Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 V 84



Urteilskopf

136 V 84

11. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Panorama
Kranken- und Unfallversicherung gegen M. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_678/2009 vom 25. Februar 2010

Regeste

Art. 25 KVG; Art. 20 und 20a KLV; Mittel- und Gegenstände-Liste (MiGeL; Anhang
2 KLV).
Die Positivlistenpflicht gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG in Verbindung mit
Art. 20 und 20a Abs. 1 KLV gilt für die Michiganschiene, sofern ihre Verwendung
vom Zahnarzt im Rahmen einer ärztlichen Behandlung (BGE 128 V 143) angeordnet
wird; Art. 20a Abs. 2 KLV ist nicht anwendbar (E. 4).
Die Michiganschiene ist in der abschliessenden MiGeL nicht aufgeführt und kann
auch keiner der dort enthaltenen Produktgruppen zugeordnet werden (E. 3). Die
Schiene samt Anfertigungskosten (Zahntechniker) ist daher nicht
kassenpflichtig; die eigentlichen Behandlungskosten dagegen sind gestützt auf
Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG zu vergüten (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 85

BGE 136 V 84 S. 85

A. M. (geb. 1989) ist bei der Panorama Kranken- und Unfallversicherung
krankenversichert. Aufgrund einer diagnostizierten Verspannung im Bereich der
Kaumuskulatur und damit zusammenhängenden Kopfschmerzen wurde sie im Jahr 2008
in der Klinik Y. mittels einer Michiganschiene (Aufbissbehelf zwecks Entlastung
der Kiefermuskeln und -gelenke) therapiert, was offenbar zu einer deutlichen
Beschwerdelinderung führte. Mit Verfügung vom 19. Juni 2008 und bestätigendem
Einspracheentscheid vom 30. Juli 2008 lehnte die Panorama Kranken- und
Unfallversicherung die Übernahme der Kosten für die Michiganschiene im Betrag
von Fr. 563.20 (Rechnung vom 14. Februar 2008) mit der Begründung ab, es handle
sich nicht um eine Pflichtleistung der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung.

B. Dagegen liess M., vertreten durch Dr. med. dent. X., Direktor der Klinik Y.,
Beschwerde erheben. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
hiess die Beschwerde gut und verpflichtete die Panorama Kranken- und
Unfallversicherung unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 30. Juli 2008,
M. Fr. 563.20 für die Behandlung mittels Michiganschiene zu bezahlen (Entscheid
vom 18. Mai 2009).

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
Panorama Kranken- und Unfallversicherung die Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheids.
M. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen, während das Bundesamt für
Gesundheit (BAG) auf deren Gutheissung schliesst.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin die Kosten der
Therapie mittels Michiganschiene im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu übernehmen hat. Dabei steht
BGE 136 V 84 S. 86
ausser Frage, dass es sich bei der fraglichen Therapie nicht um eine
zahnärztliche Behandlung im Sinne von Art. 31 KVG in Verbindung mit Art. 17 ff.
der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung,
KLV; SR 832.112.31), sondern um eine von einem Zahnarzt durchgeführte ärztliche
Behandlung im Sinne von Art. 25 KVG handelt (BGE 128 V 143).

2.1 Gemäss Art. 25 Abs. 1 KVG übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten für jene Leistungen, die der Diagnose oder
Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Darunter fallen nach Art.
25 Abs. 2 lit. a KVG die von Ärzten durchgeführten Untersuchungen, Behandlungen
und Pflegemassnahmen; sie gelten vermutungsweise als wirksam, zweckmässig und
wirtschaftlich (Art. 32 Abs. 1 KVG) und sind kostenvergütungspflichtig, sofern
sie nicht in der vom Bundesrat respektive vom Eidg. Departement des Innern
(EDI) erstellten, abschliessenden Negativliste von der Leistungspflicht
ausgenommen sind (Art. 33 Abs. 1 und 5 KVG in Verbindung mit Art. 33 lit. a KVV
[SR 832.102]; Art. 1 KLV in Verbindung mit Anhang 1 KLV; BGE 129 V 167 E. 3.2
S. 170; BGE 125 V 21 E. 5b S. 28).

