Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 III 59



Urteilskopf

137 III 59

10. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
(Beschwerde in Zivilsachen)
5A_272/2010 vom 30. November 2010

Regeste

Bemessung des Unterhaltsbeitrages (Art. 285 ZGB); Schutz des Existenzminimums
des Unterhaltsschuldners; Gleichbehandlung unterhaltsberechtigter Kinder.
Bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrages nach Art. 285 ZGB kann der
wiederverheiratete Unterhaltsschuldner die Sicherung des Existenzminimums nur
für seine eigene Person beanspruchen, nicht aber für seine gesamte zweite
Familie. Ermittlung dieses Existenzminimums unter Wahrung der Gleichbehandlung
aller unterhaltsberechtigten Kinder. Verteilung einer allfälligen Unterdeckung
auf alle betroffenen Kinder des Unterhaltsschuldners (E. 4.2 und 4.3).

Sachverhalt ab Seite 59

BGE 137 III 59 S. 59

A. Am 22. Mai 2003 schied die delegierte Richterin des Amtsgerichtspräsidenten
II von Luzern-Land die Ehe von X. (geb. 1960)
BGE 137 III 59 S. 60
und Y. (geb. 1961). Y. wurde verurteilt, seiner geschiedenen Ehefrau für den
Unterhalt der drei gemeinsamen Kinder A. (geb. 1989), B. (geb. 1992) und C.
(geb. 1993) monatliche Unterhaltsbeiträge von je Fr. 180.- bis Ende Juli 2003
und danach je Fr. 200.- zu bezahlen, jeweils zuzüglich Kinder- und
Ausbildungszulagen.
Nach der Scheidung heiratete Y. erneut. Aus der Ehe mit D. gingen die Kinder E.
(geb. 5. Januar 2006) und F. (geb. 3. Juni 2008) hervor.
B. Mit Eingabe vom 15. Februar 2007 stellte Y. beim Amtsgericht Hochdorf den
Antrag, er sei in Abänderung des Scheidungsurteils von der Erfüllung der
Unterhaltspflicht gegenüber seinen drei Kindern aus erster Ehe zu befreien und
lediglich zu verpflichten, die Kinder- und Ausbildungszulagen zu überweisen.
Zur Begründung führt er aus, seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich
seit der Scheidung dauerhaft und wesentlich verändert. Er habe wieder
geheiratet und eine neue Familie gegründet; überdies habe sich sein Einkommen
seit der Scheidung vermindert. X. schloss auf Abweisung dieser Klage.
Widerklageweise stellte sie das Begehren, die Unterhaltsbeiträge für die Kinder
B. und C. seien ab 1. Januar 2008 auf Fr. 400.-pro Monat zu erhöhen und Y. sei
zu verpflichten, ihr Fr. 1'000.- an die Kosten für einen Sprachaufenthalt der
Tochter A. zu bezahlen.
Das Amtsgericht Hochdorf hiess die Klage von Y. gut. Es verurteilte ihn
lediglich zur Überweisung der Kinder- bzw. Ausbildungszulagen für die drei
Kinder aus erster Ehe und befreite ihn im Übrigen von der Pflicht zur Bezahlung
von Unterhaltsbeiträgen. Die Widerklagebegehren wies das Amtsgericht ab. X.
appellierte gegen dieses Urteil. Vor dem Obergericht des Kantons Luzern
forderte sie Unterhaltsbeiträge für B. und C. von je Fr. 300.- pro Monat. Das
Obergericht wies die Appellation mit Urteil vom 2. März 2010 ab.
C. In ihrer Beschwerde an das Bundesgericht beantragt X. (fortan:
Beschwerdeführerin), Y. (fortan: Beschwerdegegner) sei zur Bezahlung der
geforderten Unterhaltsbeiträge zuzüglich Kinder- und Ausbildungszulagen zu
verurteilen; im Übrigen sei seine Urteilsabänderungsklage abzuweisen.
Eventualiter ersucht die Beschwerdeführerin darum, die Sache zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich verlangt sie, für das Verfahren
vor Bundesgericht sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu
gewähren.
BGE 137 III 59 S. 61
In seiner Vernehmlassung vom 7. Juli 2010 stellt der Beschwerdegegner den
Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei die
Beschwerde abzuweisen. Weiter ersucht er um Erteilung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung. Das Obergericht des Kantons Luzern hat sich
nicht vernehmen lassen.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Die Beschwerdeführerin beanstandet weiter, die Unterhaltsregelung, die zum
einen den Notbedarf der Kinder des Beschwerdegegners aus seiner zweiten Ehe
decke und zum andern den Beschwerdegegner von der Unterhaltspflicht gegenüber
seinen unmündigen Kindern aus erster Ehe entbinde, verstosse gegen das in Art.
8 Abs. 2 BV enthaltene verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. Die
Befreiung des Beschwerdegegners von seiner Unterhaltspflicht würdige die
erstehelichen Kinder zu Kindern "zweiter Klasse" herab und wirke sich nicht nur
psychisch, sondern auch materiell diskriminierend aus: Mangels
Alimentenbevorschussung seien die Kinder aus erster Ehe auf
Sozialhilfeleistungen angewiesen, die bei verbesserten finanziellen
Verhältnissen zurückerstattet werden müssen. Zur Begründung ihrer Rüge führt
die Beschwerdeführerin weiter aus, allein der Umstand, dass der
Beschwerdegegner mit seinen Kindern aus zweiter Ehe zusammenlebt, sei kein
sachlicher Grund, die gemeinsamen Kinder aus erster Ehe unterhaltsrechtlich
schlechter zu stellen. Auch die Maxime, wonach familienrechtliche
Unterhaltspflichten durch die finanzielle Leistungsfähigkeit des
Unterhaltsschuldners begrenzt sind, vermöge die qualifizierte
Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Vielmehr hätten mehrere Kinder des
gleichen Elternteils mit Bezug auf die elterliche Unterhaltspflicht Anspruch
auf Gleichbehandlung.

