führen. Die französische Fassung spricht von
"tout intéressé", die italienische von "ogni interessato". Der Wortlaut der
Norm kennt somit in keiner Version eine über das Interessenerfordernis
hinausgehende Einschränkung der Legitimation. Insbesondere findet sich keine
ausdrückliche Einschränkung auf nahestehende Personen.
Weitere Bestimmungen des Vormundschaftsrechts, welche sich zur Legitimation
Dritter äussern und sie mit der Formel "jedermann, der ein Interesse hat"
umschreiben, sind Art. 388 Abs. 2 ZGB (Anfechtung der Wahl eines Vormundes),
Art. 433 Abs. 3 ZGB (Antragstellung zur Aufhebung der Vormundschaft) und Art.
446 Abs. 1 ZGB (Antrag auf Amtsenthebung des Vormundes). Sie werfen alle
dasselbe Problem auf, wie weit der Kreis der interessierten Personen gezogen
werden soll (vgl. für einen Überblick BERNHARD SCHNYDER, "...jedermann, der ein
Interesse hat", in: Festschrift für Cyril Hegnauer [...] [nachfolgend:
Jedermann], 1986, S. 457 ff.).
Der Begriff der nahestehenden Person wird in Art. 397d Abs. 1 ZGB verwendet, um
den Kreis der Dritten zu umschreiben, die einen Entscheid über die
fürsorgerische Freiheitsentziehung in eigenem Namen anfechten können. Unter
Nahestehenden versteht das Bundesgericht jene Personen, die den Betroffenen
zufolge Verwandtschaft oder Freundschaft oder wegen ihrer Funktion oder
beruflichen Tätigkeit (Arzt, Sozialhelfer, Priester oder Pfarrer etc.) gut
kennen und die deshalb geeignet erscheinen, die Interessen der betroffenen
Person wahrzunehmen (BGE 122 I 18 E. 2c/bb S. 30; BGE 114 II 213 E. 3 S. 217;
Urteil 5A_837/2008 vom 25. März 2009 E. 5.2).

3.4.2 Den Materialien zu Art. 420 ZGB lässt sich entnehmen, dass Eugen Huber
von einer weiten Konzeption der Legitimation ausgegangen ist: In den
Erläuterungen zum Vorentwurf nennt er als Beispiele für Legitimierte nicht nur
Verwandte und den Ehegatten, sondern ausdrücklich auch "in Geschäftsbeziehungen
befindliche Personen" (EUGEN HUBER, Schweizerisches Zivilgesetzbuch,
BGE 137 III 67 S. 71
Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartements, Bd. I, 2. Ausg. 1914, S. 307). In den parlamentarischen
Beratungen war einfach von "tout interessé" (Berichterstatter Rossel,
Sten.Bull. 1905 N 1296) bzw. von jedem Dritten, der Interesse hat, als
Aktivlegitimierten (Berichterstatter Hoffmann, Sten.Bull. 1906 S 85) die Rede.

3.4.3 In der Lehre lassen in der Folge auch ROSSEL/MENTHA Geschäftsbeziehungen
zur Legitimation ausdrücklich genügen (ROSSEL/MENTHA, Manuel du droit civil
suisse, Bd. I, 2. Aufl. 1922, Ziff. 861). Keine Einschränkung macht KAUFMANN,
der jeden, der im Interesse des Bevormundeten handelt, als legitimiert ansieht.
