Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 V 73



Urteilskopf

136 V 73

10. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
BVG-Sammelstiftung Swiss Life gegen L. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_173/2009 vom 25. Januar 2010

Regeste

Art. 2 Abs. 2 ZGB; Art. 41 Abs. 1 (in der bis Ende 2004 geltenden Fassung)
resp. Art. 41 Abs. 2 BVG (in der seit 1. Januar 2005 in Kraft stehenden
Fassung); Art. 130 Abs. 1 OR; Art. 66 Abs. 2 und 4 BVG; Art. 10 BVV 2;
Fälligkeit und Verjährung rückwirkender Beitragsforderungen aus einem
Vorsorgeverhältnis, das nach Bekanntwerden eines nicht angemeldeten
Arbeitsverhältnisses nachträglich begründet wird.
Die effektive Begründung des individuellen Versicherungsverhältnisses zwischen
Vorsorgeeinrichtung und Arbeitnehmer ist für die Fälligkeit der auf die
vergangenen Beschäftigungszeiten bezogenen Beitragsforderungen grundsätzlich
nicht bestimmend (Änderung der Rechtsprechung, E. 3; vgl. aber die
Massgeblichkeit eines tatsächlichen Rechtsverhältnisses im Zusammenhang mit dem
Zwangsanschluss eines Arbeitgebers an die Auffangeinrichtung; SVR 2010 BVG Nr.
2 S. 4, 9C_655/2008).
Hatte die Vorsorgeeinrichtung wegen einer unentschuldbaren
Meldepflichtverletzung des Arbeitgebers keine Kenntnis vom Bestand einer
versicherungspflichtigen Anstellung, so wird die Fälligkeit der
Beitragsforderungen jedoch bis zur (anrechenbaren) Kenntnisnahme aufgeschoben
(E. 4.1 und 4.2). Der Lauf der Verjährung nach Art. 41 Abs. 2 BVG beginnt
indessen nur für Beitragsforderungen, die jünger als zehn Jahre sind; die
weiter zurückliegenden sind absolut verjährt (E. 4.3).
Anwendung auf den konkreten Fall (E. 5.1 und 5.2). Vorbehalt von
Ersatzansprüchen (E. 5.3).

Regeste

Art. 73 BVG; berufsvorsorgerechtliche Zuständigkeit zur Beurteilung von
Ersatzforderungen aus Nicht- oder Schlechterfüllung eines Anschlussvertrages.
Steht ein Schadenersatzanspruch aus Verletzung anschlussvertraglicher Pflichten
in Frage, die spezifisch berufsvorsorgerechtlicher Natur sind, so ist das
Berufsvorsorgegericht sachlich zuständig (Änderung der Rechtsprechung; E. 5.3).

Sachverhalt ab Seite 75

BGE 136 V 73 S. 75

A. Die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt (neu: BVG-Sammelstiftung Swiss
Life) führte am 21. Januar 2008 Klage gegen L. mit dem Rechtsbegehren, dieser
sei zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 45'693.- nebst Zins zu 5 Prozent
seit dem 10. Oktober 2001 zuzüglich Fr. 100.- für Zahlungsbefehlskosten zu
bezahlen; der in der Sache erhobene Rechtsvorschlag sei aufzuheben und es sei
ihr die definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Die Vorsorgeeinrichtung
begründete die Klage damit, L., der als Eigentümer eines Gipsergeschäfts von
Januar 1984 bis Ende März 1997 bei ihr angeschlossen gewesen sei (...), habe
den versicherungspflichtigen Mitarbeiter P. (Jahrgang 1935) nicht angemeldet.
Für dessen Beschäftigungszeiten in den Jahren 1985 bis 1995 seien Arbeitgeber-
und Arbeitnehmerbeiträge und Verzugszinsen im eingeklagten Ausmass geschuldet.

B. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn wies die Klage ab; die
geltend gemachten Forderungen seien verjährt (Entscheid vom 20. Januar 2009).