4.1 Das in Art. 8 Abs. 2 BV enthaltene allgemeine Diskriminierungsverbot
entfaltet seine Schutzwirkung grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen Bürger
und Staat. Die Vorschrift hat keine unmittelbare Drittwirkung in den
Beziehungen zwischen Privatpersonen, weshalb sich die Beschwerdeführerin in
ihrer Beschwerde, die sich gegen einen Entscheid in einer Streitigkeit zwischen
Privaten richtet, grundsätzlich nicht auf diese Vorschrift berufen kann.
Indessen sind bei der Auslegung der Vorschriften des Zivilrechts die besonderen
Anforderungen zu berücksichtigen, die sich aus den Grundrechten
BGE 137 III 59 S. 62
ergeben. Wie auch aus der Beschwerdeschrift hervorgeht, kommt dem
Beschwerdegrund der Verletzung von Art. 8 Abs. 2 BV keine eigenständige
Bedeutung zu. Im Ergebnis wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz nämlich
vor, sie habe den Grundsatz der Gleichbehandlung aller unterhaltsberechtigten
Kinder, wie er sich aus Art. 285 ZGB ergebe, ohne sachlichen Grund in
qualifizierter Weise verletzt und damit die zivilrechtlichen Vorschriften über
die Bemessung des Unterhaltsbeitrages offensichtlich falsch angewendet. Mit
dieser Begründung verlangt die Beschwerdeführerin, der Unterhalt der
erstehelichen Kinder sei dem Beschwerdegegner im analogen Rahmen zum Unterhalt
der zweitehelichen Kinder zu überbinden, das heisst in der Höhe des monatlichen
Grundbetrages zuzüglich Anteil Krankenkassenprämien.