2.2 Die Übernahmepflicht umfasst sodann gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG die
ärztlich verordneten Analysen, Arzneimittel und die der Untersuchung oder
Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände. Hinsichtlich der - hier
interessierenden - Mittel und Gegenstände im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b
KVG ist nebst den allgemeinen, hier unstrittig erfüllten Voraussetzungen nach
Art. 32 Abs. 1 KVG verlangt, dass sie auf der vom EDI gestützt auf Art. 52 Abs.
1 lit. a Ziff. 3 KVG und Art. 33 lit. e KVV erstellten Mittel- und
Gegenstände-Liste (MiGeL; Anhang 2 KLV i.V.m. Art. 20a Abs. 1 KLV) aufgeführt
sind, andernfalls keine obligatorische Leistungspflicht besteht (RKUV 2002 S.
7, K 157/00 E. 3b/aa). Diese (Positiv-)Liste ist abschliessend (BGE 134 V 83 E.
4.1 S. 86 mit Hinweisen); die darin aufgeführten Mittel und Gegenstände dürfen
höchstens zu dem Betrag vergütet werden, der in der Liste für die entsprechende
Art von Mitteln und Gegenständen angegeben ist (Art. 24 Abs. 1 KLV).
Ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Nichtaufnahme eines Gegenstands oder
Mittels in die MiGeL vor Gesetz und Verfassung standhält, hat sich das
Bundesgericht praxisgemäss grösste Zurückhaltung zu
BGE 136 V 84 S. 87
auferlegen (RKUV 2002 S. 7, K 157/00 E. 3c/bb mit weiteren Hinweisen; Urteil
des Eidg. Versicherungsgerichts K 101/03 vom 22. Juli 2004 E. 4.2).

2.3

2.3.1 Der Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG konkretisierende Art. 20 KLV in der bis
Ende Juli 2007 gültig gewesenen Fassung sah in Abs. 2 vor, dass Mittel und
Gegenstände, die in den Körper implantiert werden, nicht in der MiGeL
aufgeführt sind und ihre Vergütung mit der entsprechenden Behandlung in den
Tarifverträgen geregelt wird. Diese Bestimmung statuiert mithin für Implantate
eine Ausnahme von der Positivlistenpflicht gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG in
Verbindung mit Art. 33 lit. e KVV und Art. 20 Abs. 1 KLV (in der bis Ende Juli
2007 gültig gewesenen Fassung) und der damit verbundenen gesetzlichen
Höchstvergütungsbetragsregelung gemäss Art. 24 Abs. 1 KLV (vgl. vorne E. 2.2).

2.3.2 Der seit 1. August 2007 in Kraft stehende, aArt. 20 KLV ersetzende und
hier anwendbare Art. 20a KLV hält in Abs. 1 (wie aArt. 20 Abs. 1 KLV) den
Grundsatz fest, dass die Mittel und Gegenstände in Anhang 2 nach Arten und
Produktegruppen aufgeführt sind. Die Sonderregelung des aArt. 20 KLV (vorne E.
2.3.1) ist in Art. 20a Abs. 2 neu dahingehend ergänzt worden, dass als nicht in
der Liste aufgeführte Mittel und Gegenstände auch solche erwähnt werden, die
von Leistungserbringern nach Artikel 35 Absatz 2 KVG im Rahmen ihrer Tätigkeit
zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verwendet werden (Satz
1); ihre Vergütung wird, wie bei Körperimplantaten, mit der entsprechenden
Untersuchung oder Behandlung in den Tarifverträgen geregelt (Satz 2).

3. Die als Pflichtleistung zur Diskussion stehende Michiganschiene ist
unstrittig weder als einzelnes Produkt in der MiGeL aufgeführt noch kann sie
einer der in der Liste erwähnten Produktgruppen zugeordnet werden. Dies wird
von den Parteien nicht als gesetzes- oder verfassungswidrig gerügt. Uneins sind
sie hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die betreffende Schiene überhaupt als ein
Mittel und Gegenstand im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG in Verbindung mit
Art. 20a Abs. 1 KLV zu qualifizieren ist, für welche die Positivlistenpflicht
gemäss MiGeL gilt (vorne E. 2.2), oder ob sie davon ausgenommen ist und
gestützt auf Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG in Verbindung mit Art. 20a Abs. 2 KLV
(vorne E. 2.3.2) - allenfalls gestützt auf Art. 25 Abs. 1 KVG (vorne E. 2.1) -
als Pflichtleistung gemäss
BGE 136 V 84 S. 88
Tarifvertrag zwischen der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO und dem
Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer (heute: santésuisse), Position
"L 4177: Michiganschiene" vergütet werden muss. Letztgenannte Auffassung
vertreten Vorinstanz und Beschwerdegegnerin, wogegen die Beschwerdeführerin und
vernehmlassungsweise das BAG den gegenteiligen Standpunkt einnehmen.