C. Die Sammelstiftung führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit dieses
über die Klage materiell entscheide. (...)
L. lässt beantragen, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventuell sei
sie abzuweisen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.2 Strittig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht erkannt hat,
die klageweise geltend gemachte Beitragsnachforderung für die
Beschäftigungsjahre 1985 bis 1995 sei verjährt. Forderungen auf periodische
Beiträge und Leistungen verjähren nach fünf, andere nach zehn Jahren; die Art.
129 bis 142 OR sind anwendbar (Art. 41 Abs. 1 BVG [SR 831.40] in der bis Ende
2004 geltenden
BGE 136 V 73 S. 76
Fassung; nunmehr Art. 41 Abs. 2 BVG; Urteil 9C_618/2007 vom 28. Januar 2008 E.
1.1.1 mit Hinweisen). Die Verjährungsfrist beginnt mit der Fälligkeit der
Forderung (Art. 130 Abs. 1 OR). Eine Forderung ist fällig, wenn der Gläubiger
sie verlangen kann und der Schuldner erfüllen muss (BGE 129 III 535 E. 3.2.1 S.
541; SVR 2008 BVG Nr. 14 S. 57, 9C_321/2007 E. 3.1).

3.

3.1 Eine gesetzliche Fälligkeitsregel für Beitragsforderungen besteht erst seit
dem Inkrafttreten der 1. BVG-Revision auf Anfang 2005; nach ihr überweist der
Arbeitgeber die beiderseitigen Beiträge bis spätestens zum Ende des ersten
Monats nach dem Kalender- oder Versicherungsjahr, für das die Beiträge
geschuldet sind, an die Vorsorgeeinrichtung (Art. 66 Abs. 4 BVG). Zuvor waren
allein reglementarische oder vertragliche Fälligkeitsregelungen massgebend
(Urteil 9C_618/2007 vom 28. Januar 2008 E. 1.1.2). Gemäss der hier anwendbaren
reglementarischen Bestimmung werden die Prämien vorschüssig zu Beginn jedes
Versicherungsjahres in einem Betrag fällig (Art. 4 Abs. 1 der ab 1988 gültigen
Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Rentenanstalt [AVB] und Art. 3 Abs. 1
der ab 1996 gültigen AVB). Die Verjährungsfrist beginnt für jede einzelne
Jahresprämie gesondert.
Zu beurteilen ist die Verjährungsfrage mit Bezug auf Prämienzahlungsansprüche,
die rückwirkend für einen Zeitraum erhoben werden, während dessen die
Vorsorgeeinrichtung offenbar keine Kenntnis vom individuellen
Vorsorgeverhältnis hatte. In dieser Situation stellt sich zunächst die Frage,
ob die Fälligkeit, mit welcher der Beginn der Verjährungsfrist einhergeht,
bereits unmittelbar zu Beginn des jeweiligen Versicherungsjahrs (gemäss AVB)
respektive nach Massgabe von Art. 66 Abs. 4 BVG eintritt, oder ob sie erst mit
der effektiven Begründung des individuellen Versicherungsverhältnisses
(nachträgliche Aufnahme des P. in die berufliche Vorsorge) zum Tragen kommen
kann. Wenn ersteres zutrifft, stellt sich die weitere Frage, ob der Lauf der
Verjährungsfrist unabhängig von der Kenntnis sämtlicher anspruchserheblicher
Tatbestandselemente seitens der Beitragsgläubigerin beginnt.

3.2 Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts und (ab 2007) der
II. sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts war der tatsächliche Bestand
eines einschlägigen Rechtsverhältnisses für die Fälligkeit der auf vergangene
Beschäftigungszeiten
BGE 136 V 73 S. 77
bezogenen Beitragsforderungen konstitutiv. Mit anderen Worten fiel der Beginn
der Beitragsverjährungsfrist nach Art. 41 Abs. 2 BVG (aArt. 41 Abs. 1 BVG) mit
der Begründung des Rechtsverhältnisses zusammen; dies galt ungeachtet dessen,
ob es sich um den Anschluss eines Arbeitgebers an die Vorsorgeeinrichtung (mit
kollektiver Wirkung hinsichtlich der Arbeitnehmer) handelte oder um die
Begründung eines individuellen Versicherungsverhältnisses zwischen der
Vorsorgeeinrichtung und dem einzelnen Arbeitnehmer.