Er erwähnt allerdings in seinen Beispielen die Geschäftsbeziehung nicht, aber
dafür unter anderen Geistliche, Lehrer, öffentliche Organe und Beamte,
Fürsorgestellen und -vereine (JOSEPH KAUFMANN, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1924,
N. 14 zu Art. 420 ZGB). ROOS hält die gesellschaftlichen Anschauungen für
massgeblich, wobei Engherzigkeit in der Bestimmung der Beschwerdeberechtigten
nicht am Platz sei, da es darum gehe, eine möglichst gute Vormundschaftspflege
zu gewährleisten (GOTTFRIED ROOS, Die Legitimation zur
Vormundschaftsbeschwerde, ZVW 1955 S. 48). SCHWARZ verlangt "eine gewisse
Beziehung rechtlicher, moralischer, amtlicher oder wenigstens tatsächlicher
Natur" des Dritten zum Schutzbedürftigen (ANDREAS SCHWARZ, Die
Vormundschaftsbeschwerde, Art. 420 ZGB, 1968, S. 81). In der neueren Literatur
sprechen sich DESCHENAUX/STEINAUER für ein sehr weites Verständnis des
genügenden Interesses aus (DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et
tutelle, 4. Aufl. 2001, Rz. 1014). SCHNYDER verlangt zur Vermeidung einer
Popularbeschwerde eine besondere Nähe des Dritten, der nur Mündelinteressen
wahren will, zum Schutzbedürftigen, analog der nahestehenden Person gemäss Art.
397d Abs. 1 ZGB (BERNHARD SCHNYDER, Zur Vormundschaftsbeschwerde nach Art. 420
ZGB, ZVW 2002 S. 79 f.; vgl. auch ders., Jedermann, a.a.O., S. 459, 462). Eine
enge Beziehung rechtlicher, amtlicher, moralischer oder tatsächlicher Natur
verlangt auch MEIER (PHILIPPE MEIER, La position des tiers en droit de la
tutelle, ZVW 1996 S. 89 f.). Die erforderliche Nähe entspreche der in Art. 397d
Abs. 1 ZGB vorgesehenen ( ders., Le consentement des autorités de tutelle aux
actes du tuteur [nachfolgend: Consentement], 1994, S. 196).SCHNYDER/MURER
weisen darauf hin, dass die Formulierung "jedermann, der ein Interesse hat" im
ZGB des öfteren vorkomme, aber funktionalisiert, d.h. im Zusammenhang mit der
BGE 137 III 67 S. 72
jeweiligen Norm, auszulegen sei. Bei Art. 420 und Art. 397d Abs. 1 ZGB dränge
sich jedoch eine gleichartige Auslegung auf, da es in beiden Fällen um
vormundschaftliche Massnahmen gehe (SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, 3. Aufl.
1984, N. 19 zu Art. 388 ZGB).

3.4.4 Was den von der Vorinstanz und neueren Autoren herangezogenen Vergleich
der Legitimationsvoraussetzungen in Art. 420 Abs. 1 ZGB mit denjenigen von Art.
397d Abs. 1 ZGB betrifft, ist ein Blick in die Entstehungsgeschichte der
letztgenannten Norm angebracht. Die bundesrätliche Botschaft vertritt die
Auffassung, dass der Begriff "nahestehende Person" dem Sinne nach der in Art.
420 ZGB verwendeten Umschreibung "jedermann, der ein Interesse hat" entspreche
(Botschaft vom 17. August 1977 über die Änderung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches [Fürsorgerische Freiheitsentziehung] [...], BBl 1977 III 37
Ziff. 241.2). Die Botschaft führt weiter aus: "Dieser Ausdruck [jedermann, der
ein Interesse hat] ist aber unbefriedigend; denn nach Lehre und Praxis hat nur
derjenige ein Interesse im Sinne des Gesetzes, welcher Mündelinteressen wahren
will. Es drängt sich deshalb eine Formulierung auf, die den wahren Gehalt
besser wiedergibt." Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass dem
Gesetzgeber für Art. 397d Abs. 1 ZGB dieselbe Legitimationsbestimmung
vorschwebte wie für Art. 420 Abs. 1 ZGB, und zwar im Sinne einer Beschränkung
auf die Wahrung von Mündelinteressen. Die Differenz im Wortlaut wäre mithin
keine Differenz im Inhalt. Allerdings erscheint es wenig zweckmässig, das
Kriterium der Verfolgung von Mündelinteressen mit demjenigen der Nähebeziehung
zwischen Schutzbedürftigem und Beschwerdeführer umschreiben zu wollen: Weder
nimmt ein Nahestehender zwingend Mündelinteressen wahr, noch handelt ein
Aussenstehender in jedem Fall aus Eigeninteresse. Das Bundesgericht hat die
Botschaft denn auch dahingehend gedeutet, dass der Gesetzgeber die Legitimation
gemäss Art. 397d Abs. 1 ZGB nicht auf den Kreis der Interessierten nach Art.
