Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 V 258



Urteilskopf

136 V 258

31. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen gegen B. (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_627/2009 vom 23. Juli 2010

Regeste

Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 20 Abs. 3 AHVV.
Art. 20 Abs. 3 AHVV ist gesetzmässig (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).
Ein in der Schweiz wohnhafter Kommanditist einer in Deutschland domizilierten
GmbH & Co. KG ist für die ihm aus der Gesellschaft zugeflossenen Einkünfte als
Selbstständigerwerbender beitragspflichtig, unabhängig davon, ob er selbst in
der Gesellschaft mitarbeitet oder ob er Einfluss auf die Geschäftsführung hat
(E. 4.8 und 5).

Sachverhalt ab Seite 259

BGE 136 V 258 S. 259

A. Der deutsche Staatsangehörige B. wohnt seit 2001 in der Schweiz. Er ist
Kommanditist der deutschen Firma X. GmbH & Co. KG. Das kantonale Steueramt
meldete am 10. Oktober 2007 und am 13. Juni 2008 im Ausland erzieltes Einkommen
aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie investiertes Eigenkapital für die
Jahre 2003 bis 2006. Mit Nachtragsverfügungen vom 1. Juli und 5. September 2008
setzte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen die Beiträge des B. für das
Jahr 2003 auf Fr. 182'721.40, für 2004 auf Fr. 266'234.80, für 2005 auf Fr.
355'480.80 und für 2006 auf Fr. 296'294.40 fest. Am 3. Juli und am 11. August
2008 verfügte sie des Weitern Verzugszinse in der Höhe von Fr. 22'345.55 und
von Fr. 66'689.75. An diesen Verfügungen hielt sie mit Einspracheentscheid vom
24. September 2008 fest.

B. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 8. Juni 2009 gut und hob den Einspracheentscheid
vom 24. September 2008 auf. Zur Begründung führte es an, der Beschwerdeführer
leiste mit seiner Beteiligung als Kommanditist der deutschen X. GmbH & Co. KG
keinen persönlichen Einsatz, der in einem relevanten Zusammenhang mit den ihm
zufliessenden Einkünften stehe. Es handle sich um blosse Vermögensverwaltung.
Der Beteiligungsgewinn komme einem Kapitalertrag gleich, auf welchem keine
sozialversicherungsrechtlichen Beiträge geschuldet seien.

C. Die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides sei der Einspracheentscheid vom 24. September 2008
zu bestätigen.
BGE 136 V 258 S. 260
Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. B. lässt auf
Abweisung der Beschwerde schliessen, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung beantragt.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Im Streit liegt, ob die in betraglicher Hinsicht nicht bestrittenen
Einkünfte des Beschwerdegegners, welche er in den Jahren 2003 bis 2006 als
Kommanditist der X. GmbH & Co. KG erzielte, als selbstständige Erwerbstätigkeit
im Sinne von Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 20 Abs. 3 AHVV (SR 831.101) zu
qualifizieren sind. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass sich die
Beitragspflicht aufgrund der Beteiligung des in der Schweiz wohnhaften und in
der Schweiz zuletzt unselbstständig erwerbstätigen Beschwerdegegners an einer
deutschen Kommanditgesellschaft allein nach schweizerischem Recht richtet (Art.
13 Abs. 2 lit. b, Art. 14a Abs. 2 und Art. 14c der Verordnung [EWG] Nr. 1408/71
des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit
auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die
innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern [SR 0.831.109.268.1] in Verbindung
mit Art. 153a Abs. 1 lit. a AHVG und mit dem am 1. Juni 2002 in Kraft
getretenen Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [Freizügigkeitsabkommen,
FZA; SR 0.142.112.681]). Vor Inkrafttreten des FZA galt das Abkommen vom 25.
Februar 1964 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (SR 0.831.109.136.1),
welches in Art. 5 eine Kollisionsregel enthalten hatte, wonach der Arbeitsort
bzw. das Erwerbsortsprinzip massgeblich gewesen waren und somit in der
vorliegenden Konstellation das deutsche Recht anwendbar gewesen war, soweit es
um die einzig strittige sozialversicherungsrechtliche Qualifikation der aus der
Beteiligung an der deutschen Kommanditgesellschaft erzielten Einkünfte ging
(Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts H 60/80 vom 27. November 1980 E. 1,
in: ZAK 1981 S. 517, und H 280/92 vom 4. August 1993, in: AHI 1994 S. 134).
Schliesslich stimmen die Beteiligten auch darin überein, dass es sich bei der
Kommanditgesellschaft X. GmbH & Co. KG nicht um eine juristische Person,
sondern um eine Personengesellschaft handelt (vgl.
BGE 136 V 258 S. 261
BAUMBACH/HOPT/MERKT, Handelsgesetzbuch [HGB], 34. Aufl. 2010, N. 1 zu § 124
HGB, N. 2 und 10 zu § 161 HGB).