3.2.1 Demnach werden Vorsorgebeiträge für frühere Jahre mit dem zwangsweisen
Anschluss des (zuvor keiner registrierten Vorsorgeeinrichtung angehörenden)
Arbeitgebers an die Auffangeinrichtung (nunmehr Art. 11 Abs. 5 und 6 [in der
seit Januar 2005 geltenden Fassung], Art. 60 Abs. 2 lit. a BVG) fällig (SZS
1994 S. 388, B 34/93 E. 3b). Jüngst hat das Bundesgericht bestätigt, dass erst
die Anschlussverfügung die Beitragsforderung entstehen lässt und ihre
Fälligkeit begründet (SVR 2010 BVG Nr. 2 S. 4, 9C_655/2008 E. 4.3).

3.2.2 Die Fälligkeit von Beitragsforderungen, die sich aus der nachträglichen
Begründung eines individuellen Vorsorgeverhältnisses im Rahmen eines
bestehenden Anschlussvertrages ergeben (vgl. zu den verschiedenen
Rechtsverhältnissen HANSJÖRG SEILER, Der Anschlussvertrag an eine
Personalvorsorgeeinrichtung: in: Liber amicorum für Moritz W. Kuhn, 2009, S.
376 ff.), trat nach bisheriger Praxis ebenfalls mit der Entstehung des
Rechtsverhältnisses ein. So liess bei Ungewissheit über das Beitragsstatut erst
der rechtskräftige Entscheid über die AHV-rechtliche Einstufung einer Person
als Unselbständigerwerbende eine rückwirkende Beitragsforderung entstehen; die
nachzuentrichtenden Beiträge wurden frühestens mit diesem Entscheid fällig
(Urteil B 26/99 vom 9. August 2001 E. 2c; vgl. SZS 2002 S. 510). Unter
Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht
festgehalten, bei einem Rechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über
die Qualifizierung einer Beschäftigung als Haupt- oder aber als Nebenerwerb -
wovon abhing, ob die betreffende Person der obligatorischen beruflichen
Vorsorge zu unterstellen war oder nicht - trete die Fälligkeit rückwirkender
Beitragsforderungen erst mit Rechtskraft des Entscheides ein, die
Erwerbstätigkeit sei als hauptberufliche zu betrachten: "Nel rinviare agli art.
129 a 142 CO, l'art. 41 LPP fa dipendere l'inizio della prescrizione
dall'esigibilità del credito contributivo. Orbene, il credito contributivo può
diventare esigibile solo se il lavoratore è stato correttamente annunciato
all'istituto di previdenza. Solo a partire da tale
BGE 136 V 73 S. 78
momento l'istituto di previdenza può, sulla base del guadagno annunciato,
conteggiare e addebitare i contributi. (...) Per determinare l'inizio del
termine di prescrizione non può per contro semplicemente bastare la circostanza
che il lavoratore avrebbe dovuto essere assicurato" (SVR 2007 BVG Nr. 17 S. 57,
B 1/04 E. 4.7).

3.3 Abweichend von der soeben zitierten Rechtsprechung ist es angezeigt, die
Fälligkeit von Beitragsforderungen, die sich aus einem im Nachhinein
begründeten individuellen Versicherungsverhältnis ergeben, grundsätzlich ex
tunc, das heisst mit der beitragspflichtigen Arbeitsleistung (oben E. 3.1),
eintreten zu lassen. Die beim Zwangsanschluss gemäss Art. 11 BVG bestehende
Rechtfertigung, die Fälligkeit an die effektive Begründung des
Rechtsverhältnisses zu binden, lässt sich nicht auf die hier interessierende
Konstellation übertragen: Während vor einem Zwangsanschluss noch nicht
bestimmbar ist, welche Institution den kollektiven Vorsorgeschutz später
übernehmen wird, stehen vor der Begründung eines individuellen
Versicherungsverhältnisses im Rahmen eines bestehenden Anschlussvertrages alle
wesentlichen Bemessungsgrundlagen fest. In Änderung der Rechtsprechung ist
daher festzuhalten, dass die Beitragsverjährungsfrist bei bestehendem
Anschlussverhältnis grundsätzlich nicht erst mit dem nachträglichen Abschluss
eines Vorsorgevertrags für einen bestimmten Arbeitnehmer beginnt, sondern
bereits mit der Fälligkeit der Prämie für dessen beitragspflichtige
Arbeitsleistung; der Fälligkeitstermin richtet sich dabei nach Art. 66 Abs. 4
BVG oder nach Reglement.

