Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 V 7



Urteilskopf

136 V 7

2. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. N. und S.
gegen IV-Stelle Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_194/2009 vom 15. Dezember 2009

Regeste

Art. 28 IVG; Art. 573 Abs. 2 ZGB; Art. 196, 260 und 269 SchKG; Art. 48 VwVG;
Art. 59 ATSG; Art. 89 Abs. 1 BGG; Anfechtung einer den Nachlass betreffenden
Rentenverfügung durch einen ausschlagenden Erben.
Ein Erbe, welcher die Erbschaft ausgeschlagen und nicht den Antritt der
Erbschaft vor Abschluss des Konkursverfahrens erklärt hat, ist nicht
legitimiert, einen in den Nachlass fallenden öffentlich-rechtlichen
Rechtsanspruch - in casu Rentenverfügung einer IV-Stelle - in einem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu verfolgen (E. 2.2).
Art. 573 Abs. 2 ZGB ist grundsätzlich auch in einem Nachkonkurs anwendbar (E.
2.2.2.2).

Sachverhalt ab Seite 7

BGE 136 V 7 S. 7

A.

A.a Der 1959 geborene K. erlitt im Mai 1989 und März 1995 je einen Berufsunfall
mit Beteiligung des rechten Kniegelenks. Am 6. Mai 1999 und 15. Februar 2002
wurden arthroskopische Eingriffe durchgeführt. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) kam für die gesundheitlichen und erwerblichen
Unfallfolgen auf und richtete Taggelder aus, u.a. im Zeitraum vom 14. September
1989 bis 31. Juli 2000 und vom 7. Februar 2001 bis 11. August 2003 auf
BGE 136 V 7 S. 8
Grund einer Arbeitsunfähigkeit von 100 %. Die IV-Stelle Basel-Stadt, bei
welcher sich K. im April 2001 zum Rentenbezug angemeldet hatte, übernahm mit
Verfügungen vom 6. August 2003 und 24. Februar 2004 die Umschulung zum Kaufmann
mit Eidg. Fähigkeitszeugnis und Handelsdiplom VSH. Wegen unbegründeter Absenzen
verfügte sie am 26. Oktober 2004 den sofortigen Abbruch der Massnahme, wogegen
der Versicherte Einsprache erhob. Da vermehrt Beschwerden im rechten Knie
bestanden, schlug der behandelnde Arzt Dr. med. F. eine ausgedehnte
Gelenkstoilette mit Osteophytenresektion am rechten Knie vor. Zu diesem Zweck
sollte K. am 9. Februar 2005 ins Spital Z. eintreten. Der Kreisarzt der SUVA,
Dr. med. I., hielt zudem in seinem Bericht über die Untersuchung vom 24.
November 2004 fest, es bestehe dringender Verdacht auf eine mediale
Meniskusläsion am linken Kniegelenk. Er schlug bei Einwilligung des
Versicherten eine arthroskopische Teilmeniskektomie links vor.

A.b Im Januar 2005 verstarb K. Sämtliche Erben, darunter die 1990 geborene, bei
ihrer Mutter lebende (ältere) Tochter S., schlugen die Erbschaft aus. Am (...)
2005 wurde über den Nachlass der Konkurs eröffnet. Am (...) 2006 schloss das
Konkursamt das summarisch durchgeführte Verfahren.

A.c Die IV-Stelle schrieb mit Entscheid vom 2. Juni 2005 die Einsprache des K.
sel. gegen den Abbruch der Umschulung zum Kaufmann als gegenstandslos geworden
ab. Mit Verfügungen vom 27. Februar 2006 stellte sie fest, dass der verstorbene
Versicherte für die Zeit vom 1. April bis 31. Juli 2000 und vom 1. Februar 2001
bis 31. März 2003 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente sowie u.a. auf zwei
Kinderrenten für die beiden Töchter gehabt habe und setzte die Leistungen fest.
Die Rentenbetreffnisse von insgesamt Fr. 97'612.- zahlte die Ausgleichskasse
Basel-Stadt an das Konkursamt, welches eine Nachverteilung vornahm. Nach
Deckung aller Forderungen verblieb ein Überschuss von Fr. 29'289.85, welcher an
das Erbschaftsamt zur Auszahlung an die Erben überwiesen wurde.
N., die Mutter von S., liess gegen die Verfügungen vom 27. Februar 2006
Einsprache erheben, welche die IV-Stelle mit Entscheid vom 22. August 2007
abwies.