4.

4.1 Vorab ist festzuhalten, dass sich aus der ausdrücklichen Erwähnung der
Michiganschiene im Zahnarzttarif (vorne E. 3 in fine) keine obligatorische
Leistungspflicht - namentlich auch nicht gestützt auf Art. 20a Abs. 2 KLV -
ableiten lässt. Ob eine konkrete ärztliche Vorkehr in den
Pflichtleistungskatalog fällt, liegt nicht in der Vertragsautonomie der
Tarifpartner, sondern beurteilt sich einzig nach dem Gesetz; der Zahnarzttarif
regelt bloss die Vergütung (Tarifwert) der übernahmepflichtigen Leistung (vgl.
Art. 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 KVG). Der Umstand, dass eine bestimmte Leistung
oder ein bestimmtes Produkt in einen Tarifvertrag aufgenommen wurde, lässt wohl
darauf schliessen, dass die Vertragsparteien eine diesbezügliche gesetzliche
Übernahmepflicht angenommen haben; für die Gerichte ist dies jedoch nicht
verbindlich.

4.2 Hinsichtlich der umstrittenen Frage, ob die Michiganschiene unter die
"Mittel und Gegenstände" im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG fällt, ergibt
die Rechts- und Sachlage Folgendes:

4.2.1 Mittel und Gegenstände im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG sind
solche, die der Behandlung oder der Untersuchung dienen. Art. 20 KLV
konkretisiert unter dem Titel "Grundsatz", die Versicherung leiste eine
Vergütung an Mittel und Gegenstände, die der Behandlung oder der Untersuchung
im Sinne einer Überwachung der Behandlung dienen, auf ärztliche Anordnung von
einer Abgabestelle nach Art. 55 KVV abgegeben werden und von der versicherten
Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich an der Untersuchung oder der
Behandlung mitwirkenden Person angewendet werden.

4.2.2 Die Michiganschiene ist eine durchsichtige, etwa 2 mm dicke Form aus
durchsichtigem Kunststoff, die meistens auf die Zähne des Oberkiefers
aufgesetzt wird. Sie wird in der Regel nachts getragen und verhindert, dass die
Zähne durch das mechanische Abtragen von Zahnsubstanz zerstört werden. Durch
das Aufbeissen auf die Schiene wird häufig auch eine Entspannung der Muskulatur
erreicht,
BGE 136 V 84 S. 89
womit Symptome wie Kiefergelenks-, Kopf- und Muskelschmerzen vermindert werden;
zu diesem therapeutischen Zweck (Behandlung von Verspannungen im Bereich der
Kaumuskulatur und damit zusammenhängenden Kopfschmerzen) wurde sie auch bei der
Beschwerdegegnerin eingesetzt. Die Schiene wird im Zahntechniklabor aufgrund
der zahnärztlichen Unterlagen individuell angefertigt und anschliessend vom
Zahnarzt der zu behandelnden Person anprobiert und abgegeben. Der Patient/die
Patientin kann sie alsdann problemlos selber einsetzen und wieder entfernen
sowie reinigen (vgl. zum Ganzen: http://www.zahnar-t.ch/a-z/M/
michiganschiene.htm>; http://www.aeskulap-klinik.ch/pdf/Michiganschiene.pdf>).