4. Bei dieser Rechtslage bleibt zu prüfen, ob die (hier noch abschliessend
festzustellende) Unkenntnis der Vorsorgeeinrichtung und eine allfällige
Zuwiderhandlung des Arbeitgebers gegen die Meldepflicht (Art. 10 der Verordnung
vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]; vgl. Art. 11 Abs. 1 BVG und Art. 7
Abs. 1 BVV 2) die Fälligkeit der Beitragsschuld beeinflussen.

4.1 Nach der Rechtsprechung und mehrheitlichen Doktrin zu Art. 130 Abs. 1 OR
tritt die Fälligkeit unabhängig davon ein, ob der Gläubiger von Forderung und
Fälligkeit Kenntnis hat oder haben kann (BGE 126 III 278; BGE 119 II 216 E. 4a/
aa S. 219; BGE 106 II 134 E. 2a S. 137; Urteil 9C_618/2007 vom 28. Januar 2008
E. 1.1.3; vgl. BGE 126 II 145 E. 2b S. 151; ROBERT K. DÄPPEN, in: Basler
Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 2007, N. 9 zu Art. 130 OR; STEPHEN V.
BERTI, in: Zürcher
BGE 136 V 73 S. 79
Kommentar, 3. Aufl. 2002, N. 8 zu Art. 130 OR; ALFRED KOLLER, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2009, S. 1100 Rz. 1 und S. 1155
Rz. 44; INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner
Teil, 5. Aufl. 2009, S. 527 Rz. 84.15; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2008, S. 224 Rz. 3309;
a.M.: HANS MERZ, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im
Jahre 1980, ZBJV 118/1982 S. 136 f.).

4.2 Aus Sicht der Vorsorgeeinrichtung erscheint es als stossend, wenn der Lauf
der Verjährung auch dann in Gang gesetzt wird, wenn ihr eine - zwar objektiv
einklagbare - Forderung nicht bekannt ist und auch nicht bekannt sein kann
(vgl. dazu JEAN-BENOÎT MEUWLY, La prescription des créances d'assurance privée
[art. 46 al. 1 LCA] au regard de la dernière jurisprudence du Tribunal fédéral,
AJP 2003 S. 315 ff.). Das Anliegen der Vorsorgeeinrichtung und der dahinter
stehenden Versichertengemeinschaft, dass alle Beiträge zur Finanzierung der
Vorsorgeleistungen reglementskonform bezahlt werden, steht dem Ziel der
Rechtssicherheit gegenüber, wonach eine Forderung nach Ablauf einer bestimmten
Frist nicht mehr durchsetzbar sein soll. Beim Ausgleich dieser Interessen muss
der Schutzzweck des Rechtsinstituts der Verjährung im Auge behalten werden. Die
Nichterheblichkeit der Kenntnis wird unter anderem damit begründet, die
Verjährung sei vor allem zum Schutz des Schuldners geschaffen (PASCAL
PICHONNAZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 4 zu
Art. 130 OR). Dieser Schutz kann nach Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) von
demjenigen nicht in Anspruch genommen werden, der - aus eigenem, vorwerfbarem
Verhalten - allein dafür verantwortlich ist, dass die Forderung der Gläubigerin
verborgen geblieben ist. Die Berufung des Beitragsschuldners auf einen Eintritt
der Fälligkeit vor erfolgter Kenntnisnahme wäre alsdann rechtsmissbräuchlich
(Art. 2 Abs. 2 ZGB; BGE 131 II 265 E. 4.2 S. 267; THOMAS GÄCHTER,
Rechtsmissbrauch im öffentlichen Recht, 2005, S. 4 ff.). Wenn der Schuldner die
vorläufige Unkenntnis der Gläubigerin zu verantworten hatte, hängt der Eintritt
der Fälligkeit somit ausnahmsweise von deren Wissen um die Grundlagen der
Forderung ab. Da der Zeitpunkt, zu welchem sämtliche für die Bemessung der
Beitragsforderung notwendigen Angaben vorliegen, auch von der Aufmerksamkeit
der Vorsorgeeinrichtung abhängig ist, wirkt nicht erst die tatsächliche,
sondern bereits die normativ anrechenbare - zumutbare - Kenntnis
fristauslösend.
BGE 136 V 73 S. 80
Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass auch die dem Gläubiger noch unbekannte
Forderung fällig werden kann, rechtfertigt sich allerdings nicht bei jeder
objektiven Verletzung der Meldepflicht. Der Beginn des Fristenlaufs wird nicht
aufgeschoben, wenn der Arbeitgeber mit Blick auf die konkreten Verhältnisse in
guten Treuen davon ausgehen durfte, der nicht an die Vorsorgeeinrichtung
gemeldete Arbeitnehmer sei etwa aufgrund seines Beitragsstatus nicht
versicherungspflichtig gewesen. Gefordert ist vielmehr eine qualifizierte
Meldepflichtverletzung im Sinne einer unentschuldbaren Unterlassung, so wie im
Hinblick auf den Erlass einer Rückforderung unrechtmässig bezogener Leistungen
eine nur leichte Verletzung der Melde- oder Auskunftspflicht den guten Glauben
nicht ausschliesst (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG [SR 830.1]; BGE 110 V 176;
Urteil 8C_594/2007 vom 10. März 2008 E. 5.6). Ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten ist nicht schon dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die
Versicherungspflicht aus einfacher Fahrlässigkeit verkannte.