B. Die Beschwerde der N. wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt nach
zweifachem Schriftenwechsel, Beizug der Pensionskasse X. AG zum Verfahren und
nach Einsichtnahme in die Unfallversicherungsakten mit Entscheid vom 3.
Dezember 2008 ab.
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C. N. und S. lassen gemeinsam Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, Gerichtsentscheid und
Einspracheentscheid seien aufzuheben und die IV-Stelle sei zu verpflichten, vom
1. April 2000 bis 31. März 2003 eine ganze Rente und ab 1. April 2003 eine
Viertelsrente der Invalidenversicherung auszurichten, unter Verzicht auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses und unter Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung.
IV-Stelle und kantonales Sozialversicherungsgericht beantragen die Abweisung
der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

D. Der Instruktionsrichter hat beim Rechtsvertreter von N. und S. eine
Beweisauskunft betreffend die konkursamtliche Liquidation der ausgeschlagenen
Erbschaft des K. sel. eingeholt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen die formellen
Gültigkeitserfordernisse auch des vorinstanzlichen Verfahrens. Der angefochtene
Entscheid ist aufzuheben, wenn das kantonale Versicherungsgericht in der Sache
entschieden hat, obschon es an einer Eintretensvoraussetzung fehlte (BGE 132 V
93 E. 1.2 S. 95 mit Hinweis; vgl. auch BGE 123 V 280 E. 1 S. 283).

2.1 Nach dem kraft Art. 2 ATSG (SR 830.1) und Art. 1 Abs. 1 IVG auch in
Streitigkeiten betreffend eine Rente der Invalidenversicherung anwendbaren Art.
59 ATSG ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung
oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an
deren Aufhebung oder Änderung hat. Der Begriff des schutzwürdigen Interesses
für das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist gleich auszulegen
wie derjenige nach Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG für das Verfahren der Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht (BGE 134 II 120
E. 2.1 S. 122; BGE 133 II 400 E. 2.2 S. 404; SVR 2009 BVG Nr. 27 S. 97, 8C_539/
2008 E. 2.1). Ein schutzwürdiges Interesse liegt somit vor, wenn die
tatsächliche oder rechtliche Situation des oder der Rechtsuchenden durch den
Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann. Dabei wird verlangt, dass die
Beschwerde führende Person durch den angefochtenen Verwaltungsakt (Verfügung
oder Einspracheentscheid) stärker als jedermann betroffen ist und in einer
besonderen, beachtenswerten, nahen
BGE 136 V 7 S. 10
Beziehung zur Streitsache steht (BGE 133 V 239 E. 6.2 S. 242; BGE 120 Ib 48 E.
2a S. 51 f.).

2.1.1 Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren war N., die Mutter der
damals noch unmündigen Tochter S. des im Januar 2005 verstorbenen Versicherten.
Sie beantragte zur Hauptsache die Aufhebung des Einspracheentscheides vom 22.
August 2007 und die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente rückwirkend per
Anspruchsbeginn. Das kantonale Gericht hat die Beschwerdeberechtigung der
Mutter von S. als Inhaberin der elterlichen Sorge für die Tochter im Sinne
einer Prozessstandschaft bejaht. Es hat erwogen, es gehe um deren Anspruch auf
eine Kinderrente nach Art. 35 Abs. 1 IVG und eine Waisenrente nach Art. 20 BVG
(SR 831.40). Der Anspruch auf Hinterlassenenleistungen der beruflichen Vorsorge
setze voraus, dass der verstorbene Vater von der Vorsorgeeinrichtung im
Zeitpunkt des Todes eine Alters- oder Invalidenrente erhalten habe (Art. 18
lit. d BVG). S. habe somit ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des
Einspracheentscheids, welcher für die Zeit vom 1. August 2000 bis 31. Januar
2001 und ab 1. April 2003 den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung
verneine. In der Beschwerde war zudem ausgeführt worden, gemäss neuerer Praxis
seien Erben legitimiert, wenn die Voraussetzungen nach Art. 103 lit. a OG
erfüllt seien, was in casu zutreffe.