4.2.3 Indem die Michiganschiene der Krankheitsbehandlung dient und von der
versicherten Person ohne Weiteres selbst angewandt werden kann (E. 4.2.2),
erfüllt sie jedenfalls zwei der drei Begriffsmerkmale der Mittel und
Gegenstände im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG in Verbindung mit Art. 20
KLV. Daran ändert nichts, dass sie individuell durch den Zahnarzt angepasst und
im Zahntechniklabor hergestellt wird; auch andere Mittel und Gegenstände im
Sinne der genannten Bestimmungen werden fachmännisch nach Mass angefertigt
(z.B. Orthesen, Hörgeräte, Sehhilfen). Entscheidend ist, dass Endverbraucher
der Mittel und Gegenstände gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG stets die Patientin
/der Patient ist und diese(r) das Produkt schliesslich allein oder mit Hilfe
einer nichtberuflich mitwirkenden Person anwenden kann, was auf die
Michiganschiene zweifellos zutrifft. Fraglich bleibt einzig, ob die Schiene
vorliegend deshalb nicht unter die gesetzliche Definition der Mittel und
Gegenstände fällt, weil sie der versicherten Person nicht auf ärztliche
Anordnung von einer Abgabestelle nach Art. 55 KVV (vgl. vorne E. 4.2.1),
sondern direkt vom Zahnarzt selber abgegeben wird. Dies ist zu verneinen (so -
implizit - auch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 101/03 vom 22. Juli
2004 E. 4): Mit dem Verweis in Art. 20 KLV auf die Abgabestellen nach Art. 55
KVV wird gesetzgeberisch klargestellt und soll gewährleistet sein, dass die
Versicherung nur die von gesetzlich zugelassenen Leistungserbringern
abgegebenen Mittel und Gegenstände vergütet. Die Ausgabe über die nach Art. 35
Abs. 2 lit. g und Art. 38 KVG in Verbindung mit Art. 55 KVV zugelassenen
Abgabestellen - worunter verschiedenste Institutionen wie Apotheken, Drogerien,
Fachgeschäfte etc. fallen können (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 79/
98 vom 4. Juli 2001 E. 4a) - bildet dabei den Regelfall und ist als solcher
BGE 136 V 84 S. 90
nachvollziehbarerweise in Art. 20 KLV ausdrücklich erwähnt. Als
Grundsatz-Regelung schliesst Art. 20 KLV jedoch nicht aus, dass ein ärztlich
angeordnetes Mittel oder ein ärztlich angeordneter Gegenstand ausnahmsweise,
sofern notwendig, direkt vom zugelassenen, behandelnden Arzt oder Zahnarzt
(Art. 35 Abs. 2 lit. a und Art. 36 KVG in Verbindung mit Art. 38 f. und 42 f.
KVV) abgegeben wird, wie dies auf massgefertigte zahntechnische Produkte
regelmässig zutreffen dürfte. Wäre dementgegen die Herausgabe durch eine
Abgabestelle nach Art. 55 KVV unabdingbares Begriffsmerkmal der Mittel und
Gegenstände im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG und damit der
grundsätzlichen Listenpflicht (vorne E. 2.2), dann bestünde die Gefahr, dass
ärztliche Leistungserbringer die Listenpflicht beliebig durch eigenhändige
Abgabe der Mittel und Gegenstände umgehen könnten, womit eine rechtsgleiche
Vergütungspraxis entfiele: So könnte es beispielsweise nicht angehen, dass etwa
ein Augenarzt die Limitierungen der MiGeL für Sehhilfen dadurch umginge, dass
er selber einen Optiker beschäftigte, welcher Brillengläser oder Linsen in
seinem Auftrag erstellt, um vom Arzt dann selbst direkt dem Patienten abgegeben
und folglich über Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG abgerechnet zu werden.
Nach dem Gesagten ist die Michiganschiene als Mittel und Gegenstand im Sinne
des Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG in Verbindung mit Art. 20 KLV zu qualifizieren,
womit sie grundsätzlich der Listenpflicht gemäss Art. 20a Abs. 1 KLV
untersteht. Die obligatorische Kostenübernahme für dieses Produkt gestützt auf
Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG fällt damit ausser Betracht, da die Tatbestände Art.
25 Abs. 2 lit. a und b KVG sich in Bezug auf ein- und dasselbe Leistungselement
als Rechtsgrund der Leistungspflicht gegenseitig ausschliessen.

4.3 Zu prüfen bleibt, ob die Michiganschiene ausnahmsweise von der
Listenpflicht gemäss Art. 20 KLV und damit vom sachlichen Anwendungsbereich der
MiGeL (Art. 20a Abs. 1 KLV) ausgenommen ist:

4.3.1 Nach dem bis Ende Juli 2007 in Kraft gestandenen aArt. 20 KLV waren nur
die in den Körper implantierten Mittel und Gegenstände nicht listenpflichtig
(vorne E. 2.3.1); alle andern der Behandlung und Untersuchung dienenden Mittel
und Gegenstände waren nach der gesetzlichen Konzeption ausschliesslich nach
Massgabe der rechtsprechungsgemäss abschliessenden MiGeL vergütungspflichtig
(vorne E. 2.2). Gestützt auf diese Rechtslage hatte das Eidg.
BGE 136 V 84 S. 91
Versicherungsgericht die - einer als ärztliche Behandlung eingestuften
(Schnarch-)Therapie dienende - Unterkieferschiene des Typs SERENOX (Vorschub
des Unterkiefers zwecks Verbesserung der Atmung; http://www.medicalforum.ch/pdf
/pdf_d/2003/2003-08/2003-08-450.pdf) folgerichtig deshalb als nicht
leistungspflichtig eingestuft, weil das betreffende Produkt weder als Implantat
einzustufen noch in der MiGeL ausdrücklich aufgeführt war und auch nicht einer
der dort erwähnten Produktgruppen zugeordnet werden konnte (Urteil K 101/03 vom
22. Juli 2004). Zur Michiganschiene hat das Gericht in BGE 128 V 143
festgestellt, die entsprechende Therapie sei als ärztliche Behandlung zu
qualifizieren und damit grundsätzlich nach Massgabe von Art. 25 KVG - statt
Art. 31 KVG in Verbindung mit Art. 17 ff. KLV (vgl. vorne E. 2 Ingress) -
leistungspflichtig; nicht geäussert hat sich das Gericht im erwähnten Entscheid
zur hier umstrittenen Positivlistenpflicht der Michiganschiene. Im Urteil K 159
/00 vom 22. April 2002 hatte das Eidg. Versicherungsgericht eine medizinische
Behandlung im Zusammenhang mit einer Aufbissschiene zu beurteilen, nicht jedoch
- wie hier - die Kostenübernahme für die Schiene als solche.
Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb hinsichtlich der Positivlistenpflicht
der Michiganschiene nach der Rechtslage bis Ende Juli 2007 im Ergebnis hätte
anders entschieden werden können als im erwähnten Urteil betreffend
SERENOX-Schiene, zumal auch die Michiganschiene unstrittig kein Implantat im
Sinne der Sonderregelung des aArt. 20 Abs. 2 KLV (und Art. 20a Abs. 2 KLV) ist
und sie sich hinsichtlich Herstellung, Art und Beschaffenheit mit der
SERENOX-Schiene durchaus vergleichen lässt. Die unterschiedlichen
therapeutischen Zielsetzungen der beiden Produkte ändern daran nichts; die
therapeutische Stossrichtung ist wohl wichtiges Kriterium für die Abgrenzung
der zahnärztlichen Behandlungen nach Art. 31 KVG von den ärztlichen
Behandlungen des Zahnarztes nach Art. 25 KVG (BGE 128 V 143); für die Frage der
Positivlistenpflicht im Rahmen des Art. 25 KVG ist sie jedoch nicht massgebend.

4.3.2 Nicht zu beurteilen hatte das Bundesgericht bis anhin, ob die
Michiganschiene unter der Herrschaft des seit 1. August 2007 geltenden Art. 20a
Abs. 2 KLV (vorne E. 2.3.2) neu unter die Mittel und Gegenstände zu subsumieren
ist, die von den Leistungserbringern nach Art. 35 Absatz 2 KVG im Rahmen ihrer
Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verwendet
werden und als solche nicht in der MiGeL aufgeführt sind, wovon
BGE 136 V 84 S. 92
sinngemäss die Vorinstanz ausgeht (vgl. vorne E. 3). Massgebend sind dabei die
allgemeinen Auslegungsregeln (vgl. dazu BGE 135 V 50 E. 5.1 S. 53, BGE 135 V
153 E. 4.1 S. 157; je mit Hinweisen), einschliesslich des Grundsatzes der
gesetzeskonformen Auslegung von Verordnungsrecht (vgl. BGE 131 V 263 E. 5.1 S.
266 mit Hinweisen), und die Rechtsprechung, wonach Ausnahmebestimmungen weder
restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der
allgemeinen Regelung auszulegen sind (BGE 130 V 229 E. 2.2 S. 232 mit weiteren
Hinweisen; Urteil H 121/06 vom 25. Januar 2007 E. 5, nicht publ. in: BGE 133 V
153).