4.2

4.2.1 Die Grundsätze zur Bemessung des elterlichen Unterhaltsbeitrages sind in
Art. 285 Abs. 1 ZGB geregelt. Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus dieser
Vorschrift, dass alle unterhaltsberechtigten Kinder eines Elternteils im
Verhältnis zu ihren objektiven Bedürfnissen finanziell gleich zu behandeln
sind. Ungleiche Unterhaltsbeiträge sind somit nicht von vorneherein
ausgeschlossen, bedürfen aber einer besonderen Rechtfertigung (BGE 126 III 353
E. 2b S. 358 f. mit Hinweisen). Die Höhe des Unterhaltsbeitrages hängt freilich
nicht nur von der Leistungsfähigkeit des in die Unterhaltspflicht genommenen,
sondern auch von den finanziellen Umständen des obhuts- bzw. sorgeberechtigten
Elternteils ab (BGE 126 III 353 E. 2b S. 359 mit Hinweisen). Über die Schranke
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils
kann sich das Gericht bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags für die Kinder
nach Art. 285 Abs. 1 ZGB aber in aller Regel nicht hinwegsetzen (BGE 127 III 68
E. 2c S. 70 f.; BGE 123 III 1 E. 3b/bb S. 5 mit Hinweisen). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ist dem Rentenschuldner mit Bezug auf alle
familienrechtlichen Unterhaltskategorien zumindest das betreibungsrechtliche
Existenzminimum stets voll zu belassen (vgl. BGE 126 III 353 E. 1a/aa S. 356,
bestätigt in BGE 135 III 66 E. 2 ff. S. 67 ff. mit Hinweisen). Diese
Rechtsprechung ist dahingehend zu verdeutlichen, dass der Rentenschuldner
lediglich für seine eigene Person die Sicherung der Existenz beanspruchen kann.
Er ist also nur im für ihn allein massgeblichen betreibungsrechtlichen
Existenzminimum zu schützen.
BGE 137 III 59 S. 63

4.2.2 Diesem Grundsatz und dem aus Art. 285 ZGB folgenden
Gleichbehandlungsprinzip ist insbesondere bei angespannten finanziellen
Verhältnissen dadurch Rechnung zu tragen, dass zur Ermittlung der tatsächlichen
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rentenschuldners zunächst von dessen
betreibungsrechtlichem Grundbetrag auszugehen ist. Massgeblich ist je nach den
konkreten Umständen der Grundbetrag für einen alleinstehenden Schuldner,
derjenige für einen alleinerziehenden Schuldner oder derjenige für einen
verheirateten, in einer eingetragenen Partnerschaft oder als Paar mit Kindern
lebenden Schuldner. In den drei zuletzt genannten Fällen ist dem
Unterhaltsschuldner jedoch nur die Hälfte des Grundbetrages anzurechnen, denn
der (neue) Ehegatte, eingetragene Partner bzw. Lebensgefährte des
Rentenschuldners soll gegenüber dessen Kindern jedenfalls nicht privilegiert
werden. Zum Grundbetrag sind alsdann die üblichen betreibungsrechtlichen
Zuschläge hinzuzuzählen, soweit sie für den Unterhaltsschuldner allein
massgeblich sind. Dazu zählen namentlich seine Wohnkosten, seine unumgänglichen
Berufsauslagen sowie die Kosten für seine Krankenversicherung und - bei
selbständiger Erwerbstätigkeit - für seine Altersvorsorge. Benützt der
Unterhaltsschuldner seine Wohnung zusammen mit seinem Ehegatten oder mit
anderen erwachsenen Personen, so ist ihm nach Massgabe deren - tatsächlicher
oder hypothetischer - wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit lediglich ein
angemessener Anteil an den gesamten Wohnkosten als eigenes Existenzminimum
anzurechnen. Bei der Ermittlung des Existenzminimums des Rentenschuldners sind
demnach weder kinderbezogene Positionen (namentlich der betreibungsrechtliche
Grundbetrag und die Krankenkassenprämie) der im gleichen Haushalt wohnenden
Kinder des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen noch allfällige
Unterhaltsbeiträge miteinzubeziehen, die der Unterhaltsschuldner seinen in
einem anderen Haushalt lebenden vor- oder ausserehelichen Kindern zu bezahlen
hat (BGE 127 III 68 E. 2c. S. 71; Urteil 5A_352/2010 vom 29. Oktober 2010 E.
6.2.1 mit Hinweisen). Ausser Acht bleiben müssen aber auch diejenigen
Positionen, die ausschliesslich den Ehegatten betreffen und für die der
Rentenschuldner allenfalls nach den in Art. 163 ff. ZGB enthaltenen
Vorschriften aufzukommen hätte, soweit der Ehegatte seinen eigenen Unterhalt
nicht aus eigenen Kräften bestreitet bzw. bestreiten kann. Das Gleiche gilt
sinngemäss im Falle einer eingetragenen Partnerschaft des Rentenschuldners
(vgl. Art. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004 [PartG; SR
211.231]).
BGE 137 III 59 S. 64