2.1.2 Der Anspruch auf Kinderrente nach Art. 35 Abs. 1 IVG steht dem
rentenbeziehenden Elternteil zu und nicht dem Kind, für dessen Unterhalt die
einzelnen Betreffnisse bestimmt sind (BGE 134 V 15 E. 2.3.3 und 2.3.4 S. 17;
Urteil 5A_104/2009 vom 19. März 2009 E. 2.1). Ein zu Lebzeiten entstandener
Rentenanspruch geht mit dem Tod des Berechtigten auf dessen Erben über (Art.
560 Abs. 2 ZGB; BGE 99 V 165 E. 2a S. 167; Urteil 8C_146/2008 vom 22. April
2008 E. 1.1; HANS MICHAEL RIEMER, Vererblichkeit und Unvererblichkeit von
Rechten und Pflichten im Privatrecht und im öffentlichen Recht, recht 1/2006 S.
31). In BGE 99 V 58 entschied das ehemalige Eidg. Versicherungsgericht, dass
nicht nur die Erben gemeinsam zu gesamter Hand (Art. 602 Abs. 2 ZGB), sondern
auch einzelne Mitglieder der Erbengemeinschaft zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend vermögensrechtliche Interessen des
Nachlasses berechtigt sind, sofern sie die Bedingungen von Art. 103 lit. a OG
erfüllen (ebenso ARV 1980 S. 61, C 90/79 E. 1 und AHI 1995 S. 92, I 147/92 E.
2). Zu den vermögensrechtlichen Interessen des Nachlasses gehören auch der
Umfang des Anspruchs auf eine Kinderrente der
BGE 136 V 7 S. 11
Invalidenversicherung bis zum Tod des Versicherten sowie Höhe und Beginn der
Leistung. Im Urteil U 201/98 vom 30. März 1999 liess das Eidg.
Versicherungsgericht unter Hinweis auf das Urteil der I. Öffentlichrechtlichen
Abteilung des Bundesgerichts ZBl 89/1988 S. 553, A.30/1986 offen, ob an der
Rechtsprechung, wonach einzelne Mitglieder einer Erbengemeinschaft zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend vermögensrechtlicher Interessen des
Nachlasses berechtigt sind, sofern die Bedingungen von Art. 103 lit. a OG
erfüllt sind, festzuhalten sei. Im Urteil SVR 2008 UV Nr. 20 S. 74, 8C_146/
2008, hat die I. sozialrechtliche Abteilung entschieden, dass einzelne
Mitglieder einer Erbengemeinschaft nach Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG selber
berechtigt sind, in einer sozialversicherungsrechtlichen Leistungsstreitigkeit
Beschwerde beim Bundesgericht zu erheben (vgl. auch Urteil 1C_73/2008 vom 1.
Oktober 2008 E. 1.4, nicht publiziert in: BGE 134 II 308, aber in: ZBl 109/2008
S. 593). Die Beschwerdelegitimation der kurz vor Erlass des angefochtenen
Entscheids mündig gewordenen S. ist somit grundsätzlich zu bejahen.

2.2 Sämtliche (nächsten gesetzlichen) Erben des verstorbenen Versicherten,
darunter auch S., schlugen die Erbschaft aus. Der Nachlass wurde durch das
Konkursamt liquidiert (Art. 573 Abs. 1 ZGB; Art. 193 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2
SchKG; SJ 2006 I S. 365, 4C.252/2005 E. 4). Dabei wurde das Verfahren nicht
mangels Aktiven eingestellt (Art. 230a Abs. 1 SchKG). Ebenfalls hatte keiner
der Erbberechtigten vor Schluss des Verfahrens den Antritt der Erbschaft
erklärt und für die Bezahlung der Schulden hinreichende Sicherheit geleistet,
was zur Einstellung der konkursamtlichen Liquidation geführt hätte (Art. 196
SchKG). Am (...) 2006 schloss das zuständige Zivilgericht das Konkursverfahren.
In diesem Zeitpunkt waren lediglich die in der 1. Klasse kollozierten
Forderungen voll gedeckt. Die übrigen Forderungen blieben in der Höhe von
insgesamt Fr. 68'322.15 ungedeckt. Gestützt auf die Verfügungen der IV-Stelle
Basel-Stadt vom 27. Februar 2006 zahlte die kantonale Ausgleichskasse Fr.
97'612.- an das Konkursamt, was zu einer Nachverteilung unter den Gläubigern
führte. Es verblieb ein Überschuss von Fr. 29'289.85, welcher an das
Erbschaftsamt zur Verteilung unter den Erben überwiesen wurde (Art. 269 Abs. 1
SchKG).