420 Abs. 1 ZGB beschränken wollte (BGE 114 II 213 E. 3 S. 217; vgl. BGE 122 I
18 E. 2c/bb S. 30; kritisch MEIER, Consentement, a.a.O., S. 196 Fn. 262).
Gemäss dieser Lesart findet gegenüber Art. 420 ZGB insofern eine Ausweitung der
Legitimation statt, als im Rahmen von Art. 397d Abs. 1 ZGB nicht erforderlich
ist, Interessen der betroffenen Person wahrzunehmen (THOMAS GEISER, a.a.O., N.
13 zu Art. 397d ZGB; vgl. auch EUGEN SPIRIG, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1995,
N. 24 zu Art. 397d ZGB). Soweit die bundesrätliche Botschaft davon auszugehen
scheint, dass
BGE 137 III 67 S. 73
im Rahmen von Art. 420 ZGB einzig Mündelinteressen wahrgenommen werden können,
ist anzumerken, dass das Bundesgericht für die Legitimation gemäss Art. 420 ZGB
in der neueren Rechtsprechung auch die Verfolgung von Eigeninteressen unter
bestimmten Voraussetzungen genügen lässt (oben E. 3.1; BGE 121 III 1 E. 2a S.
3; vgl. auch BGE 113 II 232 E. 2a S. 234). Wie auch immer es sich mit der
Absicht des Gesetzgebers bei der Regelung der fürsorgerischen
Freiheitsentziehung genau verhalten haben mag, so können die
Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 397d ZGB doch nicht entscheidend zur Auslegung
von Art. 420 ZGB beitragen, weil die letztgenannte Norm nicht Gegenstand der
damaligen Reform des Zivilgesetzbuches war.

3.4.5 Der Zweck der Vormundschaftsbeschwerde liegt nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung in erster Linie darin, die vormundschaftlichen Behörden zu einem
gesetzmässigen Verhalten und zur Wahrung der Interessen derjenigen, für die sie
tätig werden müssen, anzuhalten (BGE 121 III 1 E. 2a S. 3; BGE 103 II 170 E. 2
S. 174). Die Popularbeschwerde würde diesem Ziel am umfassendsten Rechnung
tragen. Dass eine solche aber nicht gewollt gewesen ist, sondern der
Interessennachweis eine gewisse Einschränkung mit sich bringen sollte, ist
unbestritten (SCHWARZ, a.a.O., S. 71; ROOS, a.a.O., S. 42; SCHNYDER, Jedermann,
a.a.O., S. 461). Somit kann der Zweck der Vormundschaftsbeschwerde zur
Umschreibung der Beschwerdelegitimation jedenfalls nicht alleine massgeblich
sein.

3.5 Wie dieser Überblick über die verschiedenen für die Auslegung massgeblichen
Elemente (BGE 135 III 112 E. 3.3.2 S. 116 mit Hinweisen) und über die
Standpunkte der Doktrin zeigt, lassen sich sowohl für eine eingrenzende wie
eine grosszügigere Interpretation von Art. 420 ZGB Argumente finden. Aus den
nachfolgenden Gründen ist die Beschwerdelegitimation im Rahmen von Art. 420 ZGB
allerdings auf nahestehende Personen zu beschränken, sofern der
Drittbeschwerdeführer die Wahrung von Interessen des Schutzbedürftigen geltend
macht.
