Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 III 460



Urteilskopf

137 III 460

69. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen
Z. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_197/2011 vom 15. August 2011

Regeste

Art. 686 Abs. 4, Art. 701 und 706b OR; Aktienbuch; Nichtigkeit eines
Universalversammlungsbeschlusses.
Der Inhalt des Aktienbuchs hat bloss die Bedeutung einer widerlegbaren
Vermutung. Wenn eine Aktiengesellschaft weiss oder wissen müsste, dass ein
Eintrag im Aktienbuch falsch ist, darf sie sich nicht auf diesen Eintrag
verlassen (E. 3.2).
Der Beschluss einer Universalversammlung, an welcher nicht alle Aktionäre
teilgenommen haben oder vertreten waren, ist nichtig. Der Beschluss kann auch
nicht als solcher einer normalen Generalversammlung gelten, wenn nicht alle
Aktionäre eingeladen wurden. Es kommt nicht darauf an, ob der übergangene
Aktionär den Beschluss mit seiner Stimmkraft hätte verhindern können (E. 3.3).

Regeste

Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG; Konkursgrund der Zahlungseinstellung.
Begriff der Zahlungseinstellung. Je nach den konkreten Umständen kann im
Angebot eines aussergerichtlichen Nachlasses eine Zahlungseinstellung erblickt
werden (E. 3.4).

Sachverhalt ab Seite 461

BGE 137 III 460 S. 461

A.

A.a Die X. AG ist aus einer Einzelgesellschaft hervorgegangen. Nach dem Tod
ihres Inhabers wurde die Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Es
war vorgesehen, dass der Geschäftsführer S. die Firma schrittweise übernehmen
sollte. Die Transaktion wurde beratend von der V. AG - einer von W.
beherrschten Gesellschaft - begleitet und W. wurde zum
Verwaltungsratspräsidenten der X. AG gewählt. Die Witwe des früheren Inhabers
(T.) blieb am Aktienkapital beteiligt. U. vertrat ihre Interessen im
Verwaltungsrat. Mit Kaufvertrag vom 18. Mai 2005 und Übertragungserklärung vom
9. Januar 2006 erwarb die V. AG von S. ein Aktienpaket an der X. AG. U. löste
W. am 17. März 2006 als Verwaltungsratspräsident ab.

A.b Mit Schreiben vom 7. Juni 2007 lud U. zur ordentlichen Generalversammlung
der X. AG am 29. Juni 2007. Diese Einladung wurde auch an W. verschickt. In
einem zweiten Schreiben vom 20. Juni 2007 wurde die Traktandenliste mit dem
Geschäft "Sitzverlegung" ergänzt. Auch dieses Schreiben ging an W. Die auf den
29. Juni 2007 anberaumte Versammlung fand nicht statt. Stattdessen wurde gemäss
öffentlicher Urkunde des Notariats Y. am 24. Juli 2007 eine
Universalversammlung durchgeführt, an welcher die Sitzverlegung der X. AG von
B. (BE) nach C. (TI) beschlossen wurde. Weder die V. AG noch W. waren zu dieser
Versammlung eingeladen worden noch waren sie anwesend oder vertreten.
Die Sitzverlegung wurde am 2. August 2007 im Handelsregister des Kantons Tessin
eingetragen. Die Löschung im Handelsregister Emmental-Oberaargau erfolgte am 8.
August 2007. Die Publikation der
BGE 137 III 460 S. 462
Sitzverlegung erfolgte im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 8. August 2007
(Eintragung im Handelsregister des Kantons Tessin) bzw. am 14. August 2007
(Löschung im Handelsregister Emmental-Oberaargau).

B. Mit Eingabe vom 2. August 2007 ersuchte die Z. AG beim Gerichtskreis V
Burgdorf-Fraubrunnen um Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung über die X.
AG und um Aufnahme eines Güterverzeichnisses. Die Z. AG machte geltend, die X.
AG habe ihre Zahlungen eingestellt. Die X. AG bestritt unter Hinweis auf die
Sitzverlegung die örtliche Zuständigkeit der Berner Gerichte. Am 23. August
2007 eröffnete der Gerichtspräsident 3 des Gerichtskreises V
Burgdorf-Fraubrunnen über die X. AG den Konkurs. Nachdem die Appellation der X.
AG an das Obergericht des Kantons Bern erfolglos geblieben war, hiess das
Bundesgericht am 8. April 2008 eine Beschwerde der X. AG gut und wies die Sache
an das Obergericht zurück (Urteil 5A_617/2007, teilweise publ. in: BGE 134 III
417). Mit Entscheid vom 17. Februar 2011 eröffnete das Obergericht über die X.
AG den Konkurs. Es stellte fest, dass die V. AG zum Zeitpunkt der
Universalversammlung noch Aktionärin der X. AG gewesen sei. Da an der
Universalversammlung nicht alle Aktionäre anwesend oder vertreten gewesen
seien, sei der an ihr gefasste Sitzverlegungsbeschluss nichtig.