2.2.1

2.2.1.1 Die Ausschlagung der Erbschaft hat den Verlust der Erbenstellung resp.
der Erbenqualität zur Folge (PAUL-HENRI STEINAUER, Le droit des successions,
2006, S. 462 ff. Rz. 951 und 982; JEAN NICOLAS
BGE 136 V 7 S. 12
DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, S. 222 Rz. 42). Ausschlagende
Erben verzichten auf ihr Erbrecht (ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl.
1960, N. 9 zu Art. 573 ZGB). Ein zu Lebzeiten entstandener Anspruch der
verstorbenen Person auf eine Rente der Invalidenversicherung geht mit deren Tod
somit nicht - endgültig - auf ihre die Erbschaft ausschlagenden Erben über
(resolutiv bedingter Erwerb; ESCHER, a.a.O., N. 6 f. Vorbemerkungen zu Art. 560
ZGB), sondern fällt in die Konkursmasse der ausgeschlagenen Erbschaft (BGE 119
V 165 E. 3c S. 168).

2.2.1.2 Gemäss Art. 573 Abs. 2 ZGB wird zwar ein allfälliger Überschuss in der
Liquidation nach Deckung der Schulden den Berechtigten überlassen, wie wenn
keine Ausschlagung stattgefunden hätte. Diese Vorschrift macht indessen eine
rechtsgültige Ausschlagung mit Bezug auf bestimmte (nachträglich entdeckte)
Aktiven des Nachlasses nicht wirkungslos (vgl. ESCHER, a.a.O., N. 14 in fine zu
Art. 573 ZGB). Die Berechtigung am Liquidationserlös besteht nicht als
(insoweit wieder eingesetzte) Erben (TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 2. Aufl.
1964, N. 9 zu Art. 573 ZGB). Vielmehr handelt es sich um einen Anspruch
obligationenrechtlicher Natur gegen die ausgeschlagene Erbschaft, vergleichbar
dem Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen die Erben auf Herausgabe des
Vermachten (ESCHER, a.a.O., N. 13 zu Art. 573 ZGB; BERNHARD SCHNYDER UND
ANDERE, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl. 2009, S. 615 Rz. 10;
diesbezüglich unklar PAUL PIOTET, Erbrecht, in: SPR, Bd. IV/2, 1981, S. 560).
Aus einem Überschuss in der konkursamtlichen Liquidation des ausgeschlagenen
Nachlasses werden denn auch zuerst die Vermächtnisse entrichtet (ESCHER und
TUOR/PICENONI, a.a.O., je N. 8 zu Art. 573 ZGB; SCHNYDER UND ANDERE, a.a.O., S.
722 Rz. 11; IVO SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 3.
Aufl. 2007, N. 6 zu Art. 573 ZGB).

2.2.2 Art. 573 Abs. 2 ZGB gibt den ausschlagenden Erben lediglich Anspruch auf
das positive Ergebnis der Liquidation. Die Bestimmung kommt erst zur Anwendung,
wenn alle Aktiven liquidiert und alle Nachlassschulden gedeckt sind. Die Rechte
der Gläubiger des Erblassers gehen der Berechtigung der ausschlagenden Erben
zur Geltendmachung von umstrittenen Rechtsansprüchen jedenfalls vor und dürfen
nicht geschmälert oder gefährdet werden. Gestützt auf Art. 573 Abs. 2 ZGB
können somit keine Liquidationshandlungen mehr durchgeführt werden.
BGE 136 V 7 S. 13