Zunächst erscheint es sinnvoll, die Legitimation im Rahmen
vormundschaftsrechtlicher Anordnungen unabhängig vom Zusammenhang grundsätzlich
gleich zu umschreiben. Sachliche Gründe für eine Differenzierung sind nicht
auszumachen. Die Angleichung von Art. 420 und Art. 397d Abs. 1 ZGB kann in zwei
Richtungen erfolgen: Entweder ist unter dem "Interessierten" gemäss Art. 420
ZGB,
BGE 137 III 67 S. 74
der Mündelinteressen wahrnimmt, ein "Nahestehender" im Sinne von Art. 397d Abs.
1 ZGB zu verstehen oder es werden umgekehrt im Rahmen von Art. 397d Abs. 1 ZGB
über dessen Wortlaut hinaus auch weitere Interessierte zur Beschwerde
zugelassen. Für die erstere Lösung spricht sich nicht nur der überwiegende Teil
der neueren Lehre aus, sondern es sprechen auch die nachfolgend darzustellenden
Sachargumente dafür.
Dass ein Dritter im Interesse einer anderen Person überhaupt ein Rechtsmittel
ergreifen kann, ist nicht selbstverständlich. Vielmehr wird grundsätzlich
sowohl im Privatrecht wie auch im öffentlichen Recht, zu welchem das
Vormundschaftsrecht materiell gehört, ein - wie auch immer geartetes -
besonderes eigenes Berührtsein von Dritten verlangt, die den Rechtsweg
einschlagen wollen (vgl. BGE 122 III 279 E. 3a S. 282 zur aktienrechtlichen
Anfechtungsklage; BGE 130 V 560 E. 3.5 S. 564 f. zur sog. Drittbeschwerde pro
Adressat). In der Regel ist jedes Rechtssubjekt gehalten, seine eigenen
Interessen selber wahrzunehmen. Auch im Vormundschaftsrecht kann der
urteilsfähige Schutzbedürftige seine Interessen mit einer Beschwerde
grundsätzlich selber wahren. Die Drittbeschwerde im Interesse des
Schutzbedürftigen ist aber dadurch gerechtfertigt, dass dieser von ihr unter
Umständen keinen Gebrauch machen kann oder will. Die Gründe hiefür können
vielfältig sein: Beispielsweise ist die betroffene Person hinsichtlich der
anzufechtenden Handlung nicht urteilsfähig oder sie überblickt zumindest ihre
volle Tragweite nicht oder sie will ihre Beziehung zum Beistand etc. nicht
gefährden. Insoweit erscheint sinnvoll, dass ein Aussenstehender an ihrer
Stelle, aber in ihrem Interesse, Beschwerde führen kann. Zugleich rechtfertigt
es sich aber, die Legitimation auf Personen einzuschränken, welche den
Schutzbedürftigen gut kennen und die sich damit in berechtigter Weise für
dessen Wohl verantwortlich fühlen dürfen und besonders geeignet erscheinen,
seine Bedürfnisse und Wünsche auszudrücken. Nur sie verfolgen denn auch in der
Regel den Gang der vormundschaftlichen Handlungen näher und geraten nicht bloss
zufällig oder im Einzelfall mit ihnen in Berührung. Gegen die Beschränkung der
Beschwerdebefugnis auf Nahestehende könnte einzig sprechen, dass Nahestehende
entweder nicht vorhanden sind oder auf eine Beschwerde verzichten, was durchaus
auch aus egoistischen Motiven geschehen kann. Der Schutzbedürftige könnte
insofern schutzlos bleiben, wenn kein Aussenstehender seine Interessen
verteidigen darf. Nur ist die Vormundschaftsbeschwerde
BGE 137 III 67 S. 75
keine Popularbeschwerde für jedermann, der Interessen des Schutzbedürftigen
oder am richtigen Vollzug des Bundesrechts wahren möchte (oben E. 3.4.5). Muss
aber eine Beschränkung der Beschwerdeberechtigung für die Geltendmachung von
Mündelinteressen vorgenommen werden, so verspricht die Eingrenzung auf
Nahestehende eine gewisse Legitimität für den Übergriff in die fremde
Rechtssphäre.
