Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 III 529



Urteilskopf

137 III 529

77. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
(Beschwerde in Zivilsachen)
5A_674/2011 vom 31. Oktober 2011

Regeste

Art. 11 Abs. 2 HKÜ; Art. 8 Abs. 1 BG-KKE; Kindesrückführung;
Beschleunigungsgebot.
Organisation des Verfahrens vor dem Hintergrund der sechswöchigen Frist,
namentlich mit Blick auf die Vermittlungsverhandlung bzw. Mediation (E. 2.2).

Sachverhalt ab Seite 529

BGE 137 III 529 S. 529

A. Y. und X. sind die Eltern der 2000 geborenen Z. Die ersten Lebensjahre
verbrachte das Kind mit seinen Eltern in der Schweiz.
Die Ehe der Parteien wurde am 16. November 2006 in Sofia geschieden, wobei das
Sorgerecht der Mutter übertragen wurde. Die Tochter lebte im Anschluss zusammen
mit ihrer Mutter in Bulgarien.
Der Vater blieb weiterhin in der Schweiz. Wie in den vergangenen Jahren hatten
die Eltern auch für die Sommerferien 2010
BGE 137 III 529 S. 530
vereinbart, dass Z. diese bei ihrem Vater in Bern verbringen und Anfang August
2010 wieder nach Bulgarien zurückkehren würde. Indes behielt der Vater sie bei
sich in Bern zurück.

B. Am 9. November 2010 stellte die Mutter (Y.) beim Obergericht des Kantons
Bern einen Antrag auf Rückführung von Z. nach Bulgarien.
Mit Entscheid vom 20. September 2011 ordnete das Obergericht die Rückführung
von Z. an und regelte die betreffenden Modalitäten.

C. Gegen diesen Entscheid hat X. am 29. September 2011 Beschwerde in
Zivilsachen erhoben, welche das Bundesgericht abweist, soweit es darauf
eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.2 (...)
Im Zusammenhang mit der vom Vater erwähnten 6-Wochen-Frist gemäss Art. 11 Abs.
2 des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen
Aspekte internationaler Kindsentführung (HKÜ; SR 0.211.230.02) wird allerdings
deutlich, dass dem von ihm angerufenen Beschleunigungsgebot bei
Kindesrückführungen eine besondere Bedeutung zukommt. Zwar zeigt sich in der
Praxis, dass die 6-Wochen-Frist im erstinstanzlichen Verfahren oft schwer
einzuhalten ist, namentlich vor dem Hintergrund der Gehörsgewährung, und gemäss
Konventionswortlaut kommt ihr denn auch explizit nur Richtliniencharakter zu.
Indes ergibt sich aus dieser sowie aus den weiteren auf ein rasches Handeln
zielenden Normen (Art. 1 lit a HKÜ: sofortige Rückgabe; Art. 2 HKÜ:
schnellstmögliche Verfahren; Art. 11 Abs. 1 HKÜ: gebotene Eile), dass die
notwendigen Instruktionsmassnahmen mit Vorteil in einer umgehend erlassenen
Instruktionsverfügung zu kondensieren sind (nach Möglichkeit bereits verbunden
mit der Ansetzung einer Vermittlungsverhandlung oder einer Schlussverhandlung
für den Fall des Scheiterns einer Mediation, soweit eine solche Verhandlung
angebracht erscheint) und insbesondere eine gestützt auf Art. 8 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 21. Dezember 2007 über internationale Kindesentführung und
die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen (BG-KKE; SR
211.222.32) gegebenenfalls angeordnete Mediation nicht quasi ausserhalb der vom
HKÜ
BGE 137 III 529 S. 531
vorgegebenen Richtlinienfrist stattfinden kann, ist sie doch Teil des
erstinstanzlichen Rückführungsverfahrens. Auch bei Anordnung einer solchen ist
mithin auf äusserste Speditivität zu achten und das Verfahren strikt in
richterlicher Hand zu behalten. Eine allfällige Mediation ist deshalb in
strukturierter Weise und, wie sich bereits aus der Botschaft zum BG-KKE ergibt
(BBl 2007 2625 Ziff. 6.7), geknüpft an richterlich vorgegebene Fristen
anzuordnen (beispielsweise drei Sitzungen innerhalb einer Woche oder Sitzungen
an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden und begründete Benachrichtigung des
Rückführungsgerichtes bzw. begründetes Ersuchen um Fristverlängerung, falls
noch kein Resultat erzielt worden, aber ein solches in absehbarer Zeit zu
erwarten ist und die Mediation deshalb weitergeführt werden sollte). Ferner ist
zu beachten, dass sich der Zweck einer Mediation darauf beschränkt, die
freiwillige Rückführung des Kindes zu erreichen oder eine gütliche Regelung der
Angelegenheit herbeizuführen (Art. 8 Abs. 1 BG-KKE), sie aber insbesondere
nicht der Abklärung von irgendwelchen Sachverhaltselementen dient. (...)