4.3.2.1 Während die listenpflichtigen Mittel und Gegenstände im Sinne des Art.
20 und 20a Abs. 1 KLV solche sind, die von der versicherten Person selbst
angewendet werden (vgl. vorne E. 4.2.1), spricht der Wortlaut des Art. 20a Abs.
2 KLV von Mitteln und Gegenständen, die der Leistungserbringer im Rahmen seiner
Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verwendet.
Welche konkreten Mittel und Gegenstände darunter fallen können, ist dem Text
nicht zu entnehmen, und es sind keine Materialien des Verordnungsgebers
ersichtlich, welche hierüber beispielhaft näheren Aufschluss geben könnten.
Auch das BAG äussert sich in der Vernehmlassung nicht dazu. Es wird sich vorab
um solche Mittel und Gegenstände handeln, die für eine fachgerechte
Durchführung der ärztlichen Behandlung unabdingbar sind; die Frage bedarf
jedoch keiner abschliessenden Prüfung. Ausschlaggebend ist, dass Art. 20a Abs.
2 KLV die Abgrenzung der nicht listenpflichtigen von den (gemäss Art. 20 und
20a Abs. 1 KLV) listenpflichtigen Mitteln und Gegenständen danach trifft, wer
das betreffende Gerät/Objekt braucht resp. anwendet oder verwendet. Im Falle
der Mittel und Gegenstände nach Art. 20a Abs. 2 KLV ist dies - abgesehen von
den Körperimplantaten, die hier nicht zur Diskussion stehen (vorne E. 4.2 in
fine) - nach dem eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut der Bestimmung
ausschliesslich der Leistungsbringer nach Art. 35 Abs. 2 KVG. Ein Gegenstand,
welcher ab einem bestimmten Behandlungszeitpunkt durch die versicherte Person
selber (allenfalls mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person; vgl.
Art. 20 KLV) angewendet und genutzt wird, fällt definitionsgemäss aus dem
Geltungsbereich der Bestimmung heraus. Es bestehen keinerlei triftige Gründe
zur Annahme, dass diese grammatikalische Auslegung nicht den wahren Sinngehalt
der Vorschrift wiedergibt, was ein Abweichen vom Normtext rechtfertigen könnte
(vgl. BGE 133 II 263
BGE 136 V 84 S. 93
E. 7.2 S. 273 mit Hinweis; vgl. auch BGE 134 V 208 E. 2.2 S. 211). Im Gegenteil
spricht auch der gesetzessystematische Kontext für dieses Ergebnis: Danach ist
die Listenpflicht und die gesetzliche Höchstvergütungsbetragsregelung bei
Mitteln und Gegenständen die Regel (Art. 20, 20a Abs. 1 und 24 Abs. 1 KLV), die
Nichtlistenpflicht gemäss Art. 20a Abs. 2 KLV dagegen die - auf Stufe des KVG
nicht explizit erwähnte - Ausnahme. Eine extensivere Auslegung des Art. 20a
Abs. 2 KLV, welche den Anwendungsbereich über die Implantate hinaus auf andere
von der versicherten Person (als Endverbraucherin) angewandte Produkte
ausdehnt, würde zudem die im Wortlaut klare Grenzziehung zu Art. 20 und 20a
Abs. 1 KLV in einer Weise verwischen, die in der Praxis zu erheblichen
Anwendungsproblemen führen dürfte und das im Bereich der Mittel und Gegenstände
grundsätzlich geltende Listenprinzip als solches auszuhöhlen drohte. Dies
entspricht weder Sinn und Zweck der in Art. 20a Abs. 2 KLV gewählten
Formulierung noch den zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen (vgl. BGE
135 V 50 E. 5.1 S. 53, BGE 135 V 153 E. 4.1 S. 157; je mit Hinweisen). Die
Michiganschiene fällt demnach nicht in den Geltungsbereich des Art. 20a Abs. 2
KLV.