4.2.3 Soweit das massgebliche Einkommen des Unterhaltsschuldners sein nach der
geschilderten Berechnungsweise (E.4.2.1) ermitteltes eigenes Existenzminimum
übersteigt, ist dieser Überschuss zunächst unter alle unterhaltsberechtigten
Kinder (nach Massgabe ihrer jeweiligen Bedürfnisse und der Leistungsfähigkeit
des anderen Elternteils) zu verteilen; gegebenenfalls muss der Schuldner zu
diesem Zweck auch auf Abänderung früherer Urteile klagen, die zu hohe Beiträge
festsetzen (Urteile 5A_62/2007 vom 24. August 2008 E. 6.2; 5C.197/2004 vom 9.
Februar 2005 E. 3.1; 5C.127/2003 vom 15. Oktober 2003 E. 4.1.4). Vom Bedarf
jedes unterhaltsberechtigten Kindes ist dabei in jedem Fall dessen Kinder- oder
Ausbildungszulage abzuziehen, denn diese Leistungen, die ausschliesslich für
den Unterhalt des Kindes bestimmt sind, werden nach der Rechtsprechung nicht
zum Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils hinzugezählt, sondern sind bei
der Ermittlung des durch den Unterhaltsbeitrag zu deckenden Bedarfs des Kindes
vorweg in Abzug zu bringen (BGE 128 III 305 E. 4b S. 310; Urteil 5A_352/2010
vom 29. Oktober 2010 E. 6.2.1 mit Hinweisen). Reicht der allfällige Überschuss
des unterhaltspflichtigen Elternteils nicht aus, um die Bedürfnisse all seiner
Kinder zu decken, so ist das Manko auf alle Kinder und somit auf alle
betroffenen Familien zu verteilen. Verbleibt überhaupt kein Überschuss, so
können auch keine Unterhaltsbeiträge zugesprochen werden.

4.2.4 Die erläuterten Grundsätze gelten nicht nur für das aussereheliche Kind,
das unterhaltsmässig gleichgestellt werden will wie seine älteren
Halbgeschwister aus einer anderen Verbindung seines Vaters. Die Prinzipien sind
in gleicher Weise anzuwenden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die
Gleichbehandlung der älteren Kinder aus der ersten Ehe mit den jüngeren
Halbgeschwistern aus der zweiten Ehe desselben Vaters in Frage steht (vgl.
Urteil 5A_352/2010 vom 29. Oktober 2010 E. 6.2.1).

4.3

4.3.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall
anerkennt die Beschwerdeführerin die zahlenmässige Bestimmung der
entscheiderheblichen Beträge, wie sie von der Vorinstanz für die Bemessung des
elterlichen Unterhaltsbeitrages vorgenommen wurde, ausdrücklich als "nicht
streitig". Den diesbezüglichen Feststellungen ist zu entnehmen, dass der
Beschwerdegegner bei voller Ausschöpfung seiner Arbeitskraft ein
BGE 137 III 59 S. 65
Monatseinkommen von Fr. 3'348.- (exkl. Kinderzulagen) erzielen kann und seine
jetzige Ehefrau keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Das Existenzminimum der
gesamten Familie, das heisst des Beschwerdegegners, dessen zweiter Ehefrau und
der von dieser geborenen Kinder, beläuft sich gemäss vorinstanzlichen
Berechnungen auf Fr. 3'534.- (bis Ende Mai 2008), Fr. 3'876.- (bis Ende
September 2009) bzw. Fr. 4'326.- (ab Oktober 2009). Das Obergericht hat
ausserdem festgestellt, der Ehefrau des Beschwerdegegners könne zugemutet
werden, eine Teilzeiterwerbstätigkeit aufzunehmen und ein (hypothetisches)
Einkommen von monatlich Fr. 1'000.- zu erzielen; diese zusätzlichen Einnahmen
seien den Einkünften der Familie des Beschwerdegegners ab Juni 2010
anzurechnen. Gestützt auf diese Feststellung gelangt die Vorinstanz zum
Schluss, dass der Beschwerdegegner selbst unter Berücksichtigung des
hypothetischen Einkommens seiner Ehefrau ab Juni 2010 bloss den Notbedarf
seiner Familie (Fr. 4'326.-) decken kann und somit nicht in der Lage ist, die
Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern aus erster Ehe zu erfüllen.