C. Am 21. März 2011 hat die X. AG (Beschwerdeführerin) Beschwerde in
Zivilsachen erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen
Entscheids und die Zurückweisung, allenfalls Abweisung des Gesuchs der Z. AG
(Beschwerdegegnerin) um Konkurseröffnung. Das Obergericht hat auf Stellungnahme
verzichtet. Die Beschwerdegegnerin ersucht um Abweisung der Beschwerde und
Bestätigung des angefochtenen Entscheids.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Tatsachenfeststellungen des
Obergerichts über die Zusammensetzung ihres Aktionariats (unten E. 3.1), hält
das von ihr vorgelegte Aktienbuch für massgeblich (unten E. 3.2), bestreitet
die Nichtigkeit des Universalversammlungsbeschlusses vom 24. Juli 2007 (unten
E. 3.3) und
BGE 137 III 460 S. 463
verneint schliesslich das Vorliegen des Konkursgrundes der Zahlungseinstellung
(unten E. 3.4).

3.1 Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, das Obergericht habe die
Zusammensetzung ihres Aktionariats zum Zeitpunkt der Versammlung vom 24. Juli
2007 offensichtlich unrichtig festgestellt (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz
lege nicht dar und treffe keine abschliessenden Feststellungen darüber, ob die
V. AG oder W. zum entscheidenden Zeitpunkt Aktionär gewesen seien, und sie
verletze das Regelbeweismass des Vollbeweises, indem sie hier selber
Unsicherheiten zu erkennen gebe.
Entgegen dieser Darstellung hat die Vorinstanz nicht offengelassen, ob die V.
AG oder W. Aktionär gewesen sind. Sie hat sich vielmehr mit der Feststellung
begnügt, dass jedenfalls die V. AG Aktionärin gewesen ist und in der Folge
einzig offengelassen, ob zusätzlich W. auch noch Aktionär gewesen sei. Diese
Rüge geht demnach fehl.

3.2

3.2.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass die Vorinstanz das
Aktienbuch nicht für massgeblich gehalten hat. Für eine Aktiengesellschaft gebe
es keine andere zuverlässige Quelle, um zu wissen, wer ihr gegenüber als
Aktionär gelte. Dabei hält sie an der Massgeblichkeit des von ihr eingereichten
Aktienbuchs fest, welches die V. AG und W. nicht als Aktionäre ausweise.