4.3.2.2 Soweit Vorinstanz und Beschwerdegegnerin aus dem Umstand, dass die
MiGeL generell keine Produkte der Zahnheilkunde wie Schienen, Spangen,
Prothesen, etc. enthält, für diesen Bereich einen im Gesetz nicht enthaltenen
Nichtlistenpflicht-Tatbestand sui generis ableiten, kann dem nicht gefolgt
werden: Das Fehlen der Zahnprodukte in der MiGeL liegt vorab in der
gesetzlichen Grundkonzeption begründet, welche vom Regelfall ausgeht, dass der
Zahnarzt zahnärztliche Behandlungen im engeren Sinne (vgl. BGE 128 V 143 E. 4b
S. 145) durchführt, welche nur unter eng umschriebenen Voraussetzungen gemäss
Art. 31 KVG in Verbindung mit Art. 17 KLV kassenpflichtig sind und auf die
somit die Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG und Art. 20 ff. KLV von vornherein nicht
anwendbar sind. Für den hier zu beurteilenden Fall der ärztlichen Behandlung
durch einen Zahnarzt lassen sich daraus keine Schlüsse ziehen; namentlich kann
nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe die Produkte der Zahnheilkunde
generell, wie vorgebracht wird, aus Gründen administrativer Vereinfachung von
der Listenpflicht ausnehmen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der
Zahnarzt, soweit er ausnahmsweise eine ärztliche resp. arztäquivalente
Behandlung durchführt, hinsichtlich der gesetzlichen Vergütungspflicht den
Ärzten gleichgestellt ist: Die Gleichstellung gilt zum einen mit Bezug auf
BGE 136 V 84 S. 94
die eigentlichen Behandlungskosten, die nach Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG
vergütungspflichtig sind, sofern auch die übrigen Voraussetzungen nach Art. 25
Abs. 1 und Art. 32 KVG erfüllt sind (in diesem Sinne etwa BGE 128 V 135 E. 7 S.
141; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts K 62/99 vom 9. April 2002 E. 4 und
5; K 152/01 vom 30. April 2002 E. 5a; K 86/99 vom 19. Dezember 2002 E. 6); sie
gilt nach dem unter E. 4.1-4.3.2.1 hievor Gesagten aber auch hinsichtlich der
ärztlich verordneten Mittel und Gegenstände, die der Behandlung dienen und
damit dem Vergütungsregime des Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG unterstehen. Etwas
anderes lässt sich weder gesetzessystematisch noch unter dem Blickwinkel der
rechtsgleichen Behandlung sachlich begründen; es ist diesbezüglich von einem
qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers auszugehen, das keinen Raum für eine
ergänzende Regelung im Sinne richterlicher Lückenfüllung (BGE 134 V 182 E. 4.1
S. 185, BGE 134 V 15 E. 2.3 S. 16; je mit weiteren Hinweisen) zulässt. Dies mag
möglicherweise dazu führen, dass ein bestimmtes zahnmedizinisches Produkt wohl
im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung nach Art. 31 KVG (gemäss
tarifvertraglicher Vereinbarung) von der Kasse zu übernehmen ist, nicht aber im
Rahmen einer arztäquivalenten Behandlung nach Art. 25 KVG. Darin liegt jedoch
nur vordergründig eine "Ungereimtheit" (Zitat GEBHARD EUGSTER,
Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S.
607 Rz. 627). Wie das BAG in seiner Vernehmlassung zu Recht feststellt, besteht
jederzeit die Möglichkeit, ein Gesuch um Aufnahme der Michiganschiene in die
MiGeL zu stellen; prinzipielle Gründe, welche der Aufnahme dieses
Behandlungsgeräts oder anderer zahntechnisch angefertigter Schienen unter
Limitation auf ärztliche/arztäquivalente Behandlungen durch den Zahnarzt
entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; namentlich wäre es auch möglich, bei
dieser MiGeL-Position den anwendbaren Taxpunktwert gestützt auf die
entsprechende Position im SSO-Zahnarzttarif festzulegen (vgl. MiGeL, Ziff. 23
betreffend "Orthesen"). Dem Bundesgericht steht eine Ergänzung der MiGeL nicht
zu (vgl. vorne E. 2.2 in fine).

5. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf
Übernahme der Kosten der Michiganschiene - als ein derzeit nicht in der MiGeL
aufgeführter Gegenstand im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG - durch die
obligatorische Krankenversicherung hat. Da der hier umstrittene Rechnungsbetrag
in der Höhe von Fr. 563.20 nach Lage der Akten allein die spezifischen
BGE 136 V 84 S. 95
Kosten für Material und Herstellung der Schiene (Modelle, Gegenmodelle,
Anfertigung der Schiene im Zahntechniklabor) umfasst, ist die Leistungspflicht
insgesamt zu verneinen. Nicht weiter zu prüfen ist hier, ob und inwieweit im
Rahmen der ärztlichen Therapie mittels Michiganschiene zusätzlich eigentliche
Behandlungskosten beim Zahnarzt angefallen sind (Untersuchungen, Diagnostik,
Anpassungen, Kontrollen, etc.), welche gestützt auf Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG
von der Kasse zu vergüten wären (vorne E. 4.3.2.2).