2.2

2.2.1 Gemäss Art. 4 Abs. 1 AHVG werden die Beiträge der erwerbstätigen
Versicherten in Prozenten des Einkommens aus unselbstständiger und
selbstständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt. Einkommen aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in
unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt (Art. 9 Abs. 1 AHVG).
Den Begriff des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit konkretisiert
Art. 17 AHVV (in der hier anwendbaren Fassung gemäss Änderung vom 1. März 2000,
in Kraft seit 1. Januar 2001, i.V.m. Abs. 1 SchlBest. der Änderung) wie folgt:
"Als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von Artikel 9
Absatz 1 AHVG gelten alle in selbstständiger Stellung erzielten Einkünfte aus
einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, aus
einem freien Beruf, sowie aus jeder anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit,
einschliesslich der Kapital- und Überführungsgewinne nach Artikel 18 Absatz 2
DBG [SR 642.11] und der Gewinne aus der Veräusserung von land- und
forstwirtschaftlichen Grundstücken nach Artikel 18 Absatz 4 DBG, mit Ausnahme
der Einkünfte aus zu Geschäftsvermögen erklärten Beteiligungen nach Artikel 18
Absatz 2 DBG."

2.2.2 Nicht unter den Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 17 AHVV fällt die blosse Verwaltung des eigenen
Vermögens; der daraus resultierende reine Kapitalertrag unterliegt daher nicht
der Beitragspflicht. Gleiches gilt in Bezug auf Gewinne aus privatem Vermögen,
welche in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit erzielt worden
sind. Anderseits stellen Kapitalgewinne aus der Veräusserung oder Verwertung
von Gegenständen des Privatvermögens, wie Wertschriften oder Liegenschaften,
auch bei nicht buchführungspflichtigen (Einzel-)Betrieben, Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit dar, wenn und soweit sie auf gewerbsmässigem
Handel beruhen (BGE 134 V 250 E. 3.1 S. 253; BGE 125 V 383 E. 2a S. 385 mit
Hinweisen; Urteil 9C_551/2008 vom 16. Januar 2009 E. 2.1).

2.2.3 Art. 20 Abs. 3 AHVV in der ab 1. Januar 1996 in Kraft stehenden Fassung
lautet:
"Die Teilhaber von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie von anderen auf
einen Erwerbszweck gerichteten Personengesamtheiten ohne juristische
Persönlichkeit haben die Beiträge von ihrem Anteil am Einkommen der
Personengesamtheit zu entrichten."
BGE 136 V 258 S. 262
Nach der geltenden Regelung und der gestützt darauf ergangenen Rechtsprechung
sind sämtliche Teilhaber von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften für ihre
Anteile am Einkommen der Personengesamtheit der Beitragspflicht aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit unterstellt (BGE 121 V 80 E. 2a S. 82; BGE 114
V 72 E. 4 S. 75 ff.; BGE 105 V 4 E. 2 S. 7; Urteile des Eidg.
Versicherungsgerichts H 68/85 vom 25. April 1986, in: ZAK 1986 S. 459; H 233/84
vom 31. Mai 1985, in: ZAK 1985 S. 523; H 147/84 vom 15. März 1985, in: ZAK 1985
S. 316; H 60/80 vom 27. November 1980 E. 2b, in: ZAK 1981 S. 519; H 72/79 vom
8. November 1979, in: ZAK 1980 S. 222).

3.