3.2.2 Gemäss Art. 686 Abs. 4 OR gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als
Aktionär, wer im Aktienbuch eingetragen ist. Dem Aktienbuch kommt somit eine
Legitimationsfunktion im Verhältnis der Aktionäre zur Gesellschaft zu. Diese
Wirkung des Aktienbuchs ist allerdings beschränkt. Sein Inhalt hat bloss die
Bedeutung einer widerlegbaren Vermutung (BGE 124 III 350 E. 2c S. 354;
eingehend BGE 90 II 164 E. 3 S. 171 ff.). Die Vermutung kann umgestossen werden
durch den Nachweis, dass ein Eingetragener nicht Aktionär ist, oder umgekehrt,
dass ein Nichteingetragener Aktionär ist (BGE 90 II 164 E. 3 S. 173 f.;
FORSTMOSER UND ANDERE, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 43 Rz. 86). Für die
Rechtsträgerschaft ist der Eintrag im Aktienbuch somit nicht wesentlich (BGE
124 III 350 E. 2c S. 354). Zwar darf sich die Gesellschaft grundsätzlich auf
den Eintrag verlassen, solange er besteht. Doch gilt dies nur, wenn sie keine
Kenntnis davon hat oder haben müsste, dass der Eintrag falsch ist (PETER
BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 6 Rz. 320).
BGE 137 III 460 S. 464
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass sie von der Aktionärseigenschaft der V.
AG Kenntnis gehabt habe. Angesichts des überschaubaren Aktionärskreises und des
früheren Zusammenwirkens der Aktionäre bei der Leitung der Beschwerdeführerin
ist allerdings von vornherein nicht nachvollziehbar, wie sich
Verwaltungsratspräsident U. anlässlich der Sitzung vom 24. Juli 2007 einzig
hätte auf das Aktienbuch stützen dürfen, um die Aktionäre zu bestimmen. U. war
zudem aktenkundig über die seinerzeitige Abtretung eines Aktienpakets von S. an
die V. AG orientiert (vgl. das Schreiben der R. AG vom 16. Mai 2006 mit
Beilagen an U., wo unter anderem auf die Abtretung des Aktienpakets von S. an
die V. AG hingewiesen wird). Des Weiteren liegt ein Schreiben von W. vom 13.
Juni 2007 (auf Briefpapier der V. AG) an U. in den Akten, in welchem W. für die
Einladung zur Generalversammlung vom 29. Juni 2007 dankt und darauf hinweist,
dass nicht er, sondern die V. AG Aktionärin der Beschwerdeführerin sei, und um
entsprechende Änderung der Empfängeradresse ersucht. U. sandte denn auch am 20.
Juni 2007 die Ergänzung der Traktandenliste an die gewünschte Postadresse. U.
wusste somit, dass die V. AG behauptete, Aktionärin der Beschwerdeführerin zu
sein. Dieses Wissen ist der Beschwerdeführerin zuzurechnen (BGE 109 II 338 E.
2b S. 341 f.). Wenn die Beschwerdeführerin diese Kenntnisse jedoch in der Folge
nicht weiter beachtete und insbesondere nicht abklärte, ob die Behauptung der
V. AG zutrifft oder ob die V. AG die Aktien zurückübertragen hatte, so trägt
sie das Risiko für diese Unterlassung. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin,
dass sie von der Aktionärsstellung der V. AG keine Kenntnis gehabt habe oder
zumindest hätte haben müssen, hält demnach nicht stand. Es ist in der Folge
irrelevant, welchen Inhalt das angeblich am Tag der Universalversammlung
vorgelegte Aktienbuch aufwies. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem
Zusammenhang die Behauptung wiederholt, in einem Protokoll der
Aktionärsversammlung vom 17. März 2006 werde festgestellt, der
Aktienkaufvertrag vom 18. Mai 2005 sei "ausser Kraft" gesetzt worden, geht sie
schliesslich nicht auf die vorinstanzlichen Erwägungen ein, wonach dieses
Protokoll nicht unterzeichnet und die Rückübertragungsmodalitäten in diesem
Kaufvertrag selber geregelt seien, eine entsprechende Rückabwicklung aber von
keiner Seite behauptet worden sei (nicht publ. E. 2.1.1). Darauf ist nicht
einzutreten (vgl. nicht publ. E. 1).
BGE 137 III 460 S. 465

3.3

3.3.1 Des Weiteren ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, der Beschluss der
Generalversammlung vom 24. Juli 2007 sei nicht nichtig und die Teilnahme der V.
AG bzw. von W. an der Generalversammlung hätte an ihrem Ergebnis nichts
geändert.