4.3 Bei vorwerfbarem Verhalten des Schuldners erfolgt ein an sich zeitlich
schrankenloser Aufschub der Fälligkeit der einzelnen periodischen
Beitragsforderung bis zu dem Zeitpunkt, in welchem die Beitragsgläubigerin
davon anrechenbare Kenntnis erlangt. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden,
dass - vergleichsweise - für (sekundäre) Ansprüche aus Vertragsverletzung eine
subsidiäre Verjährungsfrist von zehn Jahren seit der Pflichtverletzung gilt
(Art. 127 OR), für Deliktsansprüche eine ebenfalls zehnjährige absolute Frist
(Art. 60 Abs. 1 OR), beginnend mit dem schädigenden Verhalten (SCHWENZER,
a.a.O., S. 526 f. Rz. 84.14 und 84.18; vgl. BGE 126 II 145 E. 2b S. 151). Wenn
nun die Durchsetzbarkeit der originären Beitragsforderung gegenüber dem
Schuldner, der qualifiziert gegen die Meldepflicht verstossen hat, rückwirkend
unbegrenzt möglich wäre, könnte dies mit der Verjährungsordnung insgesamt nicht
vereinbart werden (vgl. MEUWLY, a.a.O., S. 319 ff.). Damit ist die insofern
relative Verjährungsfrist von fünf Jahren nach (zumutbarer) Kenntnisnahme im
Wege der Lückenfüllung (vgl. BGE 135 V 163 E. 5.3 S. 168; BGE 127 V 38 E. 4b/cc
S. 41) um eine absolute Befristung zu ergänzen: Die einzelne Beitragsforderung
verjährt auch bei Bejahung einer qualifizierten Meldepflichtverletzung und
andauernd unverschuldet fehlender Kenntnis der Vorsorgeeinrichtung über den
Beitragstatbestand jedenfalls zehn Jahre nach ihrem (virtuellen) Entstehen. Da
die Fälligkeit bis zur Kenntnisnahme aufgeschoben ist,
BGE 136 V 73 S. 81
können von vornherein nur Beitragsforderungen nachgefordert werden, die zu
diesem Termin nicht älter als zehn Jahre sind. Weiter zurückliegende
Beitragsforderungen sind bereits (absolut) verjährt, so dass mit Bezug auf sie
keine (relative) Verjährungsfrist (Art. 41 Abs. 2 BVG [aArt. 41 Abs. 1 BVG])
mehr beginnen kann.