2.2.2.1 Zur Liquidation gehört auch das Recht, einen umstrittenen
Rechtsanspruch durchzusetzen. Handelt es sich bei diesem Aktivum um eine
anfechtbare Rentenverfügung, sind - abgesehen von den in Art. 196 und 230a Abs.
1 SchKG geregelten Tatbeständen - die Gesamtheit der Gläubiger oder bei deren
Verzicht die Abtretungsgläubiger nach Art. 260 Abs. 1 SchKG (vgl. dazu AMONN/
WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, S.
431 Rz. 32) berechtigt, an Stelle des ausgeschlagenen Nachlasses in
konkursamtlicher Liquidation eine höhere Rente auf gerichtlichem Wege zu
erstreiten (BGE 122 III 488 E. 3b S. 489). Wird trotz hinreichender Kenntnis
von der Existenz und Massezugehörigkeit eine Rentenverfügung nicht angefochten,
ist zu vermuten, dass die Konkursverwaltung und die Konkursgläubiger bewusst
darauf verzichtet haben, wodurch der Konkursbeschlag als entfallen und die
Verfügungsmacht der Masse darüber als wieder auf den Gemein-schuldner
übergegangen gilt (BGE 116 III 96 E. 2a S. 98; NICOLAS JEANDIN, in: Commentaire
romand, Poursuite et faillite, 2008, N. 13 zu Art. 269 SchKG; vgl. auch BGE 27
I 552). Im Falle der Liquidation einer ausgeschlagenen Erbschaft verbleibt sie
bei der Masse.

2.2.2.2 Ergeht die Verfügung, wie vorliegend, erst nach Abschluss des
Konkurses, wird der damit bejahte oder verneinte Anspruch in einem Nachkonkurs
liquidiert, sofern er als neu entdeckt im Sinne von Art. 269 Abs. 1 SchKG zu
gelten hat (vgl. dazu BGE 116 III 96). Dabei findet Art. 260 SchKG
entsprechende Anwendung (Art. 269 Abs. 3 SchKG; JEANDIN, a.a.O., N. 4 zu Art.
269 SchKG). Der zweifelhafte Rechtsanspruch resp. das Anfechtungsrecht ist
denjenigen Gläubigern, welche im Konkurs zu Verlust gekommen sind, zur
Abtretung anzubieten (MATTHIAS STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. III, 1998, N. 22 zu Art. 269 SchKG). Im
Nachkonkurs ist Art. 573 Abs. 2 ZGB ebenfalls grundsätzlich anwendbar
(Zustimmung der I. zivilrechtlichen und der I. sozialrechtlichen Abteilung im
Verfahren nach Art. 23 Abs. 2 BGG). Es kann offenbleiben, ob dasselbe auch für
Art. 196 SchKG gilt und ein Erbberechtigter vor Schluss des Verfahrens den
Antritt der Erbschaft in Bezug auf einen neu entdeckten zweifelhaften
Rechtsanspruch nach Art. 269 Abs. 3 SchKG erklären kann. Es bestehen keine
Anhaltspunkte, dass die am Recht stehende ältere Tochter des Verstorbenen in
diesem Sinne vorgegangen war.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass S. weder erbrechtlich noch
konkursrechtlich auf mehr als den Anteil am Überschuss in der
BGE 136 V 7 S. 14
Liquidation der ausgeschlagenen Erbschaft ihres verstorbenen Vaters Anspruch
hat. Insbesondere hat sie kein eigenes Recht, die - im Original dem
Erbschaftsamt eröffneten - Verfügungen vom 27. Februar 2006 anzufechten und
allenfalls höhere Rentenleistungen zu erstreiten. Eine Beschwerdeführung "pro
Adressat" (BGE 131 V 298 E. 4 S. 300) fällt schon deshalb ausser Betracht, weil
die Forderungen der Gläubiger durch die zugesprochenen Rentenleistungen von Fr.
97'612.- vollumfänglich gedeckt wurden. Somit besteht im erb- und
konkursrechtlichen Kontext auch kein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art.
48 VwVG (SR 172.021), Art. 59 ATSG und Art. 89 Abs. 1 BGG der am Recht
stehenden Tochter des verstorbenen Versicherten an der Geltendmachung einer
höheren Rente in einem Einsprache- und verwaltungsgerichtlichen
Beschwerdeverfahren (Zustimmung der I. zivilrechtlichen und der I.
sozialrechtlichen Abteilung im Verfahren nach Art. 23 Abs. 2 BGG).