3.3.2 Auf die Nichtigkeit eines Beschlusses kann sich jedermann und zu
grundsätzlich jeder Zeit berufen (BGE 115 II 468 E. 3b S. 473; Urteil 5C.143/
2005 vom 2. Februar 2006 E. 2 mit Hinweisen, in: Pra 96/2007 Nr. 7 S. 35 und
ZBGR 88/2007 S. 367), so dass die Nichtigkeit von der Beschwerdegegnerin im
vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden kann. Bei der Annahme von
Nichtigkeit ist jedoch Zurückhaltung geboten (BGE 115 II 468 E. 3b S. 474). Die
Gründe für die Nichtigkeit von Beschlüssen der Generalversammlung einer
Aktiengesellschaft sind in Art. 706b OR nicht abschliessend aufgezählt. Neben
den ausdrücklich aufgeführten schweren Mängeln primär inhaltlicher Natur können
auch schwerwiegende formelle Mängel in der Beschlussfassung zur Nichtigkeit
führen (Urteil 4A_197/2008 vom 24. Juni 2008 E. 2.1; DUBS/TRUFFER, in: Basler
Kommentar, Obligationenrecht, 3. Aufl. 2008, N. 17 zu Art. 706a [recte: Art.
706b] OR; BÖCKLI, a.a.O., § 16 N. 174; FORSTMOSER UND ANDERE, a.a.O., § 25 N.
117). Teilweise werden von den nichtigen Beschlüssen in begrifflicher Hinsicht
sog. Schein- oder Nichtbeschlüsse abgegrenzt, bei denen gar kein
Generalversammlungsbeschluss vorliegt, weil es an einer als Generalversammlung
zu qualifizierenden Zusammenkunft bzw. einer Beschlussfassung fehlt. Die
Rechtsfolge ist aber dieselbe wie bei nichtigen Beschlüssen (DUBS/TRUFFER,
a.a.O., N. 17 zu Art. 706a [recte: Art. 706b] OR; FORSTMOSER UND ANDERE,
a.a.O., § 25 N. 117).
Nach dem bereits Gesagten (E. 3.1 und nicht publ. E. 2.1.1) waren an der
Versammlung vom 24. Juli 2007 nicht alle Aktionäre anwesend oder vertreten. Um
eine Universalversammlung konnte es sich trotz gegenteiliger Bezeichnung im
damals gefassten Beschluss demnach nicht handeln, denn die Universalversammlung
ist eine besondere Form der Generalversammlung, die von den Eigentümern oder
Vertretern sämtlicher Aktien gebildet wird und die ohne Einhaltung der für die
Einberufung vorgeschriebenen Formvorschriften abgehalten werden kann (Art. 701
OR; BGE 120 IV 199 E. 1 S. 201; Urteil 4P.331/2006 vom 5. Juni 2007 E. 4.2).
Eine Universalversammlung in Abwesenheit auch nur eines Aktionärs oder seiner
BGE 137 III 460 S. 466
Vertretung stellt einen schwerwiegenden formellen Mangel dar, der zur
Nichtigkeit der anlässlich dieser Versammlung getroffenen Beschlüsse führen
muss (BÖCKLI, a.a.O., § 16 Rz. 174; FORSTMOSER UND ANDERE, a.a.O., § 23 Rz. 5
und § 25 Rz. 119; CHRISTOPH D. STUDER, Die Einberufung der Generalversammlung
der Aktiengesellschaft, 1995, S. 142; BRIGITTE TANNER, Zürcher Kommentar, 2.
Aufl. 2003, N. 7 und 68 zu Art. 701 OR; in diesem Sinne auch Urteil 4P.331/2006
vom 5. Juni 2007 E. 4.2.3 und in der Tendenz Urteil 4A_131/2007 vom 11. Januar
2008 E. 2.1; demgegenüber geht BGE 86 II 95 E. 2 S. 97 noch von Anfechtbarkeit
aus; differenzierend DUBS/TRUFFER, a.a.O., N. 18 zu Art. 706a [recte: Art.
706b] OR). Die Beschwerdeführerin weist in diesem Zusammenhang auf BGE 114 II
68 hin. In diesem Fall ging es um einen Beschluss einer womöglich nicht
ordnungsgemäss einberufenen und zusammengesetzten Universalversammlung. Die
Eintragung des Beschlusses im Handelsregister wurde vom Bundesgericht dennoch
geschützt. Dieses Urteil steht allerdings im Zusammenhang mit der beschränkten
materiellrechtlichen Kognition des Handelsregisterführers und ist folglich
vorliegend nicht einschlägig.
Fragen kann sich allerdings unter den gegebenen Umständen, ob die an einer
derart fehlerhaften Universalversammlung gefassten Beschlüsse als solche einer
normalen Generalversammlung gelten können (vgl. DUBS/TRUFFER, a.a.O., N. 18 zu