3.1 Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich fest, dass die
deutsche X. GmbH & Co. KG eine grosse, international tätige Unternehmung mit
Sitz in Deutschland ist, in der der Beschwerdegegner im streitigen Zeitraum
2003 bis 2006 Teilhaber (Kommanditist) war, und dass diese Unternehmung einen
erwerblichen Zweck verfolgt. Ferner stellte sie fest und ist unbestritten, dass
der Beschwerdegegner weder Mitglied der Geschäftsführung noch des Beirates der
Komplementärin ist und dass ein Widerspruchsrecht der Kommanditisten
gesellschaftsvertraglich wegbedungen worden ist.
Unter Berufung auf die Angaben des Beschwerdegegners und des in den Akten
liegenden Gesellschaftsvertrags stellte die Vorinstanz sodann fest, dass bei
der Firma X. GmbH & Co. KG eine juristische Person - eine GmbH - als
Komplementärin vorgesehen sei. Die Vorinstanz erwog, dies sei nach deutschem
Recht im Unterschied zum schweizerischen Recht möglich, nach welch letzterem
die Komplementärin zwingend eine natürliche Person sein müsse (Art. 594 Abs. 2
OR). Als Folge der Ausgliederung bzw. der "Vorverschiebung" einer mit
sämtlichen Entscheidbefugnissen ausgestatteten juristischen Person (als
Komplementärin) habe der Beschwerdegegner als Kommanditist keine Möglichkeit,
Einfluss auf die Betriebsführung zu nehmen, dies nicht einmal für Handlungen,
die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgingen. Der personenbezogene Charakter
der (kleinen) Kommanditgesellschaft nach schweizerischem Recht, welcher für das
Bundesgericht in erster Linie Anlass gewesen sei, die blosse Kapitaleinlage der
Kommanditäre als Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, werde in der vorliegenden
Konstellation weitgehend in den Hintergrund gedrängt. Kapitalbezogene Elemente
der Unternehmensstruktur würden hier bei dem grossen länderübergreifenden
Firmenkonglomerat die Oberhand gewinnen. Die Stellung des Beschwerdegegners in
der
BGE 136 V 258 S. 263
Unternehmung entspreche somit im Ergebnis derjenigen eines Kapitalgebers/
Aktionärs.

3.2 Die Beschwerde führende Ausgleichskasse vertritt die Auffassung, dass kein
reiner Kapitalertrag, sondern ein beitragspflichtiger Gewinnanteil eines
Personengesellschafters vorliege. Gegen einen reinen Kapitalertrag würden nur
schon die hohen prozentualen Erträge sprechen; diese hätten im Jahr 2003 16 %,
im Jahr 2004 21 %, im Jahr 2005 24 % und im Jahr 2006 19 % betragen. Eine
Kapitalverzinsung von 16 % oder gar 24 % erscheine überhöht und könne mit einer
"normalen" Kapitalanlage ohne hohe Risiken nicht erzielt werden. Nicht nur der
Kommanditist nach deutschem Recht, sondern auch der Kommanditär nach
schweizerischem Recht dürften keinen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben,
insofern seien sich die beiden Personengesellschaften ähnlich: Kommanditär nach
schweizerischem Recht und Kommanditist nach deutschem Recht seien
gleichermassen grundsätzlich reine Kapitalgeber. Die fehlende Entscheidbefugnis
könne nicht Grund dafür sein, dass der deutsche Kommanditist anders behandelt
werde als der Kommanditär. Bei der Frage, ob Kapitalertrag vorliege oder nicht,
spiele sodann die Grösse der Unternehmung keine Rolle. Auch der Unterschied,
dass im Gegensatz zur schweizerischen Regelung betreffend die
Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht eine juristische Person als
Komplementär eingesetzt werden könne, sei nicht massgebliches Kriterium für
eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die
sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht. Dieser Unterschied sei lediglich
im Zusammenhang mit der Minimierung der Haftungsrisiken des Komplementärs als
natürlicher Person von Bedeutung.

3.3 Der Beschwerdegegner bringt vor, er sei Kapitalgeber ähnlich wie ein
Aktionär in einer AG. Die Frage der Beitragspflicht der Kommanditisten nach
deutschem Recht stelle sich erst seit Inkrafttreten der Verordnung (EWG) 1408/
71. Der Kommanditist einer deutschen GmbH & Co. KG könne nicht mit einem
Kommanditär einer schweizerischen Kommanditgesellschaft verglichen werden. Beim
Kommanditisten seien - wie auch bei der neuen schweizerischen
Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (Art. 9 und 98 ff. des
Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen
[Kollektivanlagengesetz, KAG; SR 951.31] in Kraft seit 1. Januar 2007) die
beiden Funktionen der Geschäftsführung und der Kapitalgewährung bewusst und
strikt voneinander getrennt. Er habe in der Funktion als Kommanditist keine
Möglichkeit, auf die
BGE 136 V 258 S. 264
Geschäftsführung einzuwirken und trage dementsprechend auch kein über seine
Kommandite hinausgehendes Risiko. Auch für die Eidg. Steuerverwaltung sei bei
der steuerlichen Qualifikation der Kommanditäre entscheidend, ob der
Kommanditär Einfluss auf die Geschäftsführung der Komplementärin nehmen könne
oder nicht.

