Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 137 III 235



Urteilskopf

137 III 235

37. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Betreibungsamt Eiken (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_25/2011 vom 18. April 2011

Regeste

Art. 29 Abs. 2, Art. 99 Abs. 2 VZG; Schätzung des zu versteigernden
Grundstücks.
Bekanntmachung der Schätzung und Voraussetzungen zur Bestreitung (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 236

BGE 137 III 235 S. 236
Gegen die Schuldner X. und A. laufen beim Betreibungsamt Eiken die von der Bank
B. AG eingeleiteten Betreibungen auf Grundpfandverwertung. Pfandobjekt ist die
Liegenschaft GB C. Parzelle Nr. 3, welche im Miteigentum je zur Hälfte der
beiden Schuldner steht. Mit Spezialanzeige an die Beteiligten vom 31. August
2010 und mit Publikation im SHAB vom 3. September 2010 bzw. Amtsblatt des
Kantons Aargau vom 6. September 2010 machte das Betreibungsamt die
betreibungsamtliche Versteigerung des Grundpfandes am 13. November 2010
bekannt.
Am 4. November 2010 gelangte X. an das Gerichtspräsidium Laufenburg als untere
betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde mit dem Antrag, es sei die auf den 13.
November 2010 angesetzte Versteigerung abzusetzen. Mit Entscheid vom 11.
November 2010 wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.
Gegen diesen Entscheid erhob X. am 12./13. November 2010 Beschwerde. Das
Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als
obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, wies die Beschwerde mit Entscheid
vom 22. Dezember 2010 ab.
Mit Eingabe vom 12. Januar 2011 führt X. Beschwerde in Zivilsachen. Die
Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, den Entscheid der oberen
kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben. Das Betreibungsamt sei anzuweisen, die
Versteigerung "ordnungsgemäss neu anzusetzen und durchzuführen".
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Weiter hat sich die obere Aufsichtsbehörde mit der Rüge befasst, wonach die
Beschwerdeführerin das Gutachten über die amtliche Schätzung des zu
verwertenden Grundstücks nicht erhalten habe. Die Vorinstanz hat erwogen, der
Schätzungswert von Fr. 715'000.- sei der Beschwerdeführerin u.a. durch die
Spezialanzeige vom 31. August 2010 hinreichend bekannt gegeben worden. Die
Beschwerdeführerin kritisiert im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 99 der
Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von
Grundstücken (VZG; SR 281.42) und ihres Rechts auf eine Neuschätzung.
BGE 137 III 235 S. 237

3.1 Das Betreibungsamt kann das Ergebnis der betreibungsamtlichen Schätzung
durch separate Mitteilung bekannt geben (vgl. BRAND, Die betreibungsrechtliche
Zwangsverwertung von Grundstücken im Pfandverwertungsverfahren, 2008, S. 81
Ziff. 2.4). Es ist zu diesem Vorgehen nicht verpflichtet. Nach Art. 29 Abs. 2
VZG soll die Schätzung in der Bekanntmachung der Steigerung enthalten sein. Das
Ergebnis der Schätzung ist gemäss Art. 99 Abs. 2 VZG nur dann, wenn es nicht in
der Steigerungspublikation nach Art. 29 VZG aufgenommen wird, mit der Anzeige
mitzuteilen, dass innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde eine
neue Schätzung durch Sachverständige verlangt werden kann (GILLIÉRON,
Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd.
II, 2000, N. 15 zu Art. 155 SchKG). Die erwähnte Einschränkung ist nicht
zufällig. Sie beruht auf dem Gedanken, dass bei Aufnahme der Schätzung in die
Steigerungspublikation keine besondere Belehrung über die Möglichkeit, das
Schätzungsergebnis bei der Aufsichtsbehörde zu bestreiten, erforderlich ist.
Entsprechend sieht das (vom Betreibungsamt verwendete) Formular VZG 7a
(Bekanntmachung der betreibungsrechtlichen Grundstücksteigerung) keinen
besonderen Hinweis vor. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin genügt
zur Auslösung des Verfahrens zur Neuschätzung (bzw. Aufforderung zum
Kostenvorschuss) die blosse Bestreitung des Schätzungsergebnisses bei der
Aufsichtsbehörde, m.a.W. ist keine Begründung notwendig (BGE 133 III 537 E.
4.1; BGE 129 III 595 E. 3.1 S. 597; je mit Hinweisen).

3.2 Vorliegend steht fest, dass das Betreibungsamt in der
Steigerungspublikation (öffentliche Bekanntmachung vom 3./6. September 2010 und
Spezialanzeige vom 31. August 2010) die betreibungsamtliche Schätzung (Fr.
715'000.-) mitgeteilt hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
musste das Betreibungsamt somit keine separate Mitteilung mit dem darin
vorgesehenen Hinweis auf die Möglichkeit der Neuschätzung erlassen (Art. 99
Abs. 2 VZG). Mit unbestrittenem Empfang der Spezialanzeige (Art. 139 SchKG)
gemäss Formular VZG 7a (Bekanntmachung der betreibungsrechtlichen
Grundstücksteigerung) erlangte die Beschwerdeführerin Kenntnis von der
betreibungsamtlichen Schätzung. Sodann ist unbestritten bzw. von der
Beschwerdeführerin bestätigt, dass ihr das Lastenverzeichnis zusammen mit den
Steigerungsbedingungen (Formular VZG 13 B) vom 30. September 2010 zugestellt
worden sind, womit die betreibungsamtliche Schätzung bestätigt wurde.
BGE 137 III 235 S. 238

3.3 Nach Rechtsprechung und Lehre wird im Fall, dass keine separate Mitteilung
des Schätzungsergebnisses erfolgt, die Frist zur Bestreitung der Schätzung mit
Zustellung der Spezialanzeige ausgelöst (BGE 122 III 338 E. 3c S. 340/341;
GILLIÉRON, a.a.O., N. 15 zu Art. 155 SchKG), in jedem Fall aber spätestens im
Zeitpunkt der Zustellung der Steigerungsbedingungen mit Angabe des
Schätzungsergebnisses (BGE 122 III 338 E. 3c S. 340/341). Innert der
zehntägigen Beschwerdefrist sind sämtliche Vorbringen gegen die Schätzung -
Bestreitung des Ergebnisses sowie Verfahrensfehler - zu erheben (BGE 133 III
537 E. 4.1). Dass die betreffenden zehntägigen Beschwerdefristen längst
abgelaufen waren, als die Beschwerdeführerin am 4. November 2010 an die untere
Aufsichtsbehörde gelangte, steht nicht in Frage. Die Vorinstanz hat zu Recht
sämtliche Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die betreibungsamtliche
Schätzung als verspätet erachtet.