Art. 706a [recte: Art. 706b] OR). Die Vorinstanz hat festgestellt, dass zur
Versammlung vom 24. Juli 2007 zumindest ein Aktionär nicht eingeladen worden
ist. Sie hat sich nicht dazu geäussert, ob eine form- und fristgerechte
Einladung der anderen Aktionäre stattgefunden hat. Zur Annahme von Nichtigkeit
genügt jedoch, dass ein Teil der Aktionäre nicht eingeladen wurde (BGE 115 II
468 E. 3b S. 473; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Juli 1968,
in: Die schweizerische Aktiengesellschaft [SAG] 41/1969 S. 212 ff.; F. WOLFHART
BÜRGI, Zürcher Kommentar, 1969, N. 11 zu Art. 706 OR; FORSTMOSER UND ANDERE,
a.a.O., § 25 Rz. 124; TANNER, a.a.O., N. 121 zu Art. 706b OR; STUDER, a.a.O, S.
124; vgl. auch HANS MICHAEL RIEMER, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im
schweizerischen Gesellschaftsrecht, 1998, Rz. 269; a.A. DUBS/TRUFFER, a.a.O.,
N. 20 zu Art. 706a [recte: Art. 706b] OR). Diese Rechtsfolge ist angemessen.
Durch die Nichteinladung entgeht dem übergangenen Aktionär die Möglichkeit zur
Teilnahme an der Generalversammlung. Auch wenn sein Aktienpaket nicht gross
genug ist, um Mehrheitsbeschlüsse zu verhindern,
BGE 137 III 460 S. 467
verpasst er die Möglichkeit, auf die Meinungsbildung in der Versammlung
Einfluss zu nehmen. Schliesslich besteht die Gefahr der Vereitelung des
Anfechtungsrechts, da der betroffene Aktionär womöglich nicht binnen der
Anfechtungsfrist (Art. 706a Abs. 1 OR) von der Abhaltung einer
Generalversammlung und den auf ihr gefassten Beschlüssen Kenntnis erhält.
Zwischen der Nichteinladung eines Aktionärs und den auf der mangelhaften
Versammlung gefällten Beschlüssen braucht ausserdem entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin kein Kausalzusammenhang insofern zu bestehen, als dass der
Nichteingeladene die Beschlüsse mit seiner Stimmkraft hätte verhindern können.
Dies gilt zunächst bei der mangelhaften Durchführung der Universalversammlung,
denn wenn die Universalversammlung mangels Teilnahme eines Aktionärs gar nicht
mehr als Universalversammlung beschliessen kann, spielt keine Rolle, ob der
übergangene Aktionär ihre Beschlüsse hätte verhindern können (BRIGITTE TANNER,
Quoren für die Beschlussfassung in der Aktiengesellschaft, 1987, S. 310). Aber
auch im Rahmen der Konversion in eine normale Generalversammlung spielt keine
Rolle, ob der übergangene Aktionär mit seinem Stimmengewicht den fraglichen
Beschluss hätte verhindern können. Wie gesagt, kann eine Generalversammlung
auch durch blosse Diskussionsbeiträge beeinflusst werden. Kommt hinzu, dass die
Nichteinladung teilnahmeberechtigter Personen einen grundlegenden
Verfahrensmangel darstellt, bei welchem das Kausalitätserfordernis fehl am
Platz ist. In der Lehre wird denn auch davon gesprochen, in einem solchen Fall
liege gar keine Mitgliederversammlung im Rechtssinne vor (RIEMER, a.a.O., Rz.
262 ff.; STUDER, a.a.O., S. 124). Die Rechtsfolge einer Nichteinladung nach dem
Stimmengewicht der übergangenen Aktionäre zu bestimmen, liefe schliesslich
darauf hinaus, dem die Generalversammlung einberufenden Verwaltungsrat im
Ergebnis eine Ungleichbehandlung der Aktionäre (Art. 717 Abs. 2 OR) zu
erlauben, und dies erst noch beim zentralen Mitwirkungsrecht auf Teilnahme an
der Generalversammlung.
Damit erweist sich der Sitzverlegungsbeschluss vom 24. Juli 2007 im Ergebnis
als nichtig. Liegt kein gültiger Beschluss über die Sitzverlegung vor, so hat
die Beschwerdeführerin ihren Sitz nicht nach C. verlegen können, sondern ist
nach wie vor in B. ansässig. Die bernischen Gerichte sind somit zur
Konkurseröffnung zuständig.
BGE 137 III 460 S. 468