2.3 Ob die Ausschlagung der Erbschaft durch S. sinngemäss als nichtiger und
daher unwirksamer Verzicht auf Versicherungsleistungen nach Art. 23 Abs. 1 ATSG
aufzufassen ist mit der Folge, dass sie gleichwohl berechtigt ist, die
Zusprechung lediglich einer befristeten Kinderrente zur Rente ihres
verstorbenen Vaters anzufechten, kann offenbleiben. Selbst wenn dies zu bejahen
wäre, ergäbe sich daraus nichts zu ihren Gunsten. Gemäss Verteilungsplan im
Konkurs des Nachlasses des verstorbenen Versicherten wurden alle eingegebenen
und kollozierten Forderungen, insbesondere für unbezahlt gebliebene und von der
Sozialhilfe bevorschusste Alimente, vollumfänglich gedeckt. Durch die
Ausschlagung der Erbschaft wurden somit keine im Sinne von Art. 23 Abs. 2 ATSG
schutzwürdigen Interessen von anderen Personen, von Versicherungen oder
Fürsorgestellen beeinträchtigt (vgl. dazu UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl.
2009, N. 16 ff. zu Art. 23 ATSG und SVR 2006 AHV Nr. 2 S. 3, H 234/04 E. 6.1
und 6.2).

2.4 Die Einsprache- und Beschwerdeberechtigung von S., bis zur Mündigkeit
ausgeübt durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, danach in eigenem
Namen, ergibt sich auch nicht daraus, dass unter der Voraussetzung von Art. 18
lit. d BVG Anspruch auf eine Waisenrente der obligatorischen beruflichen
Vorsorge nach Art. 20 BVG besteht. Ein erleichterten Voraussetzungen
unterliegender reglementarischer Anspruch auf Hinterlassenenleistungen wird
nicht geltend gemacht. Der Anspruch auf eine Waisenrente nach Art. 20 BVG fällt
nicht in den Nachlass (BGE 129 III 305 E. 2.1 S. 307;
BGE 136 V 7 S. 15
vgl. auch BGE 134 V 15 E. 2.3.3 S. 17). Wie in E. 1 (nicht publiziert)
dargelegt, präjudiziert indessen der von der IV-Stelle festgesetzte
Leistungsbeginn am 1. April 2000 den berufsvorsorgerechtlich relevanten
Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat
(aArt. 23 BVG), nicht. Dasselbe gilt somit auch in Bezug auf die für eine
Waisenrente massgebende Frage, ob der Verstorbene im Zeitpunkt des Todes
Anspruch auf eine Invalidenrente der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge
hatte. Darüber hat gegebenenfalls auf Klage hin das örtlich zuständige
Berufsvorsorgegericht nach Art. 73 BVG zu entscheiden.

2.5 Schliesslich wird zu Recht nicht geltend gemacht, die Mutter von S. sei zur
Anfechtung der Verfügungen vom 27. Februar 2006 mit Einsprache und des
Einspracheentscheides vom 22. August 2007 mit Beschwerde in eigenem Namen
berechtigt gewesen. Selbst bei gegebenem Anspruch auf Drittauszahlung der
Kinderrente (Art. 35 Abs. 4 IVG in Verbindung mit Art. 82 IVV [SR 831.201] und
Art. 71^ter AHVV [SR 831.101]; BGE 134 V 15 E. 2.3.4 S. 17) hatte sie keine
über den Auszahlungsmodus hinausgehende, den Leistungsanspruch als solchen
grundsätzlich und umfangmässig betreffende Beschwerdebefugnis (BGE 130 V 560 E.
4.2 S. 568; vgl. auch SVR 2002 IV Nr. 5 S. 11, I 245/01 E. 4b und BGE 135 V 2
E. 1.1 S. 4).
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die IV-Stelle nicht auf die Einsprache
gegen die Verfügungen vom 27. Februar 2006 hätte eintreten dürfen und die
Vorinstanz die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 22. August 2007 mit
dieser Begründung hätte abweisen müssen (vgl. BGE 129 V 289). (...)