Personen, die nicht als nahestehend qualifiziert werden können, bleiben jedoch
nicht machtlos und die schutzbedürftige Person ohne Nahestehende auch nicht
völlig schutzlos. Jedermann steht die Möglichkeit einer allgemeinen
Aufsichtsbeschwerde zu (SCHWARZ, a.a.O., S. 33). Mit der
Vormundschaftsbeschwerde können zudem nicht nur Mündelinteressen, sondern auch
Eigeninteressen des Drittbeschwerdeführers gewahrt werden (oben E. 3.1). Hier
genügt die Berufung auf Interessen, die im Rahmen der umstrittenen
vormundschaftlichen Handlung hätten berücksichtigt werden müssen und insoweit
schutzwürdig sind. Solche Interessen können auch Personen geltend machen, die
dem Schutzbedürftigen nicht nahestehen.

3.6 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie stehe der verbeiständeten A.
nahe, so dass sie ihre Interessen im Rahmen von Art. 420 ZGB selbst dann wahren
könne, wenn zu dieser Beschwerde nur Nahestehende legitimiert seien.
Im vorinstanzlichen Urteil finden sich keine Feststellungen zur genauen
Beziehungsqualität zwischen der verbeiständeten A. und der Beschwerdeführerin
bzw. der zuständigen Kundenberaterin. Vielmehr hat das Obergericht die
diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin über die Langjährigkeit der
Kundenbeziehung und das Vertrauensverhältnis als unsubstantiiert bezeichnet.
Darauf geht die Beschwerdeführerin nicht ein. Sie erachtet gegenteils ihre
Sachverhaltsdarstellung als durch die Vorinstanz nicht in Frage gestellt. Eine
in willkürlicher Weise erfolgte Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz
behauptet sie nicht, so dass für das Bundesgericht das Bestehen eines
langjährigen Vertrauensverhältnisses nicht als nachgewiesen gelten kann.
Es ist nicht undenkbar, dass eine Bank bzw. der zuständige Bankangestellte je
nach Konstellation eine nahestehende und damit beschwerdelegitimierte Person
ist. Das Näheverhältnis kann auch über den Beruf derjenigen Person vermittelt
werden, welche Vormundschaftsbeschwerde führen will (oben E. 3.4.1). Eine
genügende
BGE 137 III 67 S. 76
Nähebeziehung wird bei einer blossen Konto- und Depotführung ohne besonders
engen Kontakt allerdings nicht angenommen werden dürfen. Hingegen kommen Fälle
intensiverer Begleitung vor, bei denen die Qualifikation der Bank bzw. des
zuständigen Bankangestellten als nahestehende Person nicht von vornherein
ausgeschlossen erscheint. Dies kann etwa der Fall sein bei einer langjährigen
und umfassenden Finanzplanung für die betroffene Person und ihre Angehörigen
(z.B. Nachfolgeregelung). Diese Frage braucht jedoch nicht abschliessend
geklärt zu werden, da die Beschwerdeführerin keine entsprechenden Umstände
namhaft macht. Zu beachten ist des Weiteren, dass die Beziehung in der Regel
über einen bestimmten Bankangestellten vermittelt wird. Ob sich die Bank diese
Beziehung zurechnen lassen kann, um selber Beschwerde führen zu können, braucht
an dieser Stelle jedoch ebenfalls nicht entschieden zu werden.

3.7 Die Beschwerdeführerin kann somit nicht als der verbeiständeten A.
nahestehende Person gelten. Sie ist nicht zur Vormundschaftsbeschwerde
legitimiert, wenn sie auf diesem Wege Interessen der Verbeiständeten wahren
will. Ihre allfälligen Eigeninteressen an der Beschwerdeführung können im
vorliegenden Verfahren nicht beurteilt werden (oben E. 3.3). Folglich ist die
Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.