4.3.2 Aus diesen vorinstanzlichen Schlussfolgerungen bzw. aus den
erstinstanzlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts vom 10. November
2009, auf welche die Vorinstanz ihre Erkenntnisse abstützt, geht hervor, dass
das Obergericht des Kantons Luzern bei der Ermittlung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des Beschwerdegegners die in E. 4.2 dargelegten Regeln nicht
befolgt und damit die in Art. 285 ZGB enthaltene Vorschrift falsch angewendet
hat. Die vorinstanzliche Rechtsverletzung beruht zunächst darauf, dass das
Obergericht nicht das Existenzminimum des Beschwerdegegners allein, sondern
dasjenige seiner gesamten (zweiten) Familie ermittelt und bei der Prüfung
seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Ganzes berücksichtigt hat.
Anstatt alle kinder- und ehegattenbezogenen Positionen von der Berechnung
auszuklammern, ist das Obergericht unter Einrechnung dieser Elemente zum
falschen Schluss gelangt, der Beschwerdegegner könne selbst unter Anrechnung
des hypothetischen Einkommens seiner zweiten Ehefrau ab Juni 2010 bloss den
Notbedarf seiner Familie decken und daher die Unterhaltspflicht gegenüber
seinen Kindern aus erster Ehe nicht erfüllen. Sodann hat das Obergericht auch
gegen das Bundeszivilrecht verstossen, indem es die Kinderzulagen, die der
Beschwerdegegner für seine zweitehelichen Kinder beanspruchen kann, von deren
Grundbedarf nicht in Abzug gebracht hat. Diese Rechtsfehler haben zur Folge,
dass der Beschwerdegegner gemäss dem angefochtenen
BGE 137 III 59 S. 66
Urteil jedenfalls bei Mitberücksichtigung eines (hypothetischen) Einkommens
seiner Ehefrau und bei Anrechnung der Kinderzulagen den Unterhalt seiner
zweitehelichen Kinder über deren betreibungsrechtlichen Grundbedarf hinaus
decken kann, während der Grundbedarf der erstehelichen Kinder überhaupt nicht
oder - unter Berücksichtigung allfälliger Kinder- bzw. Ausbildungszulagen - nur
teilweise gesichert ist.

4.4 Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als begründet. Im Rahmen der
Ermittlung der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Beschwerdegegners nach den dargelegten Regeln (E. 4.2) wird das Obergericht
auch zu berücksichtigen haben, dass den Einkünften der Familie des
Beschwerdegegners ab Juni 2010 ein hypothetisches Einkommen seiner Ehefrau von
monatlich Fr. 1'000.- anzurechnen ist. Das Obergericht wird prüfen müssen, ob
und gegebenenfalls in welchem Ausmass die Ehefrau dem Beschwerdegegner in der
Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinen vorehelichen Kindern
beizustehen hat, entsprechend der in Art. 278 Abs. 2 ZGB enthaltenen Vorschrift
und den dazu entwickelten Grundsätzen (vgl. dazu Urteil 5A_352/2010 vom 29.
Oktober 2010 E. 6.2.2 mit Hinweisen). In welcher Höhe die Beistandspflicht der
Ehefrau des Beschwerdegegners im Einzelnen anzusetzen ist, bestimmt sich
zunächst nach dem massgeblichen Grundbedarf der Kinder aus erster Ehe. Davon
sind nach dem Gesagten (E. 4.2.3) wiederum allfällige Familienzulagen in Abzug
zu bringen, die der Beschwerdegegner bezieht und der Beschwerdeführerin
überweist. Ob er dies tatsächlich getan hat bzw. immer noch tut, nachdem die
beiden jüngeren Kinder aus erster Ehe bereits am 28. Januar 2008 (B.) bzw. 7.
Februar 2009 (C.) ihr sechzehntes Altersjahr vollendet haben, geht weder aus
dem angefochtenen Entscheid noch aus den übrigen Akten hervor. Gestützt auf die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann das Bundesgericht in der Sache
selbst deshalb kein Urteil fällen.