3.4 Schliesslich bestreitet die Beschwerdeführerin, dass der Konkursgrund von
Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG vorliegt. Sie wirft der Vorinstanz vor, sich für
den Nachweis der Zahlungseinstellung einzig auf das Zirkularschreiben der
Beschwerdeführerin vom 27. Juli 2007 abgestützt zu haben. Dies sei willkürlich.
Zudem werde Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG verletzt, denn es müsse möglich sein,
den Gläubigern einen Vorschlag für die Sanierung bzw. zu einem
aussergerichtlichen Nachlass zu unterbreiten, ohne sogleich die sofortige
Konkurseröffnung befürchten zu müssen.

3.4.1 Gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG kann beim Gericht ohne vorgängige
Betreibung die Konkurseröffnung verlangt werden, wenn ein der Konkursbetreibung
unterliegender Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Der Begriff der
Zahlungseinstellung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Konkursrichter
einen weiten Ermessensspielraum verschafft (Urteil 5A_439/2010 vom 11. November
2010 E. 4 mit Hinweisen, in: SJ 2011 I S. 175; Urteil 5P.33/2002 vom 7. März
2002 E. 4). Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner unbestrittene und
fällige Forderungen nicht begleicht, Betreibungen gegen sich auflaufen lässt
und dabei systematisch Rechtsvorschlag erhebt oder selbst kleine Beträge nicht
mehr bezahlt. Mit solchem Verhalten zeigt der Schuldner, dass er nicht über
genügend liquide Mittel verfügt, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es ist
jedoch nicht erforderlich, dass der Schuldner alle Zahlungen einstellt. Es
reicht, wenn die Zahlungsverweigerung sich auf einen wesentlichen Teil seiner
geschäftlichen Aktivitäten bezieht (BGE 85 III 146 E. 4a S. 154). Sogar die
Nichtbefriedigung einer einzelnen Schuld kann auf Zahlungseinstellung
schliessen lassen, wenn die Schuld bedeutend und die Zahlungsverweigerung
dauerhaft ist (zum Ganzen Urteile 5A_439/2010 vom 11. November 2010 E. 4, in:
SJ 2011 I S. 175; 5P.412/1999 vom 17. Dezember 1999 E. 2b, in: SJ 2000 I S.
248; 5P.442/1993 vom 15. Dezember 1993 E. 3a, in: SJ 1994 S. 433; je mit
Hinweisen). Die Zahlungseinstellung darf nicht bloss vorübergehender Natur
sein, sondern muss auf unbestimmte Zeit erfolgen (BGE 85 III 146 E. 4b S. 155;
Urteil 5P.33/2002 vom 7. März 2002 E. 4).

3.4.2 Die Vorinstanz hat aus dem Zirkularschreiben vom 27. Juli 2007 und dem
Schreiben vom 9. August 2007 auf Zahlungseinstellung geschlossen. Die
Beschwerdeführerin kritisiert, dass die Vorinstanz einzig auf das
Zirkularschreiben abgestellt habe, und übergeht
BGE 137 III 460 S. 469
dabei, dass auch das von der Vorinstanz herangezogene Schreiben vom 9. August
2007 einen ähnlichen Inhalt aufweist. Des Weiteren geht sie nicht im Einzelnen
auf den von der Vorinstanz gewürdigten Inhalt dieser Schreiben ein (nicht publ.
E. 2.2) und legt nicht detailliert dar, inwiefern es bundesrechtswidrig sein
sollte, daraus auf Zahlungseinstellung zu schliessen. So setzt sie sich
beispielsweise nicht damit auseinander, dass die Gläubiger vor die Alternative
gestellt worden seien, entweder 90 % ihrer Forderungen zu verlieren oder sogar
einen Totalausfall zu erleiden, und dass daraus zu schliessen sei, die
Beschwerdeführerin werde auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage sein, eine
ganze Gläubigergruppe zu befriedigen. Die Beschwerdeführerin genügt insoweit
den Begründungsanforderungen nicht (nicht publ. E. 1). Die Vorinstanz hat im
Übrigen auch den Begriff der Zahlungseinstellung nicht verkannt, wenn sie das
Angebot eines aussergerichtlichen Nachlasses im vorliegenden Fall als
Zahlungseinstellung gewertet hat. Je nach den konkreten Umständen kann in einer
solchen Offerte durchaus eine Zahlungseinstellung erblickt werden (BRUNNER/
BOLLER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
2. Aufl. 2010, N. 11 zu Art. 190 SchKG; AMONN/WALTHER, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 38 Rz. 15). Die
Befürchtung der Beschwerdeführerin, dass vorschnell Konkurse eröffnet werden,
wenn ein Angebot zu einem aussergerichtlichen Nachlass als Zahlungseinstellung
gewertet wird, ist unbegründet. Besteht Aussicht auf Sanierung, kann der
Konkursentscheid gegebenenfalls gemäss Art. 194 Abs. 1 i.V.m. Art. 173a SchKG
ausgesetzt werden.

3.5 Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Die aufschiebende Wirkung wurde vor Bundesgericht einzig hinsichtlich weiterer
Vollstreckungsmassnahmen gewährt. Es bleibt folglich bei der vom Obergericht
auf Donnerstag, 17. Februar 2011, 11.00 Uhr, über die Beschwerdeführerin
ausgesprochenen Konkurseröffnung.