5. Das kantonale Gericht wird zunächst festzustellen haben (Art. 61 lit. c
ATSG), ob die Nichtdeklaration der Beschäftigung des P., den konkreten
Umständen nach, einer qualifizierten Meldepflichtverletzung des
Beschwerdegegners entspricht (vgl. oben E. 4.2) und ob die anrechenbare
Kenntnisnahme erst mit dem Eingang eines Schreibens des Rechtsvertreters des P.
vom 26. Januar 1999 begründet wurde. Eintritt und Ausmass der Verjährung hängen
vom Inhalt dieser Feststellungen ab.

5.1 Sollte die Vorinstanz keine oder keine qualifizierte Meldepflichtverletzung
feststellen, so wurden die eingeklagten Betreffnisse der Beschäftigungsjahre
1985 bis 1995 jeweils im betreffenden Beitragsjahr fällig, womit die
fünfjährige Verjährungsfrist begann. Die erste verjährungsunterbrechende
Handlung der Beschwerdeführerin konnte erst im Jahr 2002 erfolgen, so dass in
dieser Variante die gesamte Forderung verjährt ist (Art. 41 Abs. 2 BVG [aArt.
41 Abs. 1 BVG]).

5.2 Falls die Abklärungen des kantonalen Gerichts ergeben sollten, dass eine
qualifizierte Meldepflichtverletzung des Beschwerdegegners gegeben sei, sind
die rückwirkenden Beitragsforderungen der Beschwerdeführerin bezüglich der
Beschäftigungsjahre 1985 bis 1995 grundsätzlich nicht fällig geworden, solange
die Beschwerdeführerin nicht um den Bestand der im Streit liegenden Forderung
wissen konnte (oben E. 4.2).

5.2.1 Mit Empfang des Schreibens vom 26. Januar 1999 hatte die Sammelstiftung
wohl erstmals Gelegenheit, von einem (möglichen) Vorsorgetatbestand Kenntnis zu
nehmen. Trat die Fälligkeit im Januar 1999 ein, hat die Vorsorgeeinrichtung die
Verjährung auf dem Weg der Betreibung (Erwirkung des Zahlungsbefehls vom 18.
Juni 2002) vorerst rechtzeitig unterbrochen (Art. 41 Abs. 2 BVG [aArt. 41 Abs.
1 BVG] in Verbindung mit Art. 135 Ziff. 2 OR). Die Verjährung beginnt sodann
mit jedem Betreibungsakt und - nach Klageerhebung - mit jeder gerichtlichen
Handlung der Parteien und mit jeder Verfügung oder Entscheidung des Richters
von neuem (Art. 137 Abs. 1 und Art. 138 Abs. 1 und 2 OR). Mit Blick auf die
weiteren
BGE 136 V 73 S. 82
Unterbrechungen (Rechtsöffnungsbegehren vom 22. Januar 2003, Entscheid des
Richteramts X. vom 13. August 2003 [vgl. dazu BGE 91 II 362 E. 10 S. 371];
Klage vom 21. Januar 2008) ist die Forderung insoweit bis zum heutigen Tag
nicht verjährt.

5.2.2 Die normalerweise in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung
eintretende Fälligkeit der Beitragsforderung (oben E. 3.1) wird im Falle einer
qualifizierten Meldepflichtverletzung bis zur (anrechenbaren) Kenntnisnahme
durch die Gläubigerin aufgeschoben. Die Fälligkeit der bis dahin für die
einzelnen Versicherungsjahre aufgelaufenen Forderungen bezieht sich aber nur
auf Jahresprämien, die bei Eintritt der aufgeschobenen Fälligkeit nicht älter
als zehn Jahre waren (oben E. 4.3). Nicht erheblich ist deshalb, ob eine - im
Zeitpunkt der anrechenbaren Kenntnis noch nicht zehnjährig gewesene - Forderung
dieses Alter bei der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung (hier im Juni
2002) erreicht hat; eine solche (vom Fristenlauf gemäss Art. 41 Abs. 2 BVG
unabhängige) Handhabung der absoluten Befristung würde der Ausnahmesituation
des Rechtsmissbrauchs nicht gerecht, welche die Fälligkeit an die (zumutbare)
Kenntnis des Gläubigers bindet. Unter den erwähnten sachverhaltlichen Annahmen
sind noch die Jahresprämien für 1990 bis 1995 effektiv einforderbar; diejenige
für das Jahr 1989 ist bereits absolut verjährt, da sie vorschüssig zu Beginn
jedes Versicherungsjahres in einem Betrag fällig wird (Art. 4 Abs. 1 AVB 1988
und Art. 3 Abs. 1 AVB 1996).