4.

4.1 Art. 20 Abs. 3 AHVV ist vom Eidg. Versicherungsgericht in konstanter
Rechtsprechung als gesetzmässig betrachtet worden (BGE 131 V 97 E. 4.3.3 S.
103; BGE 105 V 8 E. 3; Urteil H 68/85 vom 25. April 1986 E. 4a mit weiteren
Hinweisen, in: ZAK 1986 S. 460; H 116/97 vom 16. September 1997). Der
Beschwerdegegner wirft nun aber die Frage der Gesetzmässigkeit von Art. 20 Abs.
3 AHVV auf. Er stellt sich auf den Standpunkt, es liege keine
"Erwerbstätigkeit" im Sinne des Gesetzes vor. Es sei nicht haltbar, dass
alleine aus seiner Eigenschaft als Kapitalgeber gestützt auf Art. 20 AHVV eine
"Erwerbstätigkeit" abgeleitet werde.

4.2 Eine Auslegung von Art. 20 Abs. 3 AHVV nach dem Wortlaut ergibt vorerst
klar, dass es sich bei der Firma X. GmbH & Co. KG um eine Kommanditgesellschaft
oder eine "auf einen Erwerbszweck gerichtete Personengesamtheit ohne
juristische Persönlichkeit" handelt. Es ist nicht ersichtlich und wird auch
nicht behauptet, dass die vorliegende Gesellschaft diese Kriterien nicht
erfüllt.