5.3 Soweit originäre Beitragsforderungen verjährt sind, stellt sich die
Anschlussfrage, ob die Voraussetzungen für sekundäre Ansprüche auf
Schadenersatz aus Vertragsverletzung gegeben seien. Zur Annahme einer
vertraglichen Schadenersatzpflicht bedarf es nicht wie beim Rechtsmissbrauch
(oben E. 4.2) einer qualifizierten Meldepflichtverletzung, sondern genügt
gegebenenfalls leichte Fahrlässigkeit (Art. 97 Abs. 1 und Art. 99 Abs. 1 OR;
BGE 130 V 103 E. 3.3 S. 109 mit Hinweisen). Falls eine Vertragsverletzung
während des gesamten Beschäftigungszeitraums (1985 bis 1995) andauerte, fallen
- mit Blick auf die im Laufe des Jahres 2002 erfolgte Betreibung - unverjährte
Ersatzansprüche für die (primär verjährten) Jahresprämien ab 1993 in Betracht
(Art. 127 OR). Nach bisheriger Rechtsprechung oblag die Beurteilung von
Ersatzforderungen aus Nicht- oder Schlechterfüllung eines Anschlussvertrages
der Ziviljustiz (Urteil B 37/03 vom 10. März 2004 E. 2.3). Diese
Kompetenzzuweisung erfolgte ursprünglich mit Blick auf den Umstand,
BGE 136 V 73 S. 83
dass der - mit dem Schadenersatzanspruch verwandte -
Verantwortlichkeitsanspruch nach Art. 52 BVG bis zur Gesetzesrevision gemäss
Bundesgesetz vom 21. Juni 1996, in Kraft seit 1. Januar 1997 (vgl. BGE 128 V
124 E. 2 S. 126), nicht in die Zuständigkeit des BVG-Gerichts, sondern der
Ziviljustiz fiel (vgl. BGE 117 V 33 S. 42; SVR 1994 BVG Nr. 2 S. 3, B 37/92 E.
4c). Seither sind für die Beurteilung von Verantwortlichkeitsansprüchen die
Berufsvorsorgegerichte zuständig. Der früher zur Begründung einer Zuständigkeit
der Zivilgerichtsbarkeit verwendete Harmonisierungsgedanke spricht nun dafür,
die Beurteilung von Ersatzforderungen aus einer Verletzung des
Anschlussvertrages zwischen Arbeitgeber und Vorsorgeeinrichtung in die
berufsvorsorgegerichtliche Zuständigkeit fallen zu lassen. Die bisherige
Rechtsprechung steht überdies im Gegensatz zur Praxis, wonach im Bereich der
auf Art. 97 ff. OR gestützten Ansprüche aus Nicht- oder Schlechterfüllung des
Vorsorgevertrags die Zuständigkeit der Gerichte nach Art. 73 BVG bejaht wird (
BGE 130 V 103 E. 1.2 S. 105 in Verbindung mit E. 3.3 S. 109; SEILER, a.a.O., S.
398). Die veränderten rechtlichen Verhältnisse rechtfertigen eine
Praxisänderung (vgl. BGE 134 V 72 E. 3.3 S. 76). Wenn ein Schadenersatzanspruch
aus Verletzung anschlussvertraglicher Pflichten in Frage steht, die spezifisch
berufsvorsorgerechtlicher Natur sind, ist aufgrund dieses direkten Sachbezugs
somit neu das Berufsvorsorgegericht nach Art. 73 BVG sachlich zuständig. Die
Vorinstanz wird also gegebenenfalls auch die Frage nach einem sekundären
Ersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Meldepflichtverletzung zu
beurteilen haben.