4.3 Die Entstehungsgeschichte von Art. 20 Abs. 3 AHVV zeigt Folgendes:
In der ursprünglichen Fassung von Art. 20 Abs. 3 AHVV hatten die Teilhaber von
Kollektivgesellschaften, die unbeschränkt haftenden Teilhaber von
Kommanditgesellschaften und die Teilhaber anderer auf einen Erwerbszweck
gerichteten Personengesamtheiten ohne juristische Persönlichkeit Beiträge von
dem gemäss Art. 17 lit. c AHVV berechneten Anteil am Einkommen der
Personengesamtheiten zu bezahlen. In einem 1974 ergangenen
Gesamtgerichtsentscheid (BGE 100 V 140 E. 3) präzisierte das Eidg.
Versicherungsgericht die Beitragspflicht der Kommanditäre als
Selbstständigerwerbende. Dabei wurde grundsätzlich an der bisherigen Praxis der
beitragsrechtlichen Erfassung der Gewinnanteile von Teilhabern an
Kommanditgesellschaften festgehalten. Die Rechtsprechung bezüglich der
ausnahmsweisen Beitragspflicht des Kommanditärs als Selbstständigerwerbender
sei zudem, so das Gericht damals, in dem Sinne zu bestätigen und zu
präzisieren, dass als massgebende Kriterien hiefür der
BGE 136 V 258 S. 265
Umfang der im Einzelfall bestehenden Dispositionsbefugnis und des
Geschäftsrisikos zu gelten habe. Der von der bisherigen Rechtsprechung
ebenfalls verwendete Begriff des "Einsatzes mit der Person" komme demgegenüber
lediglich die Bedeutung eines zusätzlichen Abgrenzungskriteriums zu in Fällen,
in welchen der Kommanditär ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche
Regelung eine massgebende Stellung in der Gesellschaft einnehme. Das Gericht
verkannte in jenem Entscheid im Jahre 1974 nicht, dass die bisherige Praxis mit
Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden gewesen war, die de lege ferenda eine
einfachere Regelung als wünschenswert erscheinen liessen. Weiter führte das
Gericht aus, angesichts der sich aus den Art. 17 lit. c und 20 Abs. 3 AHVV
ergebenden Ordnung, welche nicht als gesetzeswidrig erachtet werden könne, sei
es dem Gericht verwehrt, diesem Umstand durch Änderung der Rechtsprechung
Rechnung zu tragen. Bereits 1974 wurde somit die grundsätzliche
Gesetzeskonformität der Beitragspflicht von Kommanditären höchstrichterlich
festgestellt.
In der ab 1. Januar 1976 geltenden neuen Formulierung von Art. 20 Abs. 3 AHVV
hatte der Verordnungsgeber die Beitragspflicht der unbeschränkt haftenden
Teilhaber der Kommanditgesellschaft (= den Komplementären) auf alle Teilhaber,
also auf die Kommanditäre ausgedehnt (ZAK 1974 S. 446 ff., insbesondere S.
448). Die Ausweitung der Beitragspflicht auch auf die Kommanditäre, die "als
solche(r) zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft weder berechtigt noch
verpflichtet" sind (Art. 600 Abs. 1 OR), war durch die Aufsichtsbehörden in ZAK
1974 S. 448 f. wie folgt erläutert worden:
"Der Kommanditär ist Teilhaber der Kommanditgesellschaft. Das Einkommen, das
ihm als Gesellschafter zufliesst, insbesondere der Gewinnanteil, gehört deshalb
zu den aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, wie das des Komplementärs (...).
Die bisherige Regelung, wonach der nicht mitarbeitende Kommanditär lediglich
als Kapitalgeber betrachtet wird, entsprach dessen rechtlicher und
wirtschaftlicher Stellung nicht. Die Neuregelung tritt erst am 1. Januar 1976
in Kraft."
Der ab 1976 geltende Art. 20 Abs. 3 AHVV lautete:
"Die Teilhaber von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie von anderen auf
einen Erwerbszweck gerichteten Personengesamtheiten ohne juristische
Persönlichkeit haben die Beiträge von dem gemäss Artikel 17 Buchstabe c
berechneten Anteil am Einkommen der Personengesamtheiten zu entrichten."
Art. 17 lit. c AHVV verwies auf Art. 18 Abs. 2 AHVV: 6,5 % ist Grenze (in Kraft
ab 1. Januar 1992).
BGE 136 V 258 S. 266
Die seit dem 1. Januar 1996 in Kraft stehende Fassung von Art. 20 Abs. 3 AHVV
behält das Prinzip der generellen Beitragspflicht aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit gleichermassen für "die Teilhaber von Kollektiv- und
Kommanditgesellschaften sowie von anderen auf einen Erwerbszweck gerichteten
Personengesamtheiten ohne juristische Persönlichkeit" bei. Neu wird der Anteil
am Einkommen der Personengesamtheit nicht mehr in Prozentzahlen beziffert,
sondern in allgemeiner Form formuliert, wonach Beiträge "von ihrem Anteil am
Einkommen der Personengesamtheit" zu entrichten sind.

4.4 Diese Entstehungsgeschichte des Art. 20 Abs. 3 AHVV zeigt, dass seit Anfang
1976 eine generelle und konstante Beitragspflicht der Kommanditäre bestanden
hat und besteht. Grundgedanke dieser Beitragspflicht war und ist, dass der
Kommanditär - anders als ein blosser Kapitalgeber - direkt, ähnlich dem
Komplementär, am Gesellschaftsgewinn teilnimmt.

4.5 Auch aus gesetzessystematischer Sicht ergibt sich nichts Gegenteiliges:
Weder die offene Formulierung in Art. 9 Abs. 1 AHVG, wonach Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit jedes Erwerbseinkommen ist, das nicht Entgelt
für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt, noch Art. 17
AHVV, welcher die Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit näher
umschreibt, stehen Art. 20 Abs. 3 AHVV entgegen. Auch ist nicht ersichtlich,
dass Art. 18 DBG in Widerspruch stünde zu Art. 20 Abs. 3 AHVV (vgl. auch Art.
10 Abs. 1 DBG).

4.6 Schliesslich ist die Beitragspflicht der Kommanditäre auch mit dem Sinn und
Zweck von Art. 20 Abs. 3 AHVV zu begründen. Entsprechend seiner
wirtschaftlichen Stellung in der Gesellschaft nimmt der Kommanditär als solcher
direkt am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft teil. Wer sich als Teilhaber
einer Kommanditgesellschaft anschliesst, nimmt nicht in erster Linie eine
private Vermögensanlage vor (BGE 105 V 4; Urteil H 60/80 vom 27. November 1980,
in: ZAK 1981 S. 517).

4.7 Art. 20 Abs. 3 AHVV steht auch im Einklang mit dem Zivilrecht, was für die
AHV zwar nicht unbedingt ausschlaggebend, aber im Sinne der Einheit der
Rechtsordnung soweit möglich anzustreben ist. Zivilrechtlich ist man entweder
Einzelfirma oder Mitglied einer Personengesellschaft und damit
Selbstständigerwerbender; oder man ist an einer juristischen Person beteiligt
und ist dann blosser Kapitalgeber und/oder allenfalls
unselbstständigerwerbender Angestellter der
BGE 136 V 258 S. 267
juristischen Person. Erst in letzter Konstellation muss im Einzelfall geprüft
werden, wie viel als Dividende und wie viel als Lohn gemäss BGE 134 V 297, auf
den sich das kantonale Gericht beruft, zu qualifizieren ist. Es ist daher
sinnvoll, wenn der Verordnungsgeber auf die zivilrechtliche Regelung abstellt.

4.8 Die Gesetzmässigkeit von Art. 20 Abs. 3 AHVV ist vom Eidg.
Versicherungsgericht und vom Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung bejaht
worden (BGE 121 V 80 E. 2a S. 81 f.; Urteil H 167/87 vom 25. April 1988 E. 3,
nicht publ. in: BGE 114 V 72, aber in: ZAK 1988 S. 455; BGE 105 V 4; Urteile H
68/85 vom 25. April 1986 E. 4a, in: ZAK 1986 S. 460; H 147/84 vom 15. März
1985, in: ZAK 1985 S. 316; H 60/80 vom 27. November 1980 E. 2a, in: ZAK 1981 S.
519; H 72/79 vom 8. November 1979 E. 1, in: ZAK 1980 S. 223; 9C_455/2008 vom 5.
November 2008 E. 5). Das Einkommen, das Gesellschaftern einer auf Gewinn
ausgerichteten Personengesamtheit zufliesst, insbesondere der Gewinnanteil der
Gesellschaft, gilt gestützt auf Art. 20 Abs. 3 AHVV - unabhängig von einer
persönlichen Arbeitsleistung - als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit.
Vorbehalten bleiben Fälle von Rechtsmissbrauch. So hat die Rechtsprechung als
Rechtsmissbrauch den Umstand qualifiziert, dass im Rahmen der Beteiligung an
einer Kommanditgesellschaft der AHV die Funktion eines reinen
Finanzanlageobjekts zugedacht worden ist (BGE 131 V 97).

5. Nach dem Gesagten ist Art. 20 Abs. 3 AHVV gesetzmässig. Es besteht daher
kein Anlass, von der bisherigen langjährigen und konstanten Rechtsprechung
abzuweichen. Entscheidend für die Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 3 AHVV ist
damit einzig, ob es sich um eine auf einen Erwerbszweck gerichtete
Personengesamtheit ohne juristische Persönlichkeit handelt. Dies trifft für die
deutsche GmbH & Co. KG zu (E. 2.1 hievor). Es kommt daher nicht darauf an, wie
im Einzelfall die Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft sind, ob diese eine
familienbezogene Struktur hat und ob sie international tätig ist. Es braucht
auch nicht geprüft zu werden, ob die im deutschen Recht vorgesehene
Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG eine mit der schweizerischen
Kommanditgesellschaft vergleichbare Gesellschaftsform darstellt, da Art. 20
Abs. 3 AHVV nicht nur Teilhaber von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften,
sondern auch Teilhaber "von anderen auf einen Erwerbszweck gerichteten
Personengesamtheiten ohne juristische Persönlichkeit" aufführt. Wegen dem
Erwerbszweck (vgl. Art. 594 Abs. 1 OR und § 161 Abs. 1 HGB) lässt sich, wie das
BGE 136 V 258 S. 268
BSV zu Recht einwendet, auch nicht ein Vergleich mit der Kommanditgesellschaft
für kollektive Kapitalanlagen ziehen, deren ausschliesslicher Zweck die
kollektive Kapitalanlage ist (Art. 98 Abs. 1 KAG). Die Beschwerde führende
Ausgleichskasse hat daher zu Recht die Einkünfte des Beschwerdegegners in den
Jahren 2003 bis 2006 als Kommanditist der X. GmbH & Co. KG als Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